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Wo wird überall getrickst?

Verstossen Vertragsklauseln gegen zwingendes Recht, gelten sie als nicht vereinbart. Foto: AdobeStock

Viele Standardmietverträge des Hauseigentümerverbands weisen ungültige Bestimmungen auf. M+W verrät Ihnen, auf welche Klauseln Sie getrost pfeifen können.

Schliessen Sie einen Mietvertrag ab, verpflichtet sich die Vermieterschaft, Ihnen als Mieter*in ein Mietobjekt zum Gebrauch zu überlassen. Im Gegenzug versprechen Sie, dafür einen Mietzins zu bezahlen. Es gibt knapp gehaltene Mietverträge und solche, die mehrere Seiten umfassen. Ein Mietvertrag muss nicht unbedingt schriftlich abgeschlossen werden, Sie können ihn auch per Handschlag oder sogar stillschweigend eingehen. In der Praxis sind mündliche Mietverträge allerdings selten. Wegen der Schwierigkeit, mündlich «Abgemachtes» im Nachhinein zu beweisen, ist ein schriftlicher Mietvertrag eindeutig vorteilhafter.

Take it or leave it

Dass Mieterschaft und Vermieterschaft den Mietvertrag respektive dessen Inhalt gemeinsam aushandeln, ist Wunschdenken. Meistens wird den Mietenden ein Standardmietvertrag der örtlichen Sektion des Hauseigentümerverbands vorgelegt. Getreu nach dem Motto «Take it or leave it» haben Mietende dann die Wahl, die von der Vermieterschaft diktierten Vertragsbedingungen zu akzeptieren oder auf den Vertragsabschluss zu verzichten.

Verstossen Vertragsklauseln gegen zwingendes Recht, gelten sie als nicht vereinbart.

Werden Vertragsbestimmungen von einer Vertragspartei allgemein vorformuliert mit dem Ziel, dass sie für eine Vielzahl von Verträgen mit der jeweils anderen Partei übernommen werden können, spricht man von «Allgemeinen Geschäftsbedingungen» oder «AGB». Der Einsatz solcher AGB ist für beide Seiten praktisch. Dank der Vorbereitung der einen Partei als «Expertin» kann ein komplexes Geschäft wie beispielsweise ein Mietvertrag ohne grossen Aufwand abgeschlossen werden. Die einseitige Vorbereitung birgt allerdings auch die Gefahr, dass in den AGB die vertraglichen Rechte und Pflichten respektive Risiken und Chancen asymmetrisch verteilt werden.

Auch Standardmietverträge enthalten AGB. Nicht alles, was in einem Standardmietvertrag steht, ist jedoch verbindlich. Denn bei vielen Gesetzesbestimmungen zum Mietrecht handelt es sich um sogenannt zwingendes Recht. Das bedeutet: Die Parteien können nicht davon abweichen, auch nicht durch eine vertragliche Vereinbarung. Verstossen Vertragsklauseln gegen zwingendes Recht, gelten sie als nicht vereinbart.

Reparaturen von Geräten

Der Unterhalt eines Mietobjekts ist laut Art. 256 OR Sache der Vermieterschaft. Folglich muss diese grundsätzlich für Reparaturen aufkommen. Eine Ausnahme gilt für kleine Reparaturen. Diese gehen gemäss Art. 259 OR zulasten der Mieterschaft. Im Fachjargon spricht man vom «kleinen Unterhalt». Darunter fallen zum Beispiel das Ölen von Türscharnieren, das Entstopfen des Syphons beim Lavabo, der Ersatz eines Backblechs, eines Duschschlauchs, eines Backofengitters, eines Dampfabzugsfilters oder von Dichtungen bei Wasserhahnen.

Zum kleinen Unterhalt gehören nur Reparaturen, die eine handwerklich normal begabte Mieterschaft ohne Fachwissen ausführen kann. 

Im Standardvertrag des HEV des Kantons Bern steht allerdings: «Alle kleinen, für den gewöhnlichen Gebrauch der Mietsache erforderlichen Reinigungsarbeiten und Ausbesserungen hat der Mieter auf eigene Kosten fachmännisch ausführen zu lassen». Was darunter konkret zu verstehen ist, wird auch gleich definiert: «Als kleine Ausbesserung gelten unabhängig vom Rechnungsbetrag insbesondere (…) die Instandhaltung der elektrischen Schalter, Steckdosen, Telefon und Fernsehanschlüsse, der Glasscheiben (…)».

Ähnliche Klauseln finden sich in den Standardmietverträgen der HEV der Kantone Solothurn, Thurgau, Oberwallis und Zürich. Der HEV Zürich geht sogar noch weiter und verdonnert die Mieterschaft neben dem «Ersetzen von elektrischen Schaltern» gar zur Instandhaltung von «Spülkästen, Geschirrspülern, Backofen, Kühlschränken, Keramikkochfeldern, Kochplatten und Brennern bei Gasherden». Besonderen Wert auf Sauberkeit legen die HEV-Sektionen der Kantone Aargau, Solothurn, Zürich und Bern. In ihren Standardmietverträgen schreiben sie ausziehenden Mietenden vor, «sämtliche textilen Bodenbeläge durch einen Fachmann» reinigen zu lassen. 

Normale handwerkliche Fähigkeiten 

Solche Klauseln sind nicht verbindlich. Denn gemäss neuer Rechtsprechung gehören nur Reparaturen zum kleinen Unterhalt, die eine handwerklich normal begabte Mieterschaft ohne spezielles Fachwissen selber ausführen kann. Mietvertraglich lässt sich die Grenze des kleinen Unterhalts nicht beliebig ausweiten, sonst würde die grundsätzliche Unterhaltspflicht der Vermieterschaft ausgehebelt. Das ist gemäss Artikel 256 Abs. 2 OR unzulässig. Die Vermieterschaft kann von der Mieterschaft nur verlangen, für die Kosten von Eigenreparaturen aufzukommen, nicht jedoch für den Beizug einer Fachperson. Konkret heisst das: Sollte Ihr Geschirrspüler den Geist aufgeben, so müssen Sie die Reparaturkosten nicht berappen, selbst wenn Sie sich mietvertraglich dazu verpflichtet haben. 

Sollte Ihr Geschirrspüler den Geist aufgeben, müssen Sie die Reparaturkosten nicht berappen, selbst wenn Sie sich mietvertraglich dazu verpflichtet haben. 

Bis vor einigen Jahren galt, dass Mieter*innen sämtliche Reparaturen bezahlen müssen, die nicht mehr als 150 Franken kosten. Diese Faustregel ist überholt. Die Kostengrenze gilt nur noch beim Ersatz von Bestandteilen wie z.B. einem fehlenden Backblech oder einer defekten Kühlschrankschublade. Rechnungen von Handwerker*innen dagegen können nicht auf dieser Basis beurteilt werden, denn sobald eine Fachperson hinzugezogen werden muss, liegt per se kein kleiner Unterhalt mehr vor und die Kosten müssen sowieso von der Vermieterschaft übernommen werden. 

Nicht verbindlich ist auch die Klausel im Standardvertrag des HEV Zürich, die von den Mietenden die Übernahme aller «weiteren kleineren Reparaturen und Instandstellungen, welche im Einzelfall 1 % des Jahres-Netto-Mietzinses nicht übersteigen» fordert. Gemäss Schlichtungsbehörden und Mietgerichten des Kantons Zürich ist die Obergrenze für Ersatzteile, die von der Mieterschaft bezahlt werden müssen, 150 Franken. Und dies unabhängig von der Höhe des Mietzinses. 

Ausserterminliche Kündigung 

Auch beim Recht der Mietenden, ein Mietverhältnis vorzeitig zu kündigen, wird getrickst. Laut Mietvertrag des HEV Bern kann «die vorzeitige Auflösung nur auf ein Monatsende erfolgen». Diese Regelung ist gesetzeswidrig. Das Gesetz schränkt nämlich den Zeitpunkt für eine ausserterminliche Kündigung nicht ein. Wenn Sie ausserterminlich kündigen, sind Sie vertraglich nur so lange gebunden, bis Sie der Vermieterschaft eine zumutbare und zahlungsfähige Person vorschlagen, die an Ihrer Stelle die Wohnung mietet. Das muss nicht am Ende oder in der Mitte eines Monats sein. Es ist jederzeit erlaubt. 

Das Gesetz schränkt den Zeitpunkt für eine ausserterminliche Kündigung nicht ein. 

Keine Pflicht zur Unterschrift 

Noch eine weitere haarsträubende Klausel enthält der Standardmietvertrag des HEV Bern. Gemäss Ziffer 16 «Rückgabe der Mietsache» sei «ein Zustandsprotokoll aufzunehmen, das von den Vertragsparteien oder deren Vertreter zu unterzeichnen ist». Und weiter: «Werden nachträglich schriftlich anerkannte Mängel vom Mieter nicht innert 10 Tagen seit Erhalt der Mitteilung schriftlich bestritten, gelten sie als anerkannt». Auch der Standardmietvertrag des HEV Zürich enthält diesbezüglich eine sonderbare Regelung. So müsse die Mieterschaft, welche die Mitwirkung am Rückgabeprotokoll verweigere, «sich dieses als richtig entgegenhalten lassen».

Als Mieter*in sind Sie nicht verpflichtet, an der Erstellung des Abgabeprotokolls mitzuwirken oder dieses gar zu unterschreiben. 

Auch diese Vertragsbestimmungen sind nicht verbindlich. Als Mieter*in sind Sie nicht verpflichtet, an der Erstellung des Abgabeprotokolls mitzuwirken oder dieses gar zu unterschreiben. Von einer Unterschrift des Abgabeprotokolls ist sowieso dringend abzuraten. Denn mit Ihrer Unterschrift anerkennen Sie unter Umständen Schäden, für welche Sie gar nicht haftbar sind. 

Text: Fabian Gloor

Sie liessen sich nicht «verseggle»

Abstimmungsplakat «Ja zur echten Wohnschutzinitiative» Foto: zVg

Als erster Kanton in der Deutschschweiz schiebt Basel-Stadt Renditesanierungen einen Riegel. Die Annahme der Wohnschutzinitiative ist ein Signal für die ganze Schweiz. 

Die Liegenschaft leerkündigen, ein wenig sanieren und die Wohnungen dann viel teurer vermieten? – Khasch vergässe. Der Traum von der Renditesanierung gehört in Basel-Stadt schon bald der Vergangenheit an. Denn am 28. November haben die Stimmberechtigten mit über 53 Prozent die vom Mieterinnen- und Mieterverband Basel-Stadt lancierte Initiative «Ja zum echten Wohnschutz!» angenommen. 80 Prozent der Basler Wohnungen sind damit künftig vor Renditesanierungen geschützt. Konkret dürfen die Mietzinse nach Sanierungen oder Umbauten nur noch moderat erhöht werden – eine 4-Zimmer-Wohnung etwa darf nicht mehr als 160 Franken teurer werden. Ausserdem gilt eine Bewilligungspflicht. Alte Liegenschaften dürfen nur noch in Ausnahmefällen abgerissen und ersetzt werden.

Steiniger Weg 

Basel ist der erste Kanton in der Deutschschweiz, der Bestimmungen einführt, um Renditesanierungen zu verunmöglichen. Ähnliche Regelungen gab es in den letzten Jahrzehnten nur in den Kantonen Genf und Waadt. Der Weg zu einem «echten Wohnschutz» für Basel war allerdings steinig. Dabei hatte eigentlich alles so gut begonnen: Am 10. Juni 2018 nahmen die Stimmberechtigten gleich vier Miet-Initiativen an der Urne an. Darunter mit 61 Prozent Ja-Stimmen die Wohnschutzinitiative, die eine Verankerung des Wohnschutzes in die Verfassung schrieb. Nach der ersten Euphorie wurde schon bald klar, dass die Umsetzung der Initiative hart erkämpft werden musste. Hauptsächlicher Streitpunkt war die Definition von «bezahlbarem Wohnraum»: Wie viele Wohnungen sollten unter dieses Label fallen und damit vor Renditesanierungen geschützt werden? Die Regierung arbeitete ein Gesetz aus, das nicht einmal einen Drittel aller Wohnungen einschliessen wollte. Der MV ergriff das Referendum dagegen und lancierte gleichzeitig eine Initiative, mit der vier Fünftel der Wohnungen geschützt sind: die «Initiative für echten Wohnschutz». Den Stimmberechtigten riet er im Abstimmungskampf, sich von der Regierung nicht «verseggle» zu lassen – mit Erfolg, wie wir mittlerweile wissen. 

Basel setzt mit seinem Wohnschutzgesetz neue Massstäbe beim Schutz der Mietenden und dient als Vorbild für den Rest der Schweiz. Der Mieterinnen- und Mieterverband eruiert gemeinsam mit den Kantonalsektionen, wie in weiteren Kantonen und Städten ähnliche Mietpreiskontrollen verankert werden können.

 

Wird alles gut?

Die Siedlung Bergacker in Zürich-Affoltern (vorne im Bild) gehört je etwa zur Hälfte der gemeinnützigen AG Habitat 8000 und der Swiss Life. Foto: Reto Schlatter

Über 400 Wohnungen sollen im Bergacker in Zürich-Affoltern abgerissen und ersetzt werden. Eigentümerinnen sind die gemeinnützige AG Habitat 8000 und die Swiss Life. Die Stadt fordert soziale Massnahmen. Aber reicht das?

Wie Legosteine stehen sie am Hang: 17 Mehrfamilienhäuser der gemeinnützigen AG Habitat 8000 und 15 Mehrfamilienhäuser des landesweit grössten Immobilienkonzerns Swiss Life, mit insgesamt über 400 Wohnungen. Dazwischen viel Rasengrün und wenige Bäume. Einen zeitgemässen Spielplatz gönnen die Eigentümer den Familien hier nicht – das einzige Spielgerät für kleine Kinder ist eine Schaukel, die aus der Anfangszeit der Siedlung zu stammen scheint, den 1950er-Jahren. Erstaunlich, denn seit ein paar Jahren steigt die Zahl der Kinder, die in der Siedlung wohnen. Dass nicht in die Infrastruktur investiert wird, hat aber einen Grund: Der Bergacker, ein 4,5 Hektaren grosses Areal, soll abgerissen und durch neue Häuser ersetzt werden. Wer konnte, zog bereits weg. Wer nichts findet, bleibt und wartet. Zu ihnen stossen Menschen, die froh sind, überhaupt irgendwo wohnen zu können, wenigstens für ein paar Jahre – bevor sie wieder gehen müssen. Viele mit Kindern. Von diesen Veränderungen über die letzten paar Jahre erzählte uns ein Mann, der im Quartier lebt und schon bei vielen Umzügen mitgeholfen hat.

Heikles Projekt

Es wird früh dunkel in diesen Tagen. Ein bisschen weiter unten an der Strasse putzt eine Frau noch rasch das Küchenfenster. Sie bittet die Fremden herein – in ihre Wohnung, die sie zusammen mit den beiden Kindern bewohnt, sie ist alleinerziehend. Die Küche ist alt, es sei halt nie etwas gemacht worden. Wie wir wieder auf die Strasse treten, nähert sich ein Auto, hinter dem Steuerrad ein älterer Herr. Nachdem er eigenhändig die Garagentüre hochgezogen, das Auto versorgt und die Garagentür wieder heruntergezogen hat, erzählt er: «Ich wohne seit 1956 hier. Jetzt bin ich über 90 Jahre alt. Wenn wir hier raus müssen, bin ich wohl 95.» Aber dazu will er sich jetzt noch keine Gedanken machen. Der Mann hat ein Berufsleben lang für die Stadt gearbeitet.

Die Erneuerung des Bergackers ist ein heikles Projekt. Mit ihm muss die Stadtregierung nach der Abstimmung über den Richtplan beweisen, dass sie ihr Versprechen einlöst, die Verdichtung nach innen sozialverträglich zu gestalten. Die Innenverdichtung soll jetzt zügig voranschreiten, denn bis 2040 rechnet die Stadt mit 100 000 Bewohner*innen mehr als heute – 520 000 würden es dann schätzungsweise sein. Der jetzt angenommene Siedlungs-Richtplan macht den Weg frei für eine grossflächige Erneuerung der Bausubstanz, insbesondere in den Gebieten Altstetten und Zürich-Nord – zu Letzterem gehört Affoltern. Beide Gebiete sind ausgerechnet auch solche, in denen besonders viele besonders verletzliche Menschen leben, in kleinen, aber heute noch günstigen Wohnungen, die in den 1950er- und 1960er-Jahren gebaut worden sind.

Wendepunkt in der Stadtentwicklung?

Für den Bergacker gab es eine sogenannte Testplanung, an der die Stadt mit dem Amt für Städtebau – es untersteht dem Hochbauvorsteher André Odermatt (SP) – beteiligt war. Das Amt hatte seine Mitwirkung an die Bedingung geknüpft, dass Swiss Life und Habitat 8000 bei der Planung auch soziale Aspekte berücksichtigen. Larissa Plüss, Projektleiterin für sozialverträgliche Innenentwicklung im der Stadtpräsidentin Corine Mauch unterstellten Stadtentwicklungs-Amt, erklärte den Testplanern am 9. Mai 2019, was die Stadt von ihnen erwartet: Habitat 8000 und Swiss Life sollten bei der Bergacker-Siedlung erstens den Bau klar etappieren, zweitens einen substanziellen Anteil an preisgünstigen Wohnungen vorsehen und drittens die neuen Wohnungsgrössen und den neuen Wohnungsmix an der heutigen Situation ausrichten. Ausserdem brauche es einen angemessenen Anteil altersgerechter Wohnungen. Die Kommunikation zum ganzen Projekt solle frühzeitig erfolgen und es müssten Partizipationsmöglichkeiten für die Siedlung und das Quartier geschaffen werden. Zu guter Letzt solle eine individuelle Betreuung bei der Wohnungssuche mittels Mieter*innen-Büro gewährleistet sein.

Das klingt vielversprechend. Walter Angst vom Mieterinnen- und Mieterverband Zürich spricht sogar von einem Wendepunkt der Zürcher Stadtentwicklung, «falls die Empfehlungen in klare Vorgaben für die weitere Entwicklung des Areals münden». Tatsächlich stimmt nun auch das, was die beiden Eigentümerinnen der Wohnungen zum Projekt kommunizieren, optimistisch – sie wollen sich an den Vorstellungen der Stadt orientieren.

Der Haken: Es wird abgerissen

Es gibt aber einen Haken: Lange bevor die Stadt Zürich in die Planung involviert worden war, hatten Swiss Life und Habitat 8000 bereits entschieden, die ganze Siedlung mit ihren 32 Mehrfamilienhäusern abzureissen. Und dies – trotz Etappierung – in einem kurzen Zeitraum von nur fünf Jahren. Eine kontinuierliche Erneuerung mit Erhalt eines Teils der Bestandesbauten über einen viel längeren Zeitraum hinweg, wie es die Baugenossenschaften machen, war nie ein Thema. Wer nach dem Grund fragte, habe sehr allgemein gehaltene Antworten erhalten, sagt Walter Angst, der auch AL-Gemeinderat ist: «Die knappen Grundrisse der Wohnungen seien nicht mehr zeitgemäss und die Häuser böten nur wenig Abstellplätze für Autos und Velos. Und auch auf Nachfrage gab es nur vage Ergänzungen: Man habe unterschiedliche Varianten geprüft. Oder: Die Investitionen in den Bestand hätten zu entsprechenden Anpassungen der Mietzinse geführt, ohne einen substanziellen Mehrwert für die Mieterinnen zu schaffen – und so weiter. Zahlen, Fakten, CO2-Bilanzen? Nichts davon ist öffentlich zugänglich.»

Er vermutet dahinter auch zeitliche Gründe: «Die von den Grundeigentümern im Alleingang durchgeführte Machbarkeitsstudie, die der Testplanung vorausging, wurde 2016 abgeschlossen – zu einem Zeitpunkt also, als in Zürich noch niemand über die CO2-Bilanz eines Abbruchs sprach.» Im September dieses Jahres reichte Gemeinderat Andreas Kirstein (ebenfalls AL) eine dringliche Interpellation zum Bergacker ein – um der Öffentlichkeit endlich Einblick zu verschaffen in wichtige Fragen dieses Giga-Bauprojekts mit den nahezu tausend betroffenen Mieter*innen. Die Antworten der Stadtregierung sollten Licht ins Dunkel bringen. Aber die Stadtregierung beantwortete nur, was ihr für das riesige Bauprojekt als «zielführend» erschien. Unbeantwortet blieben im Parlament weitgehend und ausgerechnet die Fragen nach den Massnahmen, die sicherstellen sollen, dass die Menschen nicht aus ihrer Siedlung und ihren sozialen Strukturen vertrieben werden.

Das Amt für Städtebau und die Grundeigentümer stünden zurzeit in einer Dialogphase über das weitere Vorgehen. Aufgrund des konstruktiven Dialogs könne «zu gewissen Verfahrensfragen keine Antwort gegeben werden». So bleibt für die Mieterinnen und das Quartier weiterhin völlig unklar, was die Stadt zum Umgang der Grundeigentümer mit den bisherigen Mietenden vereinbaren kann.

Können die Menschen bleiben?

Man ist geneigt zu denken: Alles wird gut, immerhin beziehen sich Habitat 8000 und Swiss Life ja auf die Sozialverträglichkeits-Ziele der Stadt (wie sie ebenfalls im Richtplan stehen), indem sie beispielsweise versprechen, für eine «gute Durchmischung» zu sorgen. Die Gemeinnützige von beiden – Habitat 8000 – werde zu diesem Zweck auch jene Mieter*innen von Swiss Life übernehmen, die sich den Mietzins in den künftig am Markt ausgerichteten Swiss-Life-Wohnungen nicht werden leisten können (was auf die meisten zutreffen dürfte).

Zuversichtlich stimmten Walter Angst die im Sommer geführten Gespräche mit den Grundeigentümern. Wie es nun weitergeht, bleibt aber völlig unklar. 2022 soll das Programm für den Architekturwettbewerb definiert werden. Dann werden die Weichen gestellt. Offen ist vor allem, ob die neuen Wohnungen zu Bruttomieten angeboten werden, die sich an den heutigen Mietzinsen orientieren. Walter Angst: «Die Grundeigentümer müssten jetzt ein Bekenntnis dazu abgeben, dass die Menschen, die heute dort leben und zumindest hinsichtlich Alter und Sprachen bereits für eine grosse Vielfalt im Quartier sorgen, bleiben können. Sonst haben wir es hier mit Absichtserklärungen ohne jede Verbindlichkeit zu tun – mit Versprechen, die im weiteren Prozess per äxgüsi auch unter den Tisch fallen können.»

Stadt muss Verbindlichkeit einfordern

Diese Frage an die Grundeigentümer ist also dringlich: Welchen Anteil, in Prozenten ausgedrückt, sollen in der erneuerten Siedlung Bergacker jene Menschen haben, die schon jetzt dort leben? Die Frage geht an Mike Weibel, Sprecher für das Projekt. Er antwortet: «Die Eigentümerinnen können heute keine Prognose machen, wie viele der Bestandes-Mieter*innen den Wunsch äussern, in eine der neuen Wohnungen auf dem Bergacker zu ziehen.» Geplant sei eine Umfrage. Sie werde erste Anhaltspunkte liefern und eine Handhabe für die individuelle Beratung und Unterstützung bieten. Und dann noch dieser Satz: «Es wäre gegenüber den Mieter*innen eher bevormundend, heute eine Quote zu definieren, wie viele in der erneuerten Siedlung bleiben sollen.»

Die Perspektive bietende Zusicherung, bleiben zu können, soll bevormundend sein? Eine interessante Interpretation.
Nach dieser Antwort ist klar: Die Stadt muss Verbindlichkeit einfordern, wenn sie es ernst meint mit ihrer Forderung, dass die anstehenden flächendeckenden Erneuerungsprozesse im Bergacker sozialverträglich vonstatten gehen werden. Denn in den nächsten Jahren werden viele weitere Quartiere mit Bewohner*innen wie im Bergacker umgestaltet. Dieser Prozess muss nicht zwingend zu einem Austausch der Bevölkerung führen – aber genau das wird passieren, wenn die Stadt bei geplanten Wohnbau-Erneuerungen von Privaten weiterhin einfach auf ihren Leitfaden verweist, der sensibilisieren soll, in dem aber noch nicht einmal ein einziger Satz zu den Wohn- Grundrechten steht, die Mieter*innen im Fall von Erneuerungen haben. Und schon gar nicht zielführend ist es, wenn die Stadt einfach den guten, aber unverbindlichen Absichten von Bauherren vertraut, wie es in der Antwort des Stadtrates an die Adresse des Interpellanten den Anschein macht. Dort steht, dass die konkrete Ausgestaltung eines sozialverträglichen Erneuerungsprozesses mit entsprechenden Massnahmen «gemäss Auskunft der Grundeigentümerinnen» Thema sei an der Informationsveranstaltung für die Mieter*innen des Bergackers.

Rückbau beginnt erst 2026

Diese Informationsveranstaltung, zu der Habitat 8000 und Swiss Life eingeladen haben, fand am 22. November in der Kirche Glaubten in Zürich-Affoltern statt. Von den insgesamt rund 900 betroffenen Mieter*innen im Bergacker kamen etwa 150. Das Jüngste ein Kleinkind, die ältesten ein Paar, beide über 90 Jahre alt. Begrüsst wurden die Anwesenden von Mike Weibel. Er eröffnete den Abend mit einem Plädoyer, sich Veränderungen gegenüber offen zu zeigen, denn: «Veränderungen haben auch positive Seiten.» Im Folgenden erläuterten die Verantwortlichen von Swiss Life und Habitat 8000, was geplant ist. Hörbare Erleichterung unter den Zuhörenden, als schon früh am Abend gesagt wird, der Rückbau verzögere sich um zwei Jahre und beginne erst 2026. Für Zuversicht sorgte auch die Ankündigung, dass der Bau in mehreren Etappen erfolgen werde. Und eine weitere erst mal richtig gut klingende Nachricht: Der Quadratmeterpreis der Habitat-8000-Wohnungen solle gleich bleiben, vielleicht sogar günstiger werden. Habitat-8000-Geschäftsführer Philipp Blum: «Wir schaffen mehr günstigen Wohnraum.» Die Zuhörenden schienen zufrieden, es wurde geklatscht.

Das einzige Spielgerät für kleine Kinder: eine Schaukel, wohl aus der Anfangszeit der Siedlung. Foto: Reto Schlatter

Wenig Zuversicht bei den Mietenden

Beim anschliessenden Apéro war die Stimmung trotz grosszügigen Angebotes an Alkohol und Delikatessen etwas gedämpfter. Ein Paar, das in einer Habitat-Wohnung lebt, sagte: «Wir sind froh, dass wir noch etwas mehr Zeit haben. Die zukünftige Wohnung darf ein klein wenig mehr kosten, aber mehr als 1500 können wir uns nicht leisten.» Ein 62-Jähriger meinte, er sei schon seit eineinhalb Jahren bei der Stiftung Alterswohnungen angemeldet. Er mache sich keine Sorgen, denn bis abgerissen werde, sei er ohnehin schon längstens weg. Eine Frau, die mit ihrem Mann seit den 1970er-Jahren im Bergacker in einer Wohnung von Swiss Life wohnt, gab zu Protokoll: «Ich sehe für uns keine grosse Zukunft hier. Wir ziehen weg.» Und dann waren da noch Herr und Frau Moser, die seit 66 Jahren im Bergacker wohnen. Er erzählte: «1955 mussten wir bei der Rentenanstalt (heute Swiss Life – Anm. d. Red.) eine Lebensversicherung abschliessen, sonst hätten wir die Wohnung gar nicht erhalten.» Sie seien jetzt bei den Alterswohnungen angemeldet, «aber die haben schon 4000 Anmeldungen». Auch bei vier Genossenschaften habe er sich und seine Frau angemeldet, «aber sie sagen alle, sie hätten nichts».

Um einen Bistrotisch herum stehen fünf Familienväter. Ihre Kinder gehen zusammen in die Krippe respektive in den Kindergarten. Zwei haben eine Wohnung bei Habitat, drei bei Swiss Life. Werden sie bleiben, wenn sie können? Die Männer schauen skeptisch. Einer sagt: «Ich möchte gerne. Aber wir wissen ja nicht, wie teuer die Wohnungen sein werden. Ein tiefer Quadratmeterpreis tönt gut, aber jetzt sind unsere Wohnungen klein. Was, wenn die neuen grösser sind?» Nicht eine der im Nachgang der Veranstaltung befragten Personen äusserte sich zuversichtlich zu einer Zukunft im Quartier.

Quartier-Wissen abschöpfen

Mit der Umfrage, die Habitat 8000 und Swiss Life 2022 unter den jetzigen Mieter*innen durchführen werden, wolle man die Bedürfnisse erheben, geben die beiden Unternehmen an – Ziel sei es, bei der Wohnungssuche Unterstützung zu bieten. Gleichzeitig möchten die Eigentümerinnen auch herausfinden, «wie sich die heutigen Bewohner*innen den Bergacker in Zukunft vorstellen. Da sie teilweise lange da gewohnt haben, sind sie Expert*innen für den Nahraum und das Quartier und können wertvolle Inputs für das Wettbewerbsprogramm geben», schreibt Sprecher Mike Weibel auf Anfrage.

Das macht Sinn. Aber ist das ihr Ernst: Von den Mieter*innen Quartier-Wissen abschöpfen, das dem Planungsprozess dienlich sein soll, ohne ihnen eine Perspektive zu bieten, bleiben zu können? Mike Weibel: «Es wäre zu diesem Zeitpunkt unredlich, die Erfüllung aller Wünsche der Mieter*innen in Aussicht zu stellen.» Aller Wünsche? Es ginge um eine grundsätzliche Zusicherung, nicht mehr und nicht weniger. Für den Mieterinnen- und Mieterverband Zürich ist dieses Bekenntnis zentral. Walter Angst: «Echter Einbezug beinhaltet zwingend, diese Perspektive zu geben: Dass die Menschen dort, wo sie wohnen, eine Zukunft haben. Unabhängig davon, ob sie in der Siedlung schon lange verwurzelt sind oder dort endlich einen Ort gefunden haben, wo sie – und, falls sie Familie haben, auch ihre Kinder – ein soziales Netz, ein Zuhause aufbauen können. Dieses Bekenntnis ist ganz einfach die Basis, auf der man die Menschen, die man mit tiefgreifenden, unfreiwilligen Veränderungen konfrontiert, in die Planung und die Gestaltung der Zukunft mit einbezieht.»

Besonders vulnerable Bewohner*innen

Die tiefgreifenden Veränderungen im Verdichtungsgebiet Zürich-Affoltern sind längst im Gang, Wohnen sei dort bereits in den letzten Jahren teurer geworden, berichtet die Präsidentin des Quartiervereins, Pia Meier, im Anschluss an die Informationsveranstaltung – nicht zuletzt auch wegen der neuen Genossenschaftswohnungen, die nicht per se günstig sind. Zum Bergacker sagt sie: «Wir haben die Dimension des Projekts etwas unterschätzt. Erst vor einigen Monaten realisierten wir, wie viele Menschen betroffen sind – und dass einige von ihnen nicht in einer privilegierten Situation sind.»

Das weiss – schon etwas länger – auch die Stadt: Die Bewohnerinnen des Bergackers gehören hinsichtlich sozioökonomischer und demographischer Kriterien zu den «besonders vulnerablen»: viele Ältere, viele Kinder, viele Sprachen, wenig Einkommen. Was diese Menschen brauchen, ist die Sicherheit, hier bleiben zu können.

Text: Esther Banz

Hotline

Fabian Gloor beantwortet Ihre Fragen

Der Vormieter ist noch da

Weil mein Vormieter noch nicht ausgezogen ist, kann ich nicht termingerecht einziehen. Meine alte Wohnung habe ich aber bereits gekündigt. Was kann ich tun?

Das ist wahrlich eine schwierige Situation. Doch leider müssen Sie sich damit abfinden, dass Sie nicht wie geplant in die neue Wohnung einziehen können. Gemäss dem Mietvertrag hätten Sie zwar das Recht dazu, doch dieses lässt sich leider nicht so schnell durchsetzen. Sie kommen nicht darum herum, vorübergehend eine andere Bleibe zu suchen. Nötigenfalls müssen Sie ins Hotel ziehen und für Ihre Möbel einen Lagerraum mieten. Die Miete schulden Sie für diese Zeit selbstverständlich nicht. Sollten Sie zusätzliche Kosten haben, so können Sie diese von Ihrer Vermieterschaft zurückfordern. Denn diese konnte den vereinbarten Mietbeginn nicht einhalten und wird deshalb schadenersatzpflichtig. Das heisst aber nicht, dass Sie auf deren Kosten gleich in einem Luxushotel nächtigen dürfen. Sie müssen den Schaden möglichst gering halten. Bewahren Sie unbedingt die Belege auf, damit Sie Ihre Auslagen beweisen und beziffern können.

Solange die Weihnachtsbeleuchtung die Nachbarschaft nicht belästigt, muss die Vermieterschaft sie dulden. Man kann es aber auch übertreiben.

Muss ich die Lichterkette entfernen?

Ich habe innerhalb meines Balkons eine farbige Lichterkette als Weihnachtsbeleuchtung aufgehängt. Meinem Vermieter – ein bekennender Weihnachtsmuffel – ist diese Dekoration ein Dorn im Auge. Er hat mich aufgefordert, sie zu entfernen. Muss ich mir das gefallen lassen?

Nein. Innerhalb Ihres Balkons dürfen Sie jederzeit eine Beleuchtung anbringen. Solange diese innerhalb des Balkongeländers montiert ist und nicht die ganze Nachbarschaft beleuchtet respektive belästigt, muss Ihr Vermieter die Lichterkette dulden. Auch innerhalb Ihrer Wohnung dürfen Sie jeden Quadratzentimeter weihnachtlich schmücken, solange keine Brandgefahr besteht. Anders sähe es aus, wenn Sie die Lichterkette ausserhalb der Balkonbrüstung angebracht oder gar einen leuchtenden Samichlaus montiert hätten, der die Fassade hochkraxelt. Dann dürfte der Vermieter die Entfernung der Dekoration verlangen, weil die Balkonbrüstung sowie die Aussenfassade nicht mehr Inhalt Ihres Mietvertrags sind. Die Vermieterschaft kann die Nutzung des Balkons grundsätzlich im Rahmen des Mietvertrags oder der Hausordnung regeln. Sollte Ihr Mietvertrag die Balkonnutzung allerdings stark reglementieren und Ihnen das Aufhängen von Lichterketten verbieten, so wäre die betreffende Vertragsklausel nur im Ausnahmefall verbindlich. Denn ein Mietvertrag darf die Freiheit der Mietenden grundsätzlich nur einschränken, wenn es einen sachlichen Grund dafür gibt. Zudem müssen die Einschränkungen verhältnismässig sein. Bei Liegenschaften, die das Ortsbild prägen oder unter Denkmalschutz stehen, kann dies der Fall sein. Im normalen Wohnblock jedoch lässt sich ein solches Verbot nicht rechtfertigen. Verbote um des Verbietens willen sind nicht statthaft.

News

Sorgen um Wohnkosten

Die erhöhten Wohnkosten respektive der Anstieg der Mietpreise macht den Menschen in der Schweiz Sorgen. Das zeigt das «Sorgenbarometer», welches jedes Jahr vom Forschungsinstitut GfS im Auftrag der Credit Suisse erhoben wird. 17 Prozent der Schweizer Stimmberechtigten zählen die Wohnkosten 2021 zu den fünf dringendsten Problemen. Dies ist ein deutlicher Anstieg gegenüber dem letzten Jahr (10 %), als das Thema zum ersten Mal überhaupt seit 1988 in die Top Five kam.

Vernehmlassung Mietrecht

Der MV äussert sich in der Vernehmlassung ablehnend zu einer Reihe von Vorstössen der Immobilienlobby, die eine Verschlechterung der Rechte der Mietenden zur Folge hätten. Der Verband kritisiert insbesondere die Aufteilung in verschiedene Pakete. Angesichts dessen, dass die Vorstösse alle das Mietrecht betreffen, könnten sie gleichzeitig behandelt werden. Die Aufteilung auf zwei Pakete mit mehreren Gesetzesvorlagen erschwert dagegen allfällige Referenden.

Teure Schweizer Städte

Zürich ist 2021 gemäss einer Studie mit dem Titel «Worldwide Cost of Living» die viertteuerste Stadt der Welt. Die Studie erfasste die Lebenshaltungskosten in 173 Städten weltweit und verglich sie miteinander. Erstmals auf dem ersten Rang liegt die israelische Hauptstadt Tel Aviv vor Paris und Singapur, die sich den zweiten Rang teilen. Mit Genf, das Rang 7 belegt, schafft es eine zweite Schweizer Stadt in die Top Ten. Die Daten werden jedes Jahr von der Economist Intelligence Unit (EIU) erhoben, die zum britischen «Economist»-Magazin gehört.

Schärfere Regeln für Airbnb & Co.

Die Stimmberechtigten der Stadt Bern befinden Mitte Februar über schärfere Regeln für Zweitwohnungen in der Altstadt. Dort, wo die Bauordnung der Stadt eine Wohnnutzung vorschreibt, sollen keine Zweitwohnungen mehr gewerbsmässig als Ferienwohnungen oder Business-Apartments vermietet werden dürfen. Die kurzzeitige Vermietung von selbstgenutztem Wohnraum hingegen soll weiterhin möglich sein.

Unser Auftrag ist klar

Carlo Sommaruga, Präsident MV Schweiz

Ich freue mich sehr darüber, dass wir hier die Resultate unserer grossen Umfrage präsentieren können. Dank ihr haben wir nun zum ersten Mal einen Überblick darüber, welches die Probleme der Mietenden in der Schweiz sind.

Zusammengefasst zeigen die Resultate vor allem eins: wie stark die Abhängigkeit der Mietenden von der Vermieterschaft hierzulande ist. Wenn vier von fünf Befragten angeben, ein gutes Verhältnis zu ihrer Vermieterschaft sei ihnen wichtig, dann heisst dies, dass sie sich bewusst sind, im Mietverhältnis am kürzeren Hebel zu sitzen.

Noch deutlicher zeigt sich das Machtgefälle an anderer Stelle: Nur wenige Befragte gaben nämlich an, nach einer Senkung des Referenzzinssatzes oder bei einem zu hohen Anfangsmietzins eine Mietzinsreduktion eingefordert zu haben. Obschon sie das Recht dazu hätten – und die Erfolgsaussichten gut sind, wie unsere Umfrage zeigt.

Hoffnungsvoll stimmt mich, dass die Befragten offensichtlich wissen, wie ihre Situation verbessert werden kann. So wünscht sich eine riesige Mehrheit eine automatische Weitergabe geschuldeter Mietzinssenkungen und eine Kontrolle der Renditen. Beide Instrumente würden die Mietenden davon befreien, bei Missständen selber aktiv werden zu müssen und so das gute Verhältnis mit der Vermieterschaft aufs Spiel zu setzen.

Für uns als Verband ist dieser Wunsch der Mietenden ein Auftrag. Denn wir begnügen uns nicht damit, uns ein Bild ihrer Situation zu machen. Wir wollen ihre Bedingungen verbessern. Dafür sind wir da!

Editorial

Andrea Bauer, Verantwortliche Redaktorin M+W

Vor etwas mehr als drei Jahren berichtete mein Vorgänger Ralph Hug an dieser Stelle über das sensationelle Ergebnis der Abstimmungen in Basel. Gleich vier Vorlagen für mehr Schutz der Mietenden waren angenommen worden. Besonders erfreulich: das Ja zur «Wohnschutzinitiative», die unter anderem eine Bewilligungspflicht und Mietzinskontrollen nach Sanierungen forderte. 

Ende November nun müssen die Basler Stimmberechtigten erneut über eine Wohnschutzinitiative abstimmen. Was ist geschehen? M+W hat mit Beat Leuthardt gesprochen, dem Co-Geschäftsführer des MV Basel, und ihn gefragt, warum es nach drei Jahren noch einmal ein Ja zu mehr Wohnschutz braucht. 

Wie schon diejenige von 2018 will auch die aktuelle Basler Wohnschutzinitiative Sanierungen verhindern, die nur zum Zweck der Renditemaximierung gemacht werden. Solche Sanierungen haben in den letzten Jahren stark zugenommen, nicht nur in Basel: Sämtlichen Mietenden wird gekündigt, dann wird leicht saniert und schliesslich werden die Wohnungen zu viel höheren Mietzinsen wieder vermietet. Meistens wechselt dabei ein Grossteil der Mieterschaft, denn die bisherigen Mietenden können sich die Mietzinsen nur selten noch leisten.

Keine Frage, der Mieterinnen- und Mieterverband unterstützt Massnahmen zum Schutz des Klimas und insbesondere energetische Sanierungen, von denen nicht zuletzt die Mietenden (z. B. in Form von tieferen Nebenkosten) profitieren. Gleichzeitig braucht es aber flankierende Massnahmen zum Schutz der Mietenden, wie sie die Basler Initiative fordert. Auch der MV Schweiz hat Forderungen zum Schutz der Mietenden vor Renditesanierungen aufgestellt, nachzulesen sind sie in unserem Text «Sanieren zugunsten der Mietenden» auf Seite 14. 

Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre! 

Andrea Bauer 

Schluss mit Rendite-Sanierungen in Basel

Sie wollen endlich einen echten Wohnschutz für alle – Aktion mit Mietenden auf dem Basler Münsterplatz. Bild: Juri Junkov

Basel verankerte 2018 den Wohnschutz in der Verfassung. Das entsprechende Gesetz wurde aber stark verwässert. Beat Leuthardt erzählt, warum es jetzt noch einmal ein Ja an der Urne braucht.

An einem funkelnd sonnigen Herbsttag steht Beat Leuthardt auf dem gepflästerten Platz vor dem Basler Münster und fasst für die Anwesenden noch einmal zusammen, weshalb es das Ja zur neuerlichen Wohnschutzinitiative braucht: «Mit dem Bschiss-Gesetz, wie es die Regierung jetzt ausgearbeitet hat, kommen die Rendite-Sanierer durch – mit unserem nicht!» Zwanzig vorwiegend ältere Menschen hören ihm zu, Leuthardt hat sie persönlich angefragt, ob sie bei einem Fototermin auf dem Münsterplatz mitmachen – sie werden danach über mehrere Wochen in der ganzen Stadt auf Abstimmungsplakaten zu sehen sein.

Aus Solidarität und Sorge um die Stadt

Manche von ihnen kennt man in Basel schon, die mittlerweile 96-jährige Margrit Benninger etwa oder Eliette Pillonel (84): Beide sollten einfach auf die Strasse gestellt werden – notabene von ihrer eigenen Pensionskasse, jener des baselstädtischen Staatspersonals. Margrit Benninger war zu diesem Zeitpunkt genau 90 Jahre alt – «und wissen Sie was?», wird sie nach dem geduldigen Posieren sagen: «Man bekam ursprünglich ja nur eine Wohnung in dem Haus an der Mülhauserstrasse 26, wenn man beim Staat arbeitete.» Als Polizist wie Eliette Pillonels Mann oder als Jugendsozialarbeiter wie der Mann von Margrit Benninger.

Heute sind sie aus Solidarität da – nach erfolgreichem Widerstand, den sie auch auf der Strasse führten: Es gab 2016 unter anderem eine Petition, und Margrit Benninger zog am 21. Januar 2017 mit 91 Jahren zum ersten Mal in ihrem Leben als Demonstrantin durch die Stadt. Schliesslich konnten die beiden Frauen und eine weitere ältere Mieterin – nach harzigen und langwierigen Verhandlungen des MV Basel – während der Zeit der Totalsanierung in eine provisorische Wohnung umziehen und nach etwas mehr als einem Jahr mit moderaten Mietaufschlägen zurückkehren. Sie erfreuen sich guter Gesundheit. Aus Dankbarkeit gegenüber dem Basler Mieterinnen- und Mieterverband, aus Solidarität mit anderen Mieter*innen und nicht zuletzt aus Sorge um die Stadt engagieren sie sich auch für die aktuelle Wohnschutzinitiative, die den Co-Geschäftsleiter des MV Basel in diesen Wochen auf Trab hält.

Das Basler Wohnschutzgesetz 

September 2013 
Die Initiative «Bezahlbares und sicheres Wohnen für alle!» des MV Basel wird an der Urne abgelehnt. Angenommen wird hingegen der investorenfreundliche Gegenvorschlag der Regierung, der den Abbruchschutz im Wohnraumfördergesetz schwächt. 

Juni 2018 
Die als Folge der Abstimmung von 2013 lancierte Wohnschutz-Initiative wird von den Stimmberechtigten mit über 60 Prozent Ja angenommen. 

Sommer 2020 
Der MV Basel bringt mit Verbündeten in Rekordzeit das Referendum gegen den verwässerten Gesetzesvorschlag der Regierung zur Umsetzung der Wohnschutz- Initiative zustande. Gleichzeitig sammelt die Allianz Unterschriften für die Initiative «Ja zum echten Wohnschutz!». 

November 2020 
Das Referendum wird in der Stadt Basel gewonnen, scheitert aber wegen des Resultats der Gemeinde Riehen mit 56 Stimmen Unterschied. Das regierungsrätliche Gesetz wird am 1. Januar 2022 in Kraft treten. 

November 2021 
Die Initiative «Ja zum echten Wohnschutz!» kommt zur Abstimmung. 

www.wohnschutz-ja.ch 
www.ja-zum-echten-wohnschutz.ch

Initiative verwässert

Wenn es nach ihm ginge, müsste Beat Leuthardt nicht schon wieder mobilisieren. 2018 sorgte der Mieterinnen- und Mieterverband Basel zusammen mit einem breiten Bündnis, dem auch bürgerliche Senior*innen-Organisationen angehörten, im Stadtkanton für eine Sensation: Mit 61 Prozent sagten die Stimmberechtigten Ja zum Wohnschutzgesetz, das den Schutz vor Rendite-Kündigungen als Grundrecht in der Verfassung verankert und dadurch einklagbar macht.

Aber die Freude war von kurzer Dauer: Nicht nur wusste die Immobilien-Lobby die Umsetzung des Wohnschutz- Gesetzes zu verzögern, Regierung und Parlament verwässerten den Massnahmenkatalog dermassen, dass der Co- Geschäftsleiter des MV Basel bald nur noch vom «Bschissgesetz» sprach. Das Referendum dagegen scheiterte zwar wegen weniger als 60 Stimmen knapp; aber der MV Basel hatte bereits die Durchsetzungsinitiative «Ja zum echten Wohnschutz» lanciert. Am 28. November kommt sie nun zur Abstimmung. Im Anschluss an den Fototermin nimmt sich Beat Leuthardt alle Zeit der Welt für die Teilnehmenden. Und gibt M+W Auskunft.

MVBS-Kopräsident Beat Leuthardt instruiert die Anwesenden für die Aktion auf dem Münsterplatz. Foto: Juri Junkov

M+W: Was Margrit Benninger und Eliette Pillonel erlebt haben, ist unerhört: Dass eine Pensionskasse – und erst noch die des staatlichen Personals (PKBS) – renditesaniert und dabei alle Mieter*innen rauswirft, sogar die eigenen Versicherten im hohen Alter. Was hat das mit Basel zu tun?


Beat Leuthardt: Ich könnte jetzt von einem «Sonderfall Basel» sprechen oder so, Tatsache ist aber: Das kann allen passieren, überall, jederzeit. Es hängt aber auch an den verantwortlichen Personen: Wir kennen andere Pensionskassen, die ebenso unter Anlagedruck stehen wie die PKBS, im Unterschied dazu aber ihre Renditen nicht rücksichtslos maximieren, sondern bei ihren Entscheiden das soziale Umfeld und die Sozialpflichtigkeit des Kapitals mitbedenken. Institutionelle Anleger bedrohen aber erwiesenermassen die Wohnsicherheit immer grösserer Teile der Bevölkerung, besonders in den Städten. Die Skrupellosigkeit einzelner Spekulanten – auf unseren Spekulationslisten fanden sich ausschliesslich Männernamen – wurde tatsächlich längst abgelöst von einer Art «institutionalisierter Rücksichtslosigkeit». Negativzinsen und zunehmender Anlagedruck auf dem Finanzmarkt haben die Moral zunehmend beiseite geschoben und bedrohen die Lebensverhältnisse immer grösserer Teile des Mittelstands. Das Wohnschicksal der Menschen hängt zunehmend von einsamen Investitionsentscheiden aus dem fernen Zürich oder dem noch ferneren Schweden oder sogar aus Übersee ab.

Nun haben die Mietenden in Basel nach Annahme von gleich zwei Verfassungsinitiativen im Jahr 2018 aber eigentlich den schweizweit stärksten Schutz vor Rendite-Kündigungen und auch vor Wuchermieten.

Ja, wir haben seit dem 10. Juni 2018 als einziger Kanton der Deutschschweiz auch das Recht auf Wohnen explizit als Grundrecht in der Verfassung verankert.

Trotzdem sieht man in Basel schon wieder Plakate und Flugblätter des Mieterverbandes. «Lasst euch nicht verseggle!» ist darauf zu lesen, am 28. November wird über eine neuerliche Wohnschutz-Initiative abgestimmt. Was ist passiert?

Wider Erwarten ignorierte die Regierung den Volksentscheid erst einmal. Sie wollte die Kantonsverfassung erst umsetzen, nachdem ein entsprechendes Gesetz ausgearbeitet sein würde. Der MV Basel legte noch im selben Herbst ein Schattengesetz vor und …

Moment, was ist mit «Schattengesetz» gemeint?

Wir merkten sehr schnell, dass die Behörden nicht daran interessiert waren, inhaltlich im Sinne des Volksanliegens vorwärts zu machen. Deshalb formulierten wir intern einen Gesetzesentwurf, der alles enthält, was vonseiten der Mietenden erforderlich wäre. Zum Beispiel ein Vorkaufsrecht wie in anderen Kantonen oder auch die Enteignung von leerstehendem Wohnraum. Den Wortlaut dieses Schattengesetzes haben wir aber nie veröffentlicht oder in den politischen Prozess eingebracht.

Trotzdem hat es Wirkung gezeigt?

Ja, wir verheimlichten natürlich nicht, dass wir das in der Hinterhand haben. Es zeigte den erwünschten Effekt: Die Behörden spürten den Druck und mussten zumindest zeitlich vorwärts machen. So brachten sie ein halbes Jahr später bereits ein Gesetz – das war eine sehr reife Leistung der «Stadtentwicklung» als zuständiges Amt.

Und inhaltlich?

… war der Vorschlag der Kommission zwar meilenweit entfernt von Forderungen wie jener nach Nutzung leerstehenden Wohnraums, aber als Kompromiss auch ganz okay. Dann aber musste der Gesetzesvorschlag sieben Mal durch die Wochensitzungen der Regierung und wurde jedes Mal weiter verwässert. Darum wurde das Gesetz letztendlich derart lückenhaft und unbrauchbar, auch was den juristischen Aufbau und die Struktur angeht. Dennoch kam es Ende 2018 so ins Parlament, wo es von bürgerlicher Seite dann noch weiter verwässert wurde.

Ihr nennt es seither «Bschissgesetz» …

Wahlweise auch «Pfuschgesetz» oder «Fake-Gesetz». Es ist ein gefährliches Gesetz geworden, das die Investoren dankbar entgegennahmen, weil es ihnen einen Persilschein ausstellt, ohne dass sie deswegen ihr bürgerfeindliches Gebaren stoppen müssten. Sie passten und passen ihre Kapitalstrategien rasch an. Einige haben erkannt, dass Imageschäden aufgrund von Massenkündigungen wie jener der Credit Suisse am Schorenweg vermieden werden können, wenn den langjährigen Mietparteien eine schwere Sanierung mit anschliessenden massiven Aufschlägen mit genügend zeitlichem Vorlauf angekündigt wird. Dadurch entsteht aber ganz viel Verzweiflung – und das führt schliesslich auch dazu, dass Mietparteien von sich aus in irgendeine schlechte Alternative flüchten. Deren Wohnungen werden dadurch frei für die schamlose Maximierung der Neumieten nach der – nicht selten sinnlosen – Sanierung.

Eure Allianz hat im Sommer 2020 in Rekordzeit die Unterschriften gegen das «Bschissgesetz» zusammenbekommen. Warum habt ihr damals gleichzeitig auch noch für eine weitere Wohnschutz-Initiative Unterschriften gesammelt – jene, die jetzt zur Abstimmung kommt?

Wir wollten nicht nur das gefährliche Regierungsgesetz beseitigen, sondern auch konstruktiv eine bessere Lösung präsentieren. Das Referendum war daher zwar Pflicht, aber eher eine Wegmarke – sozusagen die erste Halbzeit der Partie. Tatsächlich gewannen wir am 29. November 2020 das Referendum in der Stadt, nicht aber in der Gemeinde Riehen – nur 56 Stimmen Unterschied liessen es scheitern. Das regierungsrätliche Bschiss- respektive Pfuschgesetz tritt deshalb am 1. Januar 2022 in Kraft.

Kommt die aktuelle Wohnschutzinitiative durch …

… muss sie sechs Monate später in Kraft treten, also am 28. Mai 2022. Dann würde das Elend der Direktbetroffenen auf dem Basler Wohnungsmarkt endlich enden.

Würde die Wohnschutzinitiative das «Bschissgesetz» obsolet machen? Ja genau. Das Gesetz, wie es die Wohnschutzinitiative vorschlägt, basiert inhaltlich auf dem Entwurf der liberalen Mehrheit der grossrätlichen Kommission, der damals von der investorenfreundlichen bürgerlichen Mehrheit im Rat knapp abgelehnt worden war. Es ist ein blosses Missbrauchsbekämpfungsgesetz – sozusagen ein Gesetz, das von den Investoren Verantwortung fordert.

Es ist also nicht das taktische Schattengesetz?

Nein, gar nicht. Unsere neue Wohnschutz-Initiative ist ein allseits tauglicher Kompromiss. Der bei Annahme aber endlich wieder Ruhe auf den Wohnungsmarkt bringt und den renditeorientierten Grossinvestoren wie Credit Suisse, Zurich Anlagestiftung, UBS Fonds und auch ihren Mitläufern die Hände bindet.

Was unterscheidet es denn so deutlich vom «Bschissgesetz»?

Das Regierungsgesetz ist ein Fehlkonstrukt mit mindestens sieben gravierenden Schlupflöchern. Und es schützt praktisch niemanden von den Hunderten Basler Sanierungsbetroffenen, weil kaum dreissig Prozent aller Mieten überhaupt in den Geltungsbereich des Gesetzes fallen.

Bei Annahme dürften die Mietenden anderer Städte etwas neidisch nach Basel schauen …

Ja, Stadt und Kanton sind hier fast gleich gross; es fehlt das von Wohnungs- und Mietzinsnot tendenziell weniger betroffene Hinterland und damit auch eine gewisse ländliche «Sperrminorität». Das ist in allen anderen Kantonen der Deutschschweiz anders.

Die Immo-Lobby bemüht gerne Genf als Negativbeispiel. Ebenfalls ein Stadtkanton, hat Genf bereits seit 1961 ein griffiges Gesetz zum Schutz der Mieter*innen. Es werde dort aber wenig umgezogen, wenig saniert, wenig neu gebaut und entsprechend würden die Häuser verlottern, wird behauptet. Das dürfte auch in der aktuellen Abstimmungskampagne in Basel Thema sein …

Selbstverständlich. Tatsächlich hält die Angstmacherei einem seriösen Faktencheck aber nicht stand. Ironischerweise bestätigt ausgerechnet die Pensionskasse Basel-Stadt, dass Genf heute ein guter Ort ist für Investitionen in Immobilien: Letztes Jahr kaufte sie dort ein Portfolio von sieben Mehrfamilienhausarealen im Wert von 500 Millionen Franken.

Text: Esther Banz

Das Schweigen der Eigentümer

Soziale Nachhaltigkeit bei Bauprojekten würde auch bedeuten, die Mietenden frühzeitig und offen zu informieren und sie einzubeziehen. Wie es tatsächlich läuft – drei Schauplätze.

Der Architekt Kai Vonburg* wohnt in einer Mietwohnung im Zürcher Kreis 6. Er staunt nicht schlecht, als er im Büro eines Kunden plötzlich erkennt, was da für Pläne an der Wand hängen. Sie sind Teil eines Studienauftrags und zeigen einen Neubau genau dort, wo er selber wohnt. Der Planungsprozess ist also schon fortgeschritten. Von offizieller Seite weiss der erstaunte Familienvater zu diesem Zeitpunkt aber noch nichts: Die Besitzerin – es ist die Pensionskasse des öffentlichen Personals des Kantons Zürich (BVK) – hat die Mieterinnen bis dahin nicht informiert.

BVK schweigt und macht Probebohrung

Inzwischen sind mehrere Monate vergangen – und Vonburgs wie auch alle andern im Haus wurden von offizieller Seite noch immer nicht über den geplanten Abriss ihres Hauses informiert. Zusammen mit dem Architekten verlieren voraussichtlich auch mehrere ältere bis sehr alte Menschen ihr Zuhause. Für sie wird es besonders schwierig werden, eine neue Wohnung zu finden. Und in Zürich auf die Schnelle eine Alterswohnung zu erhalten, ist ebenfalls illusorisch. Die BVK hätte die Mieter*innen schon längst über ihre Pläne informieren können, stattdessen schweigt sie und nimmt in Kauf, dass Gerüchte kursieren. Im Garten liess sie eine Probebohrung durchführen, frei werdende Wohnungen werden seit einer Weile nur noch befristet vermietet, auch wurde schon lange nicht mehr renoviert – all dies sind Anzeichen dafür, dass ein Haus umfassend saniert oder abgerissen wird. Nicht zu wissen, ob und wie lange man noch geduldet ist, kann enorm belastend sein, gerade für die älteren Menschen, das zeigen Studien. Die BVK kümmert das nicht.

Es ist offensichtlich, dass die grösste Pensionskasse im Land nicht daran interessiert ist, die bisherigen Mietenden an dieser Adresse zu behalten. Für Walter Angst vom Mieterinnen- und Mieterverband Zürich sind das Vorgehen und die ausbleibende Kommunikation unverständlich: «In Erneuerungsprozessen muss das oberste Ziel sein, dass die bestehenden Mietenden bleiben können – noch besser ist, wenn sie in die Planung einbezogen werden.» Und unabhängig davon, ob gekündigt werde oder nicht, «müssen die Mietenden von Anfang an umfassend informiert werden».
Die BVK bleibt aber maximal intransparent, auch M+W gegenüber. Der Kommunikationsverantwortliche Christian
Brütsch schreibt auf Anfrage, man werde, «sollte es zu Veränderungen kommen (…) in erster Linie direkt mit der Mieterschaft kommunizieren». Diese Aussage macht er mehrere Monate nachdem Kai Vonburg die Pläne für den Ersatzneubau bei seinem Kunden entdeckte. 

Kein Einzelfall bei der BVK 

Das ist kein BVK-Einzelfall, ganz in der Nähe gibt es ein weiteres aktuelles Beispiel: An der Huttenstrasse werden zwei Mehrfamilienhäuser aus dem BVK-Besitz saniert, die Bewohner*innen ausgewechselt. «Die BVK hat uns ihre Pläne nicht angekündigt», sagt Dan Gubler*, ein ehemaliger langjähriger Mieter, «und auch wenn wir anriefen, um uns zu erkundigen: null Information.» Als die Kündigung dann endlich eintraf, war der Schock gross: «Nur sechs Monate gaben sie uns Zeit, in Zürich eine bezahlbare Wohnung zu finden. Einer meiner Nachbarn war ein alter Mann, ein Urgestein im Haus.» Gubler fügt noch an: «Die Kündigung kam in der Pandemiezeit.» Zum Glück arbeite er bei der Stadt und nicht beim Kanton, «sonst wäre es meine eigene Pensionskasse gewesen, die mich rausgeworfen hätte.» Auch das gibt es immer öfter. Im zweiten Wohnhaus an der Huttenstrasse, das die BVK «entmietet» hat (so bezeichnet die Immobranche die Vertreibung ganzer Bewohner*innenschaften aus ihren Wohnungen und Siedlungen), bietet sie derzeit auf ihrer Webseite eine renovierte 5,5-Zimmer-Wohnung an: 5500 Franken will sie dafür monatlich. 

Nichts Neues in Uster 

Was oben beschrieben ist, wird mehr und mehr zur Realität in Zürich und anderen Gemeinden im Kanton, auch kleineren. In Uster ist eine ganze Siedlung betroffen, M+W berichtete (Ausgabe 3/21): Vier Mehrfamilienhäuser mit total 70 Wohnungen sollen abgerissen und ersetzt werden. Besitzerin ist die Immobiliengesellschaft Turintra AG, die zum UBS-Immobilienfonds SIMA gehört. Die Verwaltung ist an Livit ausgelagert. Den Mieter*innen gegenüber verschwieg man, was geplant ist. Erst im Kündigungsschreiben erfuhren sie vom bereits weit fortgeschrittenen Ersatzneubauprojekt. Es wurde ihnen eine «Mieterspezialbetreuung» angeboten und die Möglichkeit, in einem der Neubauten, die in zwei Etappen erstellt werden, eine neue Wohnung zu beziehen. Aber all ihre Fragen – zu Grundrissen, Mietzinsen oder Bezugsdatum – liefen ins Leere. Im Namen der Mieter*innen wandte sich die Ustermer Stadtpräsidentin persönlich an den Turintra-Verwaltungsratspräsidenten Daniel Brüllmann, der für die Leerkündigungen verantwortlich ist. Fünf Monate später: noch immer keine Reaktion. An einer Neubau-Wohnung interessierte Mieter*innen hätten in der Zwischenzeit von der Verwaltung ungefähre Angaben zu Preisen und Wohnungsgrössen erhalten, aber keine Angebote, sagt Mieter Michel Dennler: «Das einzige Schriftliche, was wir je erhielten, war die Kündigung.» Eine vorsorgliche, noch bevor das Baugesuch eingereicht war, und mit nicht mehr als einem Jahr Frist: Ein schlankes «Entmieten» sollte es werden. 

Man erwarte die Baugenehmigung nun per Ende 2021, sagt ein UBS-Sprecher, erst nach anschliessenden Bereinigungen könne man die Mieter*innen informieren. Der Neubau erfolge in zwei Etappen, «aus ebendiesem Grund, dass der Mieterschaft ein Verbleib innerhalb der Überbauung ermöglicht werden kann», so der Sprecher. Einbezogen oder wenigstens transparent informiert werden die interessierten Mieter*innen aber nicht, und ihnen läuft die Zeit davon, gerade die älteren und Familien mit Kindern im schulpflichtigen Alter müssten schon längst vorwärts machen, planen können. Für die mangelnde Transparenz macht der Sprecher das Mietrecht verantwortlich. Ausgerechnet. Wer daran interessiert ist, dass gewachsene und für die Gesellschaft so wertvolle nachbarschaftliche Strukturen erhalten bleiben, dass die Menschen, die Teil davon sind, bleiben können, tut sein Bestes, um das zu ermöglichen. Das ist soziale Nachhaltigkeit. 

«Turnaround für neue Zielgruppen» 

Aber wer von «Entmieten» spricht, verrät selbst, dass es ihm nicht um Nachhaltigkeit geht. Sondern darum, das Verdrängungsprozedere möglichst reibungslos (ohne Widerstand der Mietenden und schlechte Presse) über die Bühne zu bringen. Kürzlich widmete sich die Immobilienbranche wieder einmal gemeinsam diesem Thema: Das Swiss Real Estate Institute lud Ende September zur Tagung «Vom Problem- zum Trendquartier». Hauptthema war die soziale Durchmischung in grösseren Stadtrand- Siedlungen. Nur diese (und nicht etwa die Villen-Monokulturen) sieht man als potenziell zu wenig durchmischt und problematisch an. Wegen der «Konzentration bestimmter Kulturen» und überhaupt wegen eines hohen Ausländeranteils (das halte Schweizer*innen davon ab, sich für eine Wohnung zu bewerben). Ein Programmpunkt lautete entsprechend: «Wie gelingt der Turnaround für neue Zielgruppen?» Als Hypothek werden in der Turnaround-Logik nebst Nicht- Schweizer*innen explizit auch ältere Menschen gesehen, weil sie sich «wegen Kinderlärm gegen Familien als Neumieter wehren».

Hier kommt Joëlle Zimmerli ins Spiel. Die Soziologin, die mit der Immobilienwirtschaft verbunden ist, erzählt den Teilnehmenden, wie ein Erneuerungsprozess sozialverträglich vonstatten gehen soll – dabei geht es auch stark um Kommunikation, den Zeitpunkt, wann Kündigungen ausgesprochen werden. Zimmerli wies in der Tagung auf die Bedeutung einer frühen Kommunikation hin, unterstützt von einer Vertreterin von Pro Senectute. Die Soziologin habe Möglichkeiten aufgezeigt, sich aber nicht positioniert, sagt Eveline Kunz, die in Winterthur die MV-Geschäftsstelle leitet. Überhaupt, dieser «Turnaround für neue Zielgruppen», diese Verdrängung, die viele Betroffene als gewaltvoll und entwürdigend erleben: Sie sei von niemandem hinterfragt, sondern als normale Notwendigkeit und Entwicklung vorausgesetzt worden, als göttliche Ordnung sozusagen. «Es fehlt an der Idee und Vorstellung, dass man zum Schutz besonders vulnerabler Betroffener auch Forderungen stellen kann», sagt Eveline Kunz. Forderungen nach Wohnsicherheit im Alter etwa oder wenigstens nach frühzeitiger Information. 

Gegen die eigenen Versicherten 

Forderungen, denen erst recht eine BVK mit ihrem zur Hälfte aus Arbeitnehmenden-Vertreter*innen zusammengesetzten Stiftungsrat von sich aus nachkommen müsste. Tatsächlich hat sie sich «Zehn Grundsätze für verantwortungsbewusste Anlagen» gegeben. Mit dem neunten Grundsatz will sie sich hinsichtlich Anlagen und Kommunikation von Massnahmen «schweizweit als Referenzkasse» positionieren. Fragt man aber nach ihren definierten Nachhaltigkeitszielen und dem Raster, «an dem sich die soziale Nachhaltigkeit orientiert», kommt von den Kommunikationsverantwortlichen auch bei mehrmaligem Nachhaken nur Ausweichendes: Man sei gerade daran, die Webseite neu zu gestalten. Das ist eine dürftige Performance für ein Unternehmen, das mit Mieter*innen grosse Rendite erzielt. 

Die BVK befolgt nach eigenen Angaben die UNO-Prinzipien für verantwortungsbewusstes Investieren. Nicht bekannt ist ihr, dass die Schweiz 1992 das UNO-Abkommen über das «Recht auf angemessenes Wohnen» unterzeichnet hat. Es soll Menschen vor Vertreibung schützen – in Diktaturen, in Ländern mit Krieg und solchen ohne funktionierenden Rechtsstaat. Aber zunehmend ist das auch in Ländern wie der Schweiz nötig, wo riesige Kapitalvermögen für immer mehr Ungleichheit und Ungerechtigkeit sorgen. Davon betroffen sind auch die Versicherten der BVK: Lehrpersonen, Pflegepersonal, Sozialarbeitende und viele weitere, die im öffentlichen Dienst arbeiten – denn als Mieter*innen sind sie auf bezahlbare Wohnungen in der Stadt und im Kanton angewiesen. 

* Namen geändert. Die richtigen Namen sind der Redaktion bekannt. 

Text: Esther Banz



Wenn die Vermieterin klingelt

Vermieterin schaut zum Spion hinein. Illustration: Patric Sandri

Die Vermieterin steht unerwartet vor der Tür – sie möchte nur rasch die Wohnung besichtigen. Müssen Sie sie reinlassen?

Es ist Samstagmorgen. Alfred Hugi steht grad unter der Dusche, als es an der Tür klingelt. Hugi duscht weiter, die Klingel schrillt ein zweites Mal. Sichtlich genervt und nur spärlich mit einem Handtuch bedeckt, stolpert er zur Wohnungstür. Vor der Tür steht Gudrun Nötzli, seine Vermieterin. Sie sei gerade in der Gegend gewesen und wolle nur rasch die Thermostaten an den Radiatoren kontrollieren, erklärt sie. Und fügt an: Als Vermieterin habe sie das Recht, «ihre Wohnung» jederzeit zu besichtigen. Hat sie das? 

Nein. Als Mieter hat Hugi nämlich das ausschliessliche Gebrauchsrecht an der Wohnung. Er kann bestimmen, wer seine Wohnung betreten darf – und wer nicht. Allerdings darf er seiner Vermieterin den Zutritt nicht für die gesamte Dauer des Mietverhältnisses verwehren. Denn gemäss Artikel 257 h OR sind Mieter*innen verpflichtet, der Vermieterschaft Zutritt zur Wohnung zu gewähren, sofern dies entweder für den Unterhalt oder die Wiedervermietung der Wohnung nötig ist oder für den Verkauf der Liegenschaft. Was aber bedeutet das im Einzelnen? 

Besichtigung zwecks Unterhalts 

Die Besichtigung zwecks Unterhalts der Wohnung setzt keinen effektiven Schaden voraus, sondern kann auch periodisch durchgeführt werden. Gudrun Nötzli kann also beispielsweise regelmässig vorbeischauen, um die Wände auf Feuchtigkeitsschäden hin zu überprüfen. Allerdings darf sie diese Kontrollbesuche nur in grösseren Zeitabständen – heisst: mit einem Abstand von ein bis zwei Jahren – durchführen. Die Besuche dürfen nicht schikanös sein und müssen zu einer angemessenen Uhrzeit stattfinden. Nicht zulässig sind dagegen Inspektionen, deren Ziel es ist zu kontrollieren, ob die Mieterschaft ordentlich aufgeräumt und geputzt hat. Das hat die Vermieterschaft nicht zu kümmern, solange die Mieterschaft in der Wohnung keine feuergefährlichen Gegenstände stapelt oder haufenweise stinkenden Müll vergammeln lässt. 

Weitervermietung oder Verkauf 

Zieht die Mieterschaft aus oder will die Vermieterschaft die Liegenschaft verkaufen, dann darf Letztere Kauf- und Mietinteressierte durch die Wohnung führen. Erstere muss eine Besichtigung allerdings nur dulden, wenn das Mietverhältnis bereits gekündigt ist oder das Ende eines befristeten Mietverhältnisses kurz bevorsteht. Eine Besichtigung durch die Vermieterschaft mit einer potenziellen Käuferschaft ist zulässig, sofern auf der Basis konkreter Verkaufsabsichten bereits ernsthafte Verhandlungen im Gang sind. 

Könnte Nötzli von Hugi verlangen, dass er seine Wohnung vor einer Besichtigung schön herrichtet und reinigt? – Auf keinen Fall. Verunstaltet und verschmutzt die Mieterschaft eine Wohnung jedoch auf krasse Weise, um die Weitervermietung oder einen Verkauf zu vereiteln, kann die Vermieterschaft Schadenersatz verlangen. Allerdings müsste sie beweisen, dass die Sabotage ursächlich für das Scheitern des Verkaufs oder der Weitervermietung war. Solche Beweise sind in der Praxis praktisch unmöglich. 

Grundsätzlich umfasst das Besichtigungsrecht den Zugang zu allen Räumlichkeiten der Wohnung. Das Öffnen von Schränken oder Kommoden ist aber tabu. Kann er ernsthafte Gründe geltend machen, darf Hugi seiner Vermieterin den Zutritt zu einzelnen Zimmern ausnahmsweise verweigern. Denkbar wäre etwa ein Zimmer, in dem sich eine Person wegen einer möglichen Corona-Ansteckung isolieren muss. 

Pflicht zur Rücksichtnahme 

Laut Artikel 257h OR muss die Vermieterschaft bei der Besichtigung auf die Interessen der Mieter*innen Rücksicht nehmen. Sie muss ihren Besuch rechtzeitig ankündigen, in der Regel mindestens 24 bis 48 Stunden im Voraus. In vielen Standardmietverträgen ist in den «Allgemeinen Geschäftsbedingungen» geregelt, dass die Voranzeigefrist 48 Stunden beträgt. Den spontanen Besuch seiner Vermieterin muss sich Hugi an diesem Samstagmorgen also nicht gefallen lassen. Nötzli müsste Hugi einen Besichtigungstermin vorschlagen. Kommt der Termin Hugi speziell ungelegen, sollte er das Nötzli rechtzeitig mitteilen und am besten gleich einen anderen Zeitpunkt vorschlagen. 

Weil die Vermieterschaft das Besichtigungsrecht schonend ausüben muss, können Mieter*innen verlangen, dass Besichtigungen mit verschiedenen Interessierten oder Handwerker*innen gemeinsam durchgeführt werden, um die dadurch verursachten Störungen so gering wie möglich zu halten. Auch innerhalb der Wohnung muss die Vermieterschaft einige Regeln beachten. Sie darf beispielsweise ohne das Einverständnis der Mieterschaft während der Besichtigung keine Fotos machen, auf denen persönliche Gegenstände abgebildet sind. 

Ungerechtfertigte Verweigerung 

Der Vermieterin den Zugang zur Wohnung um jeden Preis zu verweigern, ist Hugi nicht zu raten. Denn dadurch könnte er schadenersatzpflichtig werden, zum Beispiel für Stundenlöhne von Handwerker*innen, falls diese unverrichteter Dinge wieder abziehen müssen. Riskieren querulatorische Mieter*innen gar eine ausserordentliche Kündigung? Dies dürfte nur in ausserordentlich schweren Fällen und nach einer schriftlichen Mahnung ausnahmsweise zulässig sein. 

Die Vermieterschaft ihrerseits darf sich keinesfalls eigenmächtig oder gar gewaltsam Zutritt zu einer Wohnung verschaffen – auch wenn die Zutrittsverweigerung ungerechtfertigt ist. Andernfalls macht sie sich wegen Hausfriedensbruchs strafbar. 

Kein Recht auf Schlüssel 

Die Vermieterschaft darf auch keinen Schlüssel zur Wohnung haben. Gemäss Gesetz wird der Mieterschaft eine Wohnung zum ausschliesslichen Gebrauch überlassen. Das bedeutet, dass ihr bei Mietbeginn sämtliche Schlüssel ausgehändigt werden müssen. Hugi darf Nötzli aber natürlich freiwillig einen Schlüssel anvertrauen. 

Gewisse Mietverträge sehen vor, dass die Mieterschaft bei längerer Abwesenheit bei einer leicht erreichbaren Vertrauensperson einen Schlüssel hinterlegt. Solche Vertragsbestimmungen sind nicht gültig. Verreist die Mieterschaft mehrere Monate, muss sie allerdings gewährleisten, dass die Vermieterschaft ihr gesetzliches Zutrittsrecht wahrnehmen kann, zum Beispiel wenn diese Renovationen plant und ausführen muss. 

Schlosszylinder auswechseln 

Was kann Hugi tun, wenn Nötzli oder der Hauswart gegen seinen Willen einen Schlüssel besitzen? Grundsätzlich kann er den Schlüssel herausverlangen, nötigenfalls mithilfe eines Gesuchs bei der Schlichtungsbehörde oder beim Gericht. Dabei sollte er sich bewusst sein, dass er keinerlei Kontrolle darüber hat, ob Nötzli oder der Hauswart nicht weitere Schlüssel zu seiner Wohnung besitzen. 

Will Hugi auf Nummer sicher gehen, wechselt er darum am besten den Schlosszylinder aus respektive lässt ihn auswechseln. Dabei handelt es sich streng genommen um eine bauliche Veränderung am Mietobjekt, die er vor dem Auszug auf eigene Kosten rückgängig machen muss. Den originalen Schlosszylinder sollte er deshalb unbedingt aufbewahren.

Text: Fabian Gloor