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Was heisst «nebenkostenfähig»?

Nebenkostenabrechnung: Genau Hinschauen lohnt sich. Illustration: Patric Sandri.

Wegen der hohen Energiepreise müssen viele bereits in diesem Jahr bei den Nebenkosten drauflegen. Nächstes Jahr dürften die Aufschläge noch grösser sein. Es lohnt sich darum, die Abrechnung genau zu prüfen.

Noch geniesst Peter Grütter die warmen Sommertage. Die Heizung steht still und die kalten Tage liegen in weiter Ferne. Doch was er aus den Medien vernimmt, verunsichert ihn. Infolge des Kriegs in der Ukraine sind die Grosshandelspreise für Heizöl, Erdgas und Strom regelrecht explodiert. Experten zufolge wirken sich die gestiegenen Preise für fossile Heizenergieträger bereits in diesem Jahr auf die Nebenkosten aus. 

Das muss auch Grütter feststellen, als er die Nebenkosten-Abrechnung für seine knapp 100 Quadratmeter grosse Wohnung in den Händen hält: Die Nebenkosten für die Periode vom 30.6.2021 bis zum 1.7.2022 sind um 530 Franken auf rund 1900 Franken gestiegen. Während er letztes Jahr noch Geld für zu viel bezahlte Akonto-Beiträge zurückerhalten hat, muss er dieses Jahr einen happigen Betrag nachzahlen. 

Hohe Nachforderungen sind zulässig 

Sind solch hohe Nachforderungen überhaupt zulässig? – Nach aktueller Rechtsprechung leider schon. Sogar dann, wenn sie die Akontozahlungen massiv überschreiten. Gemäss Bundesgericht ist die Vermieterschaft nicht einmal verpflichtet, die Mietenden über die abschätzbare Höhe der Nebenkosten aufzuklären. Diese mieterfeindliche Praxis ist sehr fragwürdig – insbesondere jetzt, wo die Energiepreise so hoch sind. Schliesslich ist die Höhe der Nebenkosten für viele Mietende ein zentrales Kriterium bei der Wahl der Wohnung, und Transparenz ist ein wichtiges Element im Missbrauchsschutz. 

Leider sind die diesjährigen Aufschläge nur die Vorboten eines noch grösseren Preishammers, der vielen Mietenden bei der Abrechnung 2023 droht. Für grössere Wohnungen rechnen Expert*innen mit einer Erhöhung um bis zu 1200 Franken. Grütter sollte deshalb seine Abrechnung besonders gut kontrollieren. Immer wieder schleichen sich Fehler ein, die sich mit geringem Aufwand finden lassen. 

Mietvertrag kontrollieren 

Erste Patzer können schon zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses passieren. Mieter*innen müssen nur jene Nebenkosten bezahlen, die im Mietvertrag besonders vereinbart wurden. Vermieter*innen müssen dementsprechend alle Nebenkostenpositionen einzeln auflisten und genau bezeichnen. Formulierungen, wonach die Mieterschaft «sämtliche Nebenkosten» oder «alle Nebenkosten ohne Strom» bezahlen muss, sind zu ungenau und deshalb nichtig. Sie haben zur Folge, dass mit dem Nettomietzins alle Leistungen des Vermieters als bezahlt gelten. Grütter ist also erst einmal zu raten, die Nebenkostenabrechnung mit seinem Mietvertrag abzugleichen. 

Tatsächlich entdeckt er in seiner Abrechnung die Rechnungsposition «Kaminfeger». Sein Mietvertrag erwähnt aber nur die Kosten fürs Heizen, solche für den Kaminfeger sucht Grütter vergeblich. Sind sie also nicht geschuldet? – Leider doch, bei den Heiz- und Warmwasserkosten gibt es nämlich eine Ausnahme: Sind diese im Mietvertrag aufgeführt, so dürfen gemäss Art. 5 der Verordnung über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG) ohne besondere Erwähnung nebst den Energiekosten auch die Heiznebenkosten wie Brenner- und Boilerservice, Pumpenstrom, Tankrevision, die Messung des Wärmeverbrauchs und eben auch die Kosten für den Kaminfeger in Rechnung gestellt werden. 

Nur Betriebskosten sind Nebenkosten 

Als Nächstes sollte Grütter prüfen, ob es sich bei den einzelnen Rechnungspositionen tatsächlich um «nebenkostenfähige» Leistungen handelt. Nebenkostenfähig sind nämlich nur sogenannte Betriebskosten, die gemäss Artikel 257b OR «mit dem Gebrauch der Mietsache zusammenhängen». Typische Beispiele sind neben den Heiz- und Warmwasserkosten Kosten für die Hauswartung (inkl. Sozialleistungen und Versicherungen), die Gartenpflege, die jährliche Gebühr für Kehricht oder der Allgemeinstrom. Unterhaltskosten dagegen dürfen nicht als Nebenkosten in Rechnung gestellt werden, ungeachtet dessen, ob sie im Mietvertrag erwähnt sind oder nicht. Ebenfalls unzulässig sind Kosten für jegliche Form von Steuern, Gebäudeversicherungsprämien, Anschlussgebühren für die Kanalisation, die Gebühr für Regenwasser (Meteorwasser) und insbesondere Reparaturkosten und Erneuerungskosten. 

Was tun gegen den drohenden Preishammer? 

In einem Begleitbrief zur Nebenkostenabrechnung weist die Verwaltung Grütter auf die steigenden Energiepreise hin. Sie empfiehlt ihm, die monatlichen Akontozahlungen zu erhöhen, natürlich auf freiwilliger Basis. Soll er darauf eingehen? – Sofern es sein Portemonnaie zulässt, sollte er dies in Anbetracht der aktuellen Situation tun. Denn bei Akontozahlungen handelt es sich nur um Anzahlungen an die tatsächlich anfallenden Kosten. Der erwartete Preisschock vom kommenden Jahr liesse sich damit übers ganze Jahr verteilen und so ein wenig «abfedern». Alternativ kann Grütter natürlich auch selber Rücklagen bilden, um so besser für die drohenden Nachforderungen gewappnet zu sein. 

Erhöhung nur mit Begründung 

Es gibt auch Mietverhältnisse, bei denen die Nebenkosten pauschal abgerechnet werden. In diesen Fällen werden die Nebenkosten im Voraus ziffernmässig festgesetzt. Mit der Bezahlung der Pauschale gelten sämtliche Nebenkosten als abgegolten, unabhängig davon, ob die effektiven Aufwendungen der Vermieterschaft höher oder tiefer sind. Eine Nebenkostenabrechnung gibt es folglich nicht. Dürfen Vermieter*innen den Pauschalbetrag in Anbetracht der höheren Energiekosten erhöhen? – Ja, das dürfen sie, allerdings nicht beliebig. Die Vermieterschaft muss die Erhöhung anhand des Durchschnitts der letzten drei Jahre nachweisen. Bis sich die aktuell höheren Energiepreise in der Pauschale niederschlagen, dauert es also. Zudem muss die Änderung mit Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist auf einen im Mietvertrag vorgesehenen Kündigungstermin hin erfolgen und auf dem amtlichen Formular angekündigt und begründet werden. Das Formular muss mindestens zehn Tage vor Beginn der Kündigungsfrist bei der Mieterschaft eintreffen. Diese kann die Erhöhung innert 30 Tagen bei der Schlichtungsbehörde anfechten. Das sollte sie insbesondere dann tun, wenn die Erhöhung nicht dem Durchschnitt der letzten drei Jahre entspricht. Um dies zu überprüfen, hat die Mieterschaft das Recht, in die Belege der Vermieterschaft Einblick zu nehmen. 

Fragen und warm anziehen 

Dem Preishammer wird Grütter kaum entkommen. Das geltende Mietrecht bietet dafür wenig Handhabe. Ein Recht auf eine bessere Wärmedämmung oder gar eine Wärmepumpe haben Mieter*innen leider nicht. Doch vielleicht lässt sich die Vermieterschaft ja in einem konstruktiven Gespräch von einem energieeffizienteren und nachhaltigeren Heizungssystem überzeugen. Fragen ist ja nicht verboten. 

So schnell geht das mit der neuen Heizung aber sowieso nicht. Für die kommende Heizsaison sollten sich Mieter*innen deshalb warm anziehen. Dies im wahrsten Sinne des Worts: Der Energieverbrauch lässt sich nämlich um rund 6 Prozent senken, wenn die Heizung um nur ein Grad zurückgedreht wird. Die Raumtemperatur und den Wasserverbrauch zu senken, ist schon mal ein sehr guter Ansatz. Bei Wohnungen, in denen die Nebenkosten nach dem individuellen Verbrauch abgerechnet werden, kann man so sein Portemonnaie und gleichzeitig die Umwelt schonen. Allerdings gibt es gerade für ältere Liegenschaften immer noch keine allgemeine Pflicht zur verbrauchsabhängigen Heizkostenabrechnung – obwohl dies der Mieterinnen- und Mieterverband wiederholt gefordert hat. 

Bei Nichtbezahlung droht Kündigung 

Gemäss Art. 257d OR kann die Vermieterschaft bei Zahlungsverzug von Mietzins und Nebenkosten das Mietverhältnis kurzfristig kündigen. Vor einer Zahlungsverzugskündigung ist die Mieterschaft allerdings geschützt, wenn sie die Nebenkostenzahlung «in guten Treuen» verweigert, wenn sie also berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der Abrechnung hegt. 

Aber Achtung: Der unbestrittene Teil der Nebenkosten muss unbedingt bezahlt werden, andernfalls droht der Rauswurf aus der Wohnung. Der bestrittene und der unbestrittene Anteil lassen sich allerdings oft nicht genau auseinanderhalten. Deshalb ist es wichtig, dass sich Mieter*innen vom MV beraten lassen – spätestens dann, wenn sie von der Vermieterschaft eine Zahlungsaufforderung mit Kündigungsandrohung erhalten. 

Text: Fabian Gloor

Finanzriese auf Shoppingtour

Mit über 10 Billionen US-Dollar an verwaltetem Vermögen ist Blackrock die weltweit grösste Vermögensverwalterin. Bild: dreamstime

Immer mehr Investoren drängen in den Immobilienmarkt. Der weltweit grösste Vermögensverwalter, BlackRock, hat seine Anteile an Schweizer Immobilienfirmen innerhalb von zehn Jahren verzwanzigfacht.

Die Immobilienmärkte sind weltweit unter Druck. Anfang August 2022 berichteten Schweizer Medien darüber, dass die Credit Suisse trotz Wohnungsnot in Luzern zahlreiche Wohnungen leerstehen lässt. Die Grossbank begründete den Leerstand mit anstehenden Sanierungsarbeiten. Aufwertung, Verdrängung und Leerstand sind auch in der Schweiz bekannte Phänomene – genauso wie der Anstieg der Mieten. Diese Entwicklung führte zwischen 2006 und 2021 zu einer Umverteilung von der Mieter- zur Vermieterseite von insgesamt 78 Milliarden Franken, wie eine im Februar veröffentlichte Studie des Berner Forschungsinstituts BASS zeigt. Sie weist darauf hin, wie attraktiv der Immobilienmarkt für
gewinnsuchende Investorinnen ist. Immobilien werden immer mehr als Investitionsvehikel gesehen und der Markt zieht eine ganze Bandbreite von Investoren an.

BlackRock: Der unbekannte Finanzriese

Im Januar 2022, also etwa zur selben Zeit, wie die genannte Studie erschien, veröffentlichte das Recherchekollektiv WAV in Zusammenarbeit mit der Rechercheorganisation DataCatering und dem Kollektiv BreakFree das Rechercheprojekt «Spotlight on BlackRock» (www. spotlightonblackrock.ch). Das Herzstück des Projekts ist eine Website mit verschiedenen Datensätzen über die Investitionen des Finanzdienstleisters BlackRock in der Schweiz: «BlackRock ist die grösste Vermögensverwalterin der Welt und auch die wichtigste Investorin in der Schweiz. Durchschnittlich rund 5,8 % der börsennotierten Schweizer Unternehmen werden von BlackRock gehalten, was sie zur grössten Aktionärin macht», heisst es in der Einleitung der Seite. Diese will das weitgehend unbekannte Finanzunternehmen und seine hiesigen Investitionen sichtbar machen und der Frage nachgehen, in welchen Sektoren und an welchen Firmen die grösste Investorin der Welt in der Schweiz beteiligt ist. Denn global tätige Investoren sind aufgrund ihrer Grösse und Komplexität im lokalen Kontext oft kaum mehr greifbar – obwohl sie lokale Alltagsrealitäten stark beeinflussen.

Neben Fragen zu Nachhaltigkeit, zum Risikoanalysetool des Unternehmens und BlackRocks Beteiligung an Schweizer Grossinvestoren nahm «Spotlight on BlackRock» auch dessen Investitionen am Schweizer Immobilienmarkt unter die Lupe. Mit einer Beteiligung von 6 Prozent ist sie die grösste Investorin in börsennotierten Schweizer Immobilienunternehmen, welche insbesondere in Städten die Entwicklung des Wohnungsmarkts massgeblich beeinflussen. Die zweitgrösste Beteiligung an einem Schweizer Unternehmen hält BlackRock am Immobilien-Branchenprimus Swiss Prime Site mit 12,2 % aller Aktien des Unternehmens. Das investigative Rechercheteam von «Reflekt», das sich 2021 an der europaweiten Immobilien-Recherche «Cities for sale» beteiligte, stellte zudem fest, dass BlackRock innerhalb von lediglich zehn Jahren seine Anteile an Schweizer Immobilienfirmen verzwanzigfacht hat.

Finanzialisierung des Immobilienmarktes

Es sind Unternehmen wie BlackRock, Credit Suisse, UBS oder Blackstone und ihr enormer Investitionsbedarf, die als Treiber einer Entwicklung gelten, die unter dem Begriff «Finanzialisierung des Wohnungs- und Immobilienmarktes» zusammengefasst wird. Die in Deutschland ansässige Nichtregierungsorganisation «Finanzwende» beschreibt Finanzialisierung als Prozesse der Deregulierung und Privatisierung des Immobilienmarktes in Kombination mit spekulativen Kapitalanlagen, die auf den Immobilienmarkt drängen. «Durch finanzielle Anreize wird die Wohnungswirtschaft auf Profitorientierung ausgerichtet, und steuerrechtliche Änderungen bevorzugen institutionelle Anleger», heisst es in einem Artikel zum Thema auf der Seite der Organisation. Das ist untrennbar verbunden mit Renditeerwartungen von Investoren, die letztendlich von den Mietenden befriedigt werden müssen.

Das Ziel institutioneller Investoren ist Profit für sich und ihre Aktionärinnen. Die Qualität der Nachbarschaften und das Wohlergehen von Quartierbewohner*innen haben für sie keine Priorität. Im Wohnungs- wie auch im Gewerbesektor führt das zu sozialen Spannungen und Verdrängung. Zudem vergrössert es die Fluktuation der Mietenden und es entstehen Anreize zu vermehrten Renovationen und Neubauten, da diese Mieterhöhungen ermöglichen. Was bedeutet es, wenn ein die Lebensumstände beeinflussender Sektor wie jener des Wohnens zunehmend von Investitionsinteressen geprägt ist? Im Rahmen ihrer Tätigkeit als UN-Sonderberichterstatterin für das Recht auf angemessenen Wohnraum setzte sich Leilani Farha intensiv mit dieser Frage auseinander. Die Kanadierin war von 2014 bis 2020 im Amt und setzt sich in unterschiedlicher Form für das Recht auf angemessenes Wohnen ein – sie unternahm verschiedenste Reisen und ist Autorin zahlreicher Berichte.

Farha beschreibt die Finanzialisierung als Zustand, in dem «Wohnraum als Ware – als Vehikel für Wohlstand und Investitionen – und nicht als soziales Gut behandelt wird». Die Dimensionen, die die frühere UN-Sonderberichterstatterin in einem 2017 erschienenen Bericht dabei zeichnet, sind atemberaubend: 60 Prozent des Wertes aller globalen Vermögenswerte stecken im Immobilienmarkt. Das ist eine Summe von 218 Billionen Dollar, wovon 163 Billionen Dollar direkt dem Wohnungsmarkt zugeschrieben werden. Farha kritisiert, der Finanzialisierung der Immobilienmärkte sei lange zu passiv begegnet worden.

Wohnen ist ein Menschenrecht

Heute leitet Farha die Nichtregierungsorganisation «The Shift», die sich weltweit für das Recht auf angemessenen Wohnraum und gegen den Ausverkauf des Immobilienmarktes einsetzt. Im Juni 2022 hat die Organisation eigene Richtlinien zum Thema herausgegeben. Sie umfassen zehn Leitprinzipien, etwa die Forderung nach einem wirksamen Schutz für Mieterinnen und ihre Beteiligung an Gesetzgebungsprozessen. Im Gespräch mit M+W sagt Mitverfasser Sam Freeman von «The Shift»: «Die Richtlinien sollen helfen, einen menschenrechtlichen Rahmen für das Recht auf angemessenes Wohnen zu schaffen. Jede Regierung hat die Verpflichtung, dieses Recht zu garantieren.»

Dabei hat der Prozess der Finanzialisierung an unterschiedlichen Orten unterschiedliche Auswirkungen – die Voraussetzungen und entsprechend auch die Anforderungen an Regierungen sind in Zürich oder Bogotà nicht die gleichen. «Es ist ein diffuses Phänomen», sagt Freeman. Die Richtlinien sollen sowohl Regierungen als auch zivilgesellschaftlichen Akteur*innen rund um den Globus dabei helfen, gerechtere Wohnverhältnisse zu schaffen: «Wenn Regierungen, aber auch Private den Empfehlungen aus den Richtlinien folgen, dann streben sie in eine Richtung, die gerechtere und fairere Lebensbedingungen auf dem Wohnungsmarkt für alle schafft und nicht von Profit getrieben ist.»

Dass es die Richtlinien gibt, sei ein wichtiger erster Schritt, doch jetzt sei es entscheidend, dass die Regierungen danach handelten, so Freeman weiter. Doch die Richtlinien alleine reichen nicht. Was es braucht, ist eine stärkere Organisation der Betroffenen gegen das Phänomen der Finanzialisierung und seine Folgen. Ein gutes Beispiel für eine schlagkräftige Mieter*innenorganisation liefert derzeit Berlin, wo mit der Kampagne «Deutsche Wohnen & Co. enteignen» 2021 Historisches erreicht wurde: Die Stimmberechtigten sagten Ja zu einem Referendum, das grosse private Immobiliengesellschaften enteignen und deren Wohnungen in die öffentliche Hand überführen will. Das Referendum ist zwar nicht bindend, weshalb auch ein Jahr nach dem Entscheid unklar ist, ob und in welcher Form der Vorschlag umgesetzt wird.

Entscheidend auf lange Frist in Berlin sei aber die gute Mieter*innenorganisation, sagt Sam Freeman. Er erwähnt als Beispiel die Berliner Vernetzung gegen das schwedische Immobilienunternehmen Akelius, das im Bereich Vermietung, Entwicklung und Betrieb tätig ist – und berüchtigt für seine schlechte Behandlung von Mietenden: «Die Mieter*innen haben unglaublichen Druck ausgeübt, sodass Akelius nicht mehr in Berlin tätig ist. Aber das Unternehmen zieht nun einfach an andere Orte mit schwächerer Mieter*innenorganisation. Gerade deshalb brauchen wir eine globale Mobilisierung rund um das Recht auf angemessenes Wohnen.» Freeman skizziert dabei eine Plattform, die Mieter*innen unterschiedlicher Vermietender und Regionen zusammenbringt, damit sie sich organisieren, treffen, austauschen und mobilisieren können.

Entwicklungen in der Schweiz

Wie unter anderem die ausführlichen Recherchen von «Reflekt» im Rahmen des europaweiten Rechercheprojektes «Cities for Sale» aufzeigen, ist die Finanzialisierung des Wohnungsmarktes auch in der Schweiz in den letzten Jahren vorangeschritten. Pensionskassen, Banken und Versicherungen, Anlagestiftungen, Immobilien-Fonds, aber auch reine Immobilien-Unternehmen sowie Family Offices investieren in den Immobilienmarkt und mit ihm verbundene Finanzprodukte. Was auffällt: Der Anteil ausländischer Investor*innen bei Wohnliegenschaften ist im Vergleich zu benachbarten Märkten eher gering. Der Grund dafür liegt in der sogenannten Lex Koller, die ausländischen Investor*innen den Kauf von Grundstücken verbietet. 1997 wurden Geschäftsliegenschaften von diesem Verbot ausgenommen. Es ist also in der Schweiz eher inländisches Kapital, das die Finanzialisierung des Wohnungsmarkts vorantreibt. Jedoch haben auch Geschäftsliegenschaften einen erheblichen Anteil an der Stadtentwicklung: Entstehen in bestimmten Gegenden bevorzugt Geschäftsräumlichkeiten, wird dadurch auch die Wohnumgebung aufgewertet, wie aktuelle Medienberichte aus Zürich aufzeigen. Und auch wenn Städte wie Zürich der Entwicklung durch aktives Fördern von gemeinnützigem Wohnungsbau etwas entgegenzusetzen versuchen, geht dies nur schleppend voran, weil die kapitalstarken Investor*innen die öffentliche Hand oft überbieten. 

Mit Blick auf die Zusammensetzung des Schweizer Wohnungsmarktes sind die Folgen der Finanzialisierung fatal, wie Jacob Geuder vom Verein «Stadt für alle» erklärt: «Der Anteil der Mieter*innen ist in der Schweiz herausragend hoch – bei knapp 60 % schweizweit und in den grossen Städten noch wesentlich höher. Beispielsweise wohnen über 80 % der Menschen in Basel zur Miete. Wenn Häuser und Wohnraum aufgrund von Finanzialisierung als Investments und nicht als Wohnorte angesehen werden, laufen Mieter*innen schnell Gefahr, ihr Zuhause zu verlieren.» Parallel dazu nimmt der Anteil der Privatbesitzer*innen bei Wohnungen seit Jahrzehnten ab, während institutionelle Investoren ihren Anteil am Wohnungsmarkt immer weiter vergrössern, wie Geuder erläutert.

Um die Auswirkungen zu veranschaulichen, verweist er auf die Entwicklungen an der Mülhausenstrasse 26 in Basel, wo die Pensionskasse Basel-Stadt teilweise ihre eigenen – vorwiegend älteren – Pensionär*innen wegen Sanierungsplänen auf die Strasse stellen wollte. Nach anhaltenden Protesten und der Unterstützung durch den Mieterinnen- und Mieterverband kam es zu einem Teilerfolg: Einige langjährige Mieter*innen konnten weiterhin in den Wohnungen bleiben. Für Geuder zeigt das Beispiel exemplarisch: «Aufwertungsprozesse treffen bestimmte Gruppen besonders häufig: ältere Menschen, Ausländer*innen und Leute mit niedrigen Einkommen.» Eine Erklärung dafür ist der sogenannte Rent Gap: Je niedriger der Wohn- und Immobilienpreis in einer Region oder bei einem Objekt ist, desto höher fällt der Investitionsgewinn bei einem Neubau oder einer Luxussanierung aus. «Deshalb sind oft Gegenden mit niedrigem Immobilienwert im Fokus von Investor*innen», erklärt Geuder weiter. 

Ähnlich wie The Shift setzt auch «Stadt für alle» auf die Mobilisierung der Mieter*innen. Der Verein setzt sich seit 2016 in Basel für eine sozial bewohnbare Stadt ein. Seine Mitglieder intervenieren direkt im städtischen Kontext, indem sie Hausgruppen, Quartiervereine oder Mieter*innen unterstützen, durch Informationsvermittlung die gegenwärtige Stadtentwicklung kritisch verfolgen und sich im Kollektiv für eine Stadtentwicklung von unten einsetzen. Neben Mobilisierungen sieht Geuder jedoch auch noch ein anderes Instrument als Standbein gegen die Finanzialisierung: «Es gibt einen krassen Mangel an Transparenz. Das Grundbuchamt hat alle Daten über Besitzverhältnisse, bereitet diese aber nicht auf, wodurch der Wandel der Eigentumsverhältnisse in Basel schwerer nachvollziehbar gemacht wird. Doch Transparenz bräuchte es, um mehr präventivere Massnahmen zu ergreifen und Informationsdefizite zu beheben. Denn wenn Leute merken, dass etwas schiefläuft, dann ist es oft schon zu spät», meint der Aktivist von «Stadt für alle». Existierende Schutzinstrumente wie die Lex Koller seien zwar gut, würden die Probleme von heute aber nicht mehr unbedingt auffangen: «Die Lex Koller hat einen gewissen Schutz geboten, ist aber mittlerweile eher zahnlos, wenn Grossinvestoren sich durch Beteiligung an lokalen Unternehmen Zugang zum Wohnungsmarkt verschaffen können.» 

Der Einfluss von BlackRock 

In Basel ist BlackRock ein solcher Grossinvestor: Die Vermögensverwalterin ist laut «Spotlight on BlackRock» mit einem Anteil von 7,2 Prozent eine Grossaktionärin von Swiss Life. Diese wiederum ist Grossinvestorin bei der Neugestaltung des Klybeckareals in Basel, das von Kritiker*innen als Paradebeispiel für urbane Gentrifizierung bezeichnet wird. Auch an anderen beteiligten Firmen wie der Credit Suisse oder der Baloise hält BlackRock zudem relevante Anteile. BlackRock kann zwar nicht direkt in den Wohnungsmarkt investieren, aber durch Beteiligungen gleichwohl Investitionsmittel in diesen fliessen lassen. Die Auswirkungen werden unter anderem durch den massiven Preisanstieg von Wohnfläche spürbar: Der Kaufpreis von 1,2 Milliarden Franken für das Klybeckareal gilt als ausserordentlich hoch und als Beispiel für die Folgen der Finanzialisierung in der Schweiz, wie die Initiative «Basel baut Zukunft» argumentiert. 

Auch Leilani Farha wies darauf hin, dass BlackRock als weltgrösster Investor und gleichzeitige Beraterin von Regierungen eine Doppelrolle hat und damit die Bedingungen, zu denen sie investieren kann, massgeblich mitbestimmt, während jene, die von den Entwicklungen betroffen sind, kaum Einfluss haben. Ein Blick auf die Verhältnisse in der Schweiz zeigt, dass die Lex Koller lange eine wichtige Hürde für ausländische Investor*innen setzte. Doch genügt das? Der Anstieg der BlackRock-Anteile am Schweizer Immobilienmarkt lässt daran zweifeln. Wie «Reflekt» vorrechnet, besass die Vermögensverwalterin 2010 noch Anteile an sechs verschiedenen Firmen im Wert von knapp 100 Millionen Schweizer Franken: «In den Jahren 2019 bis 2021 waren es rund 2 Milliarden auf 17 Firmen verteilt. Klar ist: Mit der massiven Zunahme haben sich auch die Gewinne vervielfacht, welche aus dem Schweizer Immobilienmarkt an den US-amerikanischen Vermögensverwalter geflossen sind. Und: BlackRock ist nur einer von vielen Investoren im Ausland, die direkt oder indirekt Anteile an Schweizer Immobilien besitzen.» 

Text: Lorenz Naegeli und Osama Abdullah

Fragwürdige Geschäfte mit Zwischennutzungen

Seraina Rohner in ihrer Schreinerei: Sie und Manuel Perriard dürfen bis 2027 bleiben. Bild: Isabel Plana

Der Zürcher Wohnungsmarkt ist so umkämpft, dass selbst mit Zwischennutzungen Geld gemacht wird. Am Sihlquai wurde den Mietenden gekündigt, um die Wohnungen zu einem höheren Preis befristet unterzuvermieten. Die Betroffenen haben sich gewehrt – mit Erfolg.

Es ist ein Kampf wie David gegen Goliath, der seit bald zwei Jahren am Zürcher Sihlquai ausgefochten wird: Auf der einen Seite zwei Mietshäuser, die, 1899 für die Fabrikarbeiter erbaut, von der Industriegeschichte Zürichs zeugen. Nebenan das übermächtige, mit seinen 118 Meter hohen Betonmauern fast schon bedrohlich wirkende Getreidesilo von Swissmill, das seit 2016 das Zürcher Stadtbild prägt. «Dort oben hat alles angefangen.» Seraina Rohner deutet zum Siloturm hoch. Sie steht in der Tür ihrer Schreinerei, die seit den 70er-Jahren im Erdgeschoss der Nummer 280 untergebracht ist. Als sie den Betrieb vor fünf Jahren mit einem Kollegen übernahm, hätte sie nicht gedacht, dass ihnen bald das Aus drohen könnte.

Es war Ende Oktober 2020, als Coop-Immobilien, Eigentümerin und Vermieterin der beiden Häuser, zu einem Info-Treffen in den Turm lud, um den Mieter*innen mitzuteilen, dass die total 15 Wohnungen und die Gewerberäumlichkeiten der Schreinerei demnächst gekündigt würden. Die Nachbarin Swissmill, eine Division der Coop Genossenschaft, brauche Platz für Büros und Labors, hiess es. Knapp einen Monat später folgte die schriftliche Kündigung der Wohnungen, und zwar bereits per Ende März 2021. Eine äusserst kurze Frist für die in bescheidenen Verhältnissen lebenden, teils langjährigen Mieterinnen, die bei den aktuellen Mietpreisen nicht so schnell eine passende Alternative finden würden. In der Zwischenzeit hatten diese sich bereits mobilisiert, um die beiden Wohnhäuser zu retten. Sie schrieben einen Brief an den Stadtrat, gingen an die Medien, organisierten eine Kundgebung.

Seraina Rohner war eine der treibenden Kräfte hinter diesem Widerstand. «Wir haben gleich nach der Mieter*innen-Info im Oktober den Kontakt zum Mieterinnen- und Mieterverband gesucht. Von den 15 Parteien haben dann 10 die Kündigung angefochten und eine Erstreckung verlangt.» Mit unterschiedlichem Ausgang. Manche erzielten mit Coop Immobilien aussergerichtlich einen Vergleich, eine Partei zog dafür bis vor Mietgericht. «Die anderen – vor allem ältere Mieterinnen – warteten das Schlichtungsverfahren nicht mehr ab und zogen aus, weil sie Angst hatten, am Schluss ohne Wohnung dazustehen», erinnert sich Rohner. Im April 2021 war gut die Hälfte aller Parteien ausgezogen.

David gegen Goliath: Vorne die beiden Wohnhäuser, hinten der Siloturm von Swissmill Bild: Isabel Plana

Ein Schlag ins Gesicht 

Anfang Mai machte eine Bekannte Rohner auf ein Wohnungsinserat aufmerksam. «Es waren Bilder von den Wohnungen am Sihlquai 280/282, vermietet wurden sie aber nur zimmerweise, befristet bis März 2022.» Und zwar nicht von Coop, der Eigentümerin, sondern von Intermezzo, einer Firma, die sich um die Zwischennutzung leerstehender Immobilien kümmert. «Wie wir später erfahren haben, waren die Zimmer überteuert im Vergleich zum früheren Mietzins. Und in manchen Wohnungen haben sie sogar eine zusätzliche Wand eingezogen, um noch mehr Zimmer vermieten zu können.» Rohner schüttelt den Kopf. «Das war natürlich ein Schlag ins Gesicht für die alten Mieter*innen, die innerhalb weniger Monate rausgedrängt wurden.»

Kurz darauf zogen die ersten neuen Bewohnerinnen ein, mehrheitlich Student*innen und junge Leute, die froh waren, überhaupt etwas Zahlbares in der Stadt gefunden zu haben. So wie Christoph Huber, der aus seiner alten WG ausziehen musste und auf die Schnelle etwas Neues brauchte. «Die Wohnung hat mir gut gefallen und die Lage auch, weil einige Freunde in der Nähe wohnen.» Als die Häuser wenige Tage nach der Wohnungsbesichtigung kurzzeitig besetzt wurden und er erfuhr, was dahintersteckte, zögerte Huber. «Im ersten Moment dachte ich, ich suche mir besser etwas anderes. Am Ende bin ich dann aber trotzdem eingezogen, nicht zuletzt deshalb, weil ich den juristischen Kampf der bestehenden Mieter*innen unterstützen wollte. Ich bin der Überzeugung, dass man sich dagegen wehren muss, dass günstiger Wohnraum verloren geht und mit Zwischennutzungen Profit gemacht wird.»

Eigentlich sind Zwischennutzungen ja eine gute Sache, das finden sowohl Seraina Rohner als auch Christoph Huber. Gerade in einer Stadt wie Zürich, wo bezahlbarer Wohnraum ein knappes Gut ist, ist es zu begrüssen, dass Wohnungen nicht über Monate oder Jahre bis zum Baubeginn leer stehen, sondern zu günstigen Konditionen verfügbar bleiben. Problematisch wird es dann, wenn Zwischennutzungen kommerzialisiert werden, wenn profitorientierte Firmen wie Intermezzo daraus ein Business machen – auf Kosten der Mieter*innen mit befristetem Vertrag – und darüber hinaus in Konkurrenz treten mit nichtgewinnorientierten, gemeinnützigen Institutionen. Es sei wegen der zusätzlichen Akteure im Zwischennutzungsmarkt in den letzten Jahren spürbar schwieriger geworden, Wohnraum zu mieten, sagt etwa Patrik Suter, Geschäftsführer des Jugendwohnnetzes Juwo, das jungen Menschen in Ausbildung günstige Wohnungen bietet.

Mangelnde Planungssicherheit als Grund

Dass das Geschäftsmodell von Firmen wie Intermezzo funktioniert, hat einerseits mit der Wohnungsnot – oder, besser gesagt, dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Zürich zu tun. Aber nicht nur. Der andere Grund ist ein juristischer. Hauseigentümer*innen befinden sich vor einem geplanten Bauprojekt in einem Clinch: Einerseits wollen sie ihre Liegenschaft nicht über längere Zeit unbewohnt lassen, wegen finanzieller Einbussen, aber auch weil dadurch, wie im Fall des Sihlquai 280/282, die Gefahr einer Hausbesetzung droht. Andererseits sind sie darauf angewiesen, dass am Tag des Baubeginns alle Parteien ausgezogen sind, damit die Arbeiten planmässig starten können. Darauf ist allerdings kein Verlass. «Denn Mieter*innen, auch solche mit befristeten Mietverträgen, haben das Recht, eine Erstreckung des Mietverhältnisses zu verlangen», erklärt Peter Nideröst, Vertrauensanwalt des MV, der die Betroffenen im Fall Sihlquai 280/282 vertritt. Bis ein Erstreckungsgesuch entschieden ist, können die Mieter*innen in der Wohnung bleiben – was ein Bauprojekt verzögert. Um diesem Problem beizukommen, wurde das Mietrecht um eine Bestimmung ergänzt, die eine Erstreckung bei befristeten Mietverträgen im Fall eines bevorstehenden Umbau- oder Abbruchvorhabens ausschliesst. «Allerdings ist diese Bestimmung so unklar und widersprüchlich formuliert, dass sie sich juristisch aushebeln lässt», sagt Nideröst. «Hauseigentümerinnen haben somit im Hinblick auf ihr Bauprojekt keine Planungssicherheit. Und das öffnet Tür und Tor für solche Konstrukte, wie wir sie beim Sihlquai sehen.»

Fragwürdiges Geschäftsmodell

Dieses Konstrukt sieht folgendermassen aus: Intermezzo springt als Hauptmieterin in die Bresche und vermietet die Wohnungen unter – gewinnbringend, versteht sich. Weil die Untermiete gemäss Gesetz nur für die Dauer des Hauptmietverhältnisses erstreckt werden kann, garantiert Intermezzo den Eigentümerinnen, dass die Liegenschaft zum Ende des Hauptmietvertrags leer ist und die Bauarbeiten planmässig starten können. Ein guter Deal für beide Seiten. Die Sache hat aber einen Haken. «Wenn eine Untermiete hauptsächlich dazu dient, den Kündigungsschutz zu umgehen – und das ist bei diesem Konstrukt von Intermezzo meiner Meinung nach der Fall –, können Untermieter*innen eine Erstreckung über das Hauptmietverhältnis hinaus verlangen», erklärt Nideröst.

Genau das haben Christoph Huber und fünf weitere Untermieter*innen des Sihlquai 280/282 gemacht. Die Sache wurde mit einem Vergleich beigelegt, Coop Immobilien zahlte ihnen eine finanzielle Entschädigung und gewährte eine Mieterstreckung bis Ende Juli. «Wir haben damit erreicht, dass Intermezzo das Versprechen an ihre Kundin – nämlich dass die Liegenschaft zum vereinbarten Zeitpunkt leer ist – nicht einhalten konnte. Ihr Image ist damit angekratzt», sagt Huber.

Showdown vor dem Mietgericht

Noch offen ist die Verhandlung des Anfangsmietzinses, den die sechs Untermieter*innen ebenfalls angefochten haben. Intermezzo vermietete praktisch alle Wohnungen zimmerweise unter, für 710 bis 790 Franken pro Zimmer – an Coop zahlte sie für die gesamte Wohnung jedoch nur 850 Franken. So gross sei der administrative Aufwand für die Untermiete nicht, dass sich eine solche Marge rechtfertigen liesse, findet Nideröst. «Zum überzogenen Mietpreis kommen noch formale Fehler im Untermietvertrag dazu, unter anderem hat Intermezzo den früheren Mietzins nicht angegeben.»

Christoph Huber (Name geändert) zog den Fall aus Überzeugung ans Mietgericht weiter. Bild: Isabel Plana

Die Chancen, dass die sechs Untermieter*innen mit ihrer Anfechtung Erfolg haben, stehen so gut, dass Intermezzo ihnen auch hier ein finanzielles Angebot für einen Vergleich gemacht hat. Drei Untermieter*innen haben das Angebot angenommen, die anderen drei nicht, sie ziehen den Fall weiter vors Mietgericht, so auch Christoph Huber – aus wohn- politischer Überzeugung, wie er sagt. «Mir geht es nicht um Geld, sondern darum, etwas zu verändern.» Peter Nideröst rechnet damit, dass Intermezzo ihr finanzielles Angebot erhöhen wird, um einen Vergleich zu erzielen. «Sie wollen um jeden Preis verhindern, dass es zu einem Urteil kommt. Denn dies hätte Signalwirkung und würde de facto das Aus für ihr Geschäftsmodell bedeuten.» Selbst wenn die drei verbleibenden Untermieter*innen am Ende doch noch auf einen Vergleich eingehen und damit auf ein Urteil verzichten sollten, hätten sie mit der Anfechtung einen wichtigen Teilerfolg erzielt, sagt der Anwalt. «Ich bin überzeugt, dass diesem Geschäftsmodell ein Riegel geschoben werden muss. Das gelingt aber nur, wenn sich die Leute auch bei Zwischennutzungen wehren, damit Fälle wie dieser ausgefochten und publik gemacht werden.»

Wie der Kampf zwischen David und Goliath in diesem Fall ausgeht, werden also spätestens die Verhandlungen am Mietgericht Ende Jahr zeigen. Das ultimative Ziel, die Wohnungen am Sihlquai 280/282 zu erhalten, mussten die Bewohner*innen bereits letztes Jahr begraben. Coop hat die Baubewilligung erhalten und diesen April mit den Bauarbeiten begonnen, obwohl drei Wohnungen noch bewohnt waren – zwei bis Ende Juli, eine sogar bis Ende September. Und auch die Schreinerei von Seraina Rohner und Manuel Perriard ist immer noch in Betrieb. Weil die Kündigung unzulässig gewesen wäre – innerhalb der ersten fünf Jahre ist im Geschäftsmietvertrag ein Kündigungsschutz festgeschrieben, und die Option auf Verlängerung wurde ebenfalls missachtet –, zog Coop Immobilien die mündliche Kündigung schnell wieder zurück. Die Schreinerei am Fluss kann noch bis 2027 bleiben. Das erschwert die Bauarbeiten, für die nun extra Verstärkungen und Sicherheitsvorkehrungen nötig sind, damit die Decke der Schreinerei nicht durchbricht. «Das fühlt sich für uns wie ein kleiner Triumph an», meint Seraina Rohner schmunzelnd.

*Name von der Redaktion geändert

Text: Isabel Plana

So geht das nicht!

Carlo Sommaruga, Präsident MV Schweiz

Es begann harmlos im Jahr 2020 mit einer Anfrage des Bundesamtes für Wohnungswesen (BWO), das uns treffen wollte, um «einen konstruktiven Diskussionsprozess über das gesamte Mietrecht» zu lancieren. Der MV reagierte positiv darauf. Im Juni 2021 organisierte das BWO dann einen runden Tisch. Wir waren dabei. Jedoch waren wir verärgert darüber, dass die Vertretung der Mietenden in einem Schwarm von Vertreter*innen der Immobilienwirtschaft unterging. Wie in der Arbeitswelt kann nur ein paritätischer Ansatz tragfähig sein. Wir waren auch erstaunt, dass die Arbeit auf einer Umfrage basierte, die zeigen sollte, dass das Mietrecht zu kompliziert und eine Vereinfachung gerechtfertigt sei. Kein Wort verlor diese verzerrte Umfrage dagegen über die zu hohen Mieten, die Nichtweitergabe von Hypothekarzinssenkungen an die Mietenden und die Massenkündigungen. Wir hatten gehofft, das BWO und Bundesrat Guy Parmelin würden den «konstruktiven Diskussionsprozess» neu ausrichten, indem sie die wirklichen Anliegen der Mietenden einbeziehen. 

Leider ist genau das Gegenteil eingetreten! Vor dem Sommer schlug uns das BWO die Teilnahme an einer «Expertengruppe» vor, deren einziges Ziel es ist, die bereits heute zu hohen Mieten zu legalisieren und die Anwendung der Marktmieten zu verstärken. Ein inakzeptabler Ansatz, der das geltende Recht aushebeln und zu einem allgemeinen Anstieg der Mieten führen würde. Zudem hätte die Arbeitsweise der Gruppe das Konsensprinzip ausgeschlossen und die Mietenden so von Anfang an in die Minderheit gedrängt. 

Der MV lehnt dieses Trauerspiel ab und beteiligt sich zurzeit nicht an der Arbeitsgruppe. Die Bundesverfassung zielt auf die Bekämpfung missbräuchlicher Mietzinse ab und nicht auf die allgemeine Erhöhung der Mieten durch das Gesetz des Marktes! 

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Fabian Gloor beantwortet Ihre Fragen

Meine Vermieterin hat mir gekündigt, weil sie meine Wohnung umbauen möchte. Kann ich mich gegen diese Kündigung wehren? 

Überprüfen Sie als Erstes, ob die Vermieterin Ihnen die Kündigung auf einem amtlich genehmigten Formular mitgeteilt hat. Andernfalls ist sie nichtig und das Mietverhältnis läuft einfach weiter. Auch eine formell korrekte Kündigung kann allerdings missbräuchlich sein. Nämlich dann, wenn sie besonders krass ist und damit gegen Treu und Glauben verstösst. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn die Vermieterschaft Ihnen aus Rache kündigt, weil Sie beispielsweise die Nebenkostenabrechnung beanstandet haben. Kündigungen im Hinblick auf Umbau- und Sanierungsarbeiten, die eine Weiterbenützung der Wohnung erheblich einschränken, sind grundsätzlich nicht missbräuchlich. Werden die geplanten Arbeiten durch Ihren weiteren Verbleib in der Wohnung aber überhaupt nicht oder nur leicht erschwert oder verzögert, dann hat die Vermieterin keinen schützenswerten Grund, Ihnen zu kündigen. Eine solche Kündigung wäre missbräuchlich. Auch eine «Kündigung auf Vorrat», die die Vermieterschaft ausspricht, bevor das betreffende Bauvorhaben überhaupt ausgereift ist, gilt als missbräuchlich. Darauf können Sie sich berufen, wenn zum Beispiel die Finanzierung des Bauvorhabens noch nicht gesichert ist, die Erteilung der erforderlichen Baubewilligungen fraglich ist oder noch keine detaillierten Pläne vorliegen. Fechten Sie die Kündigung unbedingt innert 30 Tagen nach Erhalt bei der Schlichtungsbehörde an. Die Schlichtungsbehörde nimmt dann das Bauprojekt des Vermieters genauer unter die Lupe. Sollte sich die Kündigung als berechtigt erweisen, gewähren Schlichtungsbehörden oder Gerichte meistens eine Erstreckung des Mietverhältnisses. So können Sie ein bisschen länger in der Wohnung bleiben. Voraussetzung ist, dass die Kündigung für Sie eine Härte darstellt. Eine solche liegt in der Regel bei einem knappen Wohnungsangebot vor. Um Ihre Chancen auf eine Erstreckung zu erhöhen, sollten Sie bereits anlässlich der Schlichtungsverhandlung belegen können, dass Sie aktiv nach einer neuen Wohnung gesucht haben, zum Beispiel anhand von Kopien von Bewerbungsschreiben oder Internetanfragen. 


Ich habe einen Mietvertrag für eine Neubauwohnung unterschrieben. Bei der Unterzeichnung befand sich die Wohnung noch im Bau. Morgen ist Mietbeginn, die Bauarbeiten sind jedoch nicht vollständig abgeschlossen und die Wohnung nicht bezugsbereit. Was kann ich tun? 

Ist Ihre Wohnung bei Mietbeginn nicht bezugsbereit, müssen Sie die Vermieterschaft mahnen und ihr eine Frist von ein bis zwei Tagen ansetzen, um die Wohnung in Ordnung zu bringen. Geschieht dies nicht, befindet sich die Vermieterschaft im Schuldnerverzug. Nun stehen Ihnen zwei Möglichkeiten offen: Sie können vom Mietvertrag zurücktreten oder darauf bestehen und auf einem baldigen Einzug beharren. In beiden Fällen muss die Vermieterschaft für einen allfälligen finanziellen Schaden aufkommen, etwa für Hotelübernachtungen oder das Einlagern von Möbeln. Sowohl das Ansetzen einer Nachfrist als auch einen allfälligen Rücktritt vom Vertrag sollten sie unbedingt mit eingeschriebenem Brief erklären. Da die Fristansetzung eilt, können Sie eine Mail schicken und diese nachträglich mit eingeschriebenem Brief bestätigen. Aber Achtung: Die Möglichkeit des Vertragsrücktritts haben Sie nur, wenn das Wohnen in der Wohnung unmöglich oder unzumutbar ist. Ist lediglich der Wohnkomfort eingeschränkt, haben Sie nur das Recht auf Mietzinsreduktion und Schadenersatz. In Ihrem Fall müsste man also genau untersuchen, in welchem Zustand sich die Wohnung befindet. Aus Beweisgründen sollten Sie die angetroffene Situation fotografieren und schriftlich dokumentieren. In Grenzfällen sollten Mieter*innen vorsichtig sein und nicht ohne vorgängige Beratung vom Mietvertrag zurücktreten. 

Ombudsstelle

Der Mieterinnen- und Mieterverband Deutschschweiz (MVD) hat seine Ombudsstelle neu besetzt. Neu wird das Amt von Catherine Berger und Raquel Pais ausgeübt.

Catherine Berger ist seit rund zwanzig Jahren als selbstständige Anwältin tätig. Sie habe früh festgestellt, dass gute und vor allem dauerhafte Lösungen eines Konflikts in der Regel nur möglich seien, wenn die Streitparteien gemeinsam eine Lösung finden, sagt sie. Bald nach ihrer Ausbildung zur Rechtsanwältin absolvierte sie deshalb eine Weiterbildung als Mediatorin. Heute besteht rund die Hälfte ihrer Arbeit aus Mediationen oder mediativer Beratung. Auch wenn sich Catherine Berger hauptsächlich mit dem Familienrecht befasst, kommt sie doch immer wieder mit dem Mietrecht in Berührung, da Wohnen ein Grundbedürfnis des Menschen abdeckt und gerade auch in familienrechtlichen Konflikten die Mietsituation wesentlich ist. 

Raquel Pais ist seit gut zehn Jahren als Rechtsanwältin tätig. Zunächst bei einer grossen Rechtsschutzversicherung, wo sie das erste Mal mit der Mediation in Verbindung kam. Dabei habe sie festgestellt, dass die Mediation zu nachhaltigen und annehmbaren Lösungen zwischen den Streitparteien führten, und beschloss, sich auf diesem Gebiet weiterzubilden. Seit rund vier Jahren ist Raquel Pais als Rechtsanwältin und Mediatorin in einer Anwaltskanzlei in Zürich tätig und insbesondere auf vertragliche Auseinandersetzungen (wie im Arbeits- und Mietrecht) und strafrechtliche Angelegenheiten spezialisiert. Darüber hinaus führt sie in diesen Bereichen, aber auch im Familienrecht – auf welches sie sich in der Mediationsausbildung spezialisiert hat – regelmässig Mediationen durch. 

Die Ombudsstelle des MVD wurde 2014 neu geschaffen und wird jeweils für die Dauer von zwei Jahren besetzt. Ihre Aufgabe ist es, bei Konflikten zwischen einem Mitglied und dessen Sektion zu vermitteln, wenn der interne Beschwerdeweg ausgeschöpft ist. Die Ombudsstelle kann auch von Nichtmitgliedern angerufen werden, die Dienstleistungen einer Sektion in Anspruch genommen haben. 

Reicht eine Person beim MVD oder direkt bei der Ombudsstelle mündlich, brieflich oder per Mail eine Beschwerde ein, wird die Ombudsstelle tätig. Sie prüft, ob sich die betreffende Sektion der beschwerdeführenden Person gegenüber rechtmässig, korrekt und fair verhalten hat. Nach Abschluss der Prüfung informiert die Ombudsstelle die Parteien über das Ergebnis und legt nach Möglichkeit einen Vermittlungsvorschlag vor. 

Lass die Sonne rein!

Storen sollten tagsüber hochgezogen sein, damit die Sonne reinkann. Bild: 123rf

Mieter*innen haben meist keinen Einfluss auf die Art ihrer Heizung. Mit den richtigen Tricks können sie aber trotzdem Energie sparen. 

Etwa 80 Prozent unserer Zeit verbringen wir in geschlossenen Räumen. Abgesehen von allfälligen Schadstoffen (Milben, Allergene oder Sauerstoffgehalt der Raumluft), auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll, sind es vor allem drei Faktoren, die bestimmen, ob wir uns im Raumklima wohlfühlen: die Temperatur, die Luftfeuchtigkeit und die Luftzirkulation. 

Ein grosses Thema wird diesen Herbst und Winter die Raumtemperatur sein: Was können wir selber tun, um den Energiekostenschub in Schach zu halten? Zunächst einmal können wir die natürliche Wärme nutzen, nämlich jene der Sonne. Ihre Einstrahlung wird stark unterschätzt; sie hilft beim Heizen kräftig mit. Lassen Sie darum die Sonnenstrahlen herein und öffnen Sie tagsüber unbedingt die Vorhänge und Rollläden. Gerade in modernen Wohnungen mit grossen Fensterflächen gibt das einen ordentlichen Wärmeeintrag, was die Heizung entlastet. 

Besser im Pullover statt im T-Shirt 

Energie sparen heisst die Raumtemperatur senken. Pro Grad können zwischen 5 und 7 Prozent der Energiekosten gespart werden. Tragen Sie darum besser einen Pullover, statt bei 25 Grad Zimmertemperatur im T-Shirt in der überheizten Wohnung zu sitzen. Dabei gilt auch: Nicht alle Räume müssen gleich warm sein. Im Schlafzimmer kann es durchaus deutlich kühler sein als im Wohnzimmer. Wenn tagsüber niemand zu Hause ist, kann die Temperatur ebenfalls abgesenkt werden, ebenso in der Nacht. Die «richtige» Raumtemperatur liegt zwischen 18 und 21 Grad, wobei die Empfehlung des Bundesamtes für Energie im Moment bei 19 bis maximal 20 Grad liegt. 

Die Temperatur lässt sich am Thermostatventil regulieren. Smarte Heizkörperthermostaten können heute aus der Ferne per Handy bedient werden. Gewisse Modelle beziehen sogar die Wettervorhersagen bei der Regulierung der Raumtemperatur mit ein. Unsere Tipps zu unterschiedlichen Temperaturen innerhalb von 24 Stunden: in der Nacht die Wohnungstemperatur auf 16 bis 17 Grad senken; morgens 19 Grad; während der Abwesenheit (Arbeits-/Schulzeit) 16 Grad, am späten Nachmittag und Abend 19 bis maximal 21 Grad. Bei längerer Abwesenheit kann man die Temperatur bis auf 8 Grad (Frostschutz) absenken. 

Luftfeuchtigkeit regulieren 

Die Luftfeuchtigkeit ist im Winter ein wichtiges Thema. Die Wohnung sollte nicht zu trocken sein, denn das reizt die Schleimhäute, aber auch nicht zu feucht: Das kann zu Schimmel führen. Die optimale Feuchtigkeit liegt zwischen 35 und 50 Prozent. Sollte es bei Ihnen zu trocken sein, scheuen Sie sich nicht, die Wäsche im Zimmer zu trocknen oder nach dem Duschen die Badezimmertür zu öffnen. Auf diese Weise kann man sich den Luftbefeuchter sparen. Geht es doch nicht ohne, finden Sie die effizientesten Modelle auf www.topten.ch/ luftbefeuchter. Bei zu grosser Feuchtigkeit ist kurzes Stosslüften angesagt, besonders nach Feuchtigkeit produzierenden Tätigkeiten wie Kochen oder Duschen. 

Kein Kippfenster! 

Apropos richtig lüften: Am besten regelmässig morgens und abends wenige Minuten querlüften. Dabei sollten alle Fenster gleichzeitig geöffnet werden. Was man niemals tun sollte, ist, das Kippfenster offen zu lassen, etwa im Badezimmer oder in der Küche. Der Wärmeverlust ist enorm. Man heizt praktisch zum Fenster hinaus. Ausnahme: Nachts im Schlafzimmer kann man lüften, um den vom Menschen produzierten Wasserdampf abzuführen und das Raumklima angenehm zu halten. Dabei sollte aber die Türe zu den anderen Räumen geschlossen sein. Weitere Tipps unter www.topten.ch/heizen.

Text: Stefan Hartmann, Topten

 

Verfressene Seiltänzerinnen

Die Speispinne (Scytodes thoracica).

In der Schweiz leben etwa tausend Spinnenarten. Das trockene Klima unserer Wohnungen mögen aber nur die wenigsten von ihnen. Ein Überblick. 

Auch wenn viele von uns den achtbeinigen Seiltänzerinnen mit Ekel oder Abscheu begegnen – Spinnen sind ein wichtiger Teil unseres Ökosystems. Zusammen mit den Skorpionen, den Milben und den Weberknechten bilden sie die Klasse der Spinnentiere. Sie haben sich an fast jeden Lebensraum der Erde angepasst – den Urwald, die Wüste oder die Berge. Ja, sogar unter Wasser hat sich eine Art angesiedelt: die Wasserspinne (Argyroneta aquatica). Da erstaunt es nicht, dass sich einige Arten 

auch in unseren Häusern wohl fühlen. Die Spinne im Haus verringert die Anzahl der unliebsamen Fliegen und Mücken, denn wo immer sie sich niederlässt, tut sie dies, um zu fressen. Pro Jahr vertilgen die kleinen Tierchen weltweit über 400 Millionen Tonnen Insekten. 

Nur wenige leben drinnen 

Von den rund tausend in der Schweiz heimischen Spinnenarten gibt es allerdings nur sehr wenige, die langfristig im trockenen Klima von geheizten Wohnungen überleben können. Die Kugelspinne (Steatoda bipunctata) ist eine Ausnahme: Sie quartiert sich oft direkt unter Heizkörpern ein. 

Viele der in Häusern lebenden Spinnen stammen ursprünglich aus wärmeren Regionen. Ihnen ist es draussen im Winter schlicht zu kalt. Ein klassisches Beispiel ist die Grosse Zitterspinne (Pholcus phalangioides).

Die Grosse Zitterspinne (Pholcus phalangioides).

Ursprünglich aus den asiatischen Subtropen eingewandert, hat diese langbeinige Spinne ganz Europa erobert. Mit ihren langen, dünnen Gliedmassen und dem kleinen Körper wird sie oft mit Weberknechten verwechselt. Die Zitterspinne ist trotz ihrer Zierlichkeit eine gefürchtete Jägerin und macht sogar Jagd auf viel grössere Spinnen, wie zum Beispiel die Hauswinkelspinne, oft auch einfach als Hausspinne bezeichnet. Von ihr gibt es zwei Arten: die grössere Eratigena atrica und die kleinere Tegenaria domestica. Sie kommen bei uns auch im Freien vor. Da sie gerne kühle Nischen und Höhlen haben, bieten ihnen insbesondere unsere Keller ein ideales Umfeld. Die Hausspinnen gehören zu den Trichterspinnen. Sie bauen grosse, dichte Netzteppiche in Zimmerwinkeln. Diese Netzteppiche haben immer irgendwo einen Ausgang in Form eines Trichters, daher der Name. Bei den dunkelbraunen, haarigen Spinnen, die wir häufig im Spülbecken oder in der Badewanne finden, handelt es sich meist um Hausspinnenmännchen, die auf der Suche nach einer Partnerin abgerutscht sind. 

Spucken als Waffe 

Spannend, aber oft übersehen ist die Speispinne (Scytodes thoracica), die ursprünglich aus dem Mittelmeerraum stammt. Diese kleine, nachtaktive Spinne schleicht durch unsere Häuser und jagt ihre Beute auf wunderliche Weise: Sie pirscht sich an eine Fliege heran, spuckt dann klebrige Fäden auf das Insekt und fesselt es so an den Boden. Dieses Schauspiel lässt sich beobachten, wenn man eine Speispinne zusammen mit einer Fliege in ein Glas sperrt. 

Die Kräuseljagdspinne (Zoropsis spinnimana, linke Seite oben) ist erst vor kurzem ebenfalls aus dem Mittelmeerraum eingewandert. Sie baut kein Netz, sondern versteckt sich tagsüber in einer dunklen Spalte, einem Ersatz für das Baumrindenversteck, welches sie in freier Natur bevorzugt. Nachts geht sie auf die Jagd. Die Kräuseljagdspinne ist eine der wenigen Spinnen in der Schweiz, deren Biss stark genug ist, um die menschliche Haut zu durchdringen. Das Gift ist für den Menschen nicht lebensbedrohlich, kann aber Irritationen und Schwellungen verursachen, vergleichbar mit einem Wespenstich. Zu solchen Bissen kommt es aber nur, wenn wir die Spinne in die Enge drängen. Das kann beispielsweise beim Anziehen von Schuhen oder Kleidern der Fall sein, die sich die Kräuseljagdspinne als Versteck ausgesucht hat. Wie alle bei uns vorkommenden Spinnen geht sie uns aber möglichst aus dem Weg. 

Die Kräuseljagdspinne (Zoropsis spinnimana).

Lärmender Albtraum Mensch 

Das am meisten ausgeprägte Sinnesorgan der Spinne sind die mit Nerven versetzten Haare, mit denen ihre Beine überzogen sind. Damit kann sie die kleinsten Vibrationen, Druck- und Temperaturveränderungen wahrnehmen. Der Mensch mit seinem ständig schlagenden Herzen und seiner Atmung ist darum sogar schlafend noch ein lärmender Albtraum für jede Spinne – womit hier auch der Mythos, dass Spinnen in der Nacht in unsere Münder krabbeln, entkräftet wäre. 

Neben den ganzjährig anwesenden achtbeinigen Mitbewohnerinnen gibt es einige, die nur saisonal zu Gast sind. Gerade im Sommer, wenn die Fenster geöffnet sind, schlüpfen Springspinnen, die an der Aussenwand jagen, gerne in die kühle Stube. Auch wenn das Licht am Abend Insekten anzieht, sind die Spinnen oft nicht weit. Jedoch verlassen sie unser Haus schnell wieder. Im Herbst sind viele Spinnenmännchen auf Brautschau und lassen auf ihrer Suche nach einer Partnerin keinen Winkel aus, auch nicht unsere Häuser. Auch sie ziehen aber weiter, sofern sie den Weg nach draussen wieder finden. 

Lavendel und Minze mögen sie nicht 

Wer keine Spinnen im Haus möchte, sollte sie in erster Linie am Eindringen hindern. Fliegengitter vor den Fenstern und kurzes Stosslüften statt des Kippfensters können hilfreich sein. Hat sich eine Spinne angesiedelt, fängt man sie am besten mit einem Glas ein, indem man ein Stück Karton unter Glas und Spinne schiebt, sie so nach draussen befördert und mit genügend Distanz zum Haus wieder freilässt. Auch wenn man ihr Netz wiederholt zerstört, verleidet es der Weberin oft nach einer Weile, und sie sucht sich ein neues Plätzchen. Der Einsatz des Staubsaugers ist dagegen zu vermeiden, da die Spinne durch das Einsaugen oft stark verletzt wird und dann langsam und qualvoll verendet. Auch von den meisten Spinnensprays ist abzuraten. Die chemischen Inhaltsstoffe können nicht nur für Spinnen schädlich sein, sondern auch für uns und unsere Haustiere. Alternativ kann man sich mit Duftstoffen wie Minze oder Lavendel und Wasser einen eigenen Spray herstellen. Spinnen können nämlich auch riechen, und offenbar mögen sie nicht dieselben Gerüche wie wir.

Achtung QR-Code!

Auf Ende September gibt es im Schweizer Zahlungsverkehr eine Umstellung: Ab dem 1. Oktober können nur noch Zahlungen mit einem QR-Code ausgeführt werden. Die herkömmlichen orangen und roten Einzahlungsscheine werden ab diesem Zeitpunkt nicht mehr verarbeitet. Achtung: Die neue Praxis hat insbesondere auch einen Einfluss auf Daueraufträge, die auf Einzahlungsscheinen basieren. Wer die Miete also per Dauerauftrag bezahlt, muss diesen unter Umständen anpassen – dann nämlich, wenn nur eine Kontonummer angegeben ist. Ist jedoch eine IBAN oder eine QR-IBAN hinterlegt, muss nichts geändert werden, der Dauerauftrag wird auch nach der Umstellung auf QR-Rechnung verarbeitet.

Die neuen QR-Rechnungen für die Zahlung der Miete müssen von der Verwaltung zur Verfügung gestellt werden. Wer bis jetzt keine QR-Rechnung erhalten hat, sollte deshalb unbedingt nachfragen. Sollte keine Reaktion erfolgen, lohnt sich eine zweite Nachfrage per eingeschriebenen Brief. Ab dem 1. Oktober werden Mietzinse, die mit herkömmlichem Einzahlungsschein eingezahlt werden, laut der Post nicht mehr überwiesen. Rechtlich gesehen befinden sich Mieter*innen in Zahlungsrückstand, wenn sie die Miete nicht bezahlen. Kein Zahlungsrückstand liegt jedoch vor, wenn er von der Vermieterschaft selber verschuldet ist, weil sie auch auf Nachfrage keine neuen Einzahlungsscheine geliefert hat.

News

Eigenmietwert: Nächste Runde 

In der kommenden Session debattiert der Nationalrat einmal mehr über die Zukunft des Eigenmietwerts. Die vorberatende Kommission will eine Maximalvariante zugunsten der Wohneigentümer*innen: die Abschaffung des Eigenmietwerts bei gleichzeitiger Beibehaltung der Steuerabzüge für Unterhalt und Schuldzinsen. Der Ständerat hatte zuvor noch für einen Kompromiss votiert, der nur noch sehr wenige Abzugsmöglichkeiten erlaubt hätte. Für den Bund hätte die Variante der Nationalratskommission Mindereinnahmen von rund vier Milliarden zur Folge. Falls der Nationalrat das Geschäft so annimmt, dürfte es zu einem Referendum kommen. Das letzte Wort dürften also die Stimmberechtigten haben. 

Grosse Nachbarschaftsstudie 

Die meisten Bewohner*innen der Schweiz haben zwar ein eher distanziertes Verhältnis zu ihren Nachbar*innen. Sie bringen ihnen aber dennoch einen grossen Vertrauensvorschuss entgegen. Das zeigt eine repräsentative Umfrage des Gottlieb-Duttweiler-Instituts GDI. Obwohl die meisten Befragten ihre Nachbar*innen nach eigener Einschätzung nicht gut kennen, fühlen sich drei Viertel in ihrer Nachbarschaft sicher, und es geben fast 90 % an, den Nachbar*innen zu vertrauen. Die Studie «Hallo Nachbar*in. Die grosse Schweizer Nachbarschaftsstudie» existiert in Deutsch, Französisch und Italienisch und kann kostenlos heruntergeladen werden unter gdi.ch/nachbarschaft2022

Rekordzuwachs bei Photovoltaik 

Gemäss der Mitte Juli vom Bundesamt für Energie veröffentlichten «Statistik Sonnenenergie» für das Jahr 2021 ist der Photovoltaik-Zubau in der Schweiz gegenüber dem Vorjahr um 43 Prozent auf einen neuen Rekordwert angestiegen. In der ersten Hälfte des Jahres 2022 lieferten Photovoltaik-Anlagen 6,5% des benötigten Stroms in der Schweiz. Damit konnten sie einen massgeblichen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten, insbesondere während der aufgrund leerer Stauseen besonders kritischen Monate März und April.