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Die ersten beiden sind im Trockenen

MV-Mitglieder bei der Einreichung des Doppelreferendums.

Die zwei Referenden gegen die Aushöhlung des Mietrechts sind eingereicht. Das nächste zeichnet sich bereits ab.

Mitte Januar hat die Allianz «Nein zur Verschlechterung des Mietrechts» zwei Referenden bei der Bundeskanzlei eingereicht. Sie wurden von je fast 80 000 Menschen unterschrieben – für ein Referendum nötig sind 50 000 gültige Unterschriften. 

Die Referenden wenden sich gegen zwei parlamentarische Vorstösse aus der Feder der Immobilienlobby. Deren Ziel ist es, das Mietrecht so abzuändern, dass Mietende einfacher aus den Wohnungen geworfen und darauf die Mieten und Renditen erhöht werden können. Die Abstimmung über die Gesetzesänderungen wird voraussichtlich in der zweiten Hälfte dieses Jahres erfolgen. 

Nächstes Referendum in Sichtweite 

Unterdessen hat die Vernehmlassung zu zwei weiteren Änderungen des Mietrechts begonnen, die in einer Vorlage zusammengefasst wurden. Die beiden parlamentarischen Initiativen stammen von Hans Egloff, dem Präsidenten des Hauseigentümerverbandes (HEV). Während die Immobilienlobby mit den oben genannten Vorstössen das Ziel verfolgt, Mietende einfacher loszuwerden, will sie in einem zweiten Schritt die Mieten maximal erhöhen können und gleichzeitig die Anfechtungsmöglichkeiten für die Mietenden massiv einschränken. 

Das Recht, einen überhöhten Anfangsmietzins anfechten zu können, ist für die Mietenden von grosser Bedeutung. Überhaupt ist es die einzige Möglichkeit, wie sie sich gegen zu hohe Mieten wehren können. Der Schutz der Mietenden vor missbräuchlichen Mietzinsen ist in der Bundesverfassung festgeschrieben (Artikel 109). Bei einer Annahme der Gesetzesänderung würde das Mietrecht nicht mehr ausreichen, um diesem Verfassungsauftrag gerecht zu werden. Der MV wird darum alles daran setzen, diese weitere Aushöhlung des Mietrechts zu verhindern – das nächste Referendum ist in Sichtweite. 

Text: Andrea Bauer

Hotline

Fabian Gloor beantwortet Ihre Fragen

Aufgepasst bei Koppelungsgeschäften 

Ich habe mich für eine Wohnung beworben, die mir sehr gefiel. Die Sache hatte allerdings einen Haken: Der vorherige Bewohner, zugleich der Eigentümer der Wohnung, verlangte von mir, dass ich ihm sein Sofa abkaufe, dies zu einem völlig überrissenen Preis. Mir kam die Sache etwas seltsam vor. Da die Wohnung aber ideal gelegen ist, unterschrieb ich trotzdem. Nun frage ich mich: Darf mich der Vermieter auf diese Weise beim Vertragsschluss unter Druck setzen, und kann ich jetzt noch etwas dagegen unternehmen? 

Was der Eigentümer Ihnen hier vorgeschlagen hat, ist ganz klar ein Koppelungsgeschäft im Sinne von Artikel 254 des Obligationenrechts (OR). Diese Bestimmung des Mietrechts hält fest, dass ein Geschäft, das in Zusammenhang mit dem Mietvertrag abgeschlossen wird, nichtig ist, wenn der Abschluss des Mietvertrags oder die Weiterführung des Mietverhältnisses davon abhängig gemacht wird. Artikel 3 der Verordnung über die Miete und Pacht (VMWG) umschreibt genauer, was unter einem Koppelungsgeschäft zu verstehen ist: «Als Koppelungsgeschäft im Sinne von Artikel 254 OR gilt insbesondere die Verpflichtung des Mieters, die Mietsache, Möbel oder Aktien zu kaufen oder einen Versicherungsvertrag abzuschliessen.» Bei der Übernahme von Möbeln liegt dann ein nichtiges Koppelungsgeschäft vor, wenn ein übersetzter Preis dafür verlangt wird. Es kann aber auch eine Rolle spielen, ob Sie unter Druck gesetzt wurden. Was bedeutet das nun in der Praxis? Gemäss Gesetz ist das «Zusatzgeschäft», das der Vermieter von Ihnen bei Abschluss des Mietvertrags verlangt, nichtig. Das heisst, Sie müssen den Kaufvertrag über das Sofa nicht anfechten. Rechtlich ist es so, als wäre er nicht zustande gekommen, und der Vermieter hat keine Handhabe, Ansprüche aus dem Verkaufsvertrag geltend zu machen. Sie dürfen das Sofa allerdings auch nicht behalten. Aber Achtung! Nicht jedes Geschäft, das zusammen mit einem Mietvertrag abgeschlossen wird, ist automatisch ein Koppelungsgeschäft im Sinne des Gesetzes. Es ist beispielsweise zulässig, Mieter*innen zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung zu verpflichten, die für Schäden aufkommt. Ebenso ist es zulässig, die Vermietung einer Wohnung an den Abschluss eines Arbeitsvertrages als Hauswart zu knüpfen. Es handelt sich dann um eine Hauswarts- oder Dienstwohnung. Es ist in engen Schranken also möglich, Mieter*innen Vereinbarungen vorzuschlagen, deren Gegenstand mit dem Gebrauch der Mietsache zusammenhängen. 


Orientierung an der Teuerung 

Gibt es Mietzinse, die statt an den Referenzzinssatz zu 100 Prozent an die Teuerung angepasst werden? 

Ja, es gibt Fälle, in denen der Mietzins nicht an den Referenzzinssatz gekoppelt ist, sondern an den Landesindex der Konsumentenpreise (LIK). Dies muss allerdings im Mietvertrag so vereinbart werden. Eine solche Vereinbarung ist nur während der Laufzeit eines Mietvertrags gültig, der während mindestens fünf Jahren nicht gekündigt werden kann. Grundsätzlich sind Mietzinsveränderungen nur auf einen Kündigungstermin hin möglich. In einem Mietverhältnis, das während fünf oder mehr Jahren nicht gekündigt werden kann, kann der Mietzins somit lange nicht erhöht werden. Weil man Vermieter*innen jedoch eine Möglichkeit zugestehen wollte, einen Kaufkraftverlust ihrer Mietzinseinnahmen zu verhindern, führte man im Gesetz die Möglichkeit ein, solche Verträge mit einer Indexklausel zu versehen. Auf diese Weise ist eine Anpassung an die Teuerung möglich, obwohl das Mietverhältnis nicht gekündigt werden kann. Fehlt hingegen eine Indexklausel, ist der Mietzins bis zum erstmöglichen Kündigungstermin unveränderlich. 

