Durch das richtige Verhalten können wir viele Brände verhindern. Das sollten Sie als Mieter*in dazu wissen.
In der Schweiz ereignen sich jedes Jahr rund 10 000 Brände in Gebäuden mit vielen Toten, noch mehr Verletzten und einer Schadenssumme von über 310 Millionen Schweizer Franken. Im besten Fall sind die Folgen eines Brandes klein. Oft aber lassen sich dessen Auswirkungen nur mit aufwändigen Sanierungsarbeiten beseitigen. Der Geruch des Rauchs erinnert noch wochenlang an das Unglück, während persönliche Gegenstände für immer verloren sind – das Hochzeitsfoto, die Lieblingspuppe der Tochter, Fotoalben, Schulzeugnisse oder Kinderzeichnungen. Werte, die zum Teil zwar versichert sind, nie aber ersetzt werden können.
Viele Brände sind auf unsere Unachtsamkeit und Fahrlässigkeit zurückzuführen. Kurz: Sie wären vermeidbar gewesen. Umso wichtiger ist es, dass wir die Gefahren erkennen und korrekt damit umgehen lernen.
So reagieren Sie richtig, wenn es brennt
Beim Anblick eines Feuers geraten viele Menschen in Panik. Aber gerade dann ist es wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren und richtig zu reagieren.
Rufen Sie bei Bränden immer zuerst die Feuerwehr 118. Zu oft wird diese erst nach einem fehlgeschlagenen Löschversuch alarmiert, wodurch wertvolle Minuten verloren gehen. Wählen Sie daher lieber einmal zu viel den Notruf als einmal zu wenig. Danach sollen Mitmenschen und Tiere gerettet werden. Und erst am Schluss soll versucht werden, kleinste Brände selbst zu löschen. Verlassen Sie jedoch die Gefahrenzone sofort, wenn Sie das Feuer nicht löschen können. Und ganz wichtig: Bringen Sie sich nie selbst in Gefahr. Mehr Infos hier.
Elektrische Geräte als häufige Ursache
Die meisten Haus- und Wohnungsbrände gehen von der Elektrizität aus. Elektrische Geräte sind täglich im Gebrauch. Kühlschränke, Tumbler oder Mehrfachstecker können schnell zur Brandursache werden, wenn sie alt oder defekt sind beziehungsweise nicht korrekt betrieben werden.
5 Sicherheits-Tipps zu elektrischen Geräten
Kontrollieren Sie Geräte und Kabel regelmässig auf Verschleisserscheinungen und Kabelbruch. Ersetzen Sie fehlerhafte Materialien sofort.
Lassen Sie den Herd beim Kochen nie unbeaufsichtigt.
Benutzen Sie das Kochfeld nicht als Ablagefläche.
Sind Deformierungen, Risse oder Blähungen an Akkus zu sehen, sollten Sie diese auswechseln und nicht mehr laden.
Prüfen Sie regelmässig, ob die verwendeten Steckdosen sowie die Mehrfachstecker und Steckdosenleisten nicht überlastet sind. In der Regel sind sie nur für eine Leistung bis 2300 Watt konzipiert.
Mit den wärmeren Temperaturen steigt auch die Lust auf ein feines Menü vom Grill. Um sich und andere nicht zu gefährden, ist der richtige Umgang mit Grillfeuer wichtig.
5 Sicherheits-Tipps zum Grill
Stellen Sie den Grill standfest auf eine stabile Unterlage im Freien.
Entfernen Sie Brennbares mindestens 1 Meter weit vom Grill.
Verwenden Sie keine flüssigen Brandbeschleuniger. Anzündwürfel oder Brennpaste ist sicherer.
Lassen Sie die Asche mindestens 48 Stunden auskühlen, bevor Sie diese entsorgen.
Kontrollieren Sie beim Gasgrill, ob alle Leitungen, Anschlüsse und Dichtungen in Ordnung sind.
