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Richtig untervermieten 

Illustration: Patric Sandri

Wer vorübergehend ins Ausland verreist, kann seine Wohnung untervermieten. Auch bei WGs ist die Untermiete beliebt. Nicht so bei der Immo-Lobby: Mit einer parlamentarischen Initiative will sie das Recht auf Untervermietung empfindlich schmälern. 

Ein lang gehegter Wunsch geht in Erfüllung, als Marta Stucki die Bestätigung der renommierten Musikschule Berklee College of Music in Boston in den Händen hält. Die Musikstudentin wird ihren Wohnsitz für ein halbes Jahr von Zürich in die USA verlegen, um dort zu studieren. Ihre liebgewonnene 2-Zimmer-Wohnung in Zürich will sie auf jeden Fall behalten. Weil sie sich zwei Mieten aber nicht leisten kann, möchte Stucki ihre Wohnung für die Dauer ihres Auslandaufenthalts einem Kollegen untervermieten. Diesem Vorhaben muss ihre Vermieterin zustimmen. Dies würde auch dann gelten, wenn Stucki nur einzelne Zimmer der Wohnung untervermieten möchte, wie dies oft bei Wohngemeinschaften der Fall ist. Die Vermieterschaft darf die Zustimmung laut Art. 262 OR allerdings nur aus ganz bestimmten Gründen verweigern. 

Vermieterschaft darf Bedingungen erfragen 

Ein erster Verweigerungsgrund betrifft die Transparenz. Die Vermieterin hat das Recht, die Bedingungen der Untermiete zu kennen, insbesondere den Untermietzins. Darüber hinaus darf sie wissen, wem Stucki die Wohnung untervermietet und wie lange dies gelten soll. Dafür kann sie beispielsweise eine Kopie des Untermietvertrages verlangen. Enthält Stucki ihrer Vermieterin diese Informationen vor, kann diese die Zustimmung zur Untermiete verweigern. Ein weiterer Grund für eine Verweigerung entsteht, wenn Stucki falsche Angaben macht oder wenn sie die Vermieterin zwar über die Bedingungen der Untermiete informiert, diese aber missbräuchlich sind. 

Keine missbräuchlichen Bedingungen 

Missbräuchlich wäre das Untermietverhältnis dann, wenn Stucki damit ein Geschäft machen würde, indem sie vom Untermieter mehr verlangen würde, als sie selbst für die Wohnung bezahlt. Ganz strikt lässt sich diese Regel allerdings nicht durchziehen. Einen Zuschlag von wenigen Prozent könnte Stucki verlangen, denn sie trägt durch die Untervermietung ein gewisses Risiko. Bezahlt ihr Untermieter beispielweise den Untermietzins nicht, so schuldet Stucki ihrer Vermieterin trotzdem die volle Miete. Auch für allfällige Schäden des Untermieters haftet Stucki gegenüber ihrer Vermieterin. Ihren Untermieter könnte sie zwar dafür belangen. Ist dieser jedoch zahlungsunfähig, so bleibt sie auf dem Schaden sitzen. Wird die Wohnung möbliert untervermietet, kann dies einen weiteren kleinen Zuschlag rechtfertigen. Wie viel Zuschlag generell bei der Untermiete gerechtfertigt ist, lässt sich nicht allgemein beantworten. Der Zuschlag muss aber auf jeden Fall durch zusätzliche Kosten oder zusätzliche Leistungen erklärt werden können. Andernfalls ist er missbräuchlich, und die Vermieterschaft kann die Untervermietung zu Recht verweigern. 

Ablehnung wegen wesentlicher Nachteile 

Die Vermieterin kann ihre Zustimmung zur Untervermietung auch dann verweigern, wenn diese für sie mit wesentlichen Nachteilen verbunden wäre. Eine Überbelegung der Wohnung etwa muss sie nicht tolerieren. Dasselbe gilt, wenn der Gebrauchszweck der Wohnung durch die Untervermietung verändert würde. So etwa, wenn Stuckis Kollege sie als Werkstatt nutzen möchte. Zudem ist eine Untervermietung der gesamten Wohnung auf unbestimmte Zeit laut dem Bundesgericht unzulässig. Die gesamte Dauer der Untervermietung muss zwar nicht im Voraus feststehen. Es muss aber absehbar sein, dass die Hauptmieterschaft in naher Zukunft wieder in die Wohnung zurückkehrt. Werden dagegen nur einzelne Zimmer untervermietet und wohnt die Hauptmieterschaft ebenfalls in der Wohnung – wie bei einer WG der Fall –, ist auch eine unbefristete, auf längere Frist angelegte Untervermietung zulässig. 

Realitätsfremde Initiative der Immo-Lobby 

Diese wichtige Differenzierung will die Immo-Lobby verunmöglichen. Mit ihrer parlamentarischen Initiative, die in der aktuellen Session vom Nationalrat behandelt wird, will sie die Untervermietung in allen Fällen auf zwei Jahre begrenzen. Das ist realitätsfremd: Ein Auslandstudium oder ein vorübergehender Arbeitsaufenthalt im Ausland – sei es für ein Unternehmen oder bei einer Mission für eine Internationale Organisation wie das IKRK – dauert oft vier Jahre. Auch für Studierende, die wegen des Studiums in die Schweiz ziehen und ein WG-Zimmer mieten, sind die zwei Jahre viel zu kurz, zumal ein Studium deutlich länger als zwei Jahre dauert. 

Form der Zustimmung 

Die Vermieterschaft muss einer Untervermietung nicht unbedingt schriftlich zustimmen. Sie kann dies auch mündlich, per Handschlag oder sogar stillschweigend tun. Geht es jedoch nach der Immo- Lobby, so soll die Untervermietung künftig nur noch mit schriftlicher Zustimmung der Vermieterschaft erlaubt sein. Ohne diese soll die Vermieterschaft den Mietvertrag gar kurzfristig kündigen können – so der Initiativtext. Dasselbe soll gelten, wenn die Mieterschaft falsche Angaben zur Untermiete macht oder die Vermieterschaft nicht über Änderungen informiert. Diese Bestrebungen der Immo-Lobby sind obsolet, und zwar in zweifacher Hinsicht: Vorsichtige Mieter*innen werden zu Beweiszwecken ihre Anfragen um Zustimmung zur Untervermietung immer schriftlich stellen, und es liegt auch im Interesse der Vermieterschaft, schriftlich zu antworten. Ein ausserordentliches Kündigungsrecht nur wegen Nichteinhaltung einer Formalie ist zudem unverhältnismässig und mit dem verfassungsmässig garantierten Schutz vor missbräuchlichen Kündigungen wohl schwer zu vereinbaren. 

