Nachgefragt

Meine Miete soll wegen des gestiegenen Referenzzinssatzes erhöht werden. Kann ich mich mit dem Argument dagegen wehren, durch die Erhöhung überschreite der Mietzins die gesetzlich zulässige Höhe? 

Ja, das können Sie. Zwar kann sich die Mieterschaft grundsätzlich nur zu Beginn eines Mietverhältnisses während 30 Tagen gegen einen missbräuchlichen Mietzins wehren. Aber: Weil Mieter*innen durch das Gesetz gegen missbräuchliche Mietzinse geschützt sind, können sie mit der «Einrede des missbräuchlichen Mietzinses» immerhin weitere Erhöhungen eines bereits missbräuchlichen Mietzinses verhindern. So etwa bei einer Erhöhung aufgrund eines gestiegenen Referenzzinsatzes. Einer solchen Mietzinserhöhung, die im Prinzip korrekt ist, können Mietende entgegenhalten, dass der Mietzins nach einer Erhöhung missbräuchlich wäre. Mietende können so ein Stopp-Zeichen setzen. Sie müssen die Einrede im Anfechtungsverfahren aber ausdrücklich erheben. Denn weder die Schlichtungsbehörden noch die Gerichte prüfen von sich aus, ob eine Mietzinserhöhung zu einem missbräuchlichen Mietzins führt. 

Kommt es tatsächlich zu einer Berechnung des Ertrags durch die Schlichtungsstelle oder ein Gericht, gibt es zwei verschiedene Berechnungsmethoden – je nachdem, wie alt die betreffende Liegenschaft ist. Bei neueren Bauten, die bis zu 10 Jahre alt sind, kann auf den Bruttoertrag abgestellt werden. Dieser ist relativ einfach zu berechnen. Nach vorherrschender Rechtsauffassung darf das Anlagekapital eine Rendite abwerfen, die maximal zwei Prozent über dem aktuellen Referenzzinssatz liegt. Das Anlagekapital besteht dabei im Wesentlichen aus den Kosten, welche die Eigentümerschaft mit dem Landerwerb und dem Bau der Liegenschaft hatte. 

Bei älteren Bauten ist hingegen auf den Nettoertrag abzustellen. Der Nettoertrag, auch Nettorendite genannt, gibt Auskunft, wie hoch das Eigenkapital der Vermieterschaft verzinst wird. Als zulässig gilt eine Rendite von zwei Prozent über dem aktuellen Referenzzinssatz, solange dieser 2 % oder weniger beträgt. Bei einem aktuellen Referenzzinssatz von 1,75 % beträgt die höchstzulässige Nettorendite also 3,75 %. Erzielt die Vermieterschaft eine höhere Verzinsung, ist der Mietzins missbräuchlich. 

Damit allerdings eine solche Berechnung überhaupt erst möglich ist, muss die Vermieterschaft ihre Buchhaltung offenlegen. Mietende sollten deshalb bereits im Anfechtungsbrief ausdrücklich schreiben: «Ich erhebe die Einrede des übersetzten Ertrags und beantrage, dass die Vermieterschaft sämtliche erforderlichen Unterlagen zur Berechnung der Ertragslage herauszugeben hat.» 

Mietende sollten sich allerdings keine Illusionen machen. Die Erfahrungen aus der ersten Mietzinserhöhungsrunde vom vergangenen Sommer zeigen, dass Vermieterinnen sich ungern in die Karten schauen lassen und die Herausgabe solcher Informationen so lange wie möglich hinauszögern. Im Schlichtungsverfahren sind die Parteien noch nicht verpflichtet, Urkunden einzureichen. Bei Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit liegt die Vermutung eigentlich nahe, dass der erhöhte Mietzins über der zulässigen Rendite liegen würde. Es bleibt darum zu hoffen, dass Vermieter*innen, die nicht kooperieren, in einem späteren Gerichtsverfahren dafür «bestraft werden», indem ihnen z. B. die Gerichtskosten vollumfänglich auferlegt werden. Und zwar auch dann, wenn das Gericht zum Ergebnis kommt, dass der Mietzins nicht missbräuchlich ist und die Mieterschaft damit den Prozess verliert. 

Autor: Fabian Gloor