Für das Grillieren auf dem Balkon sind Elektro- und Gasgrills die bessere Wahl. Dies, weil die Rauchentwicklung kleiner ist und zudem keine Gefahr von Funkenflug besteht. Besonders wichtig ist auf dem Balkon, dass der Abstand von einem Meter zu Brennbarem eingehalten wird.
Lesen Sie vorgängig im Mietvertrag oder in der Hausordnung, ob in Ihrem Gebäude das Grillieren auf dem Balkon überhaupt erlaubt ist.
Bei Bränden werden Hauseingänge und Treppenhäuser zu Fluchtwegen für die Bewohner*innen. Für Feuerwehr, Sanität oder Polizei wiederum sind sie Rettungswege. Daher ist es wichtig, dass diese Orte sicher und frei von brennbaren Materialien sind. Die schweizweit gültigen Brandschutzvorschriften schreiben Folgendes vor:
Hauseingänge, Treppenhäuser, Zwischenpodeste, Nischen, Stauräume unter Treppen, Korridore und Vorplätze sind jederzeit frei und sicher benutzbar zu halten. Diese Orte dürfen keinem anderen Zweck dienen. Eine Wohnung darf also nicht ins Treppenhaus erweitert werden.
Die Durchgangsbreite darf nicht eingeschränkt werden und muss mindestens 1,20 m betragen.
Gegenstände wie Kinderwagen, Velos, Möbel und Garderoben gehören nicht ins Treppenhaus.
Das Lagern von brennbaren Materialien wie Altpapier, Brennholz oder Gasflaschen ist nicht erlaubt.
Löscheinrichtungen müssen jederzeit ungehindert benutzbar sein und gemäss Herstellerangaben periodisch gewartet werden.
Brandschutztüren immer schliessen und freihalten. Sie dürfen weder permanent festgebunden bzw. verkeilt noch blockiert werden.
Rechtslage bei Wohnungsbrand Durch einen Wohnungsbrand verursachte Schäden werden durch verschiedene Versicherungen gedeckt: • Schäden am Gebäude sowie meist auch am Innenausbau und an den Installationen im Haus werden von der Gebäudeversicherung übernommen • Schäden am Mobiliar der Mieterschaft sind durch deren Hausratsversicherung gedeckt
Bezüglich der mietrechtlichen Folgen eines Wohnungsbrandes kommt es darauf an, ob die Wohnung vollständig oder nur teilweise zerstört wurde und wer den Brand zu verantworten hat.
Vollständige Zerstörung der Wohnung: • Wurde die Wohnung durch den Brand vollständig zerstört und trägt weder die Vermieterschaft noch die Mieterschaft Schuld am Brand, so endet das Mietverhältnis und mit ihm die gegenseitigen Ansprüche. Die Mieterschaft muss ab sofort keine Miete mehr bezahlen. Die Vermieterschaft muss der Mieterschaft im Gegenzug auch keine Ersatzwohnung zur Verfügung stellen. • Hat die Mieterschaft den Brand verschuldet, so schuldet sie den Mietzins bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin. Zudem kann sie von der Vermieterschaft oder deren Versicherungen für den entstandenen Schaden belangt werden. • Trägt dagegen die Vermieterschaft nachweisbar die Schuld am Brand, hat die Mieterschaft Anspruch auf eine Mietzinsreduktion und Schadenersatz, z. B. für verbrannte persönliche Gegenstände oder für die entstandenen Mehrkosten für eine Ersatzunterkunft. Hat die Mieterschaft dagegen keineLust, den Wiederaufbau der Wohnung abzuwarten, kann sie den Mietvertrag auch fristlos kündigen.
Teilweise Beschädigung der Wohnung: • Unabhängig davon, ob die Vermieterschaft eine Schuld am Brand trifft oder nicht, muss sie den Vertrag erfüllen und die Wohnung weiter zur Verfügung stellen. Während der Zeit der Renovation und Instandstellung hat die Mieterschaft Anspruch auf eine Mietzinsreduktion. Deren Höhe ist abhängig davon, wie stark die Nutzung der Wohnung eingeschränkt ist. Ist die Wohnung vorüber- gehend unbewohnbar, beträgt die Mietzinsminderung 100 %. • Wenn die Mieterschaft selber die Schuld am Brand trägt, so hat sie keinen Anspruch auf eine Mietzinsreduktion. Vielmehr muss sie mit Schadenersatzforderungen vonseiten der Vermieterschaft oder deren Versicherungen rechnen
Die nächste Hitzewelle kommt bestimmt. Darum macht es Sinn, sich bereits jetzt darauf einzurichten.
