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Kein Gehör für Mietende

An seiner Sondersession im Mai hat sich der Nationalrat mit der Revision der Zivilprozessordnung befasst. Der MV Schweiz hatte im Vorfeld vier Empfehlungen formuliert, um den Anliegen der Mietenden mehr Gewicht zu verleihen und ihren Zugang zum Gericht zu verbessern. Der Nationalrat hatte jedoch kein Gehör für die Anliegen der Mietenden und lehnte die entsprechenden Minderheitsanträge ab. Die Vorlage geht wegen Differenzen zurück an den Ständerat.

Weniger Schlichtungen

Von Juli bis Dezember 2021 wurden rund 8,5 % weniger Schlichtungsverfahren eingeleitet als im Vorsemester und sogar 17,6 % weniger als im zweiten Halbjahr 2020. Dies ist der tiefste Wert seit 2011. Dagegen nehmen die Fälle, bei denen es um die Anfechtung des Anfangsmietzinses geht, seit 1999 kontinuierlich zu. Aufgabe der Schlichtungsstellen ist es, bei Streitigkeiten aus Mietverhältnissen über Wohn- und Geschäftsräume eine Einigung zwischen den Parteien herbeizuführen.

Kommunale Mietzinsbeschränkungen

Ein vom MV Schweiz in Auftrag gegebenes juristisches Gutachten erachtet es als zulässig, auf kommunaler Ebene Mietzinsbeschränkungen einzuführen, um übermässigen Mietzinserhöhungen bei Sanierungen und Renovationen entgegenzuwirken. Mietpreisbeschränkungen gibt es bereits auf kantonaler Ebene in der Waadt, in Genf und demnächst in Basel-Stadt.

Vorsorgegeld für Wohnungskauf

Der Ständerat will den erlaubten Anteil an Pensionskassengeldern für den Kauf von Wohneigentum nicht erhöhen. Er hat in der Juni-Session eine entsprechende Motion aus dem Nationalrat oppositionslos abgelehnt. Dieser hatte im Frühling einen Kommissionsvorstoss angenommen, der diesen Anteil auf 100 Prozent erhöhen wollte. Aktuell darf die Hälfte der zweiten Säule zu diesem Zweck verwendet werden. Die vorberatende Kommission des Ständerats hatte die Ablehnung der Motion beantragt, weil sie befürchtete, dass eine Änderung die Immobilienpreise weiter in die Höhe treiben könnte.

Die Kosten der Verdrängung

Bei einer Leerkündigung bleibt manchmal nur noch der frühzeitige Umzug ins Altersheim. Illustration: Patric Sandri

Beim Abriss oder der Sanierung günstiger Wohnungen müssen oft ältere Menschen ausziehen. In den Städten finden sie kaum noch bezahlbare, altersgerechte Wohnungen. Einige gehen deshalb vorzeitig ins Altersheim. Die deutlich höheren Wohnkosten trägt oft die Allgemeinheit.

Trudi Giger ist über 90 Jahre alt, als sie den eingeschriebenen Brief öffnet. Es geht ihr gesundheitlich gut, sie könnte weiterhin selbstständig in ihrer Wohnung in Luzern leben. Fast ihr halbes Leben verbrachte sie da. Seit ein paar Jahren leistet sie sich den Mahlzeitendienst der Spitex und eine Putzhilfe. Mehr Unterstützung braucht sie nicht. Sie bezahlt für ihre vier Zimmer weniger als 1500 Franken. Gerne wäre sie schon vor längerem in eine kleinere Wohnung in dem gut erschlossenen und beliebten Wohnquartier umgezogen, aber ohne Zugriff auf einen Computer erwies sich die Suche als schwierig. Sie fand keine Wohnung, die günstiger gewesen wäre als ihre bisherige. Deshalb blieb sie, obwohl sie ob des beträchtlichen Platzes, den sie für sich allein in Anspruch nimmt, immer mal wieder ein schlechtes Gewissen hat – unnötigerweise, wie sich eines Tages im 2021 herausstellt. Der eingeschriebene Brief, den Trudi Giger in ihren Händen hält, ist die Wohnungskündigung. Auch alle anderen im Haus müssen gehen, unter ihnen weitere ältere Menschen. Trudi Giger beschliesst, ins Altersheim zu ziehen, denn: «Wer nimmt schon eine über 90-Jährige als Neumieterin?»

Es ist Anfang April 2022 und Trudi Giger ist inzwischen umgezogen. Sie erzählt von der Züglete, die sie viel Geld gekostet hat – der Vermieter hat sich nicht daran beteiligt. Aber sie will nicht klagen. Sie ist glücklich darüber, wenigstens im Quartier bleiben zu können. Trudi Giger heisst in Wirklichkeit anders. Sie wollte erzählen, aber sich nicht exponieren, darum das Pseudonym. Beruflich hatte sie lange genug mit Budgets zu tun, um zu wissen: Bei den monatlichen Hotelleriekosten, die im Altersheim anfallen, werden ihre Ersparnisse nicht allzu lange reichen. Wenn sie aufgebraucht sind, wird die Allgemeinheit für die Wohn- und Unterhaltskosten aufkommen, die sehr viel höher sind, als wenn sie weiterhin in ihrer Wohnung leben könnte.

Zunehmend ältere Menschen betroffen

Es ist anzunehmen, dass es in der Schweiz viele Trudi Gigers gibt, gerade in den Städten, in denen rege abgerissen und neu gebaut oder totalsaniert wird. Aus Zürich etwa weiss man, wie viele Wohnungen zugunsten von Ersatzneubauten abgerissen werden: 1768 waren es allein im Jahr 2021. Nicht immer wird den Bewohner*innen in solchen Fällen ersatzlos gekündigt – aber bei Projekten privater Immobilienbesitzer werden die Mieter*innen meistens ausgewechselt. Denn neue Mieter*innen bedeuten höhere Mieten und mehr Rendite. Auch Sanierungen, bei denen allen gekündigt wird, dienen diesem Zweck. Die Zahl der Leerkündigungen nimmt zu, wie das Beispiel der Stadt Zürich zeigt: Es gab zwischen 2008 und 2016 fast eine Verdoppelung. Und die Entwicklung betreffe immer mehr ältere Menschen, schreibt das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) mit Bezug auf eine Studie der Soziologin und Planerin Joëlle Zimmerli aus dem Jahr 2019: «In Städten und Gemeinden, die sich auf die bauliche Entwicklung nach innen konzentrieren, werden mehr Senioren von Leerkündigungen betroffen sein.»

Ins Altersheim oder raus aus der Stadt

Jüngere Zahlen der Stadt Zürich zeigen, dass nur 19 Prozent der Vertriebenen im Quartier etwas Neues finden. 27 Prozent mussten die Stadt im Zeitraum 2019/2020 nach einer Leerkündigung verlassen. Wie viele der älteren Mietenden ins Altersheim gezogen sind, damit ihnen genau das erspart bleibt, damit sie also im Quartier oder wenigstens in der Stadt bleiben können: Diese Zahlen sind bis dato nicht erhoben worden. Aber Silvia Rigoni, Standortleiterin bei der Fachstelle Zürich im Alter der Stadt Zürich, sagt: «Wir haben immer wieder ältere Menschen, die uns sagen: ‹Ich suche und suche, finde aber einfach keine bezahlbare Wohnung in der Stadt. Also gehe ich jetzt eben ins Heim. So muss ich die Stadt wenigstens nicht verlassen.›» Etwa zehn Prozent der Angemeldeten für ein Altersheim, so Silvia Rigoni, geben als Grund eine Kündigung oder Sanierung an. Natürlich seien darunter auch solche, für die die Kündigung der Anlass war, nun den Schritt zu machen, den sie schon länger planten. Aber die meisten der Gekündigten könnten gut und möchten auch noch länger zuhause wohnen.