News

Paritätische Lebensdauertabelle 

Der Mieterinnen- und Mieterverband und der Hauseigentümerverband (HEV) haben die gemeinsame paritätische Lebensdauertabelle überarbeitet. Die Broschüre macht Angaben über die durchschnittliche voraussichtliche Lebensdauer einzelner Einrichtungen in Wohn- und Geschäftsräumen und wird von allen wichtigen Verbänden der Immobilien- und Versicherungsbranche zur Anwendung empfohlen. Die 80-seitige Broschüre im Format A6 kann über unsere Website bestellt werden (Mitglieder 10.80/Nicht-Mitglieder 12.80, inkl. Versandkosten). 

Neue Sonderseite des BFS 

Das Bundesamt für Statistik (BFS) hat aufgrund der zweimaligen Erhöhung des Referenzzinssatzes im letzten Jahr auf seiner Website www. bfs.admin.ch eine Sonderseite zum Thema «Mieten» eingerichtet. Unter dem Topthema «Wohnungsmieten» finden sich Erklärungen rund um den Referenzzinssatz oder statistische Erhebungen, etwa zur Entwicklung der Mietzinse in der Schweiz. 

Studie Gastfamilien 

Nach Ausbruch des Ukraine- Kriegs war die Unterbringung bei sogenannten Gastfamilien erstmals in der jüngeren Geschichte der Schweiz ein tragendes Element der offiziellen Aufnahmepolitik. Die Hochschule Luzern (HSLU) und die Berner Fachhochschule (BFH) haben diese Praxis untersucht und Mitte Januar eine Studie dazu veröffentlicht. Diese ging der Frage nach, ob und auf welche Weise die private Unterbringung es den Geflüchteten erleichterte, in der Schweiz anzukommen, und ihre soziale Integration förderte. Dazu wurden mit «Gastfamilien» und Ukrainer*innen Interviews geführt. Eine Zusammenfassung der Studie kann auf der Website www.bfh.ch heruntergeladen werden. Insbesondere zeige die Studie, dass für die Etablierung der privaten Unterbringung «eine gewisse Formalisierung, Begleitung und Klärung von Verantwortlichkeiten notwendig sind», so die Autor*innen. Dazu gehört auch ein formales Mietverhältnis mit Vertrag, wie es der Mieterinnen- und Mieterverband stets empfohlen hat.

Neue Broschüren 

Unsere beliebten Mietrechts-Broschüren wurden neu aufgelegt. Bestellt werden können sie über die Website (Mitglieder: Fr. 8.70; Nichtmitglieder: Fr. 10.80, inkl. Versandkosten). Download – Mitglieder: kostenlos, Nichtmitglieder: Fr. 5.– 

1. Abschluss eines Mietvertrags – Worauf Sie achten sollten, 40 Seiten. 

2. Mängel an der Mietsache – Wie Sie die Behebung von Schäden und Mängeln durchsetzen, 40 Seiten. 

3. Heiz- und Nebenkosten – Damit Sie nur das bezahlen, was Sie wirklich müssen, 40 Seiten. 

4. Mietzinssenkung bei Veränderung des Referenzzinssatzes – Musterbriefe und Checklisten, 32 Seiten. 

5. Mietzinserhöhung – Stimmt der Mietzins? 28 Seiten 

6. Gemeinsam Wohnen/Untermiete – Wie Sie eine Untermiete korrekt regeln, 20 Seiten. 

7. Kündigung – Beilage: Kündigungsformular, 36 Seiten. 

8. Ausserterminlicher Auszug – Musterbriefe, Beilage: Formular für Mietinteressent*innen, 28 Seiten. 

9. Problemlos zügeln, Umzug ohne Stress – mit Checkliste, 40 Seiten. 

10. Auszug und Einzug – mit Mängelliste, 36 Seiten. 

Energie sparen in der Küche 

Die Küche ist der Ort mit der höchsten «Gerätedichte» der Wohnung. Darunter sind viele Apparate, die richtig viel Energie verbrauchen. 

In der Küche verbringen wir viel Zeit. Am Morgen brauchen wir den Toaster, den Stabmixer und die Kaffeemaschine, am Abend dämpfen wir auf dem Kochherd den Lauch in der Pfanne und schalten die Dunstabzugshaube an. Später soll die Lauchwähe im Backofen schön braun werden. Und zum Geniessen holen wir ein kühles Getränk aus dem Kühlschrank … Bei der Zubereitung von Essen wird also richtig viel Energie verbraucht. Schauen wir uns einige der wichtigsten Geräte und Kochmethoden an. 

1. Elektrische Wasserkocher sind handlicher, schneller und energiesparender als die Pfanne auf dem Herd. Dank ihnen kann der Energieverbrauch um bis zu 50 % reduziert werden. Effiziente Wasserkocher finden sich unter www.topten.ch/ wasserkocher

2. Die elektrische Kaffeemaschine sollte nebst einem tiefen Stromverbrauch auch die vorgeschriebene Abschaltfunktion haben. Durch das automatische Abschalten der Kaffeemaschine können rund 60% Strom eingespart werden (www.topten.ch/kaffeemaschinen).

3. Beim Backofen gilt: Die Umluft-Funktion nutzen statt Ober-und Unterhitze; Vorheizen im Backofen ist nicht nötig. Beides spart 15 bis 20 % Strom. Energie spart man weiter, indem man den Backofen fünf Minuten vor Backende ausschaltet und so die Restwärme nutzt (www.topten.ch/backoefen). 

4. Die Dunstabzugshaube ist ein wichtiger Bestandteil jeder Küche. Sie beseitigt Feuchtigkeit und Gerüche beim Kochen. Die energieeffizientesten Hauben, die auch eine hohe Fettfilterleistung haben, finden sich unter www.topten.ch/dunstabzugshauben

5. Induktionsherde: Da Induktion die energieeffizienteste Kochmethode ist, werden von Topten ausschliesslich Induktions-Kochfelder gelistet. Für elektrische Kochfelder gibt es in der Schweiz Mindestanforderungen hinsichtlich der Energieeffizienz, aber es gibt (noch) keine Energieetikette (www.topten.ch/kochfelder).