An längere heisse Sommerperioden müssen wir uns gewöhnen, weil sie immer häufiger werden. Gerade die verdichtet gebauten Siedlungsgebiete sind stärker betroffen, weil sich hier aus Mangel an Grüninseln und wegen des grossen Anteils an Asphalt und Beton die Hitze staut. Hohe Temperaturen können uns arg zusetzen und nachts um den Schlaf bringen. «Wir müssen lernen, mit der zunehmenden Hitze umzugehen», sagt Nadja Gross von Topten, «mit entsprechenden Verhaltensregeln kann man aber oft Abhilfe schaffen.»
Früh lüften und dann beschatten
Einfache Massnahmen helfen, die Hitze besser zu ertragen. Dazu gehört das gründliche Lüften in der Nacht sowie in den frühen Morgenstunden in Zimmern auf der nicht besonnten Hausseite. Ferner gilt es, sobald die Sonne da ist, besonnte Fenster oder Balkone mit Fensterläden, Lamellenstoren, Rollläden, Markisen oder Sonnenschirmen zu beschatten und die Fenster dort zu schliessen. Viele weitere Tipps finden sich auf der Topten-Website; gute Ratschläge hält auch die Broschüre «Cool bleiben» von Energieschweiz bereit. In dieser werden auch Massnahmen für das Büro berücksichtigt. Denn Hitze am Arbeitsplatz lähmt den Arbeitsfluss. Viel Wasser trinken und leichte Kleidung ist angesagt. Elektrische Geräte, die grad nicht gebraucht werden (wie PC, Kopiergeräte, Drucker, Leuchten), sollten abgeschaltet werden, denn sie heizen mit ihrer Abwärme das Büro zusätzlich auf.
Klimageräte nur als letzte Lösung
Kaum ist die Hitzewelle da, stürzen die Leute in der Hoffnung auf schnelle Abhilfe ins Kaufgeschäft, um sich ein Klimagerät zu beschaffen, auch wenn diese Geräte in der Anschaffung viel Geld kosten. Auch bei der Nutzung fallen hohe Stromkosten an. Fachleute raten entschieden von sogenannten Kompakt- Klimageräten ab. Bei diesen handelt es sich um mobile Klimageräte, die mit einem Schlauch die Warmluft des Wohnraums aus dem spaltbreit geöffneten Fenster abführen. Durch dieses dringt allerdings wiederum heisse Luft von draussen ins Wohnungsinnere und der Kühleffekt verpufft weitgehend. Was bleibt, sind der Lärm des Geräts in der Wohnung und eine saftige Stromrechnung. «Kompaktgeräte sind energetisch problematisch und in Zeiten hoher Stromkosten wenig sinnvoll», sagt Nadja Gross.
Eine technische Lösung, die von längerer Hand vorbereitet werden muss, sind fest installierte Klimageräte (Splitgeräte), die an der Aussenseite der Wohnung angebracht werden. Sie sind allerdings nicht ganz billig und können beispielsweise in Mietwohnungen auch nicht einfach in eigener Regie installiert werden; es braucht das OK der Vermieterschaft für die Umsetzung dieser baulichen Massnahme. «Wenn doch mit einem Klimagerät gekühlt wird, sollte die Temperatur nicht übertrieben abgesenkt und nur in dem Raum gekühlt werden, in dem man sich tatsächlich aufhält; alle Fenster sollen geschlossen sein», betont Nadja Gross.
