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Fabian Gloor beantwortet Ihre Fragen

Ich möchte eine Wohnung mieten. Der Mietvertrag ist auf ein Jahr befristet mit der Möglichkeit, ihn jeweils um ein Jahr zu verlängern. Kann ich diesen Mietvertrag bedenkenlos unterschreiben? 

Werden mehrere befristete Verträge aneinandergereiht, so spricht man von «Kettenmietverträgen». Kettenmietverträge sind grundsätzlich nicht verboten. Ungültig respektive missbräuchlich ist die Verkettung von befristeten Mietverträgen allerdings dann, wenn die Vermieterschaft eigentlich ein längeres Mietverhältnis anstrebt, mit der Befristung aber die Mieterschutzrechte aushebeln will. Der Kündigungsschutz etwa ist bei befristeten Verträgen abgeschwächt: Der Mietvertrag endet nach Ablauf der vereinbarten Dauer automatisch ohne Kündigung. Es gibt folglich keine Anfechtungsmöglichkeit. Auch die Anfechtung des Anfangsmietzinses ist durch eine Befristung torpediert: So könnte Ihre Vermieterschaft die vertraglich vorgesehene Verlängerungsmöglichkeit zum Beispiel davon abhängig machen, ob Sie den Anfangsmietzins anfechten oder nicht. Sie kann theoretisch auch jedes Mal die Miete erhöhen, wenn sie den auslaufenden Vertrag erneuert. Ihnen bleibt dann nichts anderes übrig, als den Anfangsmietzins jedes Mal aufs Neue anzufechten. Dieses Verfahren ist relativ komplex. Bei unbefristeten Verträgen dagegen muss die Vermieterschaft eine Erhöhung mit dem amtlichen Formular anzeigen, und die Erhöhung kann angefochten werden. Unbefristete Mietverträge bieten generell mehr Sicherheit und sind deshalb für Mieter*innen meist attraktiver. Sich gegen Kettenmietverträge zu wehren, ist nicht einfach: Sie müssen beweisen, dass die Vermieterschaft keine plausiblen Gründe für die Befristung hat und einzig darauf abzielt, die Kündigungs-und Schutzbestimmungen zu umgehen. Auf eine Gesetzesumgehung deutet laut Bundesgericht eine systematische Vermietungspraxis mit Kettenmietverträgen hin, aber auch ein Vorherrschen von Wohnungsnot, weil Mietende dann eher bereit sind, einen nachteiligen Vertrag zu unterschreiben und Vermieter*innen dies ausnützen. Fazit: Überlegen Sie gut, bevor Sie einen befristeten Mietvertrag unterzeichnen, und lassen Sie sich beraten, bevor Sie vor Gericht ziehen. 


In unserem Haus steht eine Wohnung leer. Wer muss die dort anfallenden Nebenkosten bezahlen? 

Rechnet die Vermieterschaft über einzelne Nebenkostenpositionen wie zum Beispiel die Hauswartung oder den Allgemeinstrom ab, so muss sie bei der Abrechnung auch die leerstehende Wohnung anteilsmässig – das heisst nach dem gewählten Verteilschlüssel – belasten. Die Vermieterschaft darf die Nebenkosten der leerstehenden Wohnung nicht den verbleibenden Mieter*innen belasten, da sie selber das Risiko für den Leerstand tragen muss. Auch die Heizkosten für die leerstehende Wohnung muss die Vermieterschaft grundsätzlich übernehmen. Doch keine Regel ohne Ausnahme: Laut Artikel 7 der Verordnung über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG) muss die Vermieterschaft nicht die gesamten Heizkosten berappen, sondern nur einen Teil dessen, was nach dem normalen Verteilschlüssel auf die leerstehende Wohnung entfällt. Gemäss dieser Bestimmung muss die Vermieterschaft bei 2- bis 3-Familien-Häusern in der Regel nur ein Drittel, bei 4- bis 8-Familien-Häusern nur die Hälfte und bei grösseren Gebäuden nur zwei Drittel der nach normalem Verteilschlüssel anfallenden Kosten selber berappen. Dies gilt allerdings wiederum nur dann, wenn keine Messgeräte zur Erfassung des Wärmeverbrauchs installiert sind und die leerstehende Wohnung nachweisbar nur so weit geheizt wird, als dies zur Verhinderung von Frostschäden notwendig ist. 

«Schlichtungsbehörden stützten Strategie» 

Während Nicole Schweizer und ihr Team noch alle Hände mit der ersten Erhöhungsrunde zu tun haben, rollt schon die nächste an. Bild: Reto Schlatter

Die Anhebung des Referenzzinssatzes im Juni hat hohe Wellen geschlagen. Nicole Schweizer, Co-Leiterin der Rechtsberatung des MV Zürich, blickt auf ein turbulentes halbes Jahr zurück – und auf einen wichtigen Erfolg. 

Bereits wenige Tage nach der Referenzzinserhöhung liefen bei der Rechtsberatung des MV Zürich die Drähte heiss. In der zweiten Juniwoche gingen über tausend Anrufe ein, doppelt so viele wie sonst in einer Woche. Die Mailanfragen verdreifachten sich im Juni im Vergleich zu einem durchschnittlichen Monat. Insgesamt kamen von Juni bis September so viele Beratungsgespräche, Anrufe und Mailanfragen zusammen wie sonst in einem ganzen Jahr. Eine Herausforderung für Nicole Schweizer, Co-Leiterin der Rechtsberatung des MV Zürich, und ihr Team. 

Frau Schweizer, hatten Sie mit einem derartigen Ansturm auf die Rechtsberatung gerechnet? 

Ja, es war absehbar, dass wir bedeutend mehr Anfragen bekommen würden. In einer Zeit, in der alles teurer wird, ist eine Mietzinserhöhung umso belastender. Zudem hat der Mieterinnen- und Mieterverband bereits frühzeitig in den Medien auf das Thema aufmerksam gemacht und die Leute dazu ermutigt, eine Mietzinserhöhung genau anzuschauen und gegebenenfalls anzufechten. Wir bereiteten uns entsprechend vor. 

