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Das Asbest-Risiko bleibt aktuell

Badezimmer-Plättli sind oft mit asbesthaltigem Kleber befestigt. Solange asbesthaltiges Material nicht beschädigt ist, besteht jedoch in der Regel keine direkte Gefahr.

Bei Umbauten und Sanierungen an älteren Gebäuden stellen asbesthaltige Materialien ein Gesundheitsrisiko für die Mietenden dar. Auch beim Heimwerken ist Vorsicht geboten.

Grundsätzlich ist in allen vor 1990 erbauten Gebäuden mit Asbest zu rechnen, und das Einatmen von Asbestfasern kann zu schweren Erkrankungen bis zum Tod führen. Asbestfasern sind in vielen älteren Baumaterialien enthalten. In der Regel werden sie erst beim Bearbeiten der Materialien freigesetzt, worauf sie in die Atemwege gelangen können. Bevor die Gefährlichkeit der Asbestfasern erkannt war und Asbest 1990 verboten wurde, galt das Material wegen seiner zahlreichen Eigenschaften als Wunderfaser. Aufgrund seiner Hitzebeständigkeit wurde Asbest oft in Brandschutzmaterialien eingesetzt. Er besitzt hohe elektrische sowie thermische Isolierfähigkeit. Deshalb kam er etwa in elektrischen Sicherungskästen, hinter Heizkörpern und bei Rohrisolationen zum Einsatz. Weil er sich zudem gut in verschiedene Bindemittel wie Zement und Harz einarbeiten lässt, ist er in Bodenbelägen, im Fliesenkleber oder im Wandverputz zu finden. Praktisch im ganzen Haus ist mit Asbest zu rechnen, vom Fensterkitt bis zur alten Küche.

Dabei kann der erste Blick täuschen: Ein neuer Belag kann nach 1990 über einen älteren mehrschichtigen asbesthaltigen Vinylboden gelegt worden sein. Auch eine frisch gestrichene Wand kann über das tatsächliche Alter eines Verputzes hinwegtäuschen. Solange asbesthaltiges Material aber unbeschädigt ist und nicht bearbeitet wird, besteht in den allermeisten Fällen keine direkte Gefährdung – asbesthaltiges Material muss dann auch nicht vorsorglich entfernt werden.

Korrekt abgeklärt und informiert

Rund 1,3 Millionen Wohngebäude in der Schweiz wurden vor 1990 erbaut. Aufgrund des Alters vieler Liegenschaften werden Sanierungen zunehmend zum Thema. Mieter*innen können von einer Sanierung betroffen sein, sei es in der eigenen Wohnung oder in einer Nachbarswohnung. Werden die Arbeiten gemäss den geltenden Regeln durchgeführt, besteht keine Gefährdung. Steht eine Sanierung an, sollte die Bauherrschaft eine Bauschadstoffermittlung vorsehen. Zur korrekten Planung von Umbau- und Sanierungsarbeiten gehört die Kommunikation. Bauherrschaft oder Vermieterschaft sind gehalten, die Nutzer*innen und Mieter*innen korrekt zu informieren. Umgekehrt können auch diese auf die Problematik hinweisen. Insbesondere bei gleichzeitiger Nutzung der Liegenschaft während eines Umbaus ist die Kommunikation entscheidend für das gegenseitige Vertrauen. Zeigen die Ergebnisse der Schadstoffermittlung, dass beim Umbau mit der Freisetzung von Asbestfasern zu rechnen ist, können speziell instruierte Handwerker*innen die Arbeiten oftmals selbst durchführen, wobei sie mit gezielten Schutzmassnahmen sich selber und die Nutzer*innen der Liegenschaft schützen müssen. Ist dagegen mit einer erheblichen Freisetzung von Asbestfasern zu rechnen, wie dies typischerweise beim Entfernen alter asbesthaltiger Vinylbodenbeläge oder beim Entfernen alter Fliesen der Fall sein kann, dann dürfen die Arbeiten nur durch ein spezialisiertes Asbestsanierungsunternehmen durchgeführt werden, das von der Suva anerkannt ist. Für die Entfernung der asbesthaltigen Materialien wird der betroffene Bereich vom Rest der Liegenschaft separiert, unter Unterdruck gesetzt und während der Arbeiten überwacht. Eine solche Sanierung führt zu Einschränkungen in der Nutzung der Liegenschaft. Der Aufwand schützt aber alle Beteiligten.

Blumenkisten und Faserzementplatten

Nicht nur in der Wohnung, sondern auch im Aussenbereich ist noch mit Asbest zu rechnen. Zum Beispiel in Form einer Blumenkiste oder in einem Gartenhaus, das mit Faserzementplatten bedeckt ist. Gerade ältere Faserzementplatten sind oft asbesthaltig und können im Freien stark verwittert sein. Sie sollten nicht mit Bürsten oder einem Hochdruckreiniger geputzt, denn bei asbesthaltigen Platten können dadurch Asbestfasern freigesetzt werden. Wer asbesthaltige Faserzementplatten oder Blumenkisten nicht mehr benötigt, muss an das Asbestverbot denken: Die Platten und Kisten müssen korrekt entsorgt werden. Selbst wenn sie noch intakt sind, dürfen sie nicht weitergegeben werden – auch nicht gratis.

Text: Forum Asbest

Weiterführende Informationen
Die Initiative «Gemeinsam gegen Asbest» will für das Risiko einer Asbestexposition sensibilisieren. Auf der Internetseite www.forum-asbest.ch finden sich zahlreiche Informationen – auch für Mieter*innen. Ein interaktives Asbesthaus zeigt, wo mit Asbest zu rechnen ist. Und es findet sich ein Hinweis zum Gebäuderegister des Bundes, mit dem das Alter eines Hauses ermittelt werden kann.

Hotline

Fabian Gloor beantwortet Ihre Fragen

Bei Mangel Mietzins hinterlegen?

In meiner Wohnung hat der gut 20 Jahre alte Kühlschrank den Geist aufgegeben. Der Vermieter weigert sich jedoch, diesen zu ersetzen. Er wolle nichts mehr in die Wohnung investieren Ich habe gehört, dass man in solchen Fällen den Mietzins hinterlegen kann. Wie muss ich dabei vorgehen?

Ein defekter Kühlschrank ist ein mietrechtlicher Mangel. Weigert sich der Vermieter, einen Mangel zu beheben, dann können Sie gemäss Artikel 259g des Obligationenrechts (OR) als Druckmittel die zukünftig anfallenden Mietzinse amtlich hinterlegen. In diesem Fall entrichten Sie den Mietzins nicht mehr der Vermieterschaft, sondern deponieren ihn auf einem ganz bestimmten, von der zuständigen kantonalen Behörde bezeichneten Konto. Zuerst aber müssen Sie dem Vermieter mit einem eingeschriebenen Brief eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels setzen. Welche Frist als angemessen gilt, hängt von den konkreten Umständen ab. Schwerwiegende Mängel müssen rascher behoben werden als leichte. Zudem muss der Zeitraum ausreichen, um die Arbeiten auszuführen. In Ihrem Fall dürfte eine Frist von zwanzig Tagen sicher angemessen sein. Mit der Aufforderung zur Mängelbehebung müssen Sie dem Vermieter gleichzeitig die Hinterlegung androhen, falls er den Mangel nicht innert der gesetzten Frist behebt. Lässt der Vermieter diese Frist ungenutzt verstreichen, können Sie sich an die Schlichtungsbehörde wenden. Die Schlichtungsbehörde wird Ihnen dann angeben, auf welches Sperrkonto Sie den Mietzins einzahlen können. Mit der Hinterlegung gilt der Mietzins als bezahlt. Wichtig ist, dass Sie möglichst rasch nach der Hinterlegung ein Schlichtungsgesuch einreichen. Im Schlichtungsgesuch können Sie neben der Mängelbehebung gleich auch eine angemessene Mietzinsreduktion fordern. Werden nur die Mietzinse hinterlegt und folgt spätestens innert dreissig Tagen kein weiteres Begehren, überweist die Schlichtungsbehörde die Mietzinse wieder dem Vermieter.


Mietvertrag trotz Verkauf gültig?

Das Haus, in dem ich seit 16 Jahren wohne, wurde verkauft. Mein Mietvertrag lautet aber immer noch auf den alten Eigentümer. Was kann ich tun, damit mir die neue Eigentümerin sobald wie möglich einen neuen Vertrag ausstellt? Dieser vertragslose Zustand ist mir nämlich sehr unangenehm.

Ihre Sorgen sind unbegründet, denn Ihr Zustand ist alles andere als vertragslos! Gemäss Gesetz geht ein Mietvertrag beim Verkauf des Hauses mit allen Rechten und Pflichten auf die neue Eigentümerschaft über. Oft wird in solchen Fällen trotzdem ein neuer Mietvertrag ausgestellt, um Klarheit zu schaffen. Doch Obacht: Wenn Sie jetzt einen neuen Mietvertrag mit dem gleichen Mietzins wie vor 16 Jahren erhalten, handeln Sie sich damit eine versteckte Mietzinserhöhung ein. Denn wenn Sie heute einen Mietvertrag abschliessen, geht man davon aus, dass der Mietzins auf dem gegenwärtigen Referenzzinssatz von 1,75 Prozent beruht und dass somit kein weiterer Senkungsanspruch besteht. Sie haben den Mietvertrag aber vor 16 Jahren abgeschlossen. Ihr Mietzins beruht folglich noch auf dem damaligen Referenzzinssatz von 3,5 Prozent und muss entsprechend gesenkt werden. In Tat und Wahrheit könnten Sie die Senkung zwar auch verlangen, wenn Sie einen neuen Mietvertrag erhalten. Denn es handelt sich ja nur scheinbar um ein neues Mietverhältnis. Ihr Anspruch ist aber nicht so leicht ersichtlich. Er ist erst erkennbar, wenn Sie den alten und den neuen Mietvertrag vorlegen. Es besteht also das Risiko, dass der Senkungsanspruch übersehen wird und dass Sie nach einer gewissen Zeit selber nicht mehr daran denken.

News

Parlament gegen Lärmschutz

Der Nationalrat hat in der Frühlingssession bei der Beratung des Umweltschutzgesetzes gleich mehrere Vorstösse angenommen, die einen deutlichen Abbau des Lärmschutzes zur Folge haben. Unter anderem soll der Wohnungsbau in Gebieten mit überschrittenen Lärmimmissions-Grenzwerten erleichtert werden. Der definitive Entscheid zum Lärmschutz fällt in der Sommersession im Juni 2024.

Einsprachewelle

Die Zahl der Schlichtungsverfahren im Miet- und Pachtwesen ist im zweiten Halbjahr 2023 gegenüber der ersten Jahreshälfte um 45,8 Prozent angestiegen. Den mit Abstand grössten Anteil an den erledigten Verfahren wiesen mit 36,3 Prozent die Mietzinserhöhungen auf. Dies dürfte mit den beiden Erhöhungen des Referenzzinses am 2. Juni und am 2. Dezember zusammenhängen. In über 90 Prozent dieser Verfahren konnte eine Einigung erzielt werden. Ende Jahr verblieben mit 13 585 Verfahren so viele unerledigt wie noch nie im gesamten Erfassungszeitraum (seit 2005).

Brunaupark bleibt vorerst

Die Pensionskasse der Credit Suisse kann ihre geplante Überbauung in der Zürcher Brunau weiterhin nicht realisieren. Das Zürcher Verwaltungsgericht hat die Baubewilligung der Stadt Zürich aufgehoben, wie es Anfang März mitteilte. Grund dafür ist eine Einsprache von Bewohner*innen einer angrenzenden Siedlung. Im April 2021 wurde bereits die Baubewilligung für das erste Projekt aufgehoben. Die CS will in der Brunau über 500 neue Wohnungen im oberen Preissegment und ein Ladenzentrum erstellen, die Mietenden der heutigen rund 200 Wohnungen erhielten 2020 die Kündigung. Sie können bleiben, solange keine rechtskräftige Baubewilligung vorliegt.

Erfreulicher SNB-Entscheid

Ende März hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) den Leitzins gesenkt. Für die Mietenden ist dies eine gute Nachricht. Der Referenzzinssatz, und damit auch die Mietzinse, dürften vorerst nicht weiter ansteigen. Laut Expert*innen könnte der Wert Ende 2025/Anfang 2026 sogar wieder sinken.

Editorial

Andrea Bauer, Verantwortliche Redaktorin

In den letzten anderthalb Jahren ist aus Sicht der Mietenden eine Menge passiert: Im Winter 22/23 stiegen die Energiepreise und damit die Nebenkosten, die Rede war von einer «Energiekrise». Diese wurde Anfang 2023 von der nächsten Krise abgelöst – der «Wohnungskrise». Im Juni und im Dezember dann stieg der Referenzzinssatz und als Folge davon viele Mieten. Über den Jahreswechsel 23/24 schliesslich musste die Allianz «Nein zum Angriff auf das Mietrecht» gleich für zwei Referenden Unterschriften sammeln. 

Wir haben mit Linda Rosenkranz auf diese ereignisreichen Monate zurückgeschaut – es waren ihre ersten als Generalsekretärin des Mieterinnen- und Mieterverbands. Linda Rosenkranz hat uns auch gesagt, dass es für die Mietenden in den nächsten Monaten keineswegs ruhiger wird. Aber lesen Sie selber auf den Seiten 6 bis 9. 

Was uns sicher weiter beschäftigen wird, sind die hohen Mieten. Eine aktuelle Studie zeigt, dass die Mietenden nach wie vor viel zu viel für ihre Wohnungen bezahlen. Wie viel Geld da umverteilt wird, zeigt der Text auf Seite 5. Was man konkret in einer Zürcher Neuüberbauung für eine Wohnung zahlen muss, ist im Text von Isabel Plana auf den Seiten 10 bis 13 nachzulesen. Angesichts der Beträge hat sie die Frage gestellt: Was ist eigentlich noch legal und was schon Wucher? 

Dass das Hauptproblem der sogenannten Wohnungskrise nicht der Mangel an Wohnraum an sich ist, sondern der Mangel an bezahlbaren Wohnungen, sagen MV-Vertreter*innen wie Linda Rosenkranz oder Carlo Sommaruga (siehe sein Kommentar auf Seite 4) immer und immer wieder. So auch am runden Tisch von Bundesrat Guy Parmelin. Im «Aktionsplan Wohnungsknappheit», den dieser nun veröffentlicht hat, steht davon aber kein Wort. Das Problem der explodierenden Mieten wird von unserem Wohnminister hartnäckig ignoriert. 

Was bleibt uns da übrig? Das Heft selber in die Hand nehmen und eine entsprechende Volksinitiative lancieren, wie es die MV-Delegierten letztes Jahr beschlossen haben. 

Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre! 

 «Ich musste auf ein wild galoppierendes Pferd aufspringen» 

Energiekrise, Wohnungskrise, steigender Referenzzins, Doppelreferendum: Linda Rosenkranz’ erste anderthalb Jahre als Generalsekretärin waren ziemlich ereignisreich. Im Gespräch mit M+W schaut sie zurück – und wirft einen Blick auf das, was uns bevorsteht. 

Linda, kurz nachdem du Generalsekretärin wurdest, gingen zuerst die Energiepreise durch die Decke, dann sprachen plötzlich alle von der Wohnungskrise und Anfang Juni respektive Dezember wurde auch noch der Referenzzinssatz erhöht. Du hattest einen steilen Einstieg, oder täuscht das? 

(Lacht.) Nein, das täuscht überhaupt nicht. Ich bin mit dem Jobwechsel nicht wie erwartet auf ein neues Rössli gestiegen, sondern musste auf ein wild galoppierendes Pferd aufspringen. Das war sehr anspruchsvoll, aber auch sehr spannend. Ich wusste vom ersten Tag an, dass das, was wir hier machen, für die Mieter*innen wirklich wichtig ist. 

Was hat dein erstes Jahr von all dem am meisten geprägt? 

Die Energiepreise waren im Winter das ganz grosse Thema. Wir sagten eigentlich immer wieder dasselbe: Es geht nicht, dass die Mietenden sparen und sogar frieren müssen, während die Wirtschaft als grösste Energieverbraucherin geschont wird. Was – zusätzlich zu den Energiepreisen – Druck gemacht hat, vor allem auf die Sektionen, waren der Anstieg des Referenzzinses und Ende Jahr die beiden Referenden. Für sie haben wir innerhalb der Hälfte der Sammelfrist zweimal knapp 80 000 Unterschriften zusammengebracht – ich bin noch immer überwältigt. 

Hast du daneben noch Zeit gefunden, diesen grossen Verband kennenzulernen? 

Ich kam beruflich von einem ganz anderen Ort. Nur dank dem grossen Wissen in den Sektionen konnte ich mich in einem einigermassen brauchbaren Tempo einarbeiten. Dabei lernte ich gleichzeitig die Leute kennen. Die Besuche bei den Sektionen haben mich sehr «gebödelet». 

Inwiefern? 

Ich war am Anfang zu Besuch bei Rechtsberaterinnen und erzählte ihnen etwas über die Mietzinsspirale und die Marktlogik bei den Mieten, die wir durchbrechen müssen. Die schauten mich an und sagten: Linda, unser Problem ist im Moment der Schimmel. Wegen der explodierenden Energiekosten lüften die Mieter*innen weniger, wodurch das Problem noch grösser wird. Das hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, die unterschiedlichen Ebenen unseres Verbands zusammenzubringen. Und dass wir hier im Generalsekretariat die Bodenhaftung nicht verlieren dürfen. 

Wie schaffst du im Gegenzug Verständnis für das, was ihr hier macht? 

Indem ich mit den Leuten rede. Meine Erfahrung zeigt mir, dass man so für viel gegenseitiges Verständnis sorgen kann. 

Das letzte Jahr stand medial auch im Zeichen der Wohnungsknappheit. Bundesrat Parmelin lud zweimal zu einem runden Tisch. Du warst für den MV dabei, wie war das? 

Der runde Tisch wäre eine grosse Chance gewesen, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen und Lösungen zum Thema Wohnraum zu suchen. Es ist extrem schade, ging es dann fast nur um die Frage des Baus von neuen Wohnungen und so wenig darum, wie wir bestehenden Wohnraum erhalten können, und zwar bezahlbar – also auch darum, wie der Bund endlich die missbräuchlichen Renditen bekämpfen kann. Diese Chance hat Bundesrat Parmelin vertan, was ich mehr als schwach finde von unserem Wohnminister, dessen oberste Priorität bezahlbares und qualitativ gutes Wohnen sein müsste – das gibt ihm nämlich sein Pflichtenheft, also unsere Verfassung, so vor. 

Wie verschafft man sich als Vertreterin der Mietenden in der Politik Gehör? 

Wir müssen uns bewusst machen, welches unsere wichtigsten Botschaften sind, und diese immer und immer wieder sagen. Wichtig ist auch, dass wir Referenden ergreifen, Initiativen lancieren und parlamentarische Vorstösse zu unseren Anliegen einreichen. Damit können wir zeigen, dass man nicht an den Mietenden vorbeikommt. Ich bin ausserdem überzeugt, dass es einen sozialpartnerschaftlichen Dialog braucht. Das ewige Gegeneinander mit dem Hauseigentümerverband nützt niemandem in diesem Land etwas. Eigentümer*innen und Mietende haben oft an ähnlichen Orten Probleme – wenn etwa die Hypothekarzinse steigen, betrifft das beide. Dafür sozialpartnerschaftliche Lösungen zu finden, wäre im Interesse aller. 

Mit sozialpartnerschaftlich meinst du, dass nach dem Vorbild von Arbeitgeber-und Arbeitnehmerseite verhandelt werden sollte? 

Ja. Das ist etwas so typisch Schweizerisches: Ich gebe dir das, dafür gibst du mir davon etwas. Bei den Gewerkschaften spricht man vom sozialen Frieden, man könnte doch auch einen Wohnfrieden anstreben. Was passiert, wenn dieser nicht vorhanden ist, sieht man etwa in Deutschland, wo die Leute auf die Strasse gehen, weil die Mieten explodieren. Ich glaube, wir sind auch in der Schweiz nicht sehr weit davon entfernt. 

Gerade im Parlament machen die HEV-Vertreter*innen im Moment aber einfach ein Powerplay. Sie wissen, dass sie sowieso durchkommen. 

Sie sind am längeren Hebel, weil sie viel mehr finanzielle Mittel zur Verfügung haben und im Parlament viel mehr Vertreter*innen haben. Das heisst nicht, dass wir nicht schlauer sein können. Wir müssen die Verbandelungen in der Politik aufzeigen. Die Leute müssen merken, dass Lobbying nicht nur bei der Pharma oder bei den Versicherungen existiert, sondern dass gerade der Immobiliensektor eine gewaltige Lobby hat. Gleichzeitig müssen wir Leute aus den Mitte-Parteien finden, die mit uns zusammenarbeiten. Es ist für mich noch immer ein riesiges Fragezeichen, warum auf nationaler Ebene niemand ausserhalb der links-grünen Parteien die Anliegen der Mietenden unterstützt. Unsere Basis ist im politischen Spektrum von ganz links bis ganz rechts angesie-delt und es wäre wichtig, dies auch in unserer Arbeit und in unseren Strukturen abzubilden. 

In der zweiten Jahreshälfte kommt das Doppelreferendum gegen zwei Vorstösse der Immobilien-Lobby zur Abstimmung. Seid ihr bereit für die Kampagne? 

Ja! Gerade im Zusammenhang mit der Wohninitiative, die 2020 zur Abstimmung kam, wurde unglaublich viel Vorarbeit geleistet, auf die wir nun zurückgreifen können. Mit dieser Kampagne ist es aber noch nicht getan. Während wir dieses Interview führen, schreibt meine Kollegin Pauline eine Vernehmlassungsantwort zum nächsten Gesetzesentwurf. Gegen diesen werden wir erneut das Referendum ergreifen müssen. Wir werden in den nächsten Monaten und Jahren eine Kampagne nach der anderen führen müssen. Das hat uns das bürgerliche Parlament so aufgedrückt. Um effizienter zu sein, müssen wir mehr Dinge selber machen können. Schliesslich ist jeder Franken, den wir hier ausgeben, ein Franken, den uns ein Mitglied gegeben hat. Und wir haben eine grosse Verantwortung, möglichst viel daraus zu machen. 

Wie erklärt man den Stimmberechtigten so etwas Technisches wie das Mietrecht? 

Ich glaube, das menschliche Hirn ist auf praktische Beispiele angewiesen. Wenn ich sehe: Die Verschlechterung bei der Untermiete könnte mich oder meine Tochter oder meinen Neffen betreffen, bekomme ich ein Verständnis für diesen Teil des Mietrechts. Diese Beispiele müssen wir in einer Sprache erzählen, die einfach, aber nicht populistisch ist, zum Beispiel in einem Erklär-Video. Vor Kurzem haben wir darum mit Luca eine neue Person eigens für den Online-Bereich angestellt. Mithilfe von Umfragen testen wir zudem, welche Argumente bei den Leuten gut ankommen. 

Du hast es erwähnt, nach den ersten beiden Referenden folgt sehr wahrscheinlich ein weiteres. Warum muss der MV zu jeder Änderung des Mietrechts ein eigenes Referendum ergreifen? 

Das ist die unsägliche Salamitaktik der Immobilien-Lobby: Änderungen an einem einzigen Gesetz werden in drei Teile aufgespaltet. Zu jedem Teil müssen wir ein Referendum ergreifen und die Stimmbevölkerung muss jedes Mal an die Urne rennen. Der Bund wiederum muss dreimal prüfen, ob die Unterschriften gültig sind, dreimal eine Abstimmung vorbereiten, dreimal die Versandkosten aufwerfen. Das ist unverantwortlich gegenüber der Stimmbevölkerung und ein demokratiepolitischer Skandal, den man nicht genug betonen kann. Mir ist kein ähnlicher Fall in der Schweizer Politik bekannt. 

Was bezweckt die Immobilien-Lobby mit dieser Taktik? 

Dass sie jedes Mal sagen können: Es geht ja nur um den Eigenbedarf, es geht ja nur um die Untermiete, es geht ja nur darum, dass wir saubere Statistiken bekommen. Was sie eigentlich bezwecken, ist die Verstärkung der Marktlogik bei den Mieten – und damit eine weitere Explosion der Mietzinse. Es gibt aber keinen funktionierenden Markt bei den Mieten. Sonst wären ja die Mieten gesunken, als der Referenzzins sank. Das Gegenteil war der Fall. Und ein Marktgedanke beim Wohnen macht auch grundsätzlich keinen Sinn, denn Wohnen ist nicht etwas, auf das ich Lust habe, das ich wählen kann. Ich muss wohnen. Wir sind darauf angewiesen, dass wir gesetzeskonforme Mietzinse bezahlen – ohne zu hohe Renditen. Darum engagiert sich der MV so stark gegen diese Gesetzesänderungen: Wir müssen verhindern, dass die Mietenden mit ihren Mietzinsen die überrissenen Renditen der Immobilienkonzerne bezahlen. Und darum erarbeiten wir zurzeit eine Initiative, die eine Kontrolle genau dieser zu hohen Renditen fordert. 

Wo steht die Initiative zurzeit? 

Die Sektionen haben Mitte Februar über mögliche Bausteine diskutiert. Auf der Grundlage dieser Diskussionen findet nun eine zweimonatige Konsultation statt. Wie die Initiative am Ende aussieht, entscheiden die Sektionen. Sie fühlen den Puls der Mitglieder und sie sind es, die letztlich die Unterschriften sammeln müssen. Wir können noch so gute Ideen haben in diesem Büro, wenn die Sektionen sie nicht mittragen, sind sie für gar nichts. 

Was steht 2024 sonst noch an? 

Wie alle grossen Verbände wollen wir unsere Strukturen und Prozesse modernisieren. Das heisst vor allem, dass wir unsere Dienstleistungen möglichst effizient erbringen wollen. Ein Ziel ist, die inhaltliche Koordination zwischen den Sektionen zu verbessern. Der MV in Neuenburg muss wissen, was der MV in Luzern grad für eine Initiative ausgearbeitet hat. Wir als Dachverband haben die Übersicht und es ist unsere Aufgabe, dies zu koordinieren. Es ist mir ein sehr grosses Anliegen, die Sprachgrenzen zu überwinden, die kulturellen Unterschiede der Sprachregionen zu nutzen und voneinander zu lernen. Das leben wir hier im Generalsekretariat im Kleinen bereits vor. 

Gespräch: Andrea Bauer

Ist das noch legal?!

Vorne Bahngleise, nebenan Stromtransformatoren: die Casa Binz, in der man für eine 3,5-Zimmer-Wohnung rund 4000 Franken Miete zahlt. Bild: Isabel Plana

In Zürich zahlt man für eine 3,5-Zimmer-Wohnung nicht selten um die 4000 Franken pro Monat. Ist das noch legal oder schon Wucher?

Da reibt man sich die Augen: Über 4000 Franken Miete für eine 84 Quadratmeter grosse 3,5-Zimmer-Wohnung. So viel kostet es, wenn man in der Neuüberbauung Austrasse in Zürich-Wiedikon wohnen möchte. Hier, wo einst eine Brauerei, später eine Wurstfabrik und ab den 1970er-Jahren ein Bürogebäude der Zürich Versicherung standen, ragen neuerdings drei Blöcke mit 269 hochpreisigen Mietwohnungen in den Himmel. Grundstück und Liegenschaften gehören mittlerweile der Anlagestiftung der Zürich Versicherung – ein Renditeobjekt also.

Keine 100 Meter Luftlinie entfernt befindet sich eine weitere neue Wohnanlage mit vier Mehrfamilienhäusern, die Casa Binz. Auch hier zahlt man für eine 3,5-Zimmer-Wohnung im Schnitt fast 4000 Franken. Flächenmässig zwar etwas besser bedient, hat man dafür die Bahngleise der Üetlibergbahn vor der Nase und die Stromtransformatoren des städtischen Elektrizitätswerks im Nacken. Nicht gerade eine idyllische Wohnlage. Zuvor stand hier denn auch ein Gewerbegebäude, dasjenige der Maschinenbaufirma Emil Steiner AG, deren Inhaber das Grundstück und die neuen Mehrfamilienhäuser gehören. Nicht nur in Wiedikon schiessen Neu- und Ersatzneubauten mit teuren Wohnungen aus dem Boden. Auch in anderen Quartieren gibt es einige solcher Beispiele. Etwa den Wohnkomplex «Freiley» in Albisrieden mit 86 Wohnungen, ebenfalls auf einer ehemaligen Gewerbefläche erbaut und im Besitz einer grossen Anlagestiftung. (*)

Mieten dürften nicht so hoch sein 

Bei solchen Preisen fragt man sich als Mieterin oder Wohnungssuchender: Wie sind so hohe Mieten überhaupt möglich? Und wie kann es sein, dass selbst hohe Mieten bei einem Mieterwechsel oder einer Änderung des Referenzzinssatzes weiter steigen?  An den vermeintlich steigenden Liegenschaftskosten liegt es nicht. Das zeigt eine aktuelle Studie vom Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien BASS: Von Ende 2005 bis Ende 2023 sind die Kosten, welche die Vermieter*innen gemäss Mietrecht auf die Mietenden abwälzen dürfen – etwa Unterhaltskosten und Hypothekarzinsen – um 5,3 Prozent gesunken. Die Mieten sind gemäss Mietpreisindex des Bundes im gleichen Zeitraum hingegen um 24,8 Prozent gestiegen. Die Studie kommt zum Schluss: Hätten sich die Mieten seit 2005 entlang den nach Mietrecht ausgewiesenen Kosten entwickelt, wären für die 2,4 Millionen Mietwohnungen in der Schweiz im Jahr 2023 31,4 Milliarden Franken Miete angefallen. Tatsächlich beliefen sich die Mietzahlungen gemäss Mietpreisindex jedoch auf 42 Milliarden Franken – die Mieter*innen haben 2023 somit 10,6 Milliarden Franken zu viel Miete bezahlt, schliessen die Studienautoren (vgl. auch ).

Solche Zahlen nähren den Verdacht, dass sich ein Teil der Vermieter*innen auf Kosten der Mietenden bereichert. Das Mietrecht besagt, dass eine Miete missbräuchlich ist, wenn sie auf einer übersetzten Rendite oder einem offensichtlich übersetzten Kaufpreis beruht. Beim aktuellen Referenzzinssatz von 1,75 Prozent gilt eine Rendite, die maximal 2 Prozent darüber liegt, als zulässig. Der Ertrag aus den jährlichen Mieteinnahmen darf zurzeit also maximal 3,75 Prozent des im Mietobjekt investierten Eigenkapitals betragen. Entscheidend ist in dieser Rechnung also nicht nur der Prozentsatz der zulässigen Rendite, sondern auch das Eigenkapital und damit der Kaufpreis, auf den sich diese Rendite bezieht. Je mehr man für Grundstück und Liegenschaft bezahlt hat, umso höher dürfen die Mieteinnahmen ausfallen. 

Teufelskreis Miet- und Bodenpreise 

Einer, der sich damit besonders gut auskennt, ist Niklaus Scherr, ehemaliger Zürcher Gemeinderat und bis 2009 Geschäftsleiter des MV Zürich. «Die hohen Mieten haben mit den hohen Bodenpreisen zu tun – und die hohen Bodenpreise mit den hohen Mieten. Es geht immer um übersetzte Landkosten, nicht um die Baukosten.» Der Börsencrash im Zuge der Finanzkrise und die Negativzinsen der letzten Jahre haben insbesondere institutionelle Anleger wie Versicherungen oder Pensionskassen dazu bewogen, vermehrt in Immobilien zu investieren. Mietwohnungen werfen zuverlässig Ertrag ab und bergen viel weniger finanzielle Risiken als etwa Aktien – gewohnt wird schliesslich immer. «Und wenn mehr Investoren mit mehr Geld um eine begrenzte Fläche buhlen, treibt das die Bodenpreise in die Höhe», hält Scherr fest. 

Das merkt man in Zürich besonders in den Aussenquartieren wie Schwamendingen, Altstetten oder Albisrieden. Vergleichsweise wenig dicht bebaut, bergen sie mit der heutigen Bauzonenordnung enormes Ausnutzungspotenzial. «Als die hiesigen Wohnsiedlungen mit viel grünem Umschwung in den 1940er-und 1950er-Jahren gebaut wurden, kostete der Boden 10 bis 50 Franken pro Quadratmeter», weiss Scherr. Heute bezahlt man das Hundert- oder gar Tausendfache, wie das Abfragetool Liegenschaftsmarkt (LIMA) der Stadt Zürich zeigt: 2022 lag der Quadratmeterpreis in Schwamendingen bei knapp 9000 Franken; in Alt-Wiedikon, wo die Überbauungen Austrasse und Casa Binz stehen, kostet der Quadratmeter in der viergeschossigen Wohnzone knapp 10 000 Franken, in der fünfgeschossigen Wohnzone über 15 000 Franken. 

Dass Investoren bereit sind, solche Bodenpreise zu zahlen, hänge mit den künftigen Gewinnerwartungen zusammen, erklärt Scherr. «Der Investor evaluiert, wie viele Wohnungen baurechtlich möglich sind und wie viel Miete der Markt hergibt. Man schaut, was die Leute für eine Wohnung mit einem bestimmten Ausbaustandard an einem bestimmten Standort zu zahlen bereit sind.» Die Schmerzgrenze ist offenbar ziemlich hoch: In der Überbauung Austrasse etwa sind ein halbes Jahr vor Bezug bereits zwei Drittel der hochpreisigen Wohnungen vermietet oder reserviert. «Auf Basis der potenziellen Mieteinnahmen wird dann modelliert, wie viel Ertrag die Liegenschaft über die nächsten 10, 20 Jahre abwerfen wird – inklusive Mieterhöhung bei Mieterwechseln. Daraus ergibt sich, wie viel Geld ich für den Boden zu zahlen bereit bin», erklärt Scherr weiter. «Wenn ich darauf Kartoffeln pflanze, ist ein Quadratmeter Boden 1 Franken Wert. Ziehe ich in Zürich einen Ersatzneubau hoch, sind es 5000 bis 15 000 Franken.» Solange sie mit genug zahlungsbereiten Mieter*innen rechnen können, werden sich die Investoren in Erwartung hoher Erträge beim Landkauf also weiter hochbieten oder einst günstig erworbene Grundstücke massiv aufwerten – und die Mieten dann entsprechend hoch ansetzen. 

Gegen übersetzte Renditen vorgehen 

Wenn also viel für Land und Liegenschaft bezahlt wurde, kann es sein, dass selbst bei hohen Mieten die Rendite im zulässigen Rahmen liegt. Oder auch nicht. Renditen sind für Mieter*innen eine Blackbox. Eigentlich gibt es ein mietrechtliches Instrument, mit dem Mieter*innen im Verdachtsfall gegen übersetzte Renditen vorgehen können: die sogenannte Renditeeinrede (mehr dazu in der Box). «Eigentlich» deshalb, weil es in der Praxis sehr schwierig ist, damit durchzukommen. Denn: Die Beweislast liegt bei den Mieter*innen. Sie müssen der Vermieterschaft eine übersetzte Rendite nachweisen. Das ist aber nur möglich, wenn die Vermieterschaft Einsicht in ihre Zahlen gibt und umfangreiche Unterlagen offenlegt. Zum Beispiel den Kaufvertrag, Belege von Krediten und Hypotheken, eine detaillierte Liegenschaftsrechnung, hinuntergebrochen auf die betreffende Wohnung. Im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht während des Verfahrens haben Vermieter*innen diese Informationen und Urkunden grundsätzlich vorzulegen – das tun sie aber, vor allem im Schlichtungsverfahren, so gut wie nie. «Ich habe es in all den Jahren nur einmal erlebt, dass solche Unterlagen im Schlichtungsverfahren offengelegt wurden», sagt Andreas Braun, selbstständiger Rechtsanwalt und Vertrauensanwalt des Mieterinnen- und Mieterverbands Zürich. Meistens würde behauptet, es sei nicht möglich, die für eine Renditeprüfung erforderlichen Informationen zusammenzustellen, oder sie seien nicht vorhanden. Das hält Braun für eine Ausrede. «Die Vermutung liegt nahe, dass viele Renditen, vor allem in Ballungsgebieten und Städten, deutlich übersetzt sind. Wenn die Vermieterschaft weiss, dass ihre Rendite übersetzt ist, wird sie es sich gut überlegen, ob sie das Risiko eingehen und die Unterlagen offenlegen soll.» 

Das Missachten der Mitwirkungspflicht hat für die Vermieter*innen keine nennenswerten Konsequenzen. «Das Gesetz gesteht den Mietenden keinen Informationsanspruch in Bezug auf Dokumente für die Renditeberechnung zu», erklärt Braun. Nicht einmal das Gericht könne Vermieter*innen unmittelbar dazu zwingen, die Unterlagen rauszurücken. «Das Mietgericht greift dann stattdessen auf amtliche Statistiken über die orts-und quartierüblichen Mieten zurück, um die Sachlage zu beurteilen», so Braun. Das ist mit viel Aufwand verbunden – und würde den Rahmen eines Schlichtungsverfahrens sprengen. Ohne die nötigen Unterlagen können Schlichtungsbehörden daher nicht auf die Renditeeinrede eingehen. Die Mietenden müssten vor Mietgericht weiterziehen. Das trauen sich nur wenige. «Der Entscheid, nach einem erfolglosen Schlichtungsversuch den Gang ans Mietgericht zu wagen, fällt vor allem Laien sehr schwer, zumal sie die Prozess- und die damit verbundenen Kostenrisiken nur schwerlich abschätzen können», sagt Braun, «Mandant*innen ohne Rechtsschutzversicherung rate ich daher tendenziell davon ab, ans Mietgericht weiterzuziehen.» Denn die Kosten dafür sind im Kanton Zürich hoch und die unterliegende Partei muss diese bezahlen – anders als in Basel und in einigen Westschweizer Kantonen: Dort ist nicht nur das Schlichtungsverfahren, sondern auch das Verfahren am Mietgericht kostenlos.  Dass der Gang vor Gericht für Mietende eine grosse Hürde ist, wissen die Vermieter*innen. Und sie nützen es aus, indem sie die zur Renditeberechnung notwendigen Unterlagen mindestens bis zum Ende des laienfreundlichen und kostenlosen Schlichtungsverfahrens zurückhalten. Ein Schlichtungsversuch werde aber trotz fehlender Unterlagen unternommen, heisst es bei der Schlichtungsbehörde Zürich. Welche Lösung man den Parteien vorschlage, hänge vom jeweiligen Fall ab. Für Walter Angst, Co-Geschäftsleiter des MV Zürich, ist klar, wie die Lösung aussehen müsste: «Wenn Vermieter*innen nicht bereit sind, im Schlichtungsverfahren ihre Rendite offenzulegen, sollten Mietzinserhöhungen Tabu sein. Wer mit horrenden Mieten möglicherweise eine übersetzte Rendite erzielt, sollte bei steigenden Referenzzinsen nicht noch mehr draufschlagen dürfen.»

Renditeeinrede trotzdem wichtig 

Trotz ihrer Schwächen in der gegenwärtigen Rechtslage hält Mietrechtsanwalt Andreas Braun die Renditeeinrede für ein wichtiges Instrument. «Je häufiger Mietende eine übersetzte Rendite geltend machen und sich Schlichtungsbehörden und Mietgerichte mit dem Thema auseinandersetzen müssen, desto eher wird sich die Praxis der Behörden weiterentwickeln – und am Ende vielleicht sogar auch ein gesetzgeberischer Prozess in Bewegung gesetzt.» Zum Beispiel mit dem Ziel, dass die Mietenden einen echten Informationsanspruch in Bezug auf die Rendite bekommen, dass also die Vermieter*innen die Unterlagen offenlegen müssen. Dann würden sie es sich vielleicht zweimal überlegen, ob sie für eine 84 Quadratmeter grosse 3,5-Zimmer-Wohnung 4000 Franken Miete verlangen wollen. 

Text: Isabel Plana

(*) Korrigendum vom 11.3.24: In der Printversion sowie in der alten Onlineversion steht fälschlicherweise, im Wohnkomplex «Freiley» bekomme man keine 3,5-Zimmer-Wohnung unter 3700 Franken. Korrekt ist: 11 der aktuell 14 verfügbaren 3,5-Zimmer-Wohnungen kosten monatlich zwischen 3190.- und 3450.- (inkl. NK).

Die Umverteilung geht munter weiter 

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Von 2005 bis 2023 haben die Mietenden insgesamt 100 Milliarden Franken zu viel Miete bezahlt. 

Vor exakt zwei Jahren erschien eine viel beachtete Studie zur Entwicklung der Renditen auf dem Mietwohnungsmarkt (vgl. M+W 1/2022). Das Büro für arbeits-und sozialpolitische Studien (BASS) untersuchte darin, wie sich die Mietzinse seit Ende 2005 hätten entwickeln müssen, wenn nur die im Mietrecht vorgesehenen Kostenfaktoren angewendet worden wären. Diese theoretisch zu erwartende Entwicklung verglich die Studie mit der tatsächlichen Mietpreisentwicklung. Die Differenz zeigt auf, wie viel die Mietenden Jahr für Jahr zu viel für ihre Wohnungen bezahlen. Ende Januar hat BASS nun aktuelle Zahlen zu dieser Studie präsentiert. Erhoben wurden sie im Auftrag des Newsportals «watson». 

100 Milliarden Franken zu viel 

Schweizweit gab es im Jahr 2023 rund 2,4 Millionen vermietete Wohnungen. Die jährlichen Mietzinszahlungen für diese: 42 Milliarden Franken. 

Das ist rund ein Viertel zu viel, wie die vom BASS berechneten Zahlen zeigen. Zwischen November 2005 und Dezember 2023 sind die Kosten für Vermieter*innen um 5,3 Prozent gesunken. Dies insbesondere, weil der Referenzzinssatz mehrfach gesenkt wurde. Die Mieten hätten als Folge davon ebenfalls sinken müssen. Tatsächlich sind sie aber um 24,8 Prozent gestiegen. Das bedeutet eine gigantische Umverteilung von den Mietenden zu den Vermieter*innen – oder in Zahlen ausgedrückt: 100 Milliarden Franken. So viel haben die Mietenden über die untersuchten 18 Jahre zu viel für ihre Mieten bezahlt. Im Mittel sind es rund 5,5 Milliarden pro Jahr, der jährliche Betrag steigt aber im Laufe der Zeit an, sodass es im Jahr 2023 bereits 10,6 Milliarden Franken oder 25 Prozent aller bezahlten Mieten waren. Pro vermietete Wohnung im Schnitt 360 Franken pro Monat. 

Die einen bezahlen, die anderen verdienen 

An dem, was die einen zu viel bezahlen, verdienen die anderen. In erster Linie sind es die Vermieter*innen, deren Rendite steigt. Aber nicht nur: Mit den Mietpreisen steigen auch die Immobilien- und die Bodenpreise. So sind die Preise für Wohnimmobilien in der Schweiz allein zwischen 2018 und 2022 um 18,3 Prozent gestiegen. Von dieser Wertsteigerung profitieren die Eigentümer*innen von Wohnliegenschaften. Die Verlierer*innen sind die Mietenden. Denn steigende Immobilienpreise wirken sich beim Verkauf eines Mietobjekts erst einmal auf die Kosten der neuen Vermieter*innen aus, werden dann aber in Form von steigenden Mietzinsen auf die Mietenden überwälzt. 

Mit «Aktion» hat das wenig zu tun 

Es ist mittlerweile ein Dreivierteljahr her, dass Bundesrat Guy Parmelin angesichts der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt zu einem runden Tisch lud. Mitte Februar hat nun ein zweites solches Treffen stattgefunden und wir müssen feststellen: Wir sind keinen Schritt weiter. Dabei hat sich die Lage im letzten Jahr nochmals zugespitzt – die Miethaushalte standen noch nie so stark unter Druck wie jetzt. Das grosse Problem sind die hohen Mieten respektive der Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Dafür interessiert sich Wohnminister Parmelin aber nicht. Sein «Aktionsplan Wohnungsknappheit» gibt auf dieses zentrale Problem keine Antwort und schlägt auch keine wirksamen Massnahmen dagegen vor. Lieber will er Studien in Auftrag geben, Analysen durchführen lassen und Gutachten machen lassen. Und vor allem immer wieder prüfen, prüfen, prüfen. Aber nicht nur das: Statt in dieser Situation selber Verantwortung zu übernehmen, delegiert der Bundesrat die Lösung des Problems an Kantone und Gemeinden. 

Was den Mietenden jetzt wirklich helfen würde, ist eine Mietzinskontrolle. Nur so können wir gegen missbräuchliche Renditen vorgehen und letztlich die Mietzinsspirale stoppen. Ebenfalls helfen würde die Einführung einer Formularpflicht für die gesamte Schweiz. Vermieter*innen sollen transparent machen müssen, wenn sie einen Wechsel der Mieterschaft nutzen, um die Miete zu erhöhen. Die Mietenden sollen die Chance haben, missbräuchliche Erhöhungen anzufechten. Die Gemeinden sollen ausserdem ein Vorkaufsrecht erhalten, um mehr gemeinnützige Wohnungen zu bauen. Denn wenn wir nur einfach mehr bauen, wie es der Bundesrat will, dann bekommen wir bloss noch mehr überteuerte Wohnungen. Von diesen wirkungsvollen Massnahmen ist in Parmelins «Aktionsplan Wohnungsknappheit» freilich nichts zu lesen. Mit «Aktion» hat dieser Plan darum herzlich wenig zu tun. 

Darf man mir mein Haustier verbieten? 

Illustration: Patric Sandri

Ob Dackel, Siamkatze oder Goldfisch: Haustiere führen immer wieder zu Konflikten zwischen Mieter*innen und Vermieter*innen. Für die Haustierhaltung gelten in der Schweiz bestimmte Regeln. 

Die Szene, die sich vor dem Tierheim abspielt, könnte herzzerreissender nicht sein. Tränen kullern über die Wangen der Kinder, als sie ihren Chihuahua-Welpen «Rambo» ein letztes Mal knuddeln. Lisa und Bernhard Kunz wollten den Kindern eigentlich eine Freude bereiten, als sie ihnen den kleinen Hund zu Weihnachten schenkten. Leider währte die Freude nur kurz. Als die Vermieterin die Kinder mit dem neuen vierbeinigen Mitbewohner im Treppenhaus antraf, war sie ausser Rand und Band. Sie verlangte, dass die Familie «Rambo» wieder weggibt, und drohte mit der Kündigung. Gemäss Mietvertrag sei die Tierhaltung verboten. 

Darf die Vermieterschaft die Tierhaltung überhaupt verbieten? Bei dieser Frage gehen die Meinungen auseinander. Namhafte Jurist*innen meinen Nein, weil Tierhaltung ein unveräusserliches Persönlichkeitsrecht sei. Auch das deutsche Bundesverfassungsgericht teilt diese Ansicht. Es entschied im Jahr 2013, dass Vermieter*innen die Tierhaltung nicht ohne sachlichen Grund verbieten können. Hierzulande sind die Richter*innen jedoch weniger tierfreundlich. Gemäss gegenwärtiger schweizerischer Rechtsprechung ist ein Tierhalteverbot im Mietvertrag zulässig. Wer sich darüber hinwegsetzt, riskiert im Extremfall die Kündigung. 

Ein Blick in den Mietvertrag lohnt sich 

Ist die Haustierhaltung im Mietvertrag nicht geregelt, ist sie grundsätzlich gestattet. Eine Ausnahme gilt für ungewöhnliche Tierarten mit einem hohen Stör- oder Gefährdungspotenzial, wie etwa Papageien, Spinnen und Giftschlangen, oder für Haustiere, die in grosser Zahl gehalten werden. Zudem dürfen gewisse exotische Tierarten und gewisse Wildtiere nur mit einer Bewilligung des kantonalen Veterinäramts gehalten werden. 

Die Tierhaltung muss sich in einem normalen Rahmen bewegen, weil die Vermieterschaft auf den vertragsgemässen Gebrauch der Wohnung pochen kann. Nicht zum normalen Gebrauch gehört zum Beispiel eine Hundezucht mit regelmässigen Würfen. Als Tierhalter*in muss man auf die anderen Hausbewohner*innen Rücksicht nehmen und dafür sorgen, dass keine übermässigen Lärm- oder Geruchsemissionen vom Tier ausgehen. Gibt ein Haustier im Einzelfall zu Klagen Anlass, so kann die Vermieterschaft in jedem Fall verlangen, dass der*die Besitzer*in es weggibt. Im Normalfall hat sie zuerst schriftlich zu mahnen, bevor sie die definitive Beseitigung des Störenfrieds verlangt. 

Tierhaltung nur mit Einwilligung 

Die meisten Mietverträge verbieten die Tierhaltung nicht per se, sondern machen sie von der Einwilligung der Vermieterschaft abhängig. Diese kann die Zustimmung zur Tierhaltung jedoch nach Lust und Laune erteilen oder verweigern. Eine besondere Begründung ist nicht nötig. Mieter*innen sollten die Zustimmung unbedingt vor der Anschaffung des Tieres und aus Beweisgründen schriftlich einholen. Ansonsten riskieren sie, dass sie den tierischen Freund gleich wieder weggeben müssen. Denn nicht jede*r Vermieter*in lässt sich mit einem Hundeblick umstimmen. Eine einmal erteilte Einwilligung kann die Vermieterschaft aber nicht ohne triftigen Grund widerrufen. Damit würde sie gegen das Gebot von Treu und Glauben verstossen. Sie ist aber auch kein Freipass. Sorgt das Tier immer wieder für Ärger, kann die Vermieterschaft ihr Einverständnis zum Wohl der übrigen Hausbewohner*innen zurücknehmen. 

Ist die Haustierhaltung im Mietvertrag erlaubt, bleibt sie dies auch dann, wenn die Vermieterschaft die Liegenschaft verkauft. Die neue Eigentümerschaft muss die mietvertraglich erteilte Zustimmung zur Heimtierhaltung also übernehmen. 

Kein Recht auf Gleichbehandlung 

In der Wohnung unter der Familie Kunz lebt Herbert Hunkeler mit seinem Dobermann Oskar. Kann die Vermieterin ihnen das Halten eines Hundes vertraglich verbieten, obwohl der Nachbar ebenfalls einen Hund besitzt? Die Empörung der Familie Kunz über diese Ungerechtigkeit ist nachvollziehbar. Leider lässt sich aber rechtlich nichts dagegen tun. Denn im Mietrecht gibt es grundsätzlich kein Gleichbehandlungsgebot. Erschüttert über die traurige Geschichte von Rambo macht sich Hunkeler nun seinerseits Sorgen um seinen Oskar. Denn auch in seinem Mietvertrag ist das Halten eines Hundes ausdrücklich verboten. 

Stillschweigende Genehmigung 

Kann die Vermieterin nun plötzlich verlangen, dass er Oskar weggibt? Dies obwohl sie Oskar bei jeder Gelegenheit mit einem Rädchen Wurst verwöhnt? Nein, denn Hunkeler kann sich auf das Gewohnheitsrecht berufen. Besitzt er als Mieter seit längerer Zeit einen Hund, darf er ihn behalten. Jedenfalls dann, wenn die Vermieterin von seinem vierbeinigen Gefährten wusste. Dann spielt es keine Rolle, was im Mietvertrag steht oder ob die Vermieterin die Hundehaltung ausdrücklich erlaubt hat. Das Tier gilt als stillschweigend genehmigt. Die Genehmigung kann allerdings widerrufen werden, wenn der Hund für Ärger sorgt. 

Kleintiere sind erlaubt 

Um die Kinder zu trösten, will die Familie Kunz einen Wellensittich anschaffen. Diesen kann die Vermieterin nicht verbieten. Denn unproblematische Kleintiere wie Wellensittiche, Meerschweinchen, Hamster und Zierfische sind in jedem Fall erlaubt. Und zwar selbst dann, wenn die Tierhaltung im Mietvertrag ausdrücklich verboten wurde. Dies allerdings nur, solange die Tierchen nicht in grosser Anzahl gehalten werden und nicht zu Klagen Anlass geben. Die Familie Kunz sollte aber bedenken, dass Wellensittiche sozial lebende Tiere sind. Deshalb dürfen sie von Gesetzes wegen nicht allein gehalten werden. Auch beim Gehege müssen gewisse Vorschriften eingehalten werden. Sie müssen so gebaut sein, dass die Verletzungsgefahr gering ist und die Tiere nicht entweichen können. Zudem müssen Einrichtung und Raumangebot den Wellensittichen arttypisches Verhalten ermöglichen. Und da Wellensittiche gerne baden, ist eine Badegelegenheit ein Muss. Für andere Heimtiere gelten ähnliche Vorschriften. Die nützlichen Informationen dazu finden sich auf der Website des Bundesamts für Veterinärwesen und Lebensmittelsicherheit. Unklar ist, ob auch Katzen als unproblematische Kleintiere gelten können, solange sie die Wohnung nicht verlassen. Wer seinen Stubentiger nicht hinauslässt, müsste den Vermieter demnach nicht um Erlaubnis fragen. 

Nützlicher Vertragszusatz 

Viele Vermieter*innen erlauben die Haustierhaltung deshalb nicht, weil die Rechte und Pflichten für die Tierhaltung nirgends genau geregelt sind. Wenn sie einmal Ja zu einem Tier gesagt haben, ist unklar, welche Regeln gelten. Hier kann der Vertragszusatz des IEMT Abhilfe schaffen: Das Institut für Interdisziplinäre Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung hat Regeln erarbeitet, die sowohl die Interessen von Vermieter*innen und Mieter*innen als auch das Bedürfnis der Tiere nach artgerechter Haltung berücksichtigen. Sollte die Vermieterschaft also mit der Zustimmung zögern, können Mieter*innen ihr diesen Vertragszusatz vorschlagen. 

Mit einem Tier zu leben und eine Beziehung zu ihm aufzubauen, ist zweifellos bereichernd. Auch Mieter*innen sollten die Möglichkeit dazu haben. Zu bedenken ist allerdings, dass eine Mietwohnung nicht jedem Tier eine artgerechte Umgebung bietet. Echte Tierliebhaber*innen verzichten deshalb im Zweifelsfall lieber darauf, in ihrer Wohnung ein Tier zu halten.

Text: Fabian Gloor

Neuer MVD-Geschäftsleiter 

Seit 1. Januar ist Lorenz Keller (43) neuer Geschäftsleiter des Mieterinnen- und Mieterverbands Deutschschweiz. Er folgt auf Ulla Blume, die während 7,5 Jahren für den MVD verantwortlich war. Lorenz Keller kennt die Verbandsarbeit aus seinen verschiedenen Funktionen bei der Unia Zürich-Schaffhausen, wo er mehrere Jahre als Co-Geschäftsleiter wirkte. Zuletzt war er Projektleiter in einer Kommunikations- und Kampagnenagentur.