Ventilatoren schaffeneffizientund günstigAbhilfe
Viel weniger Energie als Kühlgeräte benötigen Ventilatoren, nämlich 30 Watt gegenüber 1000 Watt bei Kühlgeräten. Und sie kosten auch bedeutend weniger; bereits für 40 Franken sind gute Geräte erhältlich. Der Luftstrom kühlt angenehm und verhindert die Schichtung (heisser) Luft im Raum. Besonders effizient sind fest installierte Deckenventilatoren mit grossen Flügeln. Sie drehen langsam und verursachen kaum Lärm. Es gibt sogar Modelle mit eingebautem Deckenlicht. Mobile Modelle für auf den Tisch oder in Ständerausführung haben meist eine Stufenschaltung und eine Schwenkfunktion. Sogenannte Turmventilatoren sind schlank und optisch wenig auffällig; sie erzeugen allerdings einen kleineren Luftstrom und sind weniger effizient als Standventilatoren; dafür haben sie einen angenehmen, gleichmässigen Luftstrom. Verschiedene von Topten geprüfte Ventilator-Modelle sind auf der Websitemiteinander vergleichbar.
Gemeinsam mit dem Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) hat der Schweizerische Städteverband (SSV) bei seinen Mitgliedern eine wohnungspolitische Umfrage gemacht. Die drei zentralen Erkenntnisse: Der Wohnraum ist knapp; es fehlt an verfügbarem Bauland; das Vorkaufsrecht gilt als zentrale Massnahme gegen die Wohnungsknappheit. Gut zwei Drittel der Städte gaben an, das Wohnungsangebot sei «etwas zu klein» oder «viel zu klein». Ein wichtiges wohnungspolitisches Ziel ist das preisgünstige Wohnen. Das Problem sei aber, dass zu wenig verfügbares Bauland vorhanden sei (80 Prozent), die Verfahren lang und kompliziert seien und das Interesse der privaten Investoren fehle (je 50 Prozent). Viele der Städte würden gerne mehr Land erwerben, die Preise am freien Markt seien aber zu hoch. Handlungsbedarf sehen sie auch bei der Bundespolitik. Als mögliche Gesetzesänderungen wurde am häufigsten ein Vorkaufsrecht von Bauland und Liegenschaften genannt (80 Prozent), gefolgt von der Mitteilung der Vormiete (70 Prozent).
Erneut mehr Schlichtungen
Im zweiten Halbjahr 2022 sind die Schlichtungen schweizweit um 6 Prozent angestiegen. In etwas mehr als der Hälfte der Fälle konnte zwischen den Parteien eine Einigung erzielt werden. Häufigste Gründe waren Kündigungen und Zahlungsforderungen (zusammen 30 %). Auffällig im gesamten Jahr war der Anstieg der Schlichtungen aufgrund von Streitigkeiten wegen Mietzinserhöhung (plus 7,2 %).
Angst vor Verdrängung
Ende Mai hat das Online-Magazin «Tsüri.ch» eine Umfrage zum Thema Wohnungsnot publiziert, an der sich knapp 10 000 Zürcher*innen beteiligt haben. Auf eine ETH-Studie angesprochen, gemäss der Personen mit tiefen Einkommen, Familien und Migrant*innen zunehmend aus der Stadt verdrängt werden (vgl. M+W 2/23, «Endlich Zahlen zur Verdrängung»), gaben 92 Prozent an, dies würde ihnen Sorgen bereiten. Rund 60 Prozent der Befragten glauben ausserdem, sich beim nächsten Umzug keine Wohnung mehr in Zürich leisten zu können.
MV-Rechtsberater Fabian Gloor rät, eine Mietzinserhöhung im Zweifelsfall anzufechten. Bild: Reto Schlatter
(Anmerkung der Redaktion: Das Interview wurde Ende 2022 geführt. In der Zwischenzeit ist der Referenzzinssatz auf 1,5 % angestiegen. Mehr dazu lesen Sie hier.)
Wann darf die Miete wegen Referenzzinssatz und Teuerung erhöht werden? Und um wie viel? Und was sollen Mietende tun, wenn sie eine Mietzinserhöhung erhalten? M+W hat mit dem MV-Mietrechtsspezialisten Fabian Gloor eine Auslegeordnung gemacht.