Wie sahen diese Vorbereitungen aus? 

Wir begannen bereits im Herbst 2022, als klar wurde, dass in den kommenden Monaten der Referenzzins steigen würde. Zunächst schauten wir uns alte Fälle von 2008 an – dem Zeitpunkt der letzten Erhöhung. Glücklicherweise haben wir Mitarbeiter*innen im Team, die damals bereits dabei waren und ihre Erfahrungen teilen konnten. Ausgehend davon spielten wir verschiedene Szenarien durch, entwickelten eine Beratungsstrategie und bereiteten Musterbriefe für die Mieter*innen vor. Ausserdem arbeiteten wir am Online-Mietzinsrechner mit. Per Juni stellten wir zusätzliche Mitarbeiter*innen an und richteten eine spezielle Telefonlinie für Fragen zum Referenzzinssatz ein. 

Welche Fragen kamen immer wieder in den Beratungsgesprächen? 

Die meistgestellte Frage war: Ist die Erhöhung gerechtfertigt? Gefolgt von: Was muss ich jetzt machen? Und: Wie stehen meine Erfolgschancen bei einer Anfechtung? 

Wie beantworteten Sie diese Fragen? 

Wenn der Referenzzinssatz steigt, haben Vermieter*innen grundsätzlich das Recht, die Miete in einem bestimmten Rahmen anzuheben. Die Antwort auf die erste Frage ist daher in den meisten Fällen erst einmal: Ja. Sofern kein Rechnungsfehler vorliegt und bei Vertragsschluss kein falscher Referenzzinssatz verwendet wurde, kann man da kaum etwas machen. Nebst dem höheren Referenzzins können die Vermieter*innen aber auch eine Kostensteigerungspauschale verrechnen – in diesem Punkt gibt es bei einer Anfechtung mehr Spielraum. Weil der Referenzzinssatz seit 2008 stetig gesunken ist, hat sich bisher kaum jemand für die Kostensteigerungspauschale interessiert. Mit der Erhöhung des Referenzzinssatzes im Juni fällt sie nun aber ins Gewicht. Deshalb haben wir das Thema zu einem Fokus unserer Kampagne gemacht. 

Welche Möglichkeiten gibt es denn punkto Kostensteigerungspauschale? 

Über die Kostensteigerungspauschale wälzen Vermieter*innen Betriebskosten auf die Mieter*innen ab, die sie nicht bereits als Nebenkosten verrechnen. Die Pauschale beträgt bis zu 1 Prozent des Nettomietzinses – pro Jahr seit der letzten Mietzinsänderung. Um zu beurteilen, ob die Höhe dieser Pauschale im Einzelfall gerechtfertigt ist, haben wir geschaut, wie viel Nebenkosten bezahlt werden und wofür. Wenn bereits drei oder mehr Positionen abgerechnet werden, ist es weder realistisch noch gerechtfertigt, eine Pauschale von 1 Prozent draufzuschlagen. In so einem Fall dürfte die Pauschale aus unserer Sicht maximal 0,25 Prozent betragen. Wenn die Nebenkosten hingegen nur Heizung und Warmwasser umfassen, halten wir 0,5 Prozent für vertretbar. Bei einem Neubau, bei dem keine Reparaturarbeiten zu erwarten sind, sollte die Kostensteigerung in den ersten fünf Jahren ganz entfallen. Entscheidend ist darüber hinaus, auf welcher Basis die Pauschale berechnet wird. Das ist leider eine ziemlich komplizierte Angelegenheit. 

Können Sie es anhand eines Beispiels erklären? 

Nehmen wir an, Ihr Vermieter hat Ihnen vor drei Jahren die Miete wegen des Referenzzinssatzes gesenkt, Ihnen gleichzeitig aber 1 % Kostensteigerung pro Jahr seit der letzten Mietzinsänderung verrechnet. Der Nettomietzins, den sie seither zahlen, beinhaltet somit mehrere Jahre Kostensteigerung. Für die Mietzinserhöhung im Oktober wendet Ihr Vermieter nun diesen Nettomietzins an und berechnet darauf erneut eine Kostensteigerungspauschale – wiederum 1 % für jedes der drei Jahre seit der letzten Senkung, was dann also 3 % mehr Miete ausmacht. Jetzt wird es interessant – und noch komplizierter: Mietzinssenkungen sind in diesem Zusammenhang nicht verbindlich. Sie können darum als Mieter*in fordern, dass die Kostensteigerung basierend auf einem verbindlichen Nettomietzins berechnet wird – das ist entweder jener zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, jener der letzten Mietzinserhöhung oder jener eines allfälligen abgeschlossenen Vergleichs. 

Die Kostensteigerungspauschalen, die mir mein Vermieter in der Vergangenheit bei Mietzinssenkungen aufgerechnet hat, würden dadurch entfallen? 

Genau. Bei der Beratung haben wir im Einzelfall jeweils ausgerechnet, ob es finanziell mehr Sinn macht, als Basis für die Pauschale den letzten verbindlichen Nettomietzins zu nehmen oder jenen nach der letzten Senkung. Was wichtig zu wissen ist: Wenn man eine Mietzinserhöhung akzeptiert, ist das in Zukunft der neue, verbindliche Nettomietzins – also auch die neue Basis für die Berechnung künftiger Kostensteigerungspauschalen. Wer die Mietzinserhöhung vom Juni akzeptiert hat, hat jetzt einen Nettomietzins, der sämtliche aufgerechneten Kostensteigerungen enthält – es gibt kein Zurück mehr. Deswegen haben wir den Mieter*innen zur Anfechtung geraten: Weil man dann eine Reduktion oder gar Streichung vergangener Kostensteigerungspauschalen fordern und so eine bessere Basis für künftige Mietzinsänderungen legen kann. 

Ist es überhaupt zulässig, die Kostensteigerung pauschal zu verrechnen? 

Nein, Pauschalen sind gemäss Bundesgericht nur in Ausnahmefällen zulässig. Eigentlich müssten die Vermieter*innen zuhanden der Mieter*innen die Kostensteigerung genau auflisten und aufschlüsseln. Die Behördenpraxis ist aber eine andere: In vielen Kantonen lassen die Schlichtungsbehörden der Einfachheit halber eine Pauschale zu. Im Kanton Zürich variiert diese von Bezirk zu Bezirk. Manche Schlichtungsbehörden rechnen mit 1 Prozent, andere nur mit 0,5. Wir vom MV Zürich kritisieren diese uneinheitliche Handhabung und halten 1 Prozent für klar zu hoch. Deshalb gingen wir im Juli aktiv auf alle Schlichtungsbehörden im Kanton zu. Wir informierten sie darüber, dass wir den Mieter*innen raten, die Mietzinserhöhung anzufechten und eine Anpassung der Kostensteigerungspauschale zu fordern – 0,5 Prozent bei geringen, 0,25 bei umfangreichen Nebenkosten und keinerlei Kostensteigerung bei Neubauten. 

Wie reagierten die Behörden darauf? 

Mehrheitlich bekamen wir ein gutes Feedback. Viele Schlichtungsbehörden teilten unsere Ansicht, dass nicht mit überrissenen Pauschalen gerechnet werden darf, und stützten unsere Strategie. Manche übernahmen die von uns vorgeschlagene Abstufung sogar. Einige stellten sich zunächst jedoch quer. 

Inwiefern? 

Sie schickten den Mieter*innen direkt nach Eingang der Anfechtung einen Brief mit einer Berechnung, die ungeachtet der vorgebrachten Argumente eine fixe Pauschale von 0,5 Prozent stützt. Sie positionierten sich damit klar aufseiten der Vermieterschaft. Das schreckte viele Mieter*innen ab und bewog sie dazu, ihre Anfechtung zurückzuziehen. Dass eine Behörde den Mieter*innen vor dem Verfahren mitteilt, sie interessiere sich, salopp gesagt, nicht für ihr Anliegen, ist inakzeptabel. Wir wehrten uns dagegen und kündigten an, betreffende Entscheide konsequent an die nächste Instanz weiterzuziehen. Seither hat sich einiges getan. Bei einem Treffen im Oktober einigten sich alle Schlichtungsbehörden darauf, dass Vermieter*innen die Kostensteigerung künftig nachweisen müssen und die Pauschalen vereinheitlicht werden – gemäss der von uns vorgeschlagenen Abstufung. Wir freuen uns über diesen kleinen Sieg. Er bestätigt unsere Strategie, die Kostensteigerungspauschale zu einem Schwerpunkt unserer Kampagne zu machen und diese langjährige Behördenpraxis anzugreifen. 

Angenommen, ich kann punkto Kostensteigerungspauschale nichts rausholen. Gibt es noch andere Möglichkeiten, die Mietzinserhöhung anzufechten? 

Die letzte Möglichkeit ist die sogenannte Renditeeinrede (mehr dazu lesen Sie unter «Nachgefragt»; Anmerkung der Redaktion). Für eine Renditeeinrede braucht es aus unserer Sicht eine anwaltliche Vertretung, weil das Thema rechtlich sehr komplex ist. Unser Motto in der Beratung ist jedoch Hilfe zur Selbsthilfe, deshalb war die Renditeeinrede bisher kein Fokus in unserer Beratungsstrategie – was sich je nach Entwicklung ändern kann. 

Sie sagten, viele Mieter*innen hätten sich nach den Erfolgschancen einer Anfechtung erkundigt. Weiss man schon, wie die Schlichtungsverfahren ausgegangen sind? 

In der Rechtsberatung hüten wir uns davor, Prognosen zu machen. Mit unserem Mietzinsrechner können wir den Mieter*innen lediglich eine Einschätzung geben, ob die Mietzinserhöhung überrissen scheint und wie viel bei einer erfolgreichen Anfechtung allenfalls rauszuholen wäre. Wenn die finanziellen Auswirkungen wesentlich sind, raten wir den Mieter*innen zu einer Anfechtung. Zusätzlich empfehlen wir ihnen, aktiv auf ihre Vermieterschaft zuzugehen. Das führte in einigen Fällen dazu, dass die Vermieterschaft den Mieter*innen mit einer tieferen Kostensteigerungspauschale entgegenkam, sodass die Schlichtungsverhandlung nicht mehr nötig war. Wie es bei den laufenden Verfahren aussieht, kann ich nicht sagen. Viele Mieter*innen haben noch nicht einmal einen Termin für die Schlichtungsverhandlung. Es gibt erhebliche Verzögerungen, weil die Behörden bedeutend mehr Anfechtungsgesuche bearbeiten müssen als üblich. 

Hat man bessere Erfolgschancen, wenn man sich mit anderen im Haus zusammentut? 

Grundsätzlich ist es immer hilfreich, wenn mehrere Mieter*innen die Mietzinserhöhung anfechten und mit einem gemeinsamen Vorschlag auf die Vermieterschaft zugehen – vorausgesetzt, die Ausgangslage ist vergleichbar. Man ist dann nicht alleine und alle stehen für das gleiche Anliegen ein. Das führt nicht selten dazu, dass die Vermieterschaft den Mieter*innen entgegenkommt, weil sie keine Lust auf eine Reihe von Schlichtungsverfahren hat. 

Rechnen Sie für die nun anrollende zweite Erhöhungsrunde mit einem ähnlichen Beratungsbedarf? 