6. Die grössten Stromverbraucher in der Küche sind Kühlschränke und Tiefkühler. Sie sind 24 Stunden pro Tag in Betrieb, weshalb es besonders wichtig ist, ein gutes, effizientes Gerät zu haben. Die besten finden Sie unter www.topten.ch/gefriergeraete und www.topten.ch/kuehlschraenke

7. Häufig im Einsatz ist auch der Geschirrspüler. Nutzen Sie die vorhandenen Energiesparprogramme und lassen Sie ihn nur voll beladen laufen. Die effizientesten Geräte finden Sie unter www.topten.ch/geschirrspueler

Weitere Energiespartipps beim Kochen 

Nicht nur effiziente Geräte sind entscheidend. Auch richtige Kochmethoden tragen zum Energiesparen bei. Beispiel Pfannen: Beim Kochen ist die Topfgrösse passend zur Herdplatte zu wählen; Isolierpfannen und Dampfkochtopf reduzieren gegenüber nicht isolierten Pfannen den Stromverbrauch um bis zu 60 %! Schneiden oder brechen Sie das Kochgut in kleine Teile, so dauert das Garen weniger lang. 

Tauen Sie gefrorene Speisen im Kühlschrank auf; die Kälte bleibt so im Kühlschrank. Ausserdem verkürzen bereits aufgetaute Speisen die Back- oder Kochzeit um zirka die Hälfte. 

Gut zu wissen: Der Dunstabzug zieht viel Heizwärme aus der Wohnung, deswegen nur so lange nutzen, wie er wirklich benötigt wird. Gefrierschränke setzen mit der Zeit Eis im Inneren an. Dies verringert die effiziente Kühlung. Tauen Sie das Gefriergerät daher regelmässig ab, vorzugsweise an kalten Tagen, wenn man das Gefriergut auf dem Balkon zwischenlagern kann. 

Text: Stefan Hartmann, Topten

Der Referenzzinssatz steigt schon wieder 

Am 1. Dezember wurde der Referenzzinssatz nochmals erhöht, womit er jetzt bei 1,75 % liegt. Viele Mieter*innen erhalten nun eine Mietzinserhöhung – manche bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr. Das können Sie tun. 

In vielen Fällen lohnt es sich, eine Mietzinserhöhung anzufechten. Das zeigt eine Auswertung des Mietzinsrechners von der Website des Mieterinnen- und Mieterverbands: Von den rund 60 000 Personen, die den Rechner in den Wochen nach der Erhöhung vom 1. Juni nutzten, erhielten 50 Prozent eine Anfechtungsempfehlung. 

Von denjenigen, die daraufhin den neuen Mietzins tatsächlich anfochten, waren mehr als 70 Prozent damit erfolgreich. Das zeigt eine nachträgliche Umfrage unter den Nutzer*innen des Mietzinsrechners. Sie konnten die Erhöhung entweder ganz abwenden oder zumindest spürbar vermindern – sei dies im Gespräch mit der Vermieterschaft oder vor der Schlichtungsbehörde. 

Dank dem Rechner und den Anfechtungsdokumenten, die dieser auf Wunsch erstellt, konnten sich viele Mieter*innen selber weiterhelfen. Aber auch bei den MV-Sektionen liefen die Drähte heiss und es wurden deutlich mehr Beratungen durchgeführt als üblich (lesen Sie dazu unser Interview). 

Weitere Erhöhung am 1. Dezember 

Wie bereits vielfach vorausgesagt, ist der Referenzzins am 1. Dezember nun nochmals um ein Viertelprozent angestiegen. Falls Sie jetzt eine Mietzinserhöhung erhalten, empfehlen wir Ihnen wiederum, diese mit dem Mietzinsrechner zu überprüfen. Auf Wunsch wird Ihnen dort auch gleich ein personalisiertes Anfechtungsschreiben an die zuständige Schlichtungsbehörde erstellt. 

Auch diesmal gilt: Warten Sie nicht zu lange! Sie haben 30 Tage Zeit, die Mietzinserhöhung anzufechten, danach gilt der neue Mietzins – und ist die Grundlage für allfällige weitere Erhöhungsrunden. 


Massiver Anstieg bei Schlichtungen 
Im ersten Halbjahr 2023 wurden im Miet- und Pachtwesen rund 17 500 neue Verfahren eingeleitet, das sind 42 Prozent mehr als in den vorangegangenen sechs Monaten. Dies hat das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) Ende November bekannt gegeben. In gewissen Kantonen verdoppelten sich die Fälle sogar, etwa in Zürich, Luzern, Uri und Schwyz. Die starke Zunahme stehe wahrscheinlich in Zusammenhang mit dem Anstieg des Referenzzinssatzes vom Juni, mutmasst das BWO. 

Trotz hängigem Verfahren anfechten! 

Falls Ihr Verfahren aus der ersten Referenzzinserhöhung noch hängig ist, sollten Sie auch die zweite Erhöhung unbedingt innert der 30-tägigen Frist bei der Schlichtungsbehörde anfechten. Diese könnte so gleich beide Mietzinserhöhungen in derselben Verhandlung überprüfen. Ohne Anfechtung riskieren Sie hingegen, dass die zweite Erhöhung ihre volle Wirkung entfaltet und Sie ab dem nächsten Kündigungstermin den höheren Mietzins bezahlen müssen. Und zwar selbst dann, wenn die Schlichtungsbehörde anlässlich der Verhandlung bezüglich der ersten Mietzinserhöhung zum Ergebnis kommt, dass diese nicht zulässig war. Das Gleiche gilt, wenn die Anfechtung bei der Schlichtungsbehörde zu keinem Ergebnis geführt hat und das Verfahren an ein Gericht weitergezogen wurde. 

Darum noch einmal: Fechten Sie die zweite Mietzinserhöhung trotz hängigem Schlichtungs- respektive Gerichtsverfahren umgehend an. Achtung: Falls Ihr Verfahren vom Juni noch hängig ist, können Sie unseren Mietzinsrechner für die zweite Anfechtung NICHT benützen. Dies aus folgendem Grund: Wegen der Anfechtung der ersten Erhöhung steht die Grundlage für die Berechnung der zweiten Mietzinserhöhung noch gar nicht fest.

Lesen Sie dazu auch: Nachgefragt – Meine Miete soll wegen des gestiegenen Referenzzinssatzes erhöht werden. Kann ich mich mit dem Argument dagegen wehren, durch die Erhöhung überschreite der Mietzins die gesetzlich zulässige Höhe? 

Autorin: Andrea Bauer

Jetzt kommt die Abstimmung 

Geschafft! Die zweimal 60 000 Unterschriften sind beisammen.

Nach nur der Hälfte der Sammelzeit ist das Doppel-Referendum gegen den Angriff auf das Mietrecht beisammen. Nun haben die Stimmberechtigten das letzte Wort. 

Am 29. September sagte eine Mehrheit von National- und Ständerat Ja zu zwei Vorstössen aus Immobilienkreisen, die auf eine Aushöhlung des Mietrechts abzielen. Noch am gleichen Tag beschloss unser Verband, ein Doppelreferendum zu ergreifen. Zahlreiche Menschen in der ganzen Schweiz sind seither auf die Strasse gegangen und haben Unterschriften gesammelt. Nach nur sieben Wochen waren die je nötigen 60 000 Unterschriften gesammelt. 