M+W: Fabian Gloor, können Sie uns erklären, warum ein Anstieg des Referenzzinssatzes und der Teuerung zu höheren Mieten führt?
Fabian Gloor: Gerne. Wenn man einen Mietzins berechnet, legt man fest, auf welchen Kostenständen dieser basiert. Zu diesen Kostenständen gehören unter anderem der Referenzzinssatz und die Teuerung. Diese beiden Faktoren sind aber nicht fix, sondern ändern ständig. Das Gesetz erlaubt deshalb, den Mietzins an die veränderten Faktoren anzupassen. Wenn sie steigen, können auch die Mieten erhöht werden.
Gibt es weitere Faktoren, die zu einer Erhöhung der Miete führen können?
Ja. Die Miete kann auch an die allgemeine Kostensteigerung angepasst werden, wenn der Unterhalt teurer wird oder wenn Gebühren oder Versicherungsprämien ansteigen. Eine weitere Möglichkeit zur Erhöhung entsteht, wenn wertvermehrende Investitionen in die Liegenschaft getätigt werden. Wir dürfen aber nicht vergessen: Wenn einer der genannten Faktoren sinkt, haben die Mieter*innen genauso ein Anrecht auf eine Senkung der Miete.
Darauf würde ich gerne später zurückkommen. Beginnen wir mit der Teuerung: Inwieweit kann sie auf die Mieten überwälzt werden?
Gemäss Gesetz dürfen 40 Prozent der Teuerung auf die Mieten überwälzt werden. Und zwar weil man – egal, ob es den Tatsachen entspricht oder nicht – davon ausgeht, dass Hausbesitzer*innen den Kauf einer Liegenschaft mit 60 Prozent Fremdkapital und 40 Prozent Eigenkapital finanzieren. Auf dem Eigenkapital darf die Teuerung geltend gemacht werden, darum die 40 Prozent.
Das heisst also konkret: Wenn die Teuerung 3,5 Prozent beträgt, darf meine Miete um 40 Prozent von 3,5 Prozent erhöht werden, also um 1,4 Prozent?
Genau.
Kann meine Miete jederzeit erhöht werden, sofern die Teuerung steigt?
Im Prinzip schon. Ihre Vermieterin ist aber an die Kündigungsfrist gebunden und muss zu dieser zusätzlich 10 Tage als Bedenkfrist dazurechnen. Nötig sind auch ein offizielles Formular und eine nachvollziehbare Begründung der Erhöhung. Sie als Mieterin haben im Gegenzug die Möglichkeit, die Erhöhung innert 30 Tagen anzufechten.
Wie kann ich als Mieterin überprüfen, ob eine teuerungsbedingte Erhöhung meines Mietzinses rechtens ist?
Zuerst müssen Sie herausfinden, auf welcher Teuerung Ihre aktuelle Miete überhaupt beruht. Ist es immer noch diejenige, die bei Vertragsschluss festgelegt wurde? Oder gab es bereits einmal eine Erhöhung oder Senkung oder sogar eine gerichtliche Festsetzung? Wenn man den gültigen Wert einmal gefunden hat, kann man einfach ausrechnen, ob die aktuelle Teuerung tatsächlich höher ist und, wenn ja, ob die Mietzinserhöhung dem Anstieg entspricht.
Kann ich auch umgehend eine Senkung verlangen, sobald die Teuerung wieder sinkt?
Ja, das können Sie. Natürlich müssen auch Mietende die vertragliche Kündigungsfrist und den Kündigungstermin beachten.
Bei einer Miete von 2000 Franken pro Monat macht eine Erhöhung um 1,4 Prozent 28 Franken aus. Erhöhen Hausbesitzer*innen wegen 28 Franken die Miete?
In der Rechtsberatung hatte ich bis jetzt noch keinen entsprechenden Fall. Ich habe aber von Siedlungen Kenntnis, bei denen die Mieten vor kurzem der Teuerung angepasst wurden. Wenn Sie bei 50 Wohnungen auf einmal die Mieten erhöhen können, schenkt das auch bei kleinen Beträgen ein. Der grosse «Chlapf» wird aber erst noch kommen, nämlich dann, wenn der Referenzzinssatz steigt.