Was tun bei Verweigerung? 

Verweigert die Vermieterin Stucki die Zustimmung zur Untervermietung, so kann diese sich an die Schlichtungsbehörde wenden. Sich einfach über die Ablehnung hinwegzusetzen oder erst gar nicht bei der Vermieterschaft anzufragen, ist Stucki hingegen nicht zu raten. Da es sich dabei um eine Vertragsverletzung handeln würde, könnte ihr die Vermieterin kündigen. Stucki könnte diese Kündigung zwar anfechten und die Schlichtungsbehörde müsste dann prüfen, ob die Untervermietung zu Unrecht verweigert wurde. Ist dies der Fall, so müsste die Schlichtungsbehörde die Kündigung aufheben. Da die Ablehnungsgründe einen gewissen Ermessensspielraum zulassen, sollte es Stucki aber besser nicht darauf ankommen lassen. 

Mieter*innen zweiter Klasse 

Rechtlich gibt es eigentlich keinen Unterschied zwischen Mieter*innen und Untermieter*innen. Sie haben grundsätzlich dieselben Rechte. Folglich muss Stucki als Untervermieterin genau die gleichen mietrechtlichen Regeln beachten wie grosse Liegenschaftsverwaltungen, wenn sie ihren Kollegen als Untermieter in ihre Wohnung aufnehmen möchte. Im Fall einer Kündigung sind Untermieter*innen trotzdem schlechter geschützt als Hauptmieter*innen. Kündigt Stucki als Hauptmieterin ihrem Untermieter, so kann dieser zwar die Kündigung als missbräuchlich anfechten und eine Mieterstreckung verlangen. Das Untermietsverhältnis kann jedoch nicht über das Ende des Hauptmietverhältnisses hinaus erstreckt werden. 

Schlechte Karten bei Kündigung 

Noch verzwickter ist die Situation, wenn die Vermieterin Stucki als Hauptmieterin kündigt. Der Untermieter kann in diesem Fall gegenüber der Vermieterin keine Erstreckung verlangen, da er mit dieser nicht in einem Vertragsverhältnis steht. Dies müsste Stucki als Hauptmieterin tun. Da Stucki die Wohnung aber nicht selbst bewohnt, sondern in Boston weilt, ist sie von der Kündigung nicht persönlich betroffen. Deshalb wird es ihr auch nicht gelingen, die für eine Erstreckung erforderlichen persönlichen Härtegründe geltend zu machen. 

Findige Vermieter*innen könnten dies ausnutzen und den Kündigungsschutz mit einem fiesen Trick aushebeln, indem sie die Wohnung einer Vertrauensperson vermieten, die dann die Wohnung ihrerseits weiter untervermietet. Um dies zu verhindern, sieht das Gesetz mit Artikel 273b Abs. 2 OR eine Schutzbestimmung vor: Wurde ein Untermietsverhältnis hauptsächlich zur Umgehung der Kündigungsschutzbestimmungen abgeschlossen, haben die Untermieter*innen trotzdem ein Erstreckungsrecht. 

Der Schutz der Untermieter*innen müsste allerdings noch weiter ausgebaut werden. Gründe, wieso Untermieter*innen gegen Kündigungen schlechter geschützt sein sollen als Hauptmieter*innen, gibt es eigentlich keine. Die Vermieterschaft hat der Untervermietung ja zugestimmt.

Autor: Fabian Gloor

Airbnb verknappt und verteuert den Wohnraum

Zuerst wurde allen Mieter*innen der Theaterstrasse 13 gekündigt, danach wurde umgebaut. Jetzt befinden sich in der Liegenschaft diverse möblierte Kleinapartments, die für ein Vielfaches des früheren Mietzinses vermietet werden. Foto: Mario Stübi

Früher Mietwohnung, jetzt Airbnb: Mieter*innen in Tourismusdestinationen leiden unter dem ungebremsten Wachstum des Internetriesen. In Luzern will eine Volksinitiative das Geschäftsmodell in die Schranken weisen. 

In städtischen Gebieten und in touristischen Hotspots wird es zunehmend schwieriger, eine passende, bezahlbare Wohnung zu finden. Ein Faktor, der diese Entwicklung zusätzlich antreibt: kommerzielle Kurzzeitvermietungen, überwiegend über die Buchungsplattform Airbnb. 

Lukratives Geschäftsmodell 

Luzern ist beides: Die Stadt mit einem aktuellen Leerwohnungsbestand von 0,88 Prozent gehört für Hunderttausende internationale Tourist*innen zum Schweizer Must-see. Sehenswürdigkeiten abklappern, Ausflug in die Berge, Rundfahrt auf dem See, teure Uhr kaufen. Zur Übernachtung entscheiden sich immer mehr Gäste für ein Apartment auf Airbnb. Dort steigt die Anzahl der Angebote seit Jahren – trotz Covid und ausbleibenden chinesischen Gästen. 

Es sind aber kaum mehr findige Einzelmieter*innen, die ein Zimmer oder ihre ganze Wohnung online stellen und so nebenbei etwas verdienen. Die grosse Mehrheit der Anbieter sind professionelle Firmen, welche sich meist um ganze Liegenschaften kümmern, wo keine einzige in der Stadt angemeldete Person mehr wohnt. Ein äusserst lukratives Geschäftsmodell auf Kosten aller Mieter*innen. 

Dieser Trend müsste der öffentlichen Hand zu denken geben. «Eine Wohnung auf Airbnb bringt praktisch keine Steuereinnahmen. Ganz im Gegensatz zu Personen, welche ihren festen Wohnsitz hier haben», sagt David Roth. Der Kantonsrat und Präsident der SP Kanton Luzern erklärt: «Die Vernichtung von Wohnraum führt dazu, dass immer weniger Einwohner*innen die Infrastruktur finanzieren, welche aber bei kurzfristigen Vermietungen gratis genutzt wird. Wenige Private profitieren, die Allgemeinheit bezahlt.» 