Noch mehr Rendite 

Die zwei Vorstösse sind Teil einer ganzen Serie, mit der die Immobilienlobby im Parlament seit Jahren versucht, das Mietrecht zu schwächen. Ihr Ziel ist klar: Eigentümer*innen sollen noch mehr Renditemöglichkeiten erhalten. Der Weg dahin ebenso: Kündigungen sollen leichter möglich sein, damit bei Neuvermietungen die Mietzinse erhöht werden können. 

Die ersten zwei Vorstösse – gegen die wir nun erfolgreich das Referendum ergriffen haben – setzen beim Eigenbedarf respektive bei der Untermiete an, wo es gemäss den Initianten im Mietrecht dringenden Handlungsbedarf geben soll. Beide Änderungen sind absolut ungerechtfertigt und unverhältnismässig. Wer als Vermieter*in wirklich in der eigenen Wohnung wohnen will, kann diese schon heute problemlos für sich beanspruchen. Und auch die Untermiete ist im Gesetz bereits klar und ausreichend geregelt. 

Gegen die nun drohende Schlechterstellung der Mietenden wehrt sich der Mieterinnen- und Mieterverband zusammen mit einer Allianz bestehend aus SP und Grünen, dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund SGB und Travail Suisse sowie dem Studierendenverband VSS und der Demokratie-Plattform WeCollect. 

Unterschriftensammeln am Herbstmärt in Freienbach: Andreas Marty
und Harald Stockmaier, Präsident- bzw. Geschäftsführer des MV Schwyz.

Einreichung am 16. Januar 

Auch wenn die nötigen Unterschriften bereits beisammen sind: Wir sammeln weiter und zeigen damit, wie viele Menschen sich gegen die beiden Vorstösse der Immobilienlobby wehren. Wollen auch Sie uns unterstützen? Unterschreiben Sie jetzt unter www.mietrechts-angriff-nein.ch das Doppel-Referendum (sofern Sie dies nicht schon getan haben), lassen Sie am besten gleich noch ein paar weitere Personen unterschreiben und schicken Sie die Unterschriften umgehend zurück. Am 16. Januar reichen wir die Referenden ein, der Mieterinnen- und Mieterverband lädt alle herzlich dazu ein. 

Treffpunkt 10.15 Uhr, Bundeshaus West, Einreichung 11 Uhr 

Übrigens: Während wir noch für die ersten beiden Referenden sammelten, beschloss die Rechtskommission des Nationalrats Mitte November, zwei Vorstösse von SVP-Alt-Nationalrat und HEV-Präsident Hans Egloff weiterzuverfolgen, die zu einer weiteren Mietzins-Explosion beitragen würden. Wir halten Sie auf dem Laufenden … 

Autorin: Andrea Bauer

Nichts mehr zu schräubeln 

Illustration: Patric Sandri

Die steigenden Kosten beim Wohnen und der Mangel an bezahlbaren Wohnungen verstärken schweizweit die sozialen Probleme. Der Bund delegiert Verantwortung und Kosten an die Kantone. SKOS und Caritas schlagen Alarm.

60 Franken mehr für die Wohnung, 50 Franken zusätzlich für den Strom und das Heizen und nochmals 120 Franken für die Krankenkasse aller Familienmitglieder, dazu ebenfalls teuerungsbedingt höhere tägliche Ausgaben beim Essen – das kann eine Person oder eine ganze Familie finanziell an den Rand bringen. Und genau das passiert jetzt. Die steigenden Kosten haben für unzählige Menschen dramatische Folgen. Jene, die schon zuvor kaum Reserven im Budget hatten, haben jetzt nichts mehr zu schräubeln.

Ohne Reserven, Freunde oder eine zugewandte Familie wird es unter diesen Umständen auch schwierig, die Miete zu bezahlen. Unser Gesetz ist dann gnadenlos: Bei Nichtbezahlung kann die Vermieterin eine Zahlungsfrist von 30 Tagen ansetzen und die Kündigung androhen. Wird die Miete innerhalb dieser Zeit nicht beglichen, kann sie mit einer weiteren Frist von 30 Tagen auf das Ende eines Monats kündigen. 

Hilfe wird zunehmend schwieriger 

Bei den Caritas-Beratungsstellen klopfen immer mehr Menschen an, die zu wenig verdienen, um noch alle Rechnungen bezahlen zu können – aber zu viel, um Sozialhilfe zu erhalten. Hilfe suchen auch Leute, die Sozialhilfe erhalten, aber deren Wohnung mit der Mietzinserhöhung zu teuer geworden ist. In vielen Gemeinden ist die Sozialhilfe streng beim Einhalten der sogenannten Mietzinslimite, Betroffene müssen die Differenz aus dem Geld, das ihnen fürs Essen bleibt, stemmen. Ferner suchen auch Menschen die Beratungsstellen auf, deren günstige Wohnung abgerissen wird und die seit Monaten vergeblich eine andere bezahlbare suchen. 

Caritas Zürich betreibt zur Unterstützung bei der Wohnungssuche das Mentoring-Projekt «Wohnfit» – aber wer einen Eintrag im Betreibungsregister hat, kann sich da nicht anmelden. Die privat organisierte Anlaufstelle «Hilfe bei der Wohnungssuche» berät auch diese Personen. Jeden Mittwoch empfangen Marie- Louise Fridez und weitere Freiwillige im Kafi Klick in Zürich Menschen, die es bei der Suche besonders schwer haben – sei es, weil ihr Deutsch nicht ausreicht, um einen überzeugenden Bewerbungsbrief zu schreiben, oder weil sie keinen Computer haben, mit dem sie einen solchen Brief schreiben könnten.

«Inzwischen können wir nur noch ganz wenigen wirklich helfen, weil es schlicht kaum noch bezahlbare Wohnungen gibt.» Trotzdem machen sie weiter. Und es kommen immer mehr Menschen, die Hilfe benötigen. Fridez sagt: «Unsere Arbeit füllt eine Lücke. Das kann aber kein Dauerzustand sein – die Politik muss sich darum kümmern.» Sie lernt immer wieder Menschen kennen, die sich verschulden, um die Miete oder die Krankenkasse oder beides bezahlen zu können. «Aber dann haben sie bei der Wohnungssuche noch mehr Probleme.» 