Kündigung als Anmeldungsgrund

Konkrete Angaben dazu, wie viele Menschen im Pensionsalter explizit wegen einer Kündigung in eine Altersinstitution ziehen, liegen auf die ganze Deutschschweiz bezogen keine vor. Zahlen gibt es aber wiederum aus Zürich – dort erfassen zwar nicht die «Gesundheitszentren», wie die Alters- und Pflegeheime neu heissen, die Vorgeschichte des Eintritts, wohl aber die städtische «Stiftung Alterswohnungen» (SAW). Demnach ist es bei einem Viertel der Personen, die sich anmelden, der Wohnungsverlust respektive die Kündigung oder eine bevorstehende Sanierung. 2021 gaben sogar fast doppelt so viele wie in den vorangegangenen Jahren an, sie würden aus einem dieser Gründe eine Alterswohnung brauchen (die SAW nimmt aber an, dass dieser steile Anstieg auch mit der gestiegenen Bekanntheit des Angebots zu tun hatte, nachdem die Stiftung im vergangenen Jahr angekündigt hatte, ihre langen Wartelisten durch eine öffentliche Ausschreibung frei werdender Wohnungen zu ersetzen – ein Plan, den sie nach grossem Protest nun aufschob).

Wohnen im Altersheim kostet viel mehr

Pensionierte, deren Einkommen und Vermögen nicht ausreichen, um alle lebensnotwendigen Kosten zu decken, haben unter bestimmten Umständen Anspruch auf Ergänzungsleistungen (EL) zur AHV. Die Limite für die anrechenbare Miete wurde erst kürzlich im Zuge der EL-Revision nach oben angepasst. Es sind aber immer noch tiefe 1370 Franken pro Monat, die sich eine alleinstehende Person in Zürich leisten darf, in Luzern sind es 1325 Franken. Liegt der Mietzins darüber, muss die Person die Differenz selber stemmen. Oder wie Nadine Bischof Loser, Leiterin Sozialberatung bei Pro Senectute Schweiz, sagt: «Finde ich nach einer Kündigung nur eine Wohnung, die 2000 Franken im Monat kostet, bezahlt die EL trotzdem nicht mehr als 1370 Franken daran. Die restlichen 630 Franken, die über meinem Budget sind, muss ich mir vom Lebensbedarf absparen.»

Ganz anders im Altersheim: Da werden zusätzlich zu den Kosten für das Zimmer auch die Mahlzeiten mitgetragen. Das ist richtig so, es hat ja keine Küche in einem Altersheim-Zimmer. Aber es besteht ein Ungleichgewicht zwischen den Beträgen, die für das Wohnen zuhause gesprochen werden, und jenen in einem Alterszentrum. In der Statistik der Ergänzungsleistungen 2020 steht denn auch: «Die Höhe der EL-Leistung hängt stark von der Wohnsituation ab.» Konkret: Wurden an EL-Beziehende zu Hause im Jahr 2020 monatlich rund 1200 Franken ausgerichtet, so belief sich der EL-Betrag für eine Person im Heim auf 3400 Franken pro Monat – fast dreimal so viel. Ende 2020 bezogen schweizweit 69 700 Personen im Heim Ergänzungsleistungen, was der Mehrheit aller Pensionär*innen in einem Alters- und Pflegeheim entspricht. Viermal so viele Pensionär*innen (272 000) konnten 2020 noch zuhause wohnen – und dennoch entstanden vierzig Prozent der EL-Ausgaben «durch heimbedingte Mehrkosten». Eine EL-berechtigte Pensionärin im Altersheim kostet die öffentliche Hand also sehr viel mehr als eine, die zuhause lebt. Oder wie es das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) schreibt: «Mit dem Heimeintritt nehmen die Ausgaben meistens stark zu.»

Die Ergänzungsleistungen werden aus den Steuermitteln bezahlt, 30 Prozent davon übernimmt der Bund, die restlichen 70 Prozent fallen bei den Kantonen an. Wobei Letztere für die gesamten heimbedingten Mehrkosten aufkommen.

Steuergelder in Millionenhöhe

Was bedeutet es für die Volkswirtschaft, wenn immer mehr private Immobilienbesitzer inklusive Pensionskassen Mieter*innen im fortgeschrittenen Pensionsalter wegen Sanierung oder Ersatzneubau kündigen, für diese Menschen nur noch das Altersheim infrage kommt und sie zur Bezahlung der dortigen Leistungen auf EL angewiesen sind?

Die Entwicklung zeigt, dass besonders in Städten, in denen verdichtet wird, zunehmend leergekündigt wird. Aber es gibt bisher keine direkten Zahlen zu den Kosten, die die Allgemeinheit mit Steuergeldern für die Konsequenzen daraus zu tragen hat. Auch das BWO schreibt dazu einzig, es sei wenig darüber bekannt, wie viel Sozialleistungen zur Deckung der Wohnbedürfnisse «benachteiligter Marktteilnehmer» verwendet würden. Was man aber registriert, sind die stetig steigenden Mieten bei Wohnungswechseln besonders in den Städten – und diese werden als Grund für die hohen Wohnkosten besonders in der Sozialhilfe genannt. Die EL-Ausgaben seien weniger von den steigenden Mieten betroffen, weil die Pensionär*innen eben viel weniger umziehen – allerdings habe man die Wohnkosten in den Heimen «bewusst ausgeblendet». Deshalb ein eigenes Rechenbeispiel: Wenn im Kanton Zürich nur schon 50 Personen aufgrund einer Kündigung ins Altersheim gehen, von denen jede zweite auf EL angewiesen ist, kostet dies die öffentliche Hand jährlich über eine halbe Million Franken. Freilich: Diese Zahl gilt es zu überprüfen. Sicher ist: Wir haben mit den Ersatzneubauten und Renditesanierungen eine neoliberal getriebene Entwicklung, deren Kostenfolgen für die Allgemeinheit noch keine Beachtung findet.

Die am Anfang erwähnte Soziologin und Planerin Joëlle Zimmerli hat herausgefunden, dass nicht nur in Zürich, sondern auch in Städten wie Winterthur, Basel, Luzern, Lausanne, St. Gallen, Bern und Baden fleissig abgebrochen wird: insgesamt 6545 Wohnungen zwischen 2013 und 2018. Und sie hat ausgerechnet, dass 2016 im Kanton Zürich unter den inserierten Mietwohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt kaum solche waren, die für Pensionierte mit tiefen Einkommen tragbar gewesen wären. Dennoch schlussfolgert die Sozialwissenschaftlerin rein marktorientiert. Das erstaunt im ersten Moment. Man muss aber wissen, dass Zimmerli mit ihrem Unternehmen Zimraum mit der Immobilienwirtschaft zusammenarbeitet, etwa bei sogenannten Entmietungsprozessen mit der Zürcher Sektion des Schweizerischen Verbandes der Immobilienwirtschaft (SVIT Zürich).