Die Hälfte der Wohnungen an der Habsburgerstrasse 5a werden nur noch kurzzeitig vermietet. Foto: Mario Stübi

Vermietungsmaximum von drei Monaten 

Gemeinsam mit Casafair, SP und JUSO hat der Mieterinnen- und Mieterverband Luzern NW OW UR deshalb eine städtische Volksinitiative lanciert, welche der Zerstörung von Wohnraum durch Airbnb und Business-Apartments einen Riegel schieben will. Mittels eines Vermietungsmaximums für ganze Wohnungen von 90 Tagen pro Jahr sollen das kommerzielle Vermarktungsmodell unattraktiv gemacht und entsprechende Wohnungen wieder dem gewöhnlichen Wohnungsmarkt zugeführt werden. Das würde eine Rückkehr zum ursprünglichen Gedanken der Sharing Economy bedeuten: «Bei Sharing Economy steht das Teilen und nicht die Profitmaximierung im Vordergrund», sagt Valentin Humbel, Vorstandsmitglied der JUSO Luzern. Und Casafair-Vorstandsmitglied Jörg Häfliger ergänzt: «Wohnraum ist ein knappes Gut. Deshalb macht es auch Sinn, ihn möglichst effizient zu nutzen. Es ist dringend notwendig, dass die Bevölkerung nun Leitplanken setzt.» 

Bund für bezahlbaren Wohnraum 

Jacqueline Badran ist Vorstandsmitglied des Mieterinnen-und Mieterverbands Schweiz. Sie unterstützt das Anliegen der Initiative. «Airbnb verteuert die Wohnungen. Das frisst Kaufkraft weg», so die Zürcher SP-Nationalrätin. Gestützt wird ihr Fazit vom Bund. In seinen «Trends und Herausforderungen» stellte das Bundesamt für Raumentwicklung bereits 2018 fest: «In urban geprägten Räumen mit einer stark zunehmenden Bevölkerung und in den erstklassigen Tourismusdestinationen braucht es […] ein geeignetes und bezahlbares Wohnangebot – auch für wirtschaftlich schwächere Bevölkerungsgruppen. Denn Wohnkosten können in unteren Einkommenssegmenten gewichtige Einschränkungen zur Folge haben.» Top-Destinationen wie Paris, Barcelona oder Berlin haben dies schon vor Jahren erkannt und Airbnb unter massive Regulierungen gestellt. Das Luzerner Stimmvolk hat es am 12. März in der Hand, das Wachstum von kommerziellen Kurzzeitvermietungen zu stoppen und das Angebot an Wohnraum zu erweitern. 

Autor: Mario Stübi, Präsident MV Luzern NW OW UR

Mitholz ist überall 

Originalwurzelstock aus einem Garten in Mitholz – zu sehen in der Ausstellung «Heimat». Bild: Alpines Museum

51 Menschen müssen 2030 ihr Dorf Mitholz im Berner Oberland für lange Zeit verlassen, weil im Hausberg noch immer explosive Altlast der Armee lagert. Eine Ausstellung thematisiert die Geschichte sensibel und akribisch und geht am Rande auch der Frage nach, was der Verlust des Zuhauses – ob Eigenheim oder Mietwohnung – in einer sesshaften Gesellschaft bedeutet. 

«Es hat mich fast ‹verschrissen›, als ich erfuhr, dass ich wegmuss. Ich wollte hier alt werden, bis sie mich im ‹Truckli› raustragen», sagt eine Frau in der Ausstellung «Heimat» im Alpinen Museum in Bern. Sie ist eine der Mitholzer*innen, die an der Aufarbeitung der unglaublichen Geschichte beteiligt waren. Es ist eine Armee-, eine Arroganz- und Ignoranz-Geschichte. Und sehr stark eine Auseinandersetzung mit dem, was sie, die Bewohner*innen des Bergdorfs, aufgeben müssen. Zwar sind nur 51 Menschen gezwungen, Mitholz für zehn Jahre zu verlassen (87 weiteren ist der Entscheid freigestellt) – aber ein Teil dieser Geschichte betrifft aktuell Tausende im ganzen Land. Denn es geht um den erzwungenen Verlust dessen, was wir «Zuhause» nennen. 

Immer mehr – vor allem auch ältere – Menschen mussten in den letzten Jahren ihre Wohnung verlassen, weil ganze Siedlungen sogenannt leergekündigt und totalsaniert oder sogar abgerissen wurden. Vor allem Mehrfamilienhäuser mit günstigen Wohnungen aus der Nachkriegszeit sind betroffen und mit ihnen Mieter*innen, die unter dem Vorwand der energetischen Sanierung oder der Verdichtung ausgewechselt werden. Die Immobilienbesitzer steigern auf diese Weise ihre Rendite, während Tausende Menschen ihre Heimat verlieren. 

In der Mitholz-Ausstellung (es lohnt sich, für mehrere Stunden einzutauchen!) wird diese Verbindung zwar nicht geknüpft, in der Begleitpublikation gibt es aber Bezüge. So geht Eveline Althaus, wissenschaftliche Projektleiterin an der ETH Zürich, der Frage nach, was Häuser mit Menschen machen. Sie hat sich in diesem Zusammenhang auch mit dem Verlust der Wohnung auseinandergesetzt und schreibt: «Die eigene Wohnung, das eigene Haus ungewollt verlassen zu müssen, gehört in einer sesshaften Gesellschaft wohl zum Schwierigsten, was Menschen erleben können.» Denn mit der Wohnung verliere man nicht nur den Raum, «der Schutz und Erholung bietet, Rückzug und das Zusammensein mit anderen erlaubt», sondern es gehe auch all das Vertraute verloren, das man im Alltag oft gar nicht bewusst bemerke: «Wie es riecht, wenn man heimkommt, wie die Sonne abends in die Stube scheint, wie sie Lichttupfer an die Küchenwand malt, wie die Dielen immer an der gleichen Stelle knarren.» Solche Erfahrungen und Atmosphären, schreibt Eveline Althaus, sind jedem Haus und jeder Wohnung eigen: «Sie lassen sich nicht reproduzieren.» Und sie zitiert einen Slogan der deutschen Wohnungslosenhilfe: «Eine Wohnung ist nicht alles, aber ohne Wohnung ist alles nichts». 