Das dürfte im Verlauf dieses Jahres der Fall sein. Erklären Sie uns doch bitte kurz, was der Referenzzinssatz überhaupt für ein Wert ist.
Beim Referenzzinssatz handelt es sich um den Durchschnittszinssatz, mit dem die Hypotheken auf schweizerischen Liegenschaften verzinst sind. Der Wert wird jeweils auf Viertelprozente gerundet, zurzeit liegt er bei 1,25 Prozent. Er wird seit 2008 vierteljährlich vom Bundesamt für Wohnungswesen publiziert.
Inwiefern sind die Mieten an den Referenzzinssatz gekoppelt?
Wie ich eingangs erwähnt habe, ist der Referenzzinssatz ein Faktor bei der Mietzinsgestaltung. Man nimmt an, dass Eigentümer*innen bei der Bank eine Hypothek aufnehmen, um ihre Liegenschaft zu kaufen. Für diese Hypothek bezahlen sie einen Zins. Und diesen Zins dürfen sie auf die Mieten über-wälzen.
… und wenn der Referenzzinssatz steigt, dürfen gleich wie bei der Teuerung die Mieten erhöht werden …
Genau. Steigt der Referenzzinssatz an, können Vermieter*innen diese Mehrkosten auf die Mietenden überwälzen. Solange der Referenzzinssatz unter 5 Prozent liegt, berechtigt eine Erhöhung um ein Viertelprozent zu einer Mietzinserhöhung von 3 Prozent. So steht es im Gesetz. Machen wir ein Beispiel: Steigt der Referenzzinssatz von 1,25 auf 1,5 Prozent und beträgt der Mietzins monatlich 1000 Franken, so darf der Mietzins um 3 Prozent, also um 30 Franken erhöht werden. Aber Achtung: Das gilt nur, wenn vorher jeweils auch die Senkungen weitergegeben worden sind und die Miete auf dem aktuellen Referenzzinssatz von 1,25 Prozent beruht.
Müssen die Senkungen nicht an die Mietenden weitergegeben werden?
Leider nein. Hier liegt das grosse Problem des aktuellen Gesetzes, das die Mietenden eigentlich vor missbräuchlichen Mietzinsen schützen sollte. Mietende müssen selber aktiv werden und eine Senkung einfordern oder einen zu hohen Anfangsmietzins anfechten. Tun sie dies nicht, ist der Mietzins für die Parteien verbindlich, auch wenn er missbräuchlich ist. Eine Anfang Jahr erschienene Studie des Büros BASS hat gezeigt, dass zwischen 2011 und 2019 die Senkungen nur in einem von sechs Mietverhältnissen zumindest teilweise weitergegeben wurden. Obschon der Referenzzinssatz seit 2008 kontinuierlich von 3,5 auf 1,25 Prozent gesunken ist, sind die Mieten gestiegen. Eigentlich ein Widerspruch.
Wie kann ich herausfinden, auf welchem Referenzzinssatz meine aktuelle Miete beruht?
Massgebend ist der Referenzzinssatz, der zum Zeitpunkt galt, als Ihr Mietvertrag abgeschlossen wurde oder als sie die letzte Mietzinserhöhung erhalten haben. Die jeweiligen Zinssätze ab 2008 finden Sie auf der Website des Bundesamtes für Wohnungswesen.
Was soll ich tun, wenn ich anlässlich einer Erhöhung merke, dass mein Mietzins auf einem veralteten, zu hohen Referenzzins beruht?
Dann sollten Sie die Erhöhung anfechten und sich gleichzeitig überlegen, ob sie nicht eine Senkung einfordern wollen. Allerdings wird Ihre Vermieterin dann vermutlich die gestiegene Teuerung und eine allgemeine Kostensteigerung geltend machen, was unter Umständen negativ für Sie ausgehen kann. Es empfiehlt sich in jedem Fall, zuerst auszurechnen, ob eine Erhöhung gerechtfertigt ist oder nicht.