Meilenweit von Unterstützung entfernt 

Hilfsangebote wie jenes von Marie-Louise Fridez oder auch «Wohnfit» von Caritas Zürich – bei Caritas Aargau gibt es ein ähnliches Projekt namens «Wohnstart» – sind beinahe einzigartig für die Deutschschweiz. Die Wohnkrise schreitet allerdings überall im Land voran. Immer mehr Menschen können sich das Grundlegendste – Wohnen, Essen und Gesundheit – nicht mehr vorbehaltlos leisten. 

Betroffen sind auch Erwachsene, die im Berufsleben stehen und Kinder haben. Es sind sogar gerade sie, denn «die im unteren Einkommensbereich sind immer noch meilenweit davon entfernt, Unterstützung zu erhalten», sagt Andreas Lustenberger, Geschäftsleitungsmitglied von Caritas Schweiz. Lustenberger nennt ein typisches Beispiel: eine 4-köpfige Familie, zwei Erwachsene und zwei Kinder. Die Eltern arbeiten mit einem Pensum von 150 Prozent – er 80 Prozent in der Gastronomie, sie 70 Prozent in der Pflege. Einen kleinen Teil der Kinderbetreuungsaufgaben deckt die Kita ab. Mit ganz normalen Lebenshaltungskosten kommen sie in einem durchschnittlichen Kanton auf Ausgaben von rund 6000 Franken im Monat für die ganze Familie. Sozialhilfeberechtigt wären sie nur, wenn sie zusammen weniger als 3900 Franken Einnahmen hätten. Sie verdienen also quasi 2100 Franken «zu viel», um überhaupt Unterstützung zu erhalten. Genau in dieser Spanne dazwischen gebe es viele mit Kindern, weil sie wegen der Betreuung die Pensen reduziert haben.

Genau das, sagt Andreas Lustenberger, seien «die Leute, die jetzt in eine Krise kommen». Wenn schon 6000 Franken für eine Familie kaum reichen – wie sollen sie da mehrere hundert Franken mehr fixe Kosten stemmen können? «Wir sehen, dass Menschen bei steigenden Wohnkosten bei der Gesundheit, dem Essen oder bei Kursen für die Kinder sparen», sagt der Wirtschaftsgeograf. 

Ein Vorschuss würde reichen 

Das ist auch in den Bergkantonen nicht anders. Im Oberwallis erlebt die Sozialarbeiterin Jasmine Gnesa, dass immer mehr Menschen keine Anschlusslösung haben, wenn sie ihre Wohnung verlieren. «Früher kam es einmal im Jahr vor, dass wir jemanden in einem Hotel unterbringen mussten – inzwischen sind es viele mehr», erzählt sie. 

Jasmine Gnesa hat sich im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit vertieft mit der Wohnproblematik auseinandergesetzt und sieht viele Lücken im Schweizer System, angefangen bei Zahlen und Statistiken. Als eine Konsequenz daraus fehlten Strategien und Mittel, um mit den Schwierigkeiten umzugehen, sagt sie. 

So könne man den Menschen beispielsweise oft erst zu spät helfen, nämlich wenn sie die Wohnung bereits verloren haben: «Man muss zuerst in die Sozialhilfe fallen, um Anrecht auf Unterstützung zu haben.» Dabei würde vielen bereits ein Vorschuss von einer Monatsmiete helfen, um die Wohnung behalten zu können. Und dass die Sozialhilfe mit der Vermieterschaft reden würde, sagt sie. Denkbar wäre auch eine Bürgschaft, wie sie die Stiftung Domicil in Zürich oder Immo Solidaire im Wallis übernimmt – alles mit dem Ziel, Wohnungs-und Obdachlosigkeit zu vermeiden. Aus ethischen Gründen – und ganz einfach auch, weil Notunterkünfte in Hotels die öffentliche Hand x-fach stärker belasten als Zuschüsse, damit jemand die Wohnung behalten kann. 

«Beim Wohnen gibt es nichts» 

Aber diese Unterstützung fehlt im ganzen System – was Jasmine Gnesa nicht versteht. Sie sagt: «Vergleichen wir doch mal mit der Arbeitsvermittlung. Da gibt es Fachstellen, Beratungen, Integrationsangebote – das Angebot ist riesig! Und beim Wohnen? Da gibt es nichts.» Was sie vermisst, ist ein Wohnhilfesystem mit Fachstellen und Vermittlungen. «Wichtig wäre dabei die Unterstützung, bevor die Menschen ihre Wohnung verlieren», sagt sie. 

Das praktisch gänzliche Fehlen von Wohnhilfe-Angeboten habe mit den rechtlichen Grundlagen im Land zu tun, konkret: Mit dem Fehlen einer staatlichen Pflicht, das Recht auf Wohnen sicherzustellen. Dieses Recht sei viel zu wenig klar definiert. Deshalb muss sie «Recht auf Wohnen» gleich selber wieder relativieren: «Unsere Gesetzesgrundlage ist diesbezüglich höchst unpräzise, und damit fängt das ganze Problem an: Es gibt zwar in der Bundesverfassung den Artikel 12. Aber ein eigentliches ‹Recht auf Wohnen› oder auf Wohnhilfe ist dort nicht festgeschrieben. Das wird auf die Kantone abgeschoben.» 

Für Jasmine Gnesa zeigte sich im Rahmen ihrer Untersuchung deutlich: Dass das Grundrecht auf Wohnen hierzulande so unpräzise formuliert ist, hat zur Folge, dass den damit verbundenen wachsenden sozialen Problemen nicht Einhalt geboten werden kann. Denn es werden noch nicht einmal Zahlen dazu erhoben, es gibt schlicht keine Statistiken. Man braucht nicht Ökonomin zu sein, um zu verstehen: Wo keine Zahlen, da keine Fakten. Gnesa sagt: «Die Politik sieht das Problem nicht.» 

Und die Zuständigkeiten seien – nicht zuletzt dadurch – nicht klar. Jasmine Gnesa: «Muss der Kanton Mandate erteilen und den Leistungsvertrag anpassen? Müssen die Gemeinden handeln, beispielsweise mit Notunterkünften? Oder muss zuerst der Sozialdienst Beratungsprozesse anpassen? Niemand fühlt sich zuständig, und dadurch sieht sich niemand gezwungen zu handeln.» Somit «koche jeder in seiner Küche» und eine Zusammenarbeit im Rahmen eines gelingenden Wohnhilfesystems in der Region sei nicht möglich. 

Obdachlosigkeit nimmt zu 

Dass die Politik das Problem nicht sieht, wie Jasmine Gnesa sagt, dürfte sich in nächster Zeit ändern. Denn die Obdachlosigkeit nimmt zu. Gemäss einer aktuellen Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) waren zum Zeitpunkt der Untersuchung landesweit etwa 2200 Menschen obdachlos, weitere 8000 vom Verlust der Wohnung bedroht. Die Studie wurde im Auftrag des Bundesamtes für Wohnungswesen verfasst. 