«Mitholz ist überall» lautet eine Überschrift in der Begleitpublikation. Erzählt wird die Geschichte der Bahnstation Blausee-Mitholz, die ab 1959 als Bausatz für Modelleisenbahn-Landschaften tausendfach in alle Himmelsrichtungen verkauft wurde. Mitholz ist aber auch wegen der Angst um die eigene Wohnung überall. Vertreibung durch Kündigung findet aktuell noch vorwiegend in den Städten statt. Aber in Zentrumsregionen wie dem Kanton Zürich reissen insbesondere institutionelle Eigentümer wie Pensionskassen, Banken, Fonds und Versicherungen auch in kleineren Gemeinden Häuser und Siedlungen ab. 

Während die SVP weiter am Graben schaufelt, der die Menschen in den Landgemeinden von jenen in den Städten trennt, könnten die aktuellen Entwicklungen Anlass sein, Stadt-Land-übergreifend über Heimat und Verwurzelung, Vertreibung und Verlust zu sprechen. Denn nicht nur werden immer mehr Menschen innerhalb der Schweiz durch den Abriss ganzer Häuser und Siedlungen vertrieben – hinzu kommt auch, dass zunehmend Menschen aufgrund von Klimakatastrophen und Kriegen ihre Heimat verlassen und anderswo Schutz suchen müssen. Die Ausstellung im Alpinen Museum, die bis Juni 2024 läuft, könnte ja vielleicht sogar den Rahmen für solche Begegnungen schaffen. 

«Heimat. Auf Spurensuche in Mitholz». Ausstellung im Alpinen Museum Bern. Bis 30. Juni 2024.

Um das Vertriebenwerden geht es auch in der Ausstellung «Verdichtung oder Verdrängung? Wenn Neubauten ersetzen». ZAZ Bellerive, Zürich. Noch bis 26. März 2023.  

Autorin: Esther Banz

 

News

Petition des MV Bern 

Mit einer Online-Petition fordert der MV Bern den Regierungsrat auf, sich für die Einführung von transparenten Vormieten im Kanton auszusprechen. Hintergrund ist ein überparteilicher Vorstoss, der letzten Herbst im Grossen Rat eingereicht wurde und der die Einführung der Formularpflicht fordert. Dies würde bedeuten, dass bei einem Wohnungswechsel die Vormiete auf einem amtlichen Formular mitgeteilt werden muss. So können missbräuchliche Erhöhungen besser erkannt und angefochten werden. Die Petition wurde innert kurzer Zeit von über 5000 Menschen unterzeichnet. Der Regierungsrat befindet Anfang März über den Vorstoss. 

Umziehen lohnt sich nicht 

Wer eine neue Wohnung sucht, muss mit einer höheren Miete rechnen. Diese Binsenwahrheit hat das Statistische Amt des Kantons Zürich untersucht – und bestätigt. Verglichen wurden die Mieten bewohnter und ausgeschriebener Wohnungen im gesamten Kanton im Zeitraum zwischen 2016 und 2020. Der Unterschied verkleinert sich, je weiter weg von Zürich sich eine Wohnung befindet. So kostete in der Stadt Zürich eine bewohnte 4-Zimmer-Wohnung durchschnittlich 2090 Franken netto pro Monat, eine frisch bezogene 2440 Franken. In den östlichen und nördlichen Gemeinden des Kantons dagegen zahlte man für die bewohnte Wohnung im Schnitt 1570, für die neu vermietete 1660 Franken. 

Studie Abstimmungsverhalten 

Die Abstimmungsparolen politischer Gegner haben einen grossen Effekt auf das Abstimmungsverhalten. So führt etwa eine Ja-Parole der SP bei Personen, die sich als Gegner*innen der SP sehen, dazu, dass sie eher Nein zu der Vorlage sagen. Dies hat eine kürzlich publizierte Studie der Universitäten Genf und Zürich herausgefunden. Der Zusammenhang wurde zuerst anhand der Initiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» des Mieterinnen-und Mieterverbands vom Februar 2020 nachgewiesen und anschliessend anhand aller eidgenössischen Abstimmungen zwischen 1981 und 2020, zu denen Umfragen existieren, bestätigt.

Hotline

Im Hotel zahlt man in der Regel pro Person – nicht so bei der Mietwohnung. Bild: dreamstime
Fabian Gloor beantwortet Ihre Fragen

Ich bin vor vier Monaten ausgezogen. Obwohl die Vermieterin anlässlich der Wohnungsabgabe keine Schäden zu beanstanden hatte, hat sie meine Kaution bis heute nicht freigegeben. Dies obwohl ich sie bereits mehrfach dazu aufgefordert habe. Was kann ich noch tun? 

Die verzögerte Rückgabe der Mietzinskaution, auch Depot genannt, ist wahrlich ein ärgerliches Problem, das in der Praxis leider oft vorkommt. In diesem Fall haben Sie zwei Möglichkeiten: Entweder leiten Sie bei der Schlichtungsbehörde ein Schlichtungsverfahren ein oder Sie warten – sofern dies finanziell drinliegt – ein Jahr. Ein Jahr nach Beendigung des Mietverhältnisses nämlich ist die Bank gesetzlich verpflichtet, Ihnen die Kaution auch ohne Zustimmung der Vermieterschaft auszuzahlen, sofern diese bis dahin keine rechtlichen Schritte gegen Sie eingeleitet hat. Die Bank verlangt dazu in der Regel das Auszugsprotokoll und allenfalls das Kündigungsschreiben. Viele Banken tun sich allerdings schwer damit und wollen alle möglichen und unmöglichen Bestätigungen sehen. Deshalb ist der Weg an die Schlichtungsbehörde zu bevorzugen. Unter www.mieterverband.ch finden Sie dazu sogar einen Musterbrief. 


Mein Vermieter will meinen Mietzins erhöhen, weil mein Freund in den letzten Monaten häufig bei mir übernachtet hat. Darf er mich deswegen zur Kasse bitten? 