Kann ich das selber tun?
Wir werden auf der Website des Mieterinnen- und Mieterverbands einen Mietzinsrechner einrichten, mit dem man berechnen kann, ob eine Erhöhung gerechtfertigt ist. Die Hauptschwierigkeit bei der Berechnung ist herauszufinden, von welchen Werten man ausgehen muss, sprich: Worauf der aktuelle Mietzins beruht. Hat man das einmal, ist die Berechnung selbsterklärend. Aber: Der Mietzinsrechner rechnet nur aus, ob die Erhöhung richtig berechnet wurde. Darüber, ob der Mietzins als Ganzes rechtmässig ist, sagt er nichts aus.
Wie meinen Sie das?
Sie können gegen eine Erhöhung auch einwenden, die Vermieterschaft erziele durch diese einen übersetzten Ertrag oder der neue Mietzins liege über dem orts- oder quartierüblichen Niveau. Das müssen Sie allerdings mit einer Berechnung belegen können. Leider ist so eine Ertragsberechnung aufwändig und komplex. Auch der Beweis der Orts- und Quartierüblichkeit ist in der Praxis praktisch unmöglich zu erbringen.
Diese Berechnungen muss ich als Mieterin aber hoffentlich nicht selber machen …
Doch. Ihre Vermieterin ist zwar zur Herausgabe aller nötigen Dokumente verpflichtet, Sie als Mieterin müssen die relevanten Informationen aber selber aus der Flut an Unterlagen herausfiltern.
Entschuldigung, aber welche Mieterin kann das …?
Das ist in der Tat ein Problem unseres Systems. Es ist ohne professionelle Hilfe kaum möglich.
Egal, welche Prognose eintrifft, irgendwann in diesem Jahr wird der Referenzzinssatz steigen. Wie rasch und über welcher Zeitspanne kann meine Vermieterin dann die Miete erhöhen?
Theoretisch kann Ihre Vermieterin Ihre Miete einen Tag nach der Publikation des neuen Referenzzinssatzes erhöhen. Sie muss nur die Kündigungsfrist, eine 10-tägige Bedenkfrist und den vertraglich vereinbarten Kündigungstermin einhalten. Sie kann damit aber auch noch ein Jahr warten, bis der Referenzzinssatz weiter angestiegen ist und die zulässige Erhöhung 6 oder gar 9 Prozent beträgt. Es gibt kein Ablaufdatum. Die Vermieterin muss die Miete aber nicht zwingend erhöhen. Ist sie sich ihrer sozialen Verantwortung gegenüber unserer Volkswirtschaft bewusst, passt sie die Miete nicht an den steigenden Referenzzins an.
Wie und wie lange kann ich mich gegen eine möglicherweise unrechtmässige Erhöhung wehren?
Nachdem Ihre Vermieterin Sie über die Erhöhung in Kenntnis gesetzt hat, haben Sie 30 Tage Zeit. Wehren können Sie sich, indem Sie bei der zuständigen Schlichtungsstelle ein Gesuch einreichen. Das ist formell sehr niederschwellig. Sie brauchen bloss in einem Brief zu schreiben: Ich fechte diese Mietzinserhöhung an. Wichtig ist, dass Sie in dem Brief die richtige Vermieterin nennen und dass er von allen Mietenden unterzeichnet ist.
Was soll ich tun, wenn ich unsicher bin, ob die Erhöhung rechtmässig ist?
Ganz wichtig: Wenn Sie die Frist von 30 Tagen verstreichen lassen, gibt es nichts mehr an der Miete zu rütteln. Sie gilt als akzeptiert. Auch wenn die Erhöhung missbräuchlich ist, auch wenn frühere Senkungen nicht weitergegeben wurden. Fechten Sie eine Mietzinserhöhung deshalb lieber einmal zu viel an, zurückziehen können Sie die Anfechtung jederzeit.
Fassen wir zusammen: Wie gehe ich als Mieterin vor, wenn mir meine Vermieterin mitteilt, sie erhöhe aufgrund des Anstiegs von Referenzzinssatz und Teuerung die Miete?