Unterdessen hat die Stadt Bern bekannt gegeben, dass die Zahl Obdachloser stark angestiegen sei. Viele von ihnen litten an psychischen Erkrankungen, heisst es. Die Stadt baut die Obdachlosenhilfe nun aus und passt sie den neuen Gegebenheiten an. 

Es gibt viele Gründe für Obdachlosigkeit. Immer häufiger stecke der Druck des Wohnungsmarktes dahinter, sagt Markus Kaufmann, Geschäftsführer der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS): «Er bewirkt, dass Leute, die bisher in Nischen noch Wohnraum gefunden haben, diesen jetzt verlieren. Auch Leute, die die Miete nicht mehr bezahlen können, sind von Obdachlosigkeit bedroht. Denn bei ihnen kommt es zur Zwangsvollstreckung.» 

Die Wissenschaftler*innen der FHNW kamen unter anderem zum Schluss, dass Obdachlosigkeit durch niederschwellige Wohnangebote verhindert oder bekämpft werden kann und dass ein Ausschluss aus der Gesellschaft frühzeitig verhindert, aufgefangen oder gemildert werden sollte. Das unterstreicht Jasmine Gnesas Forderungen nach sozialer Unterstützung von Menschen, die nicht bei der Sozialhilfe angemeldet, aber vom Verlust ihrer Wohnung bedroht sind. Auch Markus Kaufmann von der SKOS sagt: «Wir hoffen immer, dass die Leute zur Sozialhilfe kommen, bevor sie die Wohnung verlieren. Denn jemanden zu unterstützen, der keine Wohnung mehr hat, ist noch schwieriger.» 

Illustration: Patric Sandri

Angst vor den kommenden Jahren 

Bei Caritas ist man besorgt, dass die Zahl der auf Hilfe Angewiesenen 2024 nochmals stark steigen wird – wegen der dann abermals ansteigenden Miet- und Nebenkosten: Um bis zu 15 Prozent, so rechnet das Bundesamt für Wohnungswesen, wird sich das Wohnen bis ins Jahr 2026 wohl durchschnittlich verteuern. «Viele Leute, die bei uns in die Beratung kommen, sind extrem nervös und haben Angst», erzählt Aline Masé, Leiterin Grundlagen und Fachstelle Sozialpolitik bei Caritas Schweiz, «auch wir haben grosse Angst davor, was die steigenden Mieten fürs nächste Jahr bedeuten.» Sie hat Einblick in Budgets und sieht, wie viele «auf null austariert oder bereits im Minus» sind. Sie sagt: «Es verträgt eigentlich schon jetzt nichts mehr. Und eine günstigere Wohnung muss man erst einmal finden.» Viele würden schon jetzt beim Essen und der Gesundheit sparen, um die Miete bezahlen zu können: «Der Budgetposten Wohnen und Energie macht im untersten Einkommensfünftel ein Drittel des Bruttoeinkommens aus.» 

Auch Markus Kaufmann von der SKOS sagt: «Wenn die Mieten derart steigen, gibt es mehr Working Poor.» Also mehr Menschen, die von dem, was sie verdienen, nicht mehr leben können. Das falle zuerst in der Sozialhilfe auf, die eine Seismographenfunktion für die sozialen Probleme habe. Die steigenden Wohnkosten, sagt auch Aline Masé von Caritas Schweiz, würden bald schon zum grössten sozialpolitischen Problem werden: «Bis in den Mittelstand hinein. Es muss jetzt schnell etwas passieren.» 

Schnelle Hilfe wäre nötig 

Für kurze Zeit schien es, als habe der Bundesrat den Ernst der Lage erkannt. Wohnminister Guy Parmelin (SVP) lud zum runden Tisch, um die Wohnkrise in den Griff zu bekommen. Aber die Enttäuschung ist nach dem kürzlichen zweiten Treffen, an dem die Immobilienseite erneut deutlich in der Überzahl war, gross aufseiten der Mieter*innen und derer, die sie dort vertraten. Parmelin schlägt preisdämpfende Massnahmen vor, aber erstens lösen diese das systemische Problem nicht und zweitens bringt er die Vorschläge erst im Sommer 2024 in die Vernehmlassung (vgl. Bundesrat will etwas dämpfen). 

Was schneller wirkt, ist die sogenannte Subjekthilfe: Man unterstützt die Mieter*innen beim Bezahlen der Wohnkosten. In der Fachsprache heisst das Instrument «Individuelle Wohnbeihilfen». Weil der Bund die Verantwortung aber an die Kantone delegiert hat, ist es Glückssache, ob Armutsbetroffenen in ihrer teuerungsbedingten Wohnnot geholfen wird. Die SKOS zählt in einem Grundlagenpapier, das sie im September angesichts der sich verschärfenden Wohn- und Sozialkrise zusammen mit einer Pressemitteilung («SKOS sieht dringenden Handlungsbedarf beim Thema Wohnen») veröffentlicht hat, auf: Im Kanton Basel- Stadt gibt es unter bestimmten Voraussetzungen Familienmietzinsbeiträge für Haushalte mit mindestens einem Kind. Im Kanton Baselland existieren ebenfalls Mietzinsbeiträge für armutsbetroffene Familien und Alleinerziehende. Der Kanton Genf sowie verschiedene Gemeinden im Kanton Waadt kennen eine «allocation de logement». Die Mieterschaft kann diese erhalten, wenn der Mietzins eine zu hohe Belastung für ihr Einkommen und Vermögen darstellt und sie bestimmte Kriterien erfüllt. In den Städten Zürich und Luzern wiederum wurden im Zuge der steigenden Energiepreise diesbezügliche Zuschüsse eingeführt. 

Die Alarmglocke geläutet 

Die SKOS appelliert auch an die Eigentümer*innen von Mietliegenschaften: Sie sollen doch bitte davon absehen, die aufgrund der Hypothekarzinserhöhungen möglichen Mietzinsanpassungen voll auszuschöpfen. Der Bund, die Kantone und Gemeinden sollten ihre Massnahmen zur Förderung von bezahlbarem Wohnraum weiter ausbauen, mit der Betonung auf «bezahlbar», wie Markus Kaufmann sagt. In ländlichen Regionen gibt es beispielsweise noch kaum Wohnbaugenossenschaften, in den Städten können diese wegen der hohen Bodenpreise kaum noch wachsen. 

Aline Masé von Caritas Schweiz erachtet auch Vorgaben bei baulichen Verdichtungsprojekten und weitere Massnahmen gegen die Verdrängung, wie sie der Mieterinnen- und Mieterverband vertritt, als unumgänglich. Und sie plädiert für Ergänzungsleistungen für alle, die elementare Ausgaben nicht mehr stemmen können – eine Art Grundeinkommen, aber mit Bedingungen. 

