Wenn die Vermieterin klingelt

Vermieterin schaut zum Spion hinein. Illustration: Patric Sandri

Die Vermieterin steht unerwartet vor der Tür – sie möchte nur rasch die Wohnung besichtigen. Müssen Sie sie reinlassen?

Es ist Samstagmorgen. Alfred Hugi steht grad unter der Dusche, als es an der Tür klingelt. Hugi duscht weiter, die Klingel schrillt ein zweites Mal. Sichtlich genervt und nur spärlich mit einem Handtuch bedeckt, stolpert er zur Wohnungstür. Vor der Tür steht Gudrun Nötzli, seine Vermieterin. Sie sei gerade in der Gegend gewesen und wolle nur rasch die Thermostaten an den Radiatoren kontrollieren, erklärt sie. Und fügt an: Als Vermieterin habe sie das Recht, «ihre Wohnung» jederzeit zu besichtigen. Hat sie das? 

Nein. Als Mieter hat Hugi nämlich das ausschliessliche Gebrauchsrecht an der Wohnung. Er kann bestimmen, wer seine Wohnung betreten darf – und wer nicht. Allerdings darf er seiner Vermieterin den Zutritt nicht für die gesamte Dauer des Mietverhältnisses verwehren. Denn gemäss Artikel 257 h OR sind Mieter*innen verpflichtet, der Vermieterschaft Zutritt zur Wohnung zu gewähren, sofern dies entweder für den Unterhalt oder die Wiedervermietung der Wohnung nötig ist oder für den Verkauf der Liegenschaft. Was aber bedeutet das im Einzelnen? 

Besichtigung zwecks Unterhalts 

Die Besichtigung zwecks Unterhalts der Wohnung setzt keinen effektiven Schaden voraus, sondern kann auch periodisch durchgeführt werden. Gudrun Nötzli kann also beispielsweise regelmässig vorbeischauen, um die Wände auf Feuchtigkeitsschäden hin zu überprüfen. Allerdings darf sie diese Kontrollbesuche nur in grösseren Zeitabständen – heisst: mit einem Abstand von ein bis zwei Jahren – durchführen. Die Besuche dürfen nicht schikanös sein und müssen zu einer angemessenen Uhrzeit stattfinden. Nicht zulässig sind dagegen Inspektionen, deren Ziel es ist zu kontrollieren, ob die Mieterschaft ordentlich aufgeräumt und geputzt hat. Das hat die Vermieterschaft nicht zu kümmern, solange die Mieterschaft in der Wohnung keine feuergefährlichen Gegenstände stapelt oder haufenweise stinkenden Müll vergammeln lässt. 

Weitervermietung oder Verkauf 

Zieht die Mieterschaft aus oder will die Vermieterschaft die Liegenschaft verkaufen, dann darf Letztere Kauf- und Mietinteressierte durch die Wohnung führen. Erstere muss eine Besichtigung allerdings nur dulden, wenn das Mietverhältnis bereits gekündigt ist oder das Ende eines befristeten Mietverhältnisses kurz bevorsteht. Eine Besichtigung durch die Vermieterschaft mit einer potenziellen Käuferschaft ist zulässig, sofern auf der Basis konkreter Verkaufsabsichten bereits ernsthafte Verhandlungen im Gang sind. 

Könnte Nötzli von Hugi verlangen, dass er seine Wohnung vor einer Besichtigung schön herrichtet und reinigt? – Auf keinen Fall. Verunstaltet und verschmutzt die Mieterschaft eine Wohnung jedoch auf krasse Weise, um die Weitervermietung oder einen Verkauf zu vereiteln, kann die Vermieterschaft Schadenersatz verlangen. Allerdings müsste sie beweisen, dass die Sabotage ursächlich für das Scheitern des Verkaufs oder der Weitervermietung war. Solche Beweise sind in der Praxis praktisch unmöglich. 

Grundsätzlich umfasst das Besichtigungsrecht den Zugang zu allen Räumlichkeiten der Wohnung. Das Öffnen von Schränken oder Kommoden ist aber tabu. Kann er ernsthafte Gründe geltend machen, darf Hugi seiner Vermieterin den Zutritt zu einzelnen Zimmern ausnahmsweise verweigern. Denkbar wäre etwa ein Zimmer, in dem sich eine Person wegen einer möglichen Corona-Ansteckung isolieren muss. 

Pflicht zur Rücksichtnahme 

Laut Artikel 257h OR muss die Vermieterschaft bei der Besichtigung auf die Interessen der Mieter*innen Rücksicht nehmen. Sie muss ihren Besuch rechtzeitig ankündigen, in der Regel mindestens 24 bis 48 Stunden im Voraus. In vielen Standardmietverträgen ist in den «Allgemeinen Geschäftsbedingungen» geregelt, dass die Voranzeigefrist 48 Stunden beträgt. Den spontanen Besuch seiner Vermieterin muss sich Hugi an diesem Samstagmorgen also nicht gefallen lassen. Nötzli müsste Hugi einen Besichtigungstermin vorschlagen. Kommt der Termin Hugi speziell ungelegen, sollte er das Nötzli rechtzeitig mitteilen und am besten gleich einen anderen Zeitpunkt vorschlagen. 

Weil die Vermieterschaft das Besichtigungsrecht schonend ausüben muss, können Mieter*innen verlangen, dass Besichtigungen mit verschiedenen Interessierten oder Handwerker*innen gemeinsam durchgeführt werden, um die dadurch verursachten Störungen so gering wie möglich zu halten. Auch innerhalb der Wohnung muss die Vermieterschaft einige Regeln beachten. Sie darf beispielsweise ohne das Einverständnis der Mieterschaft während der Besichtigung keine Fotos machen, auf denen persönliche Gegenstände abgebildet sind. 

Ungerechtfertigte Verweigerung 

Der Vermieterin den Zugang zur Wohnung um jeden Preis zu verweigern, ist Hugi nicht zu raten. Denn dadurch könnte er schadenersatzpflichtig werden, zum Beispiel für Stundenlöhne von Handwerker*innen, falls diese unverrichteter Dinge wieder abziehen müssen. Riskieren querulatorische Mieter*innen gar eine ausserordentliche Kündigung? Dies dürfte nur in ausserordentlich schweren Fällen und nach einer schriftlichen Mahnung ausnahmsweise zulässig sein. 

Die Vermieterschaft ihrerseits darf sich keinesfalls eigenmächtig oder gar gewaltsam Zutritt zu einer Wohnung verschaffen – auch wenn die Zutrittsverweigerung ungerechtfertigt ist. Andernfalls macht sie sich wegen Hausfriedensbruchs strafbar. 

Kein Recht auf Schlüssel 

Die Vermieterschaft darf auch keinen Schlüssel zur Wohnung haben. Gemäss Gesetz wird der Mieterschaft eine Wohnung zum ausschliesslichen Gebrauch überlassen. Das bedeutet, dass ihr bei Mietbeginn sämtliche Schlüssel ausgehändigt werden müssen. Hugi darf Nötzli aber natürlich freiwillig einen Schlüssel anvertrauen. 

Gewisse Mietverträge sehen vor, dass die Mieterschaft bei längerer Abwesenheit bei einer leicht erreichbaren Vertrauensperson einen Schlüssel hinterlegt. Solche Vertragsbestimmungen sind nicht gültig. Verreist die Mieterschaft mehrere Monate, muss sie allerdings gewährleisten, dass die Vermieterschaft ihr gesetzliches Zutrittsrecht wahrnehmen kann, zum Beispiel wenn diese Renovationen plant und ausführen muss. 

Schlosszylinder auswechseln 

Was kann Hugi tun, wenn Nötzli oder der Hauswart gegen seinen Willen einen Schlüssel besitzen? Grundsätzlich kann er den Schlüssel herausverlangen, nötigenfalls mithilfe eines Gesuchs bei der Schlichtungsbehörde oder beim Gericht. Dabei sollte er sich bewusst sein, dass er keinerlei Kontrolle darüber hat, ob Nötzli oder der Hauswart nicht weitere Schlüssel zu seiner Wohnung besitzen. 

Will Hugi auf Nummer sicher gehen, wechselt er darum am besten den Schlosszylinder aus respektive lässt ihn auswechseln. Dabei handelt es sich streng genommen um eine bauliche Veränderung am Mietobjekt, die er vor dem Auszug auf eigene Kosten rückgängig machen muss. Den originalen Schlosszylinder sollte er deshalb unbedingt aufbewahren.

Text: Fabian Gloor