Erst einmal sollten Sie die Formalitäten überprüfen: Wurde das amtliche Formular verwendet? Stimmt die Kündigungsfrist? Dann sollten Sie nachrechnen, ob die Erhöhung plausibel ist. Dafür können Sie den erwähnten Mietzinsrechner verwenden. Dieser wird Ihnen sagen, ob die Berechnung korrekt ist oder ob Sie sie anfechten sollen. Im Zweifelsfall ist es angezeigt, sich vom MV beraten zu lassen. Wichtig ist: Holen Sie eingeschriebene Briefe ab und lesen Sie sie! Und nochmals: Fechten Sie eine Erhöhung lieber einmal zu viel an als einmal zu wenig. Die Frist ist kurz und mit der Erhöhung gehen alle vorher bestehenden Ansprüche verloren.
In einem Land, in dem die Mieten an den Durchschnitt der Hypothekarzinsen – den Referenzzinssatz – gekoppelt sind, bedeutet die rasche Erhöhung des Leitzinses durch die Nationalbank, dass der Teufelskreis der Mietzinserhöhungen in Gang gesetzt wird. Die Inflation wird dadurch keineswegs eingedämmt, vielmehr wird sie durch die Mietzinserhöhungen weiter angeheizt.
Mit dem Anstieg des Referenzzinssatzes werden nun nicht mehr nur diejenigen Mieter*innen zur Kasse gebeten, die einen neuen Mietvertrag abschliessen oder deren Liegenschaft aufgewertet wird, sondern auch diejenigen mit einem laufenden Mietvertrag.
Während die zahlreichen Senkungen des Referenzzinssatzes seit 2008 von der grossen Mehrheit der Vermietenden nicht weitergegeben wurden, wird die erstmalige Erhöhung vom 1. Juni nun dazu führen, dass eifrig auch Mietzinserhöhungen angekündigt werden, die über die gesetzlich erlaubten Grenzen hinausgehen. Dieses altbekannte und zutiefst ungerechte Geschäftsmodell des Immobiliensektors wurde von der Parlamentsmehrheit, die stets darauf bedacht ist, die Interessen der Immobilienbranche zu verteidigen, nie angetastet.
Gegen eine missbräuchliche Erhöhung ihres Mietzinses muss zwar nun jede Person einzeln vor der Schlichtungsbehörde klagen. Die Spielregeln können wir aber gemeinsam ändern.
Genau dies hat der Mieterinnen- und Mieterverband mit dem Entwurf der Initiative für eine Mietzinskontrolle nun vor.
Die Müllerstrasse in Zürich hat eine bewegte Geschichte: Einst beherbergte sie jene, die die Stadt nicht sehen wollte. Heute ist sie begehrter Ort für Immobilien-Investitionen – mit fatalen Folgen.
«Mehr bezahlbare Wohnungen» steht auf einem Transparent, das an der Müllerstrasse 10 im Zürcher Kreis 4 aus einem Fenster hängt. Es ist der einzige Farbfleck an dieser in die Jahre gekommenen Fassade. Links der Liegenschaft polieren Dutzende Bauarbeiter*innen die Glasfront des neuen Google-Komplexes und im Restaurant gegenüber wird das Kaviar-Spezialangebot angepriesen. Wir sind in der gegensätzlichen Realität des Zürcher Langstrassenquartiers angekommen: Wo früher verrauchte Kneipen waren und Gastarbeiter*innen wohnten, ziehen heute internationale Konzerne ein – es entstehen Luxuswohnungen und trendige Gastronomieangebote für Gutverdienende.
Die Vergangenheit der Müllerstrasse ist lebhaft: 1922 besuchte die Enkelin des ersten Milliardärs der Welt, JD Rockefeller, die Reitanstalt St. Jakob an der Müllerstrasse. Prompt heiratete sie ihren 44-jährigen Reitlehrer, was wochenlang die Klatschspalten in Zürcher und New Yorker Medien füllte. