Wo wird überall getrickst?

Verstossen Vertragsklauseln gegen zwingendes Recht, gelten sie als nicht vereinbart. Foto: AdobeStock

Viele Standardmietverträge des Hauseigentümerverbands weisen ungültige Bestimmungen auf. M+W verrät Ihnen, auf welche Klauseln Sie getrost pfeifen können.

Schliessen Sie einen Mietvertrag ab, verpflichtet sich die Vermieterschaft, Ihnen als Mieter*in ein Mietobjekt zum Gebrauch zu überlassen. Im Gegenzug versprechen Sie, dafür einen Mietzins zu bezahlen. Es gibt knapp gehaltene Mietverträge und solche, die mehrere Seiten umfassen. Ein Mietvertrag muss nicht unbedingt schriftlich abgeschlossen werden, Sie können ihn auch per Handschlag oder sogar stillschweigend eingehen. In der Praxis sind mündliche Mietverträge allerdings selten. Wegen der Schwierigkeit, mündlich «Abgemachtes» im Nachhinein zu beweisen, ist ein schriftlicher Mietvertrag eindeutig vorteilhafter.

Take it or leave it

Dass Mieterschaft und Vermieterschaft den Mietvertrag respektive dessen Inhalt gemeinsam aushandeln, ist Wunschdenken. Meistens wird den Mietenden ein Standardmietvertrag der örtlichen Sektion des Hauseigentümerverbands vorgelegt. Getreu nach dem Motto «Take it or leave it» haben Mietende dann die Wahl, die von der Vermieterschaft diktierten Vertragsbedingungen zu akzeptieren oder auf den Vertragsabschluss zu verzichten.

Verstossen Vertragsklauseln gegen zwingendes Recht, gelten sie als nicht vereinbart.

Werden Vertragsbestimmungen von einer Vertragspartei allgemein vorformuliert mit dem Ziel, dass sie für eine Vielzahl von Verträgen mit der jeweils anderen Partei übernommen werden können, spricht man von «Allgemeinen Geschäftsbedingungen» oder «AGB». Der Einsatz solcher AGB ist für beide Seiten praktisch. Dank der Vorbereitung der einen Partei als «Expertin» kann ein komplexes Geschäft wie beispielsweise ein Mietvertrag ohne grossen Aufwand abgeschlossen werden. Die einseitige Vorbereitung birgt allerdings auch die Gefahr, dass in den AGB die vertraglichen Rechte und Pflichten respektive Risiken und Chancen asymmetrisch verteilt werden.

Auch Standardmietverträge enthalten AGB. Nicht alles, was in einem Standardmietvertrag steht, ist jedoch verbindlich. Denn bei vielen Gesetzesbestimmungen zum Mietrecht handelt es sich um sogenannt zwingendes Recht. Das bedeutet: Die Parteien können nicht davon abweichen, auch nicht durch eine vertragliche Vereinbarung. Verstossen Vertragsklauseln gegen zwingendes Recht, gelten sie als nicht vereinbart.

Reparaturen von Geräten

Der Unterhalt eines Mietobjekts ist laut Art. 256 OR Sache der Vermieterschaft. Folglich muss diese grundsätzlich für Reparaturen aufkommen. Eine Ausnahme gilt für kleine Reparaturen. Diese gehen gemäss Art. 259 OR zulasten der Mieterschaft. Im Fachjargon spricht man vom «kleinen Unterhalt». Darunter fallen zum Beispiel das Ölen von Türscharnieren, das Entstopfen des Syphons beim Lavabo, der Ersatz eines Backblechs, eines Duschschlauchs, eines Backofengitters, eines Dampfabzugsfilters oder von Dichtungen bei Wasserhahnen.

Zum kleinen Unterhalt gehören nur Reparaturen, die eine handwerklich normal begabte Mieterschaft ohne Fachwissen ausführen kann. 

Im Standardvertrag des HEV des Kantons Bern steht allerdings: «Alle kleinen, für den gewöhnlichen Gebrauch der Mietsache erforderlichen Reinigungsarbeiten und Ausbesserungen hat der Mieter auf eigene Kosten fachmännisch ausführen zu lassen». Was darunter konkret zu verstehen ist, wird auch gleich definiert: «Als kleine Ausbesserung gelten unabhängig vom Rechnungsbetrag insbesondere (…) die Instandhaltung der elektrischen Schalter, Steckdosen, Telefon und Fernsehanschlüsse, der Glasscheiben (…)».

Ähnliche Klauseln finden sich in den Standardmietverträgen der HEV der Kantone Solothurn, Thurgau, Oberwallis und Zürich. Der HEV Zürich geht sogar noch weiter und verdonnert die Mieterschaft neben dem «Ersetzen von elektrischen Schaltern» gar zur Instandhaltung von «Spülkästen, Geschirrspülern, Backofen, Kühlschränken, Keramikkochfeldern, Kochplatten und Brennern bei Gasherden». Besonderen Wert auf Sauberkeit legen die HEV-Sektionen der Kantone Aargau, Solothurn, Zürich und Bern. In ihren Standardmietverträgen schreiben sie ausziehenden Mietenden vor, «sämtliche textilen Bodenbeläge durch einen Fachmann» reinigen zu lassen. 

Normale handwerkliche Fähigkeiten 

Solche Klauseln sind nicht verbindlich. Denn gemäss neuer Rechtsprechung gehören nur Reparaturen zum kleinen Unterhalt, die eine handwerklich normal begabte Mieterschaft ohne spezielles Fachwissen selber ausführen kann. Mietvertraglich lässt sich die Grenze des kleinen Unterhalts nicht beliebig ausweiten, sonst würde die grundsätzliche Unterhaltspflicht der Vermieterschaft ausgehebelt. Das ist gemäss Artikel 256 Abs. 2 OR unzulässig. Die Vermieterschaft kann von der Mieterschaft nur verlangen, für die Kosten von Eigenreparaturen aufzukommen, nicht jedoch für den Beizug einer Fachperson. Konkret heisst das: Sollte Ihr Geschirrspüler den Geist aufgeben, so müssen Sie die Reparaturkosten nicht berappen, selbst wenn Sie sich mietvertraglich dazu verpflichtet haben. 

Sollte Ihr Geschirrspüler den Geist aufgeben, müssen Sie die Reparaturkosten nicht berappen, selbst wenn Sie sich mietvertraglich dazu verpflichtet haben. 

Bis vor einigen Jahren galt, dass Mieter*innen sämtliche Reparaturen bezahlen müssen, die nicht mehr als 150 Franken kosten. Diese Faustregel ist überholt. Die Kostengrenze gilt nur noch beim Ersatz von Bestandteilen wie z.B. einem fehlenden Backblech oder einer defekten Kühlschrankschublade. Rechnungen von Handwerker*innen dagegen können nicht auf dieser Basis beurteilt werden, denn sobald eine Fachperson hinzugezogen werden muss, liegt per se kein kleiner Unterhalt mehr vor und die Kosten müssen sowieso von der Vermieterschaft übernommen werden. 

Nicht verbindlich ist auch die Klausel im Standardvertrag des HEV Zürich, die von den Mietenden die Übernahme aller «weiteren kleineren Reparaturen und Instandstellungen, welche im Einzelfall 1 % des Jahres-Netto-Mietzinses nicht übersteigen» fordert. Gemäss Schlichtungsbehörden und Mietgerichten des Kantons Zürich ist die Obergrenze für Ersatzteile, die von der Mieterschaft bezahlt werden müssen, 150 Franken. Und dies unabhängig von der Höhe des Mietzinses. 

Ausserterminliche Kündigung 

Auch beim Recht der Mietenden, ein Mietverhältnis vorzeitig zu kündigen, wird getrickst. Laut Mietvertrag des HEV Bern kann «die vorzeitige Auflösung nur auf ein Monatsende erfolgen». Diese Regelung ist gesetzeswidrig. Das Gesetz schränkt nämlich den Zeitpunkt für eine ausserterminliche Kündigung nicht ein. Wenn Sie ausserterminlich kündigen, sind Sie vertraglich nur so lange gebunden, bis Sie der Vermieterschaft eine zumutbare und zahlungsfähige Person vorschlagen, die an Ihrer Stelle die Wohnung mietet. Das muss nicht am Ende oder in der Mitte eines Monats sein. Es ist jederzeit erlaubt. 

Das Gesetz schränkt den Zeitpunkt für eine ausserterminliche Kündigung nicht ein. 

Keine Pflicht zur Unterschrift 

Noch eine weitere haarsträubende Klausel enthält der Standardmietvertrag des HEV Bern. Gemäss Ziffer 16 «Rückgabe der Mietsache» sei «ein Zustandsprotokoll aufzunehmen, das von den Vertragsparteien oder deren Vertreter zu unterzeichnen ist». Und weiter: «Werden nachträglich schriftlich anerkannte Mängel vom Mieter nicht innert 10 Tagen seit Erhalt der Mitteilung schriftlich bestritten, gelten sie als anerkannt». Auch der Standardmietvertrag des HEV Zürich enthält diesbezüglich eine sonderbare Regelung. So müsse die Mieterschaft, welche die Mitwirkung am Rückgabeprotokoll verweigere, «sich dieses als richtig entgegenhalten lassen».

Als Mieter*in sind Sie nicht verpflichtet, an der Erstellung des Abgabeprotokolls mitzuwirken oder dieses gar zu unterschreiben. 

Auch diese Vertragsbestimmungen sind nicht verbindlich. Als Mieter*in sind Sie nicht verpflichtet, an der Erstellung des Abgabeprotokolls mitzuwirken oder dieses gar zu unterschreiben. Von einer Unterschrift des Abgabeprotokolls ist sowieso dringend abzuraten. Denn mit Ihrer Unterschrift anerkennen Sie unter Umständen Schäden, für welche Sie gar nicht haftbar sind. 

Text: Fabian Gloor