Das ist im Moment schwierig abzuschätzen. Die zweite Erhöhungsrunde wird finanziell nicht ganz so stark ins Gewicht fallen wie die erste, weil seit der Erhöhung im Oktober nur drei Monate Kostensteigerung berechnet werden können. Es gibt aber Vermieter*innen, die die erste Erhöhungsrunde ausliessen und die zweite Runde abwarteten. Und es gibt Mieter*innen, die im Sommer keine Mietzinserhöhung erhielten, weil ihre Miete auf einem Referenzzins von 1,5 Prozent basierte. Wir rechnen vorsorglich mit einem ähnlich hohen Ansturm wie im Juni und planen unsere Ressourcen entsprechend ein. Auch deshalb, weil wir immer noch alle Hände voll zu tun haben mit den Fällen aus der ersten Erhöhungsrunde. In den vergangenen Wochen erhielten viele Mieter*innen relativ kurzfristig einen Vorladungstermin für die Schlichtungsverhandlung. Daher ist die Nachfrage nach den Coachings, die wir unseren Mitgliedern im Vorfeld der Schlichtungsverhandlung anbieten, momentan sehr gross. 

Gespräch: Isabel Plana

Untermiete als Lebensrealität 

Studierende wohnen überproportional häufig in Untermietsverhältnissen, eine Verschlechterung würde sie deshalb besonders stark treffen. Es gehört zur Lebensrealität, dass eine studierende Person mal einige Zeit im Ausland oder in einer anderen Stadt verbringt. Bei den vorliegenden Gesetzesänderungen wird nicht zwischen der vollständigen Untervermietung des Mietobjekts und der teilweisen Untervermietung unterschieden. Häufig wird ein Zimmer dann untervermietet, wenn sich die persönliche Situation der Mietpartei wesentlich ändert oder eine Person die Wohnung nicht alleine finanzieren kann, vielleicht will sie einfach auch Wohnraum sinnvoll nutzen. 

Die heute vorhandenen Regeln sehen bereits eine Zustimmung der Vermieterschaft für eine Untermiete vor, jedoch ohne übertriebenen Formalismus. Mit dem massiven Formalismus dieser Untermietsverschlechterung würde eine Möglichkeit geschaffen, ausserordentlich zu kündigen. Diese Verschlechterung kommt im falschen Moment, denn die steigenden Mieten und Nebenkosten haben bereits viele Studierende vor erhebliche finanzielle Herausforderungen gestellt. Es wird immer schwieriger, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Besonders in den grossen Städten ist der Wohnraum knapp. 

Da 2020 das Studierenden-GA abgeschafft wurde und auch im nächsten Jahr die ÖV-Preise steigen werden, können Studierende auch nicht ausserhalb ihrer Studienstandortes leben. Die Mietrechtsverschlechterungen gefährden also auch den gleichen Chancenzugang zum Studium. 

Shasime Osmani, Vorstandsmitglied Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS)

Editorial

Andrea Bauer, Verantwortliche Redaktorin

Der Fokus unserer letzten Ausgabe lag auf den eidgenössischen Wahlen. Wir schauten zurück und zeigten, welche Parlamentarier*innen respektive Parteien in den letzten vier Jahren eine Politik für die Mietenden gemacht haben und welche nicht. Nun sind die Wahlen vorbei und wir können Bilanz ziehen. Viele der vom MV empfohlenen Kandidierenden wurden – zum Teil wieder, zum Teil neu – ins Parlament gewählt. Ihnen sei an dieser Stelle ganz herzlich gratuliert! Nicht überraschend wurden leider noch viel mehr nicht eben mieter*innenfreundliche Politiker*innen gewählt. Aus diesem Grund lassen uns diese Wahlen auch nicht auf einen Kurswechsel des Parlaments in der Wohnpolitik hoffen.

Das Parlament ist ja aber zum Glück nicht die einzige Instanz in diesem Land, die politisch etwas bewirken kann. Und das bringt uns wieder zurück zu den guten Nachrichten: Wir haben es innerhalb von nur sieben Wochen – der Hälfte der zur Verfügung stehenden Zeit – geschafft, zweimal 60 000 Unterschriften für unsere Referenden zu sammeln. Das ist beachtlich! Und es war nur möglich, weil ganz viele unserer Mitglieder auf der Strasse, im Bekanntenkreis oder im Büro Unterschriften gesammelt haben. Einen riesigen Dank an alle! 

Mit dem Zustandekommen der beiden Referenden (das Mitte Januar nur noch durch die Bundeskanzlei bestätigt werden muss) liegt es nun an den Stimmberechtigten, im nächsten Jahr darüber zu befinden, ob das Mietrecht tatsächlich zu Ungunsten der Mietenden geändert werden soll oder nicht. Die Vergangenheit zeigt: Bei Referenden in Mietfragen ist auf die Stimmberechtigten Verlass. 

Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre, schöne Wintertage und einen guten Start in ein neues Jahr! 

News

Bern: Initiative eingereicht 

Der Mieterinnen- und Mieterverband Bern hat seine Initiative «für faire und bezahlbare Mieten dank transparenter Vormiete» mit über 17 000 Unterschriften eingereicht. Die Initiative fordert die Einführung der sogenannten Formularpflicht. Dadurch würden Vermieter*innen verpflichtet, beim Wechsel der Mieterschaft den Mietzins der Vormieterschaft offenzulegen. So können Mieter*innen übertriebene Mietzinserhöhungen einfacher erkennen und allenfalls anfechten. 

Günstiger Wohnraum für Luzern 

In der Stadt Luzern verlangt der Mieterinnen- und Mieterverband in einem dringlichen Bevölkerungsantrag von der städtischen Regierung, die Stadt dem Gesetz über die Erhaltung von Wohnraum zu unterstellen. Damit dürfte Wohnraum nur noch mit Bewilligung abgebrochen, umgebaut oder seinem Zweck entzogen werden. Das Parlament überwies den Bevölkerungsantrag Ende November als Motion. Der Stadtrat hat damit ein Jahr Zeit, die konkrete Umsetzung auszuarbeiten. 

Teurer Wohnungswechsel 

Umziehen muss man sich leisten können, das zeigt eine neue Studie der Zürcher Kantonalbank. Wer im Kanton Zürich in eine neue Wohnung zieht, zahlt im Schnitt 16 Prozent mehr als zuvor, was jährlich 3000 Franken entspricht. In der Stadt Zürich muss man mit 26 Prozent bzw. rund 5300 Franken mehr rechnen. Noch krasser ist der Vergleich mit der Stadt Genf, wo der Unterschied 54 Prozent beträgt. Eine Folge davon ist, dass viele Mietende nicht aus einer zu gross gewordenen Wohnung ausziehen. 

Gemeinsam wohnen im Trend 

In der Schweiz wird wieder vermehrt Wohnraum gemeinsam genutzt, so eine Analyse des Immobilienberaters Wüest Partner. Die Zahl der Kleinhaushalte nimmt seit 2021 und noch deutlicher seit 2022 spürbar langsamer zu. Gleichzeitig ist die Anzahl Haushalte mit drei oder mehr Personen merklich angestiegen. Verantwortlich dafür ist gemäss Wüest Partner nicht etwa ein Wertewandel, sondern schlicht wirtschaftlicher Zwang.

Unentbehrlicher Helfer im Alltag 

Staubsauger sind ein Segen. Die Auswahl an Modellen ist riesig, worauf also achten beim Kauf? 

Gut hundert Jahre ist es her, dass Elektrolux und Hoover die ersten marktreifen Staubsauger entwickelt haben. Die praktischen Geräte sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Allein in Schweizer Haushalten stehen heute über vier Millionen Staubsauger im Einsatz. Dass jedes Jahr 500 000 Staubsauger über den Ladentisch gehen, weist aber darauf hin, dass viele Geräte nach wenigen Jahren ersetzt werden müssen. Wir sollten also beim Kauf eines robusten und zugleich energieeffizienten Modells ein paar Überlegungen anstellen bezüglich Effizienz oder Lautstärke. Soll es ein Schlittensauger mit Kabel sein? Mit und ohne Staubbeutel? Ein Gerät mit Akku oder ein selbstständiger Roboter? Oder gar nur ein kleiner mobiler Handstaubsauger? 

Zwei bis drei Dezibel machen einen Unterschied 

Eine wichtige Rolle beim Kaufentscheid spielt die Lautstärke. Bei den allermeisten Topten-Modellen liegt die Bandbreite zwischen 60 und 70 Dezibel. Bereits vermeintlich geringe Unterschiede von 2 bis 3 Dezibel sind deutlich hörbar. Beutellose Modelle sind tendenziell lauter als Modelle mit Beutel. Das leiseste der energieeffizienten Topten-Modelle ist 57 Dezibel laut und weist eine Leistung von 500 Watt auf. «Die Wattzahl sagt allerdings wenig über die tatsächliche Reinigungsleistung aus», erklärt Nadja Gross von Topten. «Eine hohe Wattzahl sagt vor allem, dass das Gerät viel Strom verbraucht; ausschlaggebend ist, wie der Motor, das Gebläse und die Düsen konstruiert sind.» Um bei unserem Modell zu bleiben: In zehn Jahren verbraucht es Strom für 78 Franken. Ein weiterer Kostenfaktor sind die Staubbeutel, diese kosten 137 Franken in zehn Jahren. 

Staubfreie Ausblasluft 

Der durchschnittlich hohe Beutelpreis von rund 5 Franken wirft daher die Frage auf, ob ein beutelfreies Gerät nicht ökonomischer ist. Grundsätzlich ist das so, das Problem ist aber: Schlittensauger ohne Beutel wirbeln beim Leeren der Schmutzbox oft viel Staub auf. Einige wenige Modelle blasen beim Saugen den Feinstaub sogar hinten teilweise wieder raus. Beides ist für Personen mit Allergien oder Asthma ungünstig. Für sie sind darum Geräte mit für Allergiker ausgewiesenem Filtersystem am besten geeignet. Diese garantieren eine fast reine Ausblasluft. 

Akkustaubsauger und Roboter 

In den letzten Jahren hat das Angebot von Saugrobotern, die automatisch in der Wohnstube zirkulieren, stark zugenommen. Auch kabellose Staubsauger mit einem Akku sind stark im Trend. Hier gibt es sowohl kleine Modelle (Handstaubsauger) als auch grössere mit zusätzlichem Rohr, um auch am Boden saugen zu können. Robotermodelle sowie reine Akkustaubsauger ohne Kabel werden auf Topten noch nicht gelistet. Der Grund dafür ist, dass es keine Energieverbrauchszahlen gibt. Wichtig beim Kauf eines Akkusaugers: Je grösser der Akku, desto länger am Stück können sie zwar saugen, aber desto schwerer wird das Gerät. 

Seit 2019 keine Energieetikette mehr 

Seit Anfang 2019 ist die Energieetikette für Staubsauger in der EU ungültig, weil die Firma Dyson geklagt hatte. Seither steigen die Leistungszahlen (Watt) wieder, und Lieferanten von Staubsaugern dürfen Staubsauger ohne Energieetikette in der Schweiz verkaufen. Bestehende Energieetiketten müssen in der Schweiz aber nicht entfernt werden. Die Mindestanforderungen für Staubsauger bleiben weiterhin bestehen, insbesondere dürfen neue Staubsauger weiterhin maximal 900 Watt verbrauchen. Aktuell werden die gesetzlichen Mindestanforderungen überarbeitet und damit auch die Wiedereinführung einer Energieetikette auf EU-Ebene diskutiert. «Es bleibt zu hoffen, dass danach auch für Akkustaubsauger und Saugroboter ambitiöse Energieanforderungen gelten und die Produkte mit einem Energielabel wieder verglichen werden können», sagt Nadja Gross. 

Tipps zum Staubsauger 

Reparatur und Langlebigkeit: Sollte das Gerät oder Teile davon kaputtgehen, sollte man abklären, ob Ersatzteile wie beispielsweise ein neuer Schlauch oder eine neue Düse bestellt werden können. Dies ist billiger und schont die Umwelt: Darum am besten schon beim Kauf abklären! Seit kurzem gibt es auch für Staubsaugermodelle den Reparierbarkeitsindex. Je höher der Index, desto besser lassen sich Ersatzteile finden und einbauen. Das erhöht auch die Lebensdauer des Geräts. 

Entsorgung: Alte Staubsauger dürfen kostenlos bei einer Verkaufsstelle zurückgegeben werden, auch ohne Kauf eines neuen Geräts. 

Langsam und gleichmässig saugen: Tönt banal, ist aber nicht unwichtig. Je langsamer und gleichmässiger gesaugt wird, desto mehr Schmutz kann aufgenommen werden. Tiefer liegende Schmutzpartikel werden nur entfernt, wenn mehrmals über die gleiche Stelle gesaugt wird. 

Nachgefragt

Meine Miete soll wegen des gestiegenen Referenzzinssatzes erhöht werden. Kann ich mich mit dem Argument dagegen wehren, durch die Erhöhung überschreite der Mietzins die gesetzlich zulässige Höhe? 

Ja, das können Sie. Zwar kann sich die Mieterschaft grundsätzlich nur zu Beginn eines Mietverhältnisses während 30 Tagen gegen einen missbräuchlichen Mietzins wehren. Aber: Weil Mieter*innen durch das Gesetz gegen missbräuchliche Mietzinse geschützt sind, können sie mit der «Einrede des missbräuchlichen Mietzinses» immerhin weitere Erhöhungen eines bereits missbräuchlichen Mietzinses verhindern. So etwa bei einer Erhöhung aufgrund eines gestiegenen Referenzzinsatzes. Einer solchen Mietzinserhöhung, die im Prinzip korrekt ist, können Mietende entgegenhalten, dass der Mietzins nach einer Erhöhung missbräuchlich wäre. Mietende können so ein Stopp-Zeichen setzen. Sie müssen die Einrede im Anfechtungsverfahren aber ausdrücklich erheben. Denn weder die Schlichtungsbehörden noch die Gerichte prüfen von sich aus, ob eine Mietzinserhöhung zu einem missbräuchlichen Mietzins führt. 

Kommt es tatsächlich zu einer Berechnung des Ertrags durch die Schlichtungsstelle oder ein Gericht, gibt es zwei verschiedene Berechnungsmethoden – je nachdem, wie alt die betreffende Liegenschaft ist. Bei neueren Bauten, die bis zu 10 Jahre alt sind, kann auf den Bruttoertrag abgestellt werden. Dieser ist relativ einfach zu berechnen. Nach vorherrschender Rechtsauffassung darf das Anlagekapital eine Rendite abwerfen, die maximal zwei Prozent über dem aktuellen Referenzzinssatz liegt. Das Anlagekapital besteht dabei im Wesentlichen aus den Kosten, welche die Eigentümerschaft mit dem Landerwerb und dem Bau der Liegenschaft hatte. 

Bei älteren Bauten ist hingegen auf den Nettoertrag abzustellen. Der Nettoertrag, auch Nettorendite genannt, gibt Auskunft, wie hoch das Eigenkapital der Vermieterschaft verzinst wird. Als zulässig gilt eine Rendite von zwei Prozent über dem aktuellen Referenzzinssatz, solange dieser 2 % oder weniger beträgt. Bei einem aktuellen Referenzzinssatz von 1,75 % beträgt die höchstzulässige Nettorendite also 3,75 %. Erzielt die Vermieterschaft eine höhere Verzinsung, ist der Mietzins missbräuchlich. 

Damit allerdings eine solche Berechnung überhaupt erst möglich ist, muss die Vermieterschaft ihre Buchhaltung offenlegen. Mietende sollten deshalb bereits im Anfechtungsbrief ausdrücklich schreiben: «Ich erhebe die Einrede des übersetzten Ertrags und beantrage, dass die Vermieterschaft sämtliche erforderlichen Unterlagen zur Berechnung der Ertragslage herauszugeben hat.» 

Mietende sollten sich allerdings keine Illusionen machen. Die Erfahrungen aus der ersten Mietzinserhöhungsrunde vom vergangenen Sommer zeigen, dass Vermieterinnen sich ungern in die Karten schauen lassen und die Herausgabe solcher Informationen so lange wie möglich hinauszögern. Im Schlichtungsverfahren sind die Parteien noch nicht verpflichtet, Urkunden einzureichen. Bei Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit liegt die Vermutung eigentlich nahe, dass der erhöhte Mietzins über der zulässigen Rendite liegen würde. Es bleibt darum zu hoffen, dass Vermieter*innen, die nicht kooperieren, in einem späteren Gerichtsverfahren dafür «bestraft werden», indem ihnen z. B. die Gerichtskosten vollumfänglich auferlegt werden. Und zwar auch dann, wenn das Gericht zum Ergebnis kommt, dass der Mietzins nicht missbräuchlich ist und die Mieterschaft damit den Prozess verliert. 

Autor: Fabian Gloor

Editorial

Andrea Bauer, Verantwortliche Redaktorin

Schon bald sind wieder Wahlen, genau genommen am 22. Oktober. Ich habe für diese M+W-Ausgabe mit dem MV-Präsidenten Carlo Sommaruga geredet und ihn gefragt, welche Parteien die Interessen der Mietenden im Parlament vertreten und welche nicht. Seine Antwort fiel eindeutig aus, aber lesen Sie selber.

Wir haben ausserdem ein Mieter*innen-Rating für Sie gemacht, mit dem Sie herausfinden können, welche Parlamentsmitglieder in Ihrem Kanton in der letzten Legislatur im Sinne der Mietenden abgestimmt haben. Sie finden es unter www.parlwatch.ch. Geben Sie einfach den Kanton ein, in dem Sie stimmberechtigt sind. Viele unserer kantonalen Sektionen machen ebenfalls Wahlempfehlungen. Sie finden diese entweder in diesem Heft oder auf der Website der Sektion.

Sie können noch mehr gegen die hohen Mieten und für den Schutz der Mietenden zu tun, als alle vier Jahre die richtigen Personen ins Parlament zu wählen:

Fechten Sie Ihre Miete an, wenn sie zu hoch ist. Das können Sie entweder gleich nach dem Einzug tun oder dann, wenn die Miete erhöht wird. Letzteres dürfte in vielen Haushalten schon im Dezember der Fall sein, wenn der Referenzzinssatz erneut ansteigt. Unterschreiben Sie Initiativen, Referenden oder Petitionen mit mieter*innenfreundlichen Anliegen. Dazu haben Sie bald eine konkrete Möglichkeit: Am 29. September nämlich wird der MV ein oder zwei Referenden gegen die Aushöhlung des Mietrechts ergreifen, welche das Parlament in dieser Session beschliessen wird. Die Unterschriftensammlung beginnt voraussichtlich am 10. Oktober – wir halten Sie auf dem Laufenden.

Auch wenn die Parlamentsmehrheit nicht auf unserer Seite steht (auch das lesen Sie im Interview mit Carlo Sommaruga): Es gibt immer wieder Möglichkeiten, etwas für die Mietenden zu tun. Nutzen wir sie!

«Es herrscht ein Klima der Konfrontation»

MV-Präsident Carlo Sommaruga an der Generalversammlung in Biel. Foto: Manu Friederich

Was hat das Parlament in den letzten vier Jahren für die Mietenden getan? Und wie sieht es beim Wohnungsminister Guy Parmelin aus? MV-Präsident Carlo Sommaruga zieht Bilanz.

Carlo Sommaruga, mit den eidgenössischen Wahlen endet im Oktober eine ereignisreiche Legislatur. Wie fällt die Bilanz der letzten vier Jahre für die Mietenden aus?

Wir haben im Parlament eine extrem aggressiv auftretende Immobilienlobby gesehen. Wir von der Mieter*innenseite haben im Gegenzug alles unternommen, um die anhaltenden Angriffe auf das Mietrecht abzuwehren. Parallel dazu haben wir wichtige Vorstösse zugunsten der Mietenden eingereicht: Wir forderten Mietzinsreduktionen für die Zeit der Pandemie, Zuschüsse für einkommens­schwache Haushalte, als die Strompreise explodierten, oder eine Mietzinskontrolle gegen die überhöhten Mieten. Die Par­lamentsmehrheit hat keine Rücksicht auf die Mieter*innen genommen und sämt­liche Vorstösse abgelehnt.

Dass die Interessen der Mietenden im Par­lament keine Mehrheit finden, ist nicht neu, oder?

Nein. Diese Kräfteverhältnisse gibt es bereits seit Jahrzehnten. Neu ist die Aggressivität der Rechten in Bezug auf Immobilienfragen. Der Grund ist, dass sich in den letzten zwanzig Jahren die Eigentumsverhältnisse auf dem Woh­ nungsmarkt stark verändert haben – von privaten hin zu institutionellen Eigen­tümern. Früher waren vor allem die Interessen der kleinen privaten Eigentümer*innen im Parlament vertreten und es kamen Kompromisse zustande. Heute geben die Immobilieninvestoren den Ton an. Ihr einziges Ziel ist es, die Renditen zu maximieren. Die Idee des Mietrechts, wonach die Miete die Kosten decken und eine angemessene Rendite zulassen soll, interessiert sie nicht. Dadurch ist die Dynamik im Parlament viel aggressiver geworden.

Werden wir konkret: Wer sind die Ver­treter*innen des Immobilienkapitals im Parlament?

Diejenigen, die sich seit jeher für die Interessen der Mietenden, für bezahlbare Wohnungen, für die Verteidigung des Mietrechts starkmachen, das sind die SP und die Grünen. Die anderen Parteien – SVP, FDP, Mitte – stimmen systematisch gegen eine Verbesserung der Rechte der Mietenden. Selbst in Krisensituationen. Die Grünliberalen haben zwar einzelne Male mit uns gestimmt, grundsätzlich ge­ hören aber auch sie zur zweiten Gruppe.

Eigentlich ist es verrückt, es geht umdie Interessen von 60 Prozent der Schweizer Bevölkerung, und nur zwei Parteien ver­treten sie …

Vor vierzig, fünfzig Jahren gab es in der damaligen CVP noch eine relativ starke christlich­soziale Strömung, die sich um die Interessen der Mietenden kümmerte und Kompromisse ermög­ lichte. Auch bei den Freisinnigen und insbesondere den Liberalen gab es huma­ nistische Vertreter*innen, die Kompro­ misse schmiedeten. Das ist vorbei. Heute herrscht ein Klima der Konfrontation. Die Immobilienlobby hat begriffen, dass sie eine solide Mehrheit im Parlament hat, mit der sie ihre Interessen durchsetzen kann. Und der Druck der Investoren ist gross: Es gibt null Handlungsspielraum.

Auch auf das Bundesgericht können sich die Mietenden immer weniger verlassen, stimmt dieser Eindruck?

Parallel zur Polarisierung in der Politik hat eine Polarisierung im Mietrecht statt­ gefunden. Das Bundesgericht bildet die politischen Kräfteverhältnisse ab undist heute auf der Seite des Immobilien­ kapitals. Das war früher nicht so. Es war ziemlich schockierend, mitansehen zu müssen, wie es 2020 einen Entscheid des Parlaments über einen Vorstoss aus HEV­ Kreisen quasi vorweggenommen hat, indem es die zulässige Rendite auf 2 Pro­zent über dem Referenzzins erhöhte – genau wie es der Vorstoss verlangte, der am Ende vom Parlament abgelehnt wurde.

Wie fällt die Bilanz des Wohnungsminis­ters, SVP-Bundesrat Parmelin, aus?

Bundesrat Parmelin hat nichts unter­nommen, um die Situation der Mie­tenden zu verbessern: weder während der Covid­-Krise noch gegen unrechtmäs­sige Renditen oder hohe Energiepreise. Er macht Politik nach dem Motto «Der Markt wird es regeln». Damit unterstützt er die Immobilienkreise und die Eigen­ tümerseite. Anfang Legislatur hatte er an­ gekündigt, sich für mehr bezahlbaren Wohnraum einzusetzen, heute sind wir auf dem gleichen Niveau. Dabei hätte er viele Möglichkeiten gehabt zu handeln: über die Verbesserung des Mietrechts, die Einführung eines Vorkaufsrechts für Gemeinden und Kantone oder den Bau von Wohnungen auf dem Boden von staatsnahen Betrieben wie SBB oder Post. Aber nein, null Initiative vonseiten Herrn Parmelins für eine Mehrheit der Bevöl­ kerung. Das ist unverantwortlich.

Immerhin hat er im Mai einen runden Tisch zum Thema Wohnungsknappheit organisiert. Bald sollen Vorschläge kommen, wie die schwierige Situation verbessert werden kann …

Der runde Tisch von Bundesrat Par­ melin glich eher einer Runde unter dut­ zenden Freunden: Investoren, Bauherren, Verwalter, die alle mehr oder weniger das Gleiche sagten. Auf der anderen Seite wir, die Genossenschaften und die Cari­tas, die auf das soziale Problem der steigenden Mieten hinweisen wollten. An diesem runden Tisch sollten im Prinzip nur die Immobilienkreise und wir sitzen und über die Mieten verhandeln. Die Löhne werden ja auch von Arbeit­ geber­ und Arbeitnehmerseite bilateral ausgehandelt, und man lädt nicht noch andere Akteure dazu ein. Aus meiner Sicht hat Herr Parmelin diesen runden Tisch sowieso nur lanciert, um davon abzulenken, dass er nichts tut.

Ist das Problem nicht auch, dass die Analyse der aktuellen Situation unterschiedlich ausfällt? Die Bauwirtschaft will einfach nur bauen, bauen, bauen, der MV aber will bezahlbare Wohnungen.

Die Bauwirtschaft klagt immer über die Raumordnung, über Einsprachen, lange Fristen. Nur: Vor zehn Jahren hatten wir genau die gleichen Gesetze, und es wurde gebaut wie wild. Das Pro­ blem ist: Die Bauwirtschaft, Gemeinden und Kantone und auch Bundesrat Par­ melin wollen bauen, die Investoren an ihrer Seite wollen Rendite. Wenn wir also einfach mehr Wohnungen erstellen, entstehen vor allem teure Wohnungen. Der Markt regelt es eben nicht, wie Herr Parmelin denkt. Die einzige Lösung in der aktuellen Situation ist, mehrgemein­ nützigen Wohnraum zu erstellen, dessen Mieten nach dem Kostenprinzip be­ rechnet werden, nicht nach dem Marktprinzip.

Ende September wird der MV ein oder zwei Referenden ergreifen müssen, nächstes Jahr folgen weitere plus eine eigene Initiative. Findet die Politik des MV in den nächsten Monaten ausserhalb des Parlaments statt? 

Wir müssen weiterhin im Parlament gegen Verschlechterungen kämpfen. Aber die Entscheide werden an der Abstim­mungsurne fallen, ja. So wie die Lage heute ist, werden wir nicht nur die Refe­renden gewinnen, wir können im Kampf gegen zu hohe Mieten auch eine Mehr­heit der Bürger*innen und der Kantone hinter uns scharen und mit unserer Initia­tive für eine automatische Mietzins­kontrolle die Regeln ändern.

Am 16. September war der MV zusammen mit dem Gewerkschaftsbund und anderen Organisationen an der nationalen Kauf­kraft-­Demonstration präsent. Entwickeln sich hier neue Allianzen für die Zukunft?

Die Zusammenarbeit mit Gewerk­ schaften und anderen progressiven Kräften gab es bereits in den 70er-­ und 80er­-Jahren. Angesichts der schwierigen Situation haben wir sie wiederaufge­nommen. Viele Haushalte stehen unter grossem Druck. Auf der einen Seite stag­nieren Löhne und Renten, auf der an­ deren Seite steigen Krankenkassenprä­mien, Energie­ und Lebensmittelpreise und eben auch die Mieten. Die Zusam­menarbeit mit den Gewerkschaften ist unerlässlich.

Fassen wir zusammen: Im Parlament dominiert die Immobilienlobby, der Bun­desrat kümmert sich nicht um die Mie­tenden und das Bundesgericht schlägt sich zunehmend auf die Seite des Kapitals. Welche Hoffnung gibt es für die Mietenden in unserem Land?

Wir können in den Kantonen die Regeln ändern, etwa über die Höhe der Mietzinse nach Renovationen oder Neu­ bauten, wie dies in Basel und Genf bereits geschehen ist. Dann können wir – auf kantonaler wie auf nationaler Ebene – Referenden ergreifen und damit der Im­ mobilienlobby zeigen, dass sie nicht ein­ fach durchmarschieren kann. Wir müssen das Narrativ der Immobilienkreise durch­brechen und der gesamten Bevölkerung klarmachen, dass die Bedürfnisse der Mieter*innen wichtiger sind als die Renditegier des Immobilienkapitals. Das geht nicht von heute auf morgen, aber wir sind fit to fight.

Interview: Andrea Bauer

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