Nein, denn bei einer Mietwohnung handelt es sich nicht um ein Hotelzimmer. In einem Hotel bezahlen Sie in der Regel einen Preis pro Person. Das macht ja auch Sinn, denn in der Hotelübernachtung sind weitere Dienstleistungen wie das Frühstück, das Beziehen der Betten oder die Zimmerreinigung inbegriffen. Wer hingegen eine Wohnung mietet, ist Besitzer*in und erwirbt dadurch die Sachherrschaft über die betreffenden Räumlichkeiten. Als Mieterin dürfen Sie diese nach Belieben nutzen, solange die Bausubstanz nicht beschädigt und die Nachbarschaft nicht gestört werden. Eine Wohnung darf somit nicht mehr kosten, wenn sich zusätzliche Personen darin aufhalten. Ihr Vermieter darf den Mietzins also nicht erhöhen – es sei denn, er serviert Ihnen das Frühstück ans Bett. 

Vorbei mit der Sicherheit 

Indexmietverträge richten sich nach dem Landesindex für Konsumentenpreise. Viele Mieter*innen mit indexierten Verträgen sind deshalb jetzt von Mietzinserhöhungen betroffen. 

Bis 2022 war es in der Regel kein schlechtes Geschäft, einen Mietvertrag mit Indexmiete abzuschliessen: Die Inflation war minimal und man hatte keine namhaften Mietzinserhöhungen zu befürchten. Ausserdem war man für mindestens fünf Jahre vor einer Kündigung geschützt. Mit dieser Sicherheit ist es nun aber vorbei, die aktuellen Umstände können Mietende in eine Abwärtsspirale stürzen. Hält die gegenwärtige Inflation von 3 Prozent pro Jahr an, müssen sie bei einer Mietdauer von fünf Jahren – dem gesetzlichen Minimum bei der Indexmiete – und bei vier Indexierungen (eine alle 12 Monate) eine Erhöhung von mehr als 12,5 % hinnehmen. Wird der Mietvertrag um fünf Jahre verlängert, führt dies automatisch zu einer Weiterführung der Indexierung über die gesamte Mietdauer. 

In seiner aktuellen Rechtsprechung lehnt es das Bundesgericht ab, dass die Mietenden am Ende einer Indexierungsperiode überprüfen lassen können, ob ihre Miete durch die Anpassungen nicht missbräuchlich geworden ist. So sind diese dazu verdammt, immer mehr zu zahlen, ohne die Miete anfechten zu können. Hinzu kommt, dass sich die Mietenden gegenwärtig mit einem schwindelerregenden Anstieg der Nebenkosten (Heizung/ Warmwasser) konfrontiert sehen. 

Die Indexmiete (Art. 269b OR) 
Bei der Indexmiete richtet sich der Nettomietzins nur nach dem Landesindex der Konsumentenpreise (Indexklausel). Veränderungen des Referenzzinssatzes und/oder der allgemeinen Betriebs- und Unterhaltskosten wirken sich nicht auf den Mietzins aus. Veränderungen des Landesindexes der Konsumentenpreise dürfen aber zu 100 Prozent auf den Mietzins überwälzt werden. Eine Mietzinsanpassung wird im prozentualen Verhältnis zwischen dem bisherigen und dem neuen Index berechnet, nach folgender Formel: 
(Indexstand neu – Indexstand alt × 100) : Indexstand alt = Veränderung des Mietzinses in % 

Die Vereinbarung einer Indexmiete ist nur gültig, wenn der Mietvertrag für eine Dauer von mindestens fünf Jahren abgeschlossen wird. Für die Gültigkeit genügt es, wenn die Vermieterschaft an diese Mindestdauer gebunden ist, Mieter*innen das Mietverhältnis aber früher kündigen können. (fg)

Steigende Mieten, sinkende Einkommen 

Während Mieten und Nebenkosten also steigen, ist dies bei den Löhnen oft nicht der Fall. Zwischen 1993 und 2020 sind sie im Durchschnitt um gerade einmal 0,6 % gestiegen, wenn man die Inflation berücksichtigt. In den meisten Wirtschaftssektoren ist der sogenannte Reallohn in den letzten Jahren sogar gesunken. 

Im Gegensatz dazu haben Vermieter*innen gemäss einer Studie in den letzten 15 Jahren 78 Milliarden Franken zu viel an Mietzinsen eingestrichen, insbesondere weil sie die Senkung des Referenzzinssatzes nicht weitergegeben haben. Gleichzeitig sind die Immobilienpreise richtiggehend explodiert. 

Angesichts dieser Entwicklungen versuchen die Immobilienkreise uns glaubhaft zu machen, die Indexmieten dienten dazu, unsere Renten zu retten (Indexmieten gibt es in der Tat oft bei Immobilien, die Pensionskassen oder Versicherern gehören). Diese Argumentation ist falsch. Mal abgesehen davon, dass die Immobilienrenditen nicht die einzigen Einnahmen der Kassen sind, können sie die gesetzlich festgelegten Zinsen weitgehend decken. Sie haben eine zusätzliche Gewinnspanne, da sie nicht versteuert werden müssen. Und schliesslich gibt es keine bessere Altersvorsorge als erschwingliche Mieten für alle. 

Der Bund muss jetzt etwas gegen missbräuchliche Mieten unternehmen, wie es die Verfassung verlangt. Der Bundesrat muss sofort wieder eine Indexierung zu 80 % der Entwicklung des Konsumentenpreisindexes einführen, wie es bis 1996 der Fall war. Der Mieterinnen- und Mieterverband verlangt zudem, dass die Missbräuchlichkeit der Mieten verhindert wird, indem die Erhöhung der Nebenkosten (Heizung und Warmwasser) und die Anpassung der Mieten an die Teuerung beschränkt werden. 

Autor: Christian Dandrès

Draussen trocknen auch im Winter 

Bild: dreamstime

Es gibt umweltfreundlichere Arten, die Wäsche zu trocknen, als mit dem Tumbler. Aber nicht immer ist er die schlechteste Wahl. 

Kleider oder Bettwäsche müssen regelmässig gewaschen werden. Wie man die Wäsche trocken kriegt, ist vor allem im Winter ein grosses Thema. Heute kommt oft der Tumbler zum Einsatz. Und der braucht natürlich Strom. Für das maschinelle Wäschetrocknen im Tumbler verbrauchen Schweizer Haushalte jedes Jahr rund 800 Millionen Kilowattstunden (kWh). Sie zahlen dafür 160 Millionen Franken. 2023 dürften es deutlich mehr sein, die Stromversorger haben bereits mehrmals einen Anstieg der Preise angekündigt. Strom ist eine kostbare Ressource, wie uns spätestens jetzt bewusst geworden ist. 

Feuchtigkeit muss entweichen können 

Wie also trocknen wir die Wäsche im Winter, ohne viel Strom zu verbrauchen? Unser Vorschlag: Zuerst einmal gut ausschwingen – achten Sie auf eine hohe Drehzahl, wenn Sie die Waschmaschine einstellen. Schritt zwei: Wenn möglich die Wäsche am Wäscheständer im Freien, auf dem Balkon oder der Veranda, trocknen lassen. «Selbst bei Nebel und klirrender Kälte verdunstet der grösste Teil der Feuchtigkeit, es dauert einfach etwas länger. Die Wäsche mit wenig Restfeuchte kann dann ohne Probleme in der Wohnung getrocknet werden», erklärt Nadja Gross von Topten. 

Wenn diese Möglichkeit nicht besteht: Die Wäsche in einem ungeheizten Raum aufhängen, und zwar bei einem geöffneten Fenster, damit die Feuchte entweichen kann. «Wenn die Feuchtigkeit nicht entweichen kann, setzt sie sich in Ecken, Mauern oder Möbeln fest, was zu Schimmelbildung führen kann und unbedingt zu vermeiden ist», so Nadja Gross. 

Keine Kippfenster im Winter 

Natürlich bleibt immer die Möglichkeit, die Wäsche in der Wohnung aufzuhängen. Das Problem ist, dass die Luft dabei meist sehr feucht wird. Die Feuchtigkeit muss durch das wiederholte Öffnen der Fenster abgeführt werden, sonst kann sich auch hier Schimmel bilden. Das Fensteröffnen hat aber einen Haken: Geheizte Luft und damit viel Energie geht verloren. «Ganz schlecht ist die Kippfensterstellung, da hier wertvolle Heizenergie zum Fenster hinaus verschwendet wird. Demgegenüber ist die Nutzung eines effizienten Tumblers sinnvoller.» Effiziente Tumbler finden sich auf der neutralen Plattform Topten

Die Luftfeuchtigkeit im Raum zu überprüfen, ist vor allem in Altbauten wichtig und hilft zum Vermeiden von Schimmel. Dazu ist ein Hygrometer nützlich. Neben dem Wäschetrocknen kann auch Duschen oder Kochen die Luftfeuchtigkeit stark erhöhen. Die optimale Luftfeuchtigkeit in der Wohnung liegt bei einer Raumtemperatur zwischen 18 und 21 Grad bei 35 bis 50 %. Regelmässiges Stosslüften ist im Winter sinnvoll, weil so die feuchte Luft ausgetauscht wird. In einigen Fällen, beispielsweise bei Minergiebauten mit automatischer Lüftung, wo die Luft oft sehr trocken ist, kann das Trocknen der Wäsche in der Wohnung Abhilfe schaffen. 

Je trockener, desto besser 

Gut zu wissen: Wäsche trocknet nicht umso besser, je wärmer der Raum ist, sondern je trockener die Luft darin ist. Darum benutzt man am besten jenen Wohnraum, in dem die Raumtemperatur ohnehin tief ist, weil er nicht benutzt wird. Der beste Ort zum Trocknen der Wäsche im Winter ist ein Raum im Keller. Lässt sich dort kein Fenster öffnen, muss die Feuchtigkeit mit einem Entfeuchter (Raumluftwäschetrockner) abgeführt werden. Auch in diesem Fall ist jedoch die Nutzung eines effizienten Tumblers sinnvoller, denn auch Raumluftwäschetrockner brauchen ja Energie, sind aber meist weniger effizient als Tumbler. 

Autor: Stefan Hartmann, Topten

Topten.ch ist eine unabhängige Preisvergleich-Plattform, deren Fokus auf Energieeffizienz, geringer Umweltbelastung und Qualität liegt. Topten.ch wurde im Jahr 2000 vom WWF Schweiz, dem Elektrizitätswerk der Stadt Zürich ewz und der Schweizerischen Agentur für Energieeffizienz S.A.F.E gegründet und existiert heute in 15 europäischen Ländern sowie in Argentinien, Brasilien, Chile und Peru. 

Editorial

Von der nationalen politischen Ebene gibt es leider mal wieder nichts Erfreuliches zu berichten. Sowohl der National- als auch der Ständerat haben in der Dezember-Session die Einführung einer Mietzinskontrolle abgelehnt. Und Bundesrat Guy Parmelin, unser «Wohnminister», ist gegen jegliche Hilfe für Geringverdienende, denen wegen der hohen Energiepreise bei den Nebenkosten happige Nachforderungen drohen. 

Dabei sind die hohen Energiepreise noch nicht einmal die einzige Herausforderung, die uns im nächsten Jahr erwartet. Gleich zwei aktuelle Entwicklungen werden nämlich den Anstieg der Mietzinse weiter befeuern: die rückläufige Bautätigkeit und der daraus folgende Wohnungsmangel einerseits, der Anstieg des Referenzzinssatzes anderseits. Gleichzeitig sinken wegen der Teuerung die Realeinkommen und viele Menschen haben weniger im Portemonnaie. 

Auch wenn wir uns gegenüber manchen Entwicklungen manchmal machtlos fühlen mögen: In der Praxis lohnt es sich oft, wenn man sich als Mieter*in wehrt. Dieser Meinung ist auch unser Mietrechtsexperte Fabian Gloor. M+W hat mit ihm über den prognostizierten Anstieg des Referenzzinses gesprochen und ihn gefragt, was man als Mieter*in tun kann, wenn es so weit ist. Dass es sich tatsächlich lohnen kann, etwas zu tun, zeigt die schöne Geschichte von Margrit Brunner. Sie erhielt von der Schlichtungsbehörde nicht nur eine Mieterstreckung zugesprochen, sondern auch noch eine finanzielle Entschädigung. Sie kenne eben ihre Rechte als Mieterin, weil sie sich immer gut informiere, sagte Margrit Brunner unserer Autorin. 

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gute Lektüre und hoffe, dass Sie nach dieser mehr über Ihre Rechte als Mieter*in wissen. Und natürlich wünsche ich Ihnen ein paar erholsame Tage und einen guten Start ins 2023! 

Herzliche Grüsse 

Andrea Bauer 

Nur wer sich wehrt, kann gewinnen

Margrit Brunner kennt ihre Rechte als Mieterin. Bild: Isabel Plana

Viele Mieter*innen scheuen sich, bei Unstimmigkeiten mit der Vermieterschaft die Schlichtungsbehörde einzuschalten. Dabei haben sie nichts zu verlieren. Im Gegenteil: Sie können viel erreichen, wie der Fall von Margrit Brunner zeigt.

Manche würden sagen, Margrit Brunner sei mutig. Weil sie sich nicht scheute, ihrem Vermieter die Stirn zu bieten. Mit Mut habe das nichts zu tun, sagt sie dagegen. «Ich kenne meine Rechte als Mieterin, weil ich mich immer gut informiere und schon lange Mitglied beim Mieterinnen- und Mieterverband bin.» Und: «Ich lasse mich nicht gerne verschaukeln.» Sie wehrte sich, wenn der Referenzzinssatz sank und ihr der Vermieter nicht von sich aus die Miete herabsetzte. Sie wehrte sich auch, als er 2017 die marode Balkondecke (faustgrosse Zementstücke fielen herunter) zunächst nicht reparieren wollte und ihr die Schimmelbehandlung im Bad in Rechnung stellte. «Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass die Schimmelbildung baulich bedingt und kein selbstverschuldeter Mangel ist und dass ich deshalb als Mieterin nicht für diese Kosten aufkommen muss.» Ihre Hartnäckigkeit zahlte sich aus, der Vermieter gab nach. Ein Glücksfall, wie sich später herausstellen sollte.

Keine Schlammschlacht

Zuletzt wehrte sich Margrit Brunner, als ihr im April 2020 nach über 28 Jahren die Wohnung gekündigt wurde – wegen eines geplanten Ersatzneubaus, für den zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal ein Baugesuch vorlag. «Mein Mann und ich waren da gerade erst pensioniert worden. Angesichts des überhitzten Wohnungsmarkts in der Stadt Zürich und der vielen Leerkündigungen insbesondere in unserem Quartier Witikon wussten wir: Es wird sehr schwierig, eine vergleichbare Wohnung zu finden, die wir uns mit unserer Rente langfristig leisten können.» Sie wandten sich umgehend an den MV, liessen sich beraten und beschlossen daraufhin, die Kündigung anzufechten und ein Gesuch auf Mieterstreckung zu stellen. «Unser Ziel war, so lange wie möglich bleiben zu können, damit wir in Ruhe etwas Passendes suchen können und nicht die erstbeste oder eine überteuerte Wohnung nehmen müssen.»

Im Dezember 2020 kam es zur Schlichtungsverhandlung. Als unangenehm empfand Margrit Brunner das Zusammentreffen mit dem Vermieter vor der Schlichtungsbehörde nicht. «Die Verhandlung lief sehr gesittet ab, der Umgangston war höflich», erinnert sie sich. «Ich habe in all den Jahren auch bei Unstimmigkeiten stets sachlich und anständig mit dem Vermieter kommuniziert – und er mit mir. Das ist, denke ich, eine wichtige Voraussetzung dafür, dass man sich bei einer solchen Verhandlung mit gutem Gefühl in die Augen schauen kann.» Eine grosse Entlastung sei auch die Anwältin gewesen, die ihr der MV zur Seite stellte. «Sie hat hartnäckig verhandelt, drei Stunden lang! Ohne sie hätte ich nicht so viel erreicht.»

Gute Chancen im Schlichtungsverfahren

Für Anabel von Uslar sind solche – mitunter auch zähen – Verhandlungen Alltag. Die Anwältin hat schon viele Mieter*innen in einem Schlichtungsverfahren vertreten. Es gebe keinen Grund, sich davor zu fürchten, sagt sie. Die Angst vor einer Retourkutsche – zum Beispiel in Form einer schlechten Referenz bei einer künftigen Wohnungsbewerbung – sei unbegründet. «Gerade im Fall einer Kündigungsanfechtung liegt es ja auch im Interesse des Vermieters, dass man möglichst schnell etwas Neues findet und auszieht. Eine schlechte Referenz wäre da kontraproduktiv.» Ob Kündigung, missbräuchlicher Anfangsmietzins, nicht behobene Mängel, Unstimmigkeiten in der Nebenkostenabrechnung oder Mietzinsreduktion etwa wegen Lärmbelastung – es sei sinnvoll, ein Schlichtungsgesuch zu stellen, sagt die Anwältin. Denn als Mieterin habe man nichts zu verlieren. Im Gegenteil. «Zum einen sind Schlichtungsverfahren kostenlos, und man kann ein Schlichtungsgesuch jederzeit wieder unentgeltlich zurückziehen, falls man es sich doch anders überlegt oder einem die Vermieterschaft bereits vor der Verhandlung ein passendes Angebot macht.» Zum anderen setze die Schlichtungsbehörde alles daran, dass sich die beiden Parteien auf einen Vergleich einigen. «Die Chancen stehen daher gut, dass die Mieterinnen ihre Begehren zumindest teilweise durchsetzen können», so von Uslar.

Im Fall von Margrit Brunner hatte die Anwältin ein Ass im Ärmel: die Mängelstreitigkeiten von 2017. «Wenn sich Mieter*innen erfolgreich gegen die Vermieterschaft wehren – sei es in einem Schlichtungsverfahren, vor dem Mietgericht oder, sofern sie dies belegen können, auch ausserbehördlich –, haben sie einen dreijährigen Kündigungsschutz », erklärt von Uslar. Da die Mängelstreitigkeiten von 2017 zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht drei Jahre zurücklagen und Margrit Brunner sämtliche Dokumente und Schriftwechsel von damals aufbewahrt hatte, konnte die Anwältin den Kündigungsschutz ins Feld führen. «Vor Mietgericht hätte die Kündigung allenfalls für ungültig erklärt werden können. Deshalb lag dem Vermieter viel daran, die Sache vor der Schlichtungsbehörde mit einem Vergleich zu beenden.»

Erfolgreich verhandelt

Aus dieser starken Verhandlungsposition heraus konnte die Anwältin einen guten Deal für Margrit Brunner erzielen: eine Mieterstreckung von neun Monaten und, im Sinne eines Schadenersatzes, eine Entschädigung im fünfstelligen Bereich. «Für mich war die Mieterstreckung das Wichtige. Mit einer Entschädigung hatte ich nicht gerechnet», sagt Margrit Brunner. «Aber natürlich ist es eine gewisse Genugtuung, wenn man den ganzen Aufwand, die emotionale Belastung der Wohnungssuche und die entstandenen Mehrkosten bedenkt. Der Umzug, der in unserem Fall 15 000 Franken gekostet hat, tut dann weniger weh.»

Eine Erstreckung wird bei Kündigungsanfechtungen in der Stadt Zürich mittlerweile fast immer gewährt. Entschädigungen sind hingegen nicht die Regel, wie von Uslar sagt. Und der Aufwand, den ein Schlichtungsverfahren mit sich bringt, sollte überdies nicht unterschätzt werden. Bei einem Gesuch um Mieterstreckung etwa muss man als Mieterin nachweisen, dass man sich intensiv bemüht hat, eine vergleichbare Wohnung zu finden, und seine Finanzen offenlegen. «Ich habe wochenlang Wohnungsinserate durchforstet, von denen keines gepasst hat, und am Ende einen dicken Ordner damit gefüllt», erinnert sich Margrit Brunner, die mittlerweile im Kanton Thurgau wohnt. «Es hat mich nicht nur viel Zeit, sondern auch viele Nerven gekostet, etwas zu beweisen, was ohnehin schon alle wissen: Nämlich dass es in der Stadt Zürich praktisch unmöglich ist, eine 4,5-Zimmer-Wohnung an ruhiger Lage für unter 2500 Franken zu finden, die nicht in den nächsten paar Jahren abgerissen wird.»

Beharrlich sein – und Belege aufheben

Trotz allem würde Margrit Brunner eine Kündigung auch in Zukunft wieder anfechten. «Es lohnt sich, beharrlich zu sein», meint sie schmunzelnd. Ihr Fall zeigt: Man kann als Mieterin mit einem Schlichtungsgesuch viel erreichen. «Man sollte sich aber vorher über mietrechtliche Themen informieren und beim MV kundig machen», empfiehlt sie. «Und bei Unstimmigkeiten mit dem Vermieter alle Dokumente, E-Mails und Briefe sauber aufbewahren. Man weiss nie, ob diese, wie in meinem Fall, irgendwann einmal von Nutzen sein können.»

Text: Isabel Plana

Das Parlament will keine Kontrolle 

Sowohl der National- als auch der Ständerat wollen von einer Mietzinskontrolle nichts wissen und lehnen entsprechende Vorstösse ab. Die Mieten steigen derweil weiter an. 

Die Mietzinse in der Schweiz steigen seit Jahren und belasten die Haushalteinkommen von Mieter*innen massiv. Auch der Anfang Dezember veröffentlichte Mietpreisindex des Bundesamts für Statistik zeigt einen erneuten Anstieg gegenüber dem Vorjahr. Seit 2005 sind die Mieten gemäss dem Index um mehr als 22 Prozent angestiegen, während sich die allgemeine Teuerung in der gleichen Zeit unter 7 Prozent bewegte. Die Entwicklung droht sich aktuell angesichts explodierender Energiekosten, des sinkenden Leerwohnungsbestands sowie des erwarteten Anstiegs des Referenzzinssatzes noch zu akzentuieren (s. Kommentar von Carlo Sommaruga). 

Zu hohe Renditen 

Grund für den anhaltenden Anstieg der Mieten sind insbesondere die zu hohen Renditen, die vor allem Immobilienfirmen mit Liegenschaften machen. Anstatt der zurzeit erlaubten 3,25 % (aktueller Referenzzinssatz plus 2 %) werden nicht selten Renditen in zweistelliger Höhe erreicht. Übermässige Mietzinserhöhungen bei Wechseln der Mieterschaft oder bei (Total-)Sanierungen tragen zu dem Anstieg bei. Die wiederholten Senkungen des Referenzzinssatzes seit 2008, die eigentlich zu einer Senkung der Mieten hätten führen sollen, sind zudem kaum bei den Mietenden angekommen. Eine Anfang Jahr veröffentlichte Studie des Büros BASS zur Entwicklung der Mietpreise zwischen 2006 und 2021 zeigt die gewaltige Umverteilung von der Mieterschaft zur Vermieterschaft. Allein im letzten Jahr bezahlten Erstere gemäss der Studie 10,5 Milliarden Franken zu viel für missbräuchliche Mieten. Das sind 370 Franken monatlich pro Haushalt. 

Parlament will keine Kontrolle 

Angesichts dieser Entwicklung fordert der Mieterinnen- und Mieterverband seit längerem eine bessere Kontrolle der Mieten, wie es sie in der Schweiz während Jahrzehnten gab. Im National-und im Ständerat reichten Jacqueline Badran (SP/ZH) und Carlo Sommaruga (SP/GE) letztes Jahr entsprechende Vorstösse ein. Die Forderung: Die Renditen der grossen Vermieter sollen – ähnlich wie bei der periodischen Revision von AHV und Mehrwertsteuer – überprüft werden. In der Dezembersession nun wurden die Vorstösse in beiden Räten behandelt – und von beiden Räten abgelehnt. Kommissionssprecherin Patrizia von Falkenstein (Liberale/BS) fasste die Gründe der Gegner*innen wie folgt zusammen: Der administrative Aufwand sei zu gross, es sei unklar, wer die Revision machen würde und ob das zuständige Amt überhaupt genügend Personal hätte, und die Stellung der Vermieterschaft würde weiter (!) verschlechtert. Und zum Schluss (Zitat aus dem Wortprotokoll): Es würde «wahrscheinlich einfachere und bessere Wege geben, um ein solches Ansinnen umzusetzen». Wir sind gespannt … 

Text: Andrea Bauer