Weil das alles Zeit braucht, kommt man jetzt um schnelle Massnahmen, die den Betroffenen direkt helfen, nicht herum. Bei den Limiten, die für die Mieten von Menschen in der Sozialhilfe gelten, appelliert die SKOS deshalb eindringlich an die Gemeinden, diese weniger streng zu handhaben. Ja, mit ihrem kürzlichen wohnpolitischen Appell habe die SKOS Alarm schlagen wollen, bestätigt ihr Geschäftsführer, denn: «Die Lage ist ernst.» 

Autorin: Esther Banz

Bundesrat will «etwas dämpfen»

Parmelins runder Tisch zur Wohnungsknappheit

Der Bundesrat will mietzinsdämpfende Massnahmen ergreifen. Seine konkreten Vorschläge wären aber praktisch wirkungslos – und kämen erst noch viel zu spät. 

Die erneute Erhöhung des Referenzzinssatzes vom 1. Dezember führt für viele Haushalte zu einer zusätzlichen finanziellen Belastung. Denn nach den Heizkosten und den Krankenkassenprämien werden nun nochmals viele Mieten steigen. 

Mit Blick auf eine mögliche Erhöhung forderte der Mieterinnen- und Mieterverband darum den Bundesrat Mitte November auf, die Überwälzung des Referenzzinssatzes auf die Mieten vorläufig auszusetzen. 

Gleichzeitig forderte der Verband konkrete Vorschläge dazu, wie missbräuchliche Mietzinserhöhungen verhindert werden können. Bereits heute basieren viele Mieten auf missbräuchlichen Renditen, folglich sind auch deren Erhöhungen missbräuchlich. 

Bundesrat macht eigene Vorschläge 

Der Bundesrat hat bis Redaktionsschluss zwar keine Stellung zu den Forderungen bezogen. Immerhin beschäftigte er sich an einer Sitzung Ende November mit «der Problematik der steigenden Mieten» und beschloss, «mit gezielten, kurzfristig umsetzbaren Massnahmen einen Beitrag zu leisten, um diese Entwicklung etwas zu dämpfen», wie einer Medienmitteilung zu entnehmen ist. 

Konkret wurde das Departement von Bundesrat Guy Parmelin damit beauftragt, für Sommer 2024 eine Vernehmlassung vorzubereiten und wissenschaftlich überprüfen zu lassen, ob das geltende Modell für Mietzinsanpassungen noch zeitgemäss ist. In die Vernehmlassung geschickt werden vier mögliche Massnahmen.

Zwei davon würden die Möglichkeiten bei der Mietzinserhöhung etwas einschränken. Die anderen beiden für mehr Transparenz auf den Formularen sorgen, die bei einer Mietzinserhöhung respektive bei der Mitteilung des Anfangsmietzinses an die Mietenden abgegeben werden müssen. Letzteres gilt aktuell nur in sieben Kantonen. 

Selbst wenn die Massnahmen sinnvoll wären: In Kraft treten würden sie viel zu spät.

Marginale Wirkung auf Mieten 

Gut, macht der Bundesrat endlich etwas gegen die steigenden Mieten, könnte man nun denken. Schaut man die Massnahmen aber etwas genauer an (oder fragt eine*n Mietrechtler*in), zeigt sich schnell: Das macht den Braten auch nicht feiss. Auf das Mietzinsniveau hätten die vorgeschlagenen Massnahmen, sollten sie dereinst tatsächlich umgesetzt werden, nämlich nur eine sehr marginale Wirkung. Wenn die Teuerung statt zu 40 nur noch zu 28 Prozent auf die Miete überwälzt werden darf, senkt das eine Miete monatlich gerade einmal um einen einstelligen Frankenbetrag. 

Und selbst wenn die vorgeschlagenen Massnahmen sinnvoll wären: In Kraft treten würden sie frühestens 2025, das ist viel zu spät. Auf die nun anrollenden Mietzinserhöhungen haben sie null Auswirkungen. Schliesslich noch zu den Vorschlägen des Bundesrats, durch mehr Angaben auf Formularen für mehr Transparenz zu sorgen: Transparenz ist gut. Aber mit Transparenz allein senkt man leider noch keine Mieten. Seine Miete senkt man hierzulande in den meisten Fällen dadurch, dass man sie als Mieter*in vor der Schlichtungsstelle anficht. Doch diese Hürde ist hoch – für viele zu hoch. 

Autorin: Andrea Bauer

Wenn Paare zusammenziehen

Für viele Paare ist die erste gemeinsame Wohnung ein wichtiger Schritt. Ein klarer Blick auf die Konsequenzen eines gemeinsamen Mietvertrags ist trotz rosaroter Brille unabdingbar. 

Sandra Haas und Franziska Bär sind ein Paar. Während Haas eine grosszügige 3-Zimmer-Wohnung in Zürich bewohnt, haust Bär noch immer in einer Studi-WG in Bern. Dort teilt sie die Wohnung mit Horst Fuchs. Nach erfolgreichem Abschluss des Studiums hat Bär vor kurzem eine Stelle in Zürich gefunden. Die Suche nach einer preisgünstigen Wohnung in Zürich verläuft allerdings harzig. Deshalb bietet ihr Haas an, bei ihr einzuziehen. Bär ist von diesem nächsten grossen Schritt in ihrer Beziehung begeistert. Anders die Vermieterin. Diese will davon nichts wissen: Die 3-Zimmer-Wohnung sei nur für eine Person bestimmt. So stehe es explizit im Mietvertrag, insistiert sie. 

Damit liegt sie jedoch falsch. Den*die Lebenspartner*in bei sich aufnehmen zu können, ist ein Persönlichkeitsrecht. Und dieses lässt sich mietvertraglich nicht wegbedingen. Solange die Wohnung nicht überbelegt ist, kann die Vermieterin nichts gegen das Zusammenleben der beiden einwenden. Als Lebenspartnerin gilt Bär auch nicht als Untermieterin. Selbst dann nicht, wenn sie sich am Mietzins beteiligt. Deshalb braucht es auch keine Zustimmung der Vermieterin, wie dies bei einer Untervermietung gesetzlich notwendig wäre. 

Ohne Mietvertrag ist Bär jedoch vom Schutz des Mietrechts ausgeschlossen. Würde Haas plötzlich verlangen, dass sie wieder auszieht, so hätte sie keine Möglichkeit, sich zu wehren. Um dieses Ungleichgewicht der Rechte zu vermeiden, möchten Bär und Haas den Mietvertrag gemeinsam unterzeichnen. So wären sie gleichberechtigt. Ein Recht auf einen gemeinsamen Mietvertrag haben sie aber wiederum nicht. Die Vermieterin muss damit einverstanden sein. Schliesslich willigt sie in einen gemeinsamen Vertrag ein. 

Ein gemeinsamer Mietvertrag bietet für sie mehr finanzielle Sicherheit, denn Bär und Haas haften dadurch solidarisch. Das bedeutet, dass die Vermieterin den vollen Mietzins wie auch andere Geldforderungen aus dem Mietverhältnis künftig sowohl bei Haas als auch bei Bär einfordern kann. 

Gemeinsamer Mietvertrag als Risiko 

Dem Einzug ins gemeinsame Heim würde eigentlich nichts mehr im Wege stehen. Doch Bär ist noch im Untermietvertrag der Studi-WG in Bern gefangen. Die zwei WG-Gspänli waren schlau: Vor der Gründung der WG befassten sie sich intensiv mit den Vor- und Nachteilen des gemeinsamen Mietvertrags. Ein gemeinsamer Mietvertrag hätte zur Konsequenz gehabt, dass sie ihre Rechte nur gemeinsam hätten ausüben können. Auch eine Kündigung wäre nur gemeinsam möglich gewesen. Bär könnte deshalb nun nicht einfach allein kündigen, sondern Fuchs müsste die Kündigung mitunterschreiben. Der gemeinsame Mietvertrag wäre dadurch als Ganzes aufgehoben und Fuchs müsste mit dem Vermieter einen neuen Vertrag abschliessen, sofern er weiter in der Wohnung bleiben möchte.

Darauf hätte er aber leider keinen Anspruch. Unter Umständen käme dem Vermieter eine Kündigung sogar gelegen: Er könnte die Wohnung jemand anderem vermieten oder von Fuchs einen höheren Mietzins verlangen. Um eine Kündigung zu verhindern, bliebe Fuchs einzig die Möglichkeit, den Vermieter zu bitten, den Mietvertrag auf ihn umzuschreiben. Auch bei dieser Variante hängt aber alles vom Goodwill des Vermieters ab und besteht das Risiko, dass dieser den Mietzins erhöht. 

Mehr Flexibilität dank Untermietvertrag 

Aber wie gesagt: Bär und Fuchs haben sich vor der WG-Gründung gut informiert. Weil Flexibilität ihnen ein zentrales Anliegen war, kam ein gemeinsamer Vertrag für sie nicht infrage. Fuchs unterschrieb den Mietvertrag stattdessen alleine und schloss mit Bär einen Untermietvertrag ab. In dieser Konstellation sind die beiden nun nicht gleichberechtigt. Fuchs haftet allein für allfällige Mietzinsausstände. Zusätzlich ist er dem Vermieter gegenüber für Schäden verantwortlich, die seine Untermieterin anrichtet. Natürlich könnte er Bär dafür belangen. Kann sie aber nicht bezahlen, bleibt Fuchs auf dem Schaden sitzen. Darüber müssen sich Untervermieter*innen im Klaren sein. 

Trotzdem ist es oft empfehlenswert, eine WG auf Untermietverhältnissen aufzubauen. Käme es zu Streit – und damit muss man immer rechnen –, könnte Fuchs als Hauptmieter seiner Untermieterin einseitig kündigen. Im Gegenzug kann sich Bär mit einer termin- und fristgerechten, an Fuchs adressierten Kündigung aus dem Mietvertrag befreien. Auf das Hauptmietverhältnis zwischen Fuchs und dem Vermieter hätte Bärs Kündigung keinen Einfluss. 

Dass Bär ihre neue Stelle bereits in einem Monat antritt, die Kündigungsfrist des Untermietvertrags aber drei Monate beträgt, ist kein Problem. Indem sie Fuchs eine Person vorschlägt, die ihren Untermietvertrag zu den gleichen Bedingungen übernimmt, kann Bär sich vorzeitig von ihren mietvertraglichen Pflichten befreien. Wie in solchen Fällen üblich, muss die vorgeschlagene Person zumutbar und zahlungsfähig sein. In einer WG werden an die Zumutbarkeit höhere Anforderungen gestellt. So muss die vorgeschlagene Person zu derjenigen passen, die in der Wohnung verbleibt. 

Trau, schau wem 

Das gemeinsame Glück von Sandra Haas und Franziska Bär währt leider nicht lange, schon bald möchten sie wieder getrennte Wege gehen. Bär ist bereits ausgezogen. Trotz Auszug bleibt sie wegen des gemeinsamen Mietvertrags Mitmieterin. Haas hat ihr zwar zugesichert, dass sie künftig den gesamten Mietzins selber bezahlt. Diese Abmachung entbindet Bär jedoch nicht von der solidarischen Haftung. 

Kommt Haas ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nach, kann die Vermieterin weiterhin auch Bär zur Kasse bitten, Abmachung hin oder her. Und zwar nicht nur für die volle Miete, sondern auch für die Nebenkosten und sogar für Schadenersatzkosten. Einfach kündigen kann Bär nicht, denn dafür müsste Haas mitunterschreiben und dazu ist sie nicht bereit. 

Für Haas ändert sich trotz Bärs Auszug vorerst nichts. Wenn sie später einmal kündigen möchte, wird es jedoch komplizierter. Auch wenn sie ein Verfahren bei der Schlichtungsbehörde einleiten möchte, etwa um eine Mietzinserhöhung des Vermieters anzufechten. Denn dazu benötigt sie Bärs Unterschrift. Um diese Hürde zu umgehen, lässt sich Haas am besten von Bär vor dem Auszug eine Vollmacht ausstellen, mit der diese sie zur Wahrung aller Rechte ermächtigt, einschliesslich einer Kündigung und der Einleitung von Schlichtungs- und Gerichtsverfahren. Das Damoklesschwert der solidarischen Haftung schwebt bei diesem Vorgehen aber nach wie vor über Bär. 

Um sich von der solidarischen Haftung endgültig zu befreien, könnte Bär im Prinzip gerichtlich gegen Haas vorgehen. Denn nach ihrem Auszug ist diese grundsätzlich verpflichtet, spätestens auf den nächstmöglichen Kündigungstermin an der Auflösung des gemeinsamen Mietvertrags mitzuwirken. Doch dieses Gerichtsverfahren ist kompliziert und nicht kostenlos. Letzten Endes würde Haas ohne Mietvertrag dastehen. Ob sie dann in der Wohnung bleiben könnte, wäre abermals vom Goodwill des Vermieters abhängig. Was ist nun die Moral der Geschichte? Überlegen Sie lieber zweimal, bevor Sie einen gemeinsamen Mietvertrag unterschreiben.

Autor: Fabian Gloor