Die Entsorgungslogik der Soziologin

2019 publizierte Joëlle Zimmerli den Band «Seniorenfreundliche Zugänge zum Mietwohnungsmarkt». Darin zeigt sie auf, wie sich der «65plus-Markt» segmentieren lasse. Vereinfacht gesagt unterscheidet sie Pensionierte nach deren «Veränderungsbereitschaft». Im Kündigungsfall zählten die «Marktadaptierten» zu den «einfachsten Fällen», schreibt sie. Denjenigen, die sie in die Schublade der «Überforderten» steckt, unterstellt sie hingegen «eine Vogel-Strauss-Taktik». Die Betroffenen würden «so lange untätig bleiben, bis es kaum mehr Optionen gibt». Mehr Sympathien scheint sie klar für jene Senior*innen zu haben, die zwar marktfern, aber grundsätzlich veränderungsbereit seien. Sie könnten an die Realitäten des Mietmarktes herangeführt und eben «marktadaptiert» werden, dazu müssten sie aber, so der Rat von Joëlle Zimmerli, «mit Unterstützungsangeboten angesprochen werden, die sie ‹fit für den Wohnungsmarkt› machen». Je nach finanzieller Situation könnten diese Personen sich die Marktpreise leisten oder sie seien auf einen «privilegierten Zugang zu preisgünstigen Wohnmöglichkeiten angewiesen». Kurzen Prozess empfiehlt die gefragte Soziologin (Bund, Kantone, Gemeinden, Genossenschaften, Stiftungen, Vereine und viele mehr arbeiten mit ihr zusammen) bei Betagten und «gesundheitlich angeschlagenen» Senior*innen: «Für diese Fälle braucht es keine Lösungen auf dem freien Wohnungsmarkt, Handlungsbedarf besteht bei der Identifikation solcher Fälle und bei der Vermittlung an Anbieter für betreutes Wohnen.»

Namhafte Interessenvertreterinnen wie die AGE Stiftung und Pro Senectute stützen sich auf die marktorientierten Empfehlungen von Zimmerli, und arbeiten mit ihr zusammen, etwa im Rahmen von «ImmoSenior», wo mit SVIT Zürich auch die Immobilienbewirtschaftungsbranche treibende Kraft ist. Zusammen zeigt man Immobilienbesitzern auf, wie man ältere Menschen aus ihren Wohnungen «entmietet» (sprich: vertreibt), auch Kurse veranstaltet SVIT Zürich. Dazu, wer die aus dieser Entsorgungslogik erwachsenden Kosten trägt, äussert sich Joëlle Zimmerli in der zitierten und der Entmietungsberatung zugrunde liegenden Forschungsarbeit nicht. Dabei hat sie selber herausgefunden: «Finden Senioren keine geeignete Wohnung, bleibt ihnen häufig nur noch der Gang ins Altersheim. Das führt dazu, dass viele rüstige Senioren wider Willen nicht bedürfnisgerechte und teure Heimplätze beanspruchen müssen.»

Text: Esther Banz

Wow Wonderful Witikon

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Tabula rasa auch in Witikon: Immer mehr Siedlungen werden leergekündigt und müssen im Namen der Verdichtung – und des Profits – teuren Neubauten weichen.

Sie tragen klingende Namen wie «Wow Wonderful Witikon», «Verdiana» oder «Wohnen in den Baumkronen»: Ersatzneubauten mit grösstmöglicher Ausnutzung oder komplette Neuüberbauungen auf der grünen Wiese, hauptsächlich Eigentums- und Mietwohnungen im gehobenen Segment. Witikon, das beschauliche Zürcher Quartier mit Dorfcharakter am Rand der Stadt, wird gerade von einer Welle von Bauprojekten – und Leerkündigungen – überrollt.

Diese Entwicklung war im Grunde absehbar, wenn man die Geschichte Witikons betrachtet: Ab den 1950er-Jahren erlebte das Quartier einen enormen Bauboom, im Verlauf der folgenden zwei Jahrzehnte entstanden zahlreiche familienfreundliche Siedlungen, viele davon mit grosszügigen Grünflächen. Die Bevölkerung wuchs rasant. All diese Wohnbauten werden nun auf einen Schlag sanierungsbedürftig. «Siebzig Prozent der Witiker*innen leben heute in einer Wohnung, die in den nächsten zwanzig Jahren erneuert werden muss», weiss Balz Bürgisser, Präsident des Quartiervereins Witikon. Was ihm besondere Sorge bereitet: Aufgrund der Altersstruktur im Quartier sind viele ältere Menschen von den Umwälzungen betroffen. Menschen, die seit Jahrzehnten in der gleichen Siedlung leben, die durch einen Umzug entwurzelt werden und dadurch zu vereinsamen drohen. Menschen mit bescheidener Rente, die in Witikon keine bezahlbare Wohnung mehr finden werden, weil mit den Ersatzneubauten die Mieten in die Höhe schiessen.

Aus Grün mach Gold

Eine der betroffenen Mieter*innen ist Margrit Brunner. Die 67-Jährige wohnt mit ihrem Mann seit 28 Jahren in der Siedlung an der Buchholzstrasse, die für ihren imposanten Baumbestand im Quartier bekannt ist. Gut die Hälfte der Bäume und die vier Wohnblöcke werden einem Neubau weichen müssen, der das Areal maximal ausnützt – statt 60 Wohnungen sollen es dereinst 130 sein. Das ist ganz im Sinne der baulichen Verdichtung, wie sie im kommunalen Richtplan der Stadt Zürich auch für Witikon vorgesehen ist: Flächen besser ausnützen, um mehr Wohnraum im Siedlungsgebiet zu schaffen. «Das liesse sich aber auch durch eine Erweiterung der bestehenden Häuser erreichen. Ich verstehe nicht, warum gleich alles abgerissen werden muss», meint Margrit Brunner kopfschüttelnd. In ihrer Siedlung, Baujahr 1966, wurde erst 2001 renoviert. «Sie haben die Gebäudeisolation verbessert, Küche und Bäder modernisiert, die Balkone vergrössert. Die Häuser sind noch gut im Schuss.»

Margrit Brunner zieht nach 28 Jahren in den Kanton Thurgau. Foto: Isabel Plana

Das sieht auch der Witiker Architekt Florian Eidenbenz so. «Die Siedlung an der Buchholzstrasse wäre gut für eine sanfte Innenverdichtung geeignet. Statt alles abzureissen, könnte man die bestehenden Gebäude sanieren, um zwei Etagen aufstocken und da oder dort um einen Anbau ergänzen.» Natürlich sei es für Architekt*innen attraktiver, und noch dazu einfacher, etwas komplett Neues zu entwerfen, als etwas Bestehendes umzugestalten. «Aber es ist eine wahnsinnige Ressourcenverschwendung und ein ökologischer Unsinn, ein vor kurzem saniertes Haus abzureissen und durch einen Neubau zu ersetzen.» Selbst wenn der Neubau energieeffizienter sei, sei fraglich, ob die graue Energie, die durch den Abbruch verpufft, je wieder wettgemacht werden könne. Eidenbenz kritisiert, dass das Hochbauamt sich nicht aktiver für Sanierungen von Wohnbauten einsetzt: «Man scheut sich offenbar davor, den privaten Eigentümer*innen dreinzureden, und lässt sie gewähren.»

Sanieren statt abreissen

Für eine Einflussnahme bei privaten Bauvorhaben fehlten teilweise die gesetzlichen Grundlagen, hält Katrin Gügler, Direktorin des Amts für Städtebau, dagegen. Bei der Planung weise man die Bauherrschaften auf den Aspekt der grauen Energie hin und berate sie entsprechend. «Diese Beratung wird zukünftig noch intensiviert werden», schreibt Gügler auf Anfrage. Florian Eidenbenz fordert ein proaktiveres Vorgehen der Stadt und mehr Weitsicht bei der Quartierplanung. Das überholte Paradigma des Ersatzneubaus müsse grundsätzlich überdacht werden. «Wenn der Veränderungsdruck in einem Quartier zunimmt, und das hat sich in Witikon ja schon lange abgezeichnet, müsste man frühzeitig analysieren, welche Arealüberbauungen sich zum Aufstocken eignen. Zudem sollten in der einschlägigen kantonalen und kommunalen Baugesetzgebung strengere Anforderungen punkto Ökologie erlassen werden, damit Sanieren attraktiver wird als Abreissen.» Die vorgesehene Revision «Klimaangepasste Siedlungsentwicklung» des kantonalen Planungs- und Baugesetzes könnte ein wichtiger Schritt in diese Richtung sein. Damit hätten die Gemeinden die Möglichkeit, den Grundeigentümer*innen nicht nur wie bisher bei Arealüberbauungen, sondern auch bei der Regelbauweise weitreichendere Vorgaben im ökologischen Bereich zu machen, so Gügler.

Selbst für den Mittelstand wirds eng

Vorerst jedoch bleiben die politisch verordnete Verdichtung und die Zurückhaltung der Stadt ein Segen für die profitorientierten Bauherrschaften. Die Abrissbirne verspricht hohe Renditen – sind die bestehenden Mieter*innen erst einmal gekündigt, steht einer satten Mietzinserhöhung nichts mehr im Weg. Das hat auch Margrit Brunner beim Durchforsten der Wohnungsinserate in Witikon festgestellt. «In diesen Neubauten kostet eine 70, 80 Quadratmeter grosse 3,5-Zimmer-Wohnung über 3000 Franken im Monat. Das ist verrückt im Vergleich zu den 2200 Franken, die wir jetzt für unsere 120 Quadratmeter grosse 4,5-Zimmer-Wohnung zahlen.» Mit Unterstützung des Mieterinnen- und Mieterverbands haben Brunner und ihr Mann die Kündigung angefochten und neben einer finanziellen Entschädigung eine Erstreckung von neun Monaten erreicht. «Wir wollen einfach so weiterleben wie bisher und unseren Ruhestand geniessen: in einem ruhigen Quartier abseits des Verkehrs und nahe an der Natur, mit 4 bis 5 Zimmern und grosszügigem Balkon für all unsere Pflanzen, zu einem vernünftigen Mietpreis, der einen Viertel unserer Rente nicht übersteigt. In diesen Punkten wollen wir keine Abstriche machen.» Vor allem wollen sie auch nicht in eine Wohnung ziehen, aus der sie in ein paar Jahren erneut wegen Sanierung rausmüssen. In der Regel halten sich Eigentümer*innen bedeckt, was Umbau- oder Abrisspläne angeht, und stellen die Mieter*innen vor vollendete Tatsachen. Um dieses Risiko abschätzen zu können, liess sich Brunner etwas einfallen. «Mithilfe des GIS-Browsers, eines Webportals, in dem sich interaktive Karten zu unterschiedlichen Themen anzeigen lassen, konnte ich das herausfinden, was in den Wohnungsinseraten in der Regel nicht steht: Informationen zum Gebäudealter, zu Wohnzonen und Verdichtungsgebieten, zu bereits bewilligten Bauzonen und konkreten Bauprojekten im Umkreis.»

Trotz langer, intensiver Wohnungssuche wurde das Ehepaar in Witikon am Ende nicht fündig und beschloss, ausserhalb zu schauen, in anderen Stadtquartieren, im ganzen Kanton, ja sogar in Nachbarkantonen. «In Eschenz im Kanton Thurgau sind wir auf die perfekte Wohnung gestossen.» Der Entscheid, aus der Stadt wegzuziehen, sei ihnen aber nicht leichtgefallen und habe im Vorfeld immer wieder zu Diskussionen geführt. «Ich war als Hortleiterin und Spielplatzanimatorin 33 Jahre lang städtische Mitarbeiterin. Ich fühle mich eng mit Zürich verbunden», sagt Brunner. Umso mehr irritiert sie die gegenwärtige Entwicklung. «Mein Mann und ich haben nicht schlecht verdient, unsere Rente ist ganz okay. Was soll aus Witikon werden, wenn sich nicht einmal mehr Leute wie wir aus dem Mittelstand die Wohnungen hier leisten können? Wenn selbst langjährige städtische Mitarbeiter*innen in dieser Stadt keine bezahlbare Wohnung mehr finden?»

Mehr Mitsprache für Quartiere gefordert

Die Frage nach der Zukunft Witikons treibt auch Quartiervereinspräsident Balz Bürgisser um. Schon jetzt sind die negativen Folgen des neuen Baubooms spürbar. «Die Menschen, insbesondere ältere Leute und Familien mit Kindern, sind sehr besorgt. Die Ungewissheit, wie es mit der eigenen Wohnung weitergeht, macht vielen Angst. Das beeinträchtigt die Lebensqualität enorm und führt zu Unruhe im Quartier.» Bürgisser fürchtet um die gute soziale Durchmischung und den Zusammenhalt in Witikon, wenn Rentner*innen und Familien verdrängt werden und nur noch gutverdienende Zwei-Personen-Haushalte nachziehen. «Die Lösung wäre mehr gemeinnütziger Wohnungsbau. Wir haben in Witikon mit knapp 9 Prozent im Vergleich zu anderen Zürcher Quartieren vergleichsweise wenig gemeinnützige Wohnungen. Die Stadt müsste hier aktiver sein.»

Balz Bürgisser, der Präsident des Quartiervereins Witikon, macht sich Sorgen um die Zukunft des Quartiers. Foto: Isabel Plana

Sie versucht es: Mit dem jüngst vom Zürcher Stadtrat lancierten, 300 Millionen schweren Wohnbaufonds sollen gemeinnützige Wohnbauträgerschaften beim Kauf von Grundstücken unterstützt werden. Ob Parlament und Volk dieses Finanzpaket absegnen, ist allerdings offen. In der Zwischenzeit wird in Witikon so manch teure Wohnung entstehen, wird mit der Verdichtung Grünraum im Siedlungsgebiet verloren gehen und mit dem Bevölkerungswachstum der Pendler*innenverkehr zunehmen. Das Gesicht und der Charakter von Witikon werden sich verändern. «Wir vom Quartierverein sind nicht gegen Veränderung und auch nicht gegen Verdichtung», sagt Bürgisser. «Aber die Entwicklung muss quartierverträglich erfolgen.» Er fordert mehr Mitsprache für die Quartiere bei privaten Arealüberbauungen. Die Stadt hat bei solchen Projektwettbewerben jeweils Einsitz in der Jury. «Das betroffene Quartier sollte ebenso mit einem Jury-Mitglied vertreten sein, um wichtige Fakten und die Bedürfnisse der Bevölkerung besser einbringen zu können», findet Bürgisser. «Es braucht bei solchen Projekten eine starke Stimme fürs Quartier – und gegen das eindimensionale Renditedenken.»

Text: Isabel Plana

Zu viel ist zu viel

Die Anfechtung des Anfangsmietzinses muss innert 30 Tagen nach Übernahme der Wohnung erfolgen. Illustration: Patric Sandri

Einen Wechsel in der Mieterschaft nutzen viele Vermieter*innen dazu, den Mietzins zu erhöhen. Mit der Anfechtung des Anfangsmietzinses können Mieter*innen sich dagegen wehren.

Ruth Hasenböhler ist erleichtert. Auf den letzten Drücker hat sie eine neue Bleibe gefunden: eine 3-Zimmer-Wohnung in einem älteren Mehrfamilienhaus in der Stadt Luzern. Nahezu perfekt, wäre da nicht diese horrende Miete von 2500 Franken im Monat. «Das ist die reinste Abzocke», denkt sich Hasenböhler. Doch da ihre alte Wohnung gekündigt wurde und heutzutage auch in Luzern Wohnungsnot herrscht, blieb ihr nichts anderes übrig, als diesem Mietzins zähneknirschend zuzustimmen. Zusammen mit dem Mietvertrag händigte ihr der Vermieter das amtliche Formular zur Mitteilung des Anfangsmietzinses aus. Dazu sind Vermieter*innen von Wohnräumen seit dem 1. November 2021 auch im Kanton Luzern verpflichtet. Dem Formular entnimmt Hasenböhler, dass ihr Vormieter nur 1500 Franken Miete bezahlte. Wieso sie nun für exakt dieselbe Wohnung zwei Drittel mehr hinblättern soll, ist Hasenböhler ein Rätsel. Im Formular unter der Rubrik «Klare Begründung der (eventuellen Erhöhung) des Anfangsmietzinses» steht nur «Anpassung an die Orts- und Quartierüblichkeit».

Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen

Beim Abschluss eines Mietvertrags ist der Mietzins grundsätzlich Verhandlungssache. Da wir alle wohnen müssen, Wohnungen aber knapp sind, sind Vermieter*innen am längeren Hebel. Um das Gleichgewicht der Kräfte einigermassen wieder herzustellen, hat der Gesetzgeber gewisse Regeln zur Mietzinsgestaltung und zur Durchsetzung des Schutzes vor missbräuchlichen Mietzinsen geschaffen (Art. 269–270e OR und Art. 10–20 VMWG). Mieter*innen müssen sich aber darüber im Klaren sein, dass dieser Schutz nur wirksam wird, wenn sie ihn auch in Anspruch nehmen und den Mietzins von Behörden und Gerichten auf seine Missbräuchlichkeit hin überprüfen lassen. Unternehmen sie nichts, sind selbst missbräuchliche Mietzinse verbindlich.

Aktiv werden – Anfangsmiete anfechten

Hasenböhler muss also selber aktiv werden. Gemäss Artikel 270 kann sie den Anfangsmietzins innert 30 Tagen nach Übernahme des Mietobjekts bei der Schlichtungsbehörde als missbräuchlich anfechten. Weil eine Anfechtung des vertraglich vereinbarten Anfangsmietzinses trotz unterschriebenem Mietvertrag im Prinzip den Grundsatz der Vertragstreue verletzt – ein Argument, das die Vermieterlobby gebetsmühlenartig zu wiederholen pflegt –, ist die Anfechtung nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Damit die kantonale Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht sich der Sache überhaupt annimmt, muss eine der folgenden drei Voraussetzungen vorliegen: Die Mieterschaft war entweder aufgrund einer persönlichen oder familiären Notlage einerseits oder aufgrund der Verhältnisse auf dem örtlichen Wohnungsmarkt (Wohnungsknappheit) anderseits zum Abschluss des Mietvertrages gezwungen, oder aber der Anfangsmietzins wurde gegenüber dem früheren Mietzins erheblich erhöht. Als «persönliche Notlage» gelten eine Scheidung oder Trennung, Nachwuchs, Veränderungen des Arbeitsorts oder eine bereits ausgesprochene oder drohende Kündigung des bisherigen Mietverhältnisses. Wohnungsknappheit liegt vor, wenn die Leerstandsziffer weniger als 1,5 Prozent des lokalen Gesamtwohnungsbestands beträgt. Ist in einem Kanton die Verwendung des amtlich genehmigten Formulars für die Mitteilung des Anfangsmietzinses vorgeschrieben, ist in der Regel ohne Weiteres von einer Wohnungsknappheit auszugehen. Derzeit gilt das Formular-Obligatorium in den Kantonen Basel-Stadt, Zürich, Zug, Genf, Waadt, Neuenburg und seit kurzem auch in Luzern. Als «erheblich» schliesslich gilt in der Praxis eine Erhöhung um mindestens 10 Prozent.

Frist nicht verpassen!

Hasenböhlers Vermieter hat den Mietzins um satte zwei Drittel erhöht, zudem herrscht in Luzern Wohnungsknappheit. Folglich hat Hasenböhler gleich doppelt Grund, die Anfangsmiete anzufechten. Was sie allerdings beachten muss, ist die 30-tägige Frist für die Anfechtung. Diese beginnt grundsätzlich mit der Übernahme der Wohnung zu laufen, wobei mit «Übernahme» die Übernahme der Schlüssel gemeint ist. Da im Kanton Luzern jedoch die Formularpflicht gilt, beginnt die Anfechtungsfrist erst am Tag nachdem der Vermieter ihr das Formular ausgehändigt hat. Hätte der Vermieter dies unterlassen oder enthält das ausgehändigte Formular falsche Angaben wie einen falschen Vormietzins, wäre sie nicht an die 30-tägige Frist gebunden. Der Mietzins gilt in einem solchen Fall als nicht gültig vereinbart und die Mieterschaft kann auch später noch beantragen, dass die Schlichtungsbehörde oder das Gericht ihn im Zuge der sogenannten richterlichen Lückenfüllung festlegt. Achtung: Die Berechnung von Fristen ist fehleranfällig und kann leicht ins Auge gehen. Hasenböhler sollte mit der Anfechtung deshalb nicht bis zum letzten Tag der Frist zuwarten. Ist die Frist verpasst, so gilt der im Mietvertrag festgesetzte Mietzins als akzeptiert.

Wann ist ein Mietzins missbräuchlich?

Wenn eine der Voraussetzungen von Art. 270 OR erfüllt ist, heisst das aber noch nicht, dass der Anfangsmietzins missbräuchlich ist. Als missbräuchlich gilt ein Mietzins erst, wenn die Vermieterschaft einen übersetzten Ertrag damit erzielt oder die Wohnung teurer ist als andere vergleichbare Wohnungen im Quartier (Orts- und Quartierüblichkeit). Überprüft wird dies von der Schlichtungsbehörde im Schlichtungsverfahren oder später von einem Gericht. Als oberstes Prinzip des Mietrechts gilt, dass der Ertrag aus einem Mietobjekt nicht übersetzt sein darf. Selbst wenn sich der Mietzins also im Rahmen der Orts- und Quartierüblichkeit bewegt, können Neumieter*innen geltend machen, die Vermieterschaft erziele einen zu hohen Ertrag. Gehört die Liegenschaft schon lange derselben Eigentümerschaft, ist es aber oft schwierig, eine Ertragsberechnung vorzunehmen. In solchen Fällen müssen sich Neumieter*innen mit einer Beurteilung der Orts- und Quartierüblichkeit begnügen.

Früher reichte ein Aufschlag von 10 Prozent

Will die Mieterschaft einen Anfangsmietzins anfechten, ist sie es, die die Missbräuchlichkeit beweisen muss. Nun ist dies für Mietende ohne die nötigen Unterlagen nahezu unmöglich. Sie können aber beantragen, dass die Vermieterschaft die erforderlichen Dokumente für eine Ertragsberechnung vorlegt. Der Beweis des orts- und quartierüblichen Mietzinsniveaus ist ebenfalls schwierig. Dazu müssen mindestens fünf vergleichbare Mietobjekte gefunden werden, die sich bezüglich Lage, Grösse, Ausstattung, Zustand und Bauperiode mit dem betroffenen Objekt vergleichen lassen. Das Bundesgericht hatte die Beweispflicht der Mietenden bei der Anfechtung des Anfangsmietzinses in einem älteren Urteil aus dem Jahr 2012 gelockert. Damals galt: Erhöht die Vermieterschaft den Mietzins bei einem Wechsel trotz rückläufigem Referenzzinssatz und rückläufiger Teuerung um mehr als 10 Prozent, besteht die Vermutung, dass der Anfangsmietzins missbräuchlich ist. Es war sodann an der Vermieterschaft zu belegen, dass der Mietzins dem orts- und quartierüblichen Niveau entsprach. Gelang ihr dies nicht, senkte das Gericht den Mietzins auf das zulässige Mass.

Beweislast-Pingpong

In einem neuen Entscheid hat das Bundesgericht diese Beweisregel wieder zugunsten der Vermieterschaft geändert. Nach neuster Rechtsprechung greift die Vermutung, dass der Mietzins missbräuchlich ist, erst bei «einer massiven Mietzinserhöhung von deutlich über 10 Prozent, die sich nicht durch die Entwicklung des Referenzzinssatzes bzw. der schweizerischen Konsumentenpreise erklären lässt». Leider schweigt sich das Bundesgericht darüber aus, wo genau diese «beweisrechtliche» Erheblichkeitsschranke liegt. Gemäss verschiedenen Mietrechtler*innen dürfte sie bei einer Erhöhung des Mietzinses von 13 bis 18 Prozent liegen. Als weitere Neuerung kommt hinzu, dass die Vermieterschaft die Missbrauchsvermutung durch einen erleichterten Gegenbeweis widerlegen kann. Die Vermieterschaft muss den Beweis nicht mehr mit fünf Vergleichsobjekten erbringen, sondern es genügen Indizien dafür. Dazu gehören gemäss Bundesgericht ein langes Vormietverhältnis, nicht amtliche respektive nicht allen Anforderungen entsprechende Statistiken, nicht allzu streng beurteilte Vergleichsobjekte und allenfalls Privatgutachten. Gelingt es der Vermieterschaft so, beim Gericht Zweifel am vermuteten Missbrauch zu wecken, geht der Ball wieder an die Mieterschaft zurück. Sie muss dann beweisen, dass der angefochtene Mietzins nicht den orts- und quartierüblichen Verhältnissen entspricht, indem sie fünf Vergleichsobjekte präsentiert.

Chancen stehen weiterhin gut

Trotz dieser neuen Rechtsprechung ist es für Vermieter*innen glücklicherweise immer noch schwierig, eine massive Mietzinserhöhung vor Gericht durchzubringen. Hasenböhlers Chancen stehen deshalb gut. Ihre Miete wurde um 66,66 Prozent erhöht, deshalb ist ihr Mietzins vermutlich missbräuchlich. Nun liegt es am Vermieter, bei der Schlichtungsbehörde Zweifel an dieser Vermutung zu wecken. Daran wird er sich – trotz den lascheren Anforderungen an die Beweismittel – wahrscheinlich die Zähne ausbeissen. Die Anfechtung des Anfangsmietzinses hat offensichtlich einige Tücken. Am besten lässt sich Ruth Hasenböhler deshalb vom Mieterinnen- und Mieterverband beraten.

Text: Fabian Gloor

Wer hat ein Zimmer frei?

Friedenstaube in Zürich: Seit Kriegsbeginn finden auch in der Schweiz regelmässig Demonstrationen gegen den Krieg in der Ukraine statt. Foto: Manuel Lopez

Auch Mietende haben das Recht, Geflüchtete bei sich aufzunehmen.

Das sagt das Mietrecht

Der Krieg in der Ukraine hat seit Ende Februar viele Menschen in die Flucht getrieben: Ende April waren es gemäss dem UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR mehr als fünf Millionen. Mehrere Zehntausend Geflüchtete sind auch zu uns in die Schweiz gekommen, und die Zahl dürfte in den nächsten Wochen weiter ansteigen. Die Solidarität mit den Geflüchteten ist gross. Viele wollen helfen. Privatpersonen melden sich, um Zimmer, Wohnungen oder Ferienhäuser für Menschen aus der Ukraine zur Verfügung zu stellen. Leere Schulhäuser oder Ferienheime werden wieder in Betrieb genommen, Hotels stellen Zimmer zur Verfügung. Die Angebote werden von der Flüchtlingshilfe und den Behörden überprüft und an Menschen aus der Ukraine vermittelt.

Aufruf an unsere Mitglieder

Auch Mieter*innen, die kein Wohneigentum besitzen, haben das Recht, ein Zimmer oder einen Teil ihrer Wohnung für Geflüchtete zur Verfügung zu stellen. Der Mieterinnen- und Mieterverband ruft deshalb seine Mitglieder in Absprache mit dem Staatssekretariat für Migration (SEM) und dem Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) dazu auf, die Behörden bei der Suche nach Wohnraum für geflüchtete Menschen zu unterstützen. Eine Unterbringung bei Privaten ist sehr wertvoll. Sie erleichtert den geflüchteten Menschen das Ankommen in der Schweiz, und der Alltag in einem privaten Haushalt fördert das Kennenlernen des Gastlandes und die kulturelle, soziale und politische Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

An die Unterkunft werden gemäss der Plattform Campax keine speziellen Anforderungen gestellt. Wichtig ist vor allem, dass die Menschen vorerst für mindestens 90 Tage bleiben können. Zusätzlich ist es wichtig, dass pro drei erwachsene Personen mindestens ein Zimmer verfügbar ist. Die Gäste sollten ausserdem uneingeschränkten Zugang zu Badezimmer und Küche haben. Was aus mietrechtlicher Sicht zu beachten ist, lesen Sie hier.

Können Sie Wohnraum zur Verfügung stellen?

Melden Sie sich entweder bei der Flüchtlingshilfe oder bei der Plattform Campax. Die beiden Organisationen arbeiten eng mit den verantwortlichen staatlichen Stellen zusammen.

Das sagt das Mietrecht

Wir sagen Ihnen, was es aus mietrechtlicher Sicht zu beachten gilt, wenn man Menschen aus der Ukraine in einer Mietwohnung aufnimmt.

Darf man geflüchtete Personen einfach bei sich in der Mietwohnung einquartieren? – Grundsätzlich ja. Personen aus der Ukraine können visumsfrei in die Schweiz einreisen und sich hier legal während 90 Tagen aufhalten. Dank dem Schutzstatus S, den der Bundesrat für Menschen aus der Ukraine erstmals aktiviert hat, können diese nun für mindestens ein Jahr in der Schweiz bleiben.

Erlaubnis bei unentgeltlicher Aufnahme nicht nötig

Wenn Sie geflüchtete Menschen unentgeltlich bei sich aufnehmen wollen, braucht es im Prinzip keine Zustimmung der Vermieterschaft, denn es handelt sich um eine kostenlose Unterbringung von Gästen. Rechtlich ist dies als Gebrauchsleihe einzustufen (Art. 305 ff. OR), und eine solche ist für das Mietrecht nicht relevant. Dementsprechend kann sich die Vermieterschaft grundsätzlich der Aufnahme der Gäste nicht widersetzen.

Vertragliche Abmachung sinnvoll

Wir raten Ihnen aber in jedem Fall zu einer vertraglichen Abmachung, zum Beispiel zu einem Gebrauchsleihvertrag: In einem solchen kann beispielsweise eine Kündigungsfrist festgelegt werden. Diese dient gerade auch der Sicherheit der geflüchteten Personen. Als reine Gäste riskieren sie, im schlimmsten Fall von heute auf morgen vor die Tür gestellt zu werden.

Aufnahme gegen Entschädigung = Untermiete

Wird für die Unterbringung in einem Mietobjekt eine Entschädigung verlangt, besteht dagegen ein Untermietverhältnis. Und für ein solches brauchen Sie die Zustimmung der Vermieterschaft. Verweigert werden kann Ihnen eine solche allerdings nur, wenn Sie als Untervermieter*in sich weigern, der Vermieterschaft die Bedingungen der Untermiete bekanntzugeben, wenn Sie einen Gewinn mit dem Mietzins erzielen wollen oder wenn der Vermieterschaft aus der Untermiete wesentliche Nachteile entstehen sollten. Dies könnte beispielsweise bei einer Überbelegung der Wohnung der Fall sein.

Vertrag gilt auch mündlich

Zu beachten ist, dass ein Untermietvertrag auch mündlich zustande kommen kann. Ausserdem muss eine Gegenleistung nicht zwingend eine Geldleistung sein. Sobald Sie als Gegenleistung zum Beispiel einen Kinderhütedienst oder ein Hundesitting in Anspruch nehmen, handelt es sich nicht mehr um eine unentgeltliche Gebrauchsleihe. In einem solchen Fall könnte es sich bereits um eine bewilligungspflichtige Untermiete handeln. Wir empfehlen, in jedem Fall mit Hilfsorganisationen, der Gemeinde oder dem Kanton zusammenzuarbeiten, um möglichen Konflikten vorzubeugen.

Wir beraten Sie

Bei weiteren mietrechtlichen Fragen in Bezug auf die Aufnahme von geflüchteten Personen steht das übliche Beratungsangebot unserer Sektionen zur Verfügung.

Hilfe für tiefe Einkommen

Carlo Sommaruga, Präsident MV Schweiz

Nachdem sich die Preise für Öl und Gas bereits im letzten Jahr verdoppelten, sind sie wegen des Ukraine-Kriegs in den letzten Wochen erneut stark gestiegen. Bleiben sie auf dem aktuellen Niveau, müssen wir bei der Nebenkostenabrechnung 2023 mit Nachforderungen von über tausend Franken rechnen. Das wird besonders für Haushalte mit tiefen Einkommen zum Problem. Bundesrat und Parlament müssen darum jetzt handeln.

Wir brauchen ab 2023 eine Energiezulage für Geringverdienende von jährlich 200 bis 400 Franken pro Person. Sie kann ganz einfach an das System der kantonalen Prämienverbilligung gekoppelt werden: Wer Prämienverbilligungen erhält, soll auch eine Energiezulage erhalten. Es darf keine Frage des Einkommens sein, ob man seine Wohnung heizen kann!

Aus einer längerfristigen Perspektive müssen die Mietenden aus der Abhängigkeit von schwankenden Gas- und Ölpreisen befreit werden. Und zwar indem Eigentümer*innen mit Fördergeldern dabei unterstützt werden, die Heizsysteme in ihren Liegenschaften auf erneuerbare Energieträger umzustellen. Dies allerdings nur unter der Bedingung, dass sie nach energetischen Sanierungen weder Kündigungen aussprechen noch die Mieten übermässig erhöhen.

Schliesslich müssen wir alle unser Verhalten überdenken. Haben Sie gewusst, dass man mit einer Temperaturreduktion von nur einem Grad den Energiebedarf um sechs Prozent senken kann? Wir fordern den Bund und die Kantone auf, die Öffentlichkeit mithilfe einer Kampagne dazu aufzurufen, Energie zu sparen. Und damit sich ein Effort für die einzelnen Mietenden auch tatsächlich lohnt, braucht es endlich individuelle Heizkostenabrechnungen.

Editorial

Andrea Bauer, Redaktorin

Liebe Leser*innen

Immer wieder berichten wir im M+W über Leerkündigungen, von denen oft auch ältere Menschen betroffen sind. Letzteres ist kein Zufall: Ältere Liegenschaften mit tiefen Mieten sind für profitorientierte Immobilienfirmen begehrte Sanierungs- respektive Abrissobjekte – und in solchen wohnen oft auch ältere Menschen, viele von ihnen seit Jahrzehnten.

Sind die Bewohner*innen erst einmal draussen und ist das Haus saniert oder ersetzt, lassen sich die Mieten und damit die Rendite massiv erhöhen. Was aber geschieht mit den alten Menschen, wenn sie ihre Wohnung verlieren? Wenn sie viel Glück haben, finden sie einen bezahlbaren Ersatz im Quartier. Wenn nicht, bleibt häufig nur noch der frühzeitige Umzug ins Altersheim. Einen Grossteil der deutlich höheren Kosten, die dort anfallen, trägt die Allgemeinheit über die Ergänzungsleistungen, die viele Bewohner*innen in Heimen beziehen. Wie hoch die Kosten dieser Entwicklung tatsächlich sind, weiss man allerdings nicht, denn es gibt (noch) keine Zahlen dazu, wie unsere Autorin Esther Banz feststellen musste.

Das oben Beschriebene geschieht zurzeit sehr ausgeprägt in Witikon, wo auf einen Schlag mehrere Siedlungen aus den 50er-Jahren sanierungsbedürftig geworden sind. Statt die Liegenschaften zu sanieren und aufzustocken oder zu erweitern, werden sie abgerissen und durch teure Neubauten ersetzt. Das ist nicht nur ökologisch unsinnig, sondern es entwurzelt auch die Menschen im Quartier – darunter auch hier viele ältere –, die sich die neuen Wohnungen nicht mehr leisten können und gehen müssen. Isabel Plana hat mit einer Bewohnerin, einem Architekten und dem Präsidenten des Quartiervereins gesprochen.

Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre!

Waschen Sie kalt

Spart Energie: Die Wäsche kalt waschen und an der Sonne trocknen. Foto: Dreamstime

Es ist ein alter Zopf, dass Wäsche nur mit dem 60-Grad-Programm richtig sauber wird. Oft reichen schon 20 Grad. Damit spart man viel Energie.

Kalt waschen schont Gewebe und Textilien. Und es spart massiv Strom, nämlich bis zu 70 Prozent. Das ist gerade jetzt, wo die Strompreise steigen sollen, nicht zu unterschätzen. Obwohl das Wasser beim kalt Waschen nur 20 Grad warm ist, braucht es deswegen nicht mehr Waschmittel als bei einer herkömmlichen 60-Grad-Wäsche. Heutige Waschmittel reinigen bereits in kleinen Mengen sehr effizient. Die Waschwirkung sowohl bei der Fleckenentfernung als auch bei der Hygiene erfolgt nämlich über die Inhaltsstoffe und nicht über die Temperatur.

20 Grad bei normaler Schmutzwäsche

Beim kalt Waschen in der Waschmaschine gilt es ein paar Regeln zu beachten, die zu einem guten Waschergebnis beitragen:

• Für den Waschgang mit 20 Grad eignet sich leicht oder normal verschmutzte Wäsche wie: T-Shirts, Hemden oder Blusen, aber auch Unterwäsche, Küchenwäsche, Handtücher oder Bettwäsche.

• Die Wäschestücke sollten nach Farben, Textilarten und Verschmutzungsgrad vorsortiert werden. Flecken auf den Kleidungsstücken – vom Ei über Fettspritzer bis zu Beeren – sollte man nicht eintrocknen lassen, sondern jeweils sogleich mit einem Mittel vorbehandeln und bald waschen.

• Die Trommel der Waschmaschine sollte immer gut gefüllt, aber nicht vollgestopft sein, denn das reduziert die Waschwirkung; Fein- und Wollwäsche haben es gern etwas lockerer. Unterfüllung dagegen beansprucht das Gewebe stark und ist ineffizient. Daher vermeiden, die Maschine nur halb voll laufen zu lassen.

• Stark verschmutzte Berufskleidung, Kinder- und Sportbekleidung (Gras- und Erdflecken) oder Babywäsche sollte bei 40 oder 60 Grad gewaschen werden. Nutzen Sie dabei das Öko-Waschprogramm. Dieses dauert zwar oft länger, schneidet aber wegen des tiefen Wasser- und Stromverbrauchs besser ab.

Die Sonne trocknet am besten

Tumbler (und Raumlufttrockner) sind wahre Energiefresser: Für das maschinelle Wäschetrocknen verbrauchen Schweizer Haushalte jedes Jahr rund 800 Millionen Kilowattstunden Strom. Dafür bezahlen sie insgesamt 160 Millionen Franken. Wenn überhaupt, sollten Geräte der Energieeffizienzklasse A++ gekauft werden. Eine Liste findet sich unter www.topten.ch/tumbler. Kund*innen des ewz (Stadt Zürich) erhalten einen Förderbeitrag von 100 Franken auf Topten-Wäschetrockner. Alle Informationen dazu unter www.topten.ch/ewz.

Stromsparen beim Wäschetrocknen ist überraschend einfach. Am günstigsten ist es, die Wäsche an der Sonne trocknen zu lassen. Etwa auf dem Balkon; die Restfeuchte erledigt eine warme Stube im Nu. Gerade im Winter, wenn die Luft meist sowieso zu trocken ist, kann man sich so den Luftbefeuchter sparen. Wird es einmal doch zu feucht in der Wohnung, empfiehlt sich kurzes Stosslüften, und das Problem ist gelöst. Ist es nicht möglich, die Wäsche draussen zu trocknen, sollte man einige Punkte beachten: Gut schleudern ist die halbe Miete, die Wäschestücke sind danach viel schneller trocken. Damit auch beim Schleudern weniger Energie verbraucht wird und die Wäsche mit weniger Restfeuchte
in den Tumbler geht, sollte man beim Kauf der Maschine auf die Schleudereffizienz Klasse A achten.

Text: Stefan Hartmann, Topten

Hotline

Fabian Gloor beantwortet Ihre Fragen

Meine Vermieterin hat meiner Freundin Hausverbot erteilt. Dies hat sie ihr mit einem eingeschriebenen Brief mitgeteilt. Ist so ein Hausverbot zulässig? 

Nein. Wenn Sie eine Wohnung mieten, sind Sie Inhaberin des Hausrechts. Sie entscheiden, wer Ihre Wohnung betreten darf und wer nicht. Wenn jemand gegen Ihren Willen in Ihre Wohnung kommt, können Sie die Person sogar wegen Hausfriedensbruchs anzeigen. Die allgemeinen Räumlichkeiten wie das Treppenhaus und der Eingangsbereich müssen als Durchgang allen Personen zur Verfügung stehen, die mit Ihrem Einverständnis Ihre Wohnung betreten. Allerdings ist es so, dass Sie gegenüber Ihrer Vermieterin und der Nachbarschaft für Ihre Besucher*innen verantwortlich sind. Gibt einer Ihrer Gäste zu Klagen Anlass, indem er beispielsweise im Treppenhaus gegenüber Ihrer Vermieterin oder gegenüber anderen Mieter*innen ausfällig wird oder diese sogar anpöbelt, kann dies für Sie Konsequenzen haben. In einem solchen Fall kann Ihre Vermieterin Sie verwarnen und Ihnen kündigen, sollte es zu weiteren derartigen Vorfällen kommen. Es ist sogar eine kurzfristige Kündigung möglich. Kommt eine Person hingegen ohne Ihre Erlaubnis ins Haus, sind Sie grundsätzlich nicht für deren Verhalten verantwortlich.

Das Treppenhaus und der Eingangsbereich müssen als Durchgang allen Personen zur Verfügung stehen, die mit Ihrem Einverständnis Ihre Wohnung betreten. Foto: Dreamstime

Mein Vermieter hat mir telefonisch mitgeteilt, dass er infolge der wegen des Ukraine-Kriegs gestiegenen Energiepreise die monatliche Pauschale meiner Nebenkosten erhöhen wird. Darf er das? 

Grundsätzlich darf der Vermieter die monatliche Pauschale erhöhen. Es handelt sich dabei allerdings um eine einseitige Vertragsänderung, die nur unter Einhaltung der gesetzlichen Formalitäten erlaubt ist. Die Änderung muss unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist auf einen im Mietvertrag vorgesehenen Kündigungstermin hin erfolgen und auf einem amtlichen Formular angekündigt werden, das mindestens zehn Tage vor Beginn der Kündigungsfrist bei Ihnen eintrifft. Der Anruf Ihres Vermieters hat deshalb rechtlich keinerlei Wirkung. Zudem muss der Vermieter die Erhöhung der Nebenkostenpauschale – wie bei einer Mietzinserhöhung – präzise und klar begründen. Fehlt die Begründung oder ist sie ungenügend, so ist die Vertragsänderung nichtig. Zudem ist eine Erhöhung der Pauschale gemäss Artikel 4 Absatz 2 der VMWG (Verordnung über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen) nur zulässig, wenn der Vermieter nachweisen kann, dass die durchschnittlichen Kosten der letzten Jahre gestiegen sind. Sollte Ihnen der Vermieter die Erhöhung der Nebenkostenpauschale doch noch formell korrekt mitteilen, dann haben Sie als Mieterin das Recht, diese Vertragsänderung innert 30 Tagen bei der Schlichtungsbehörde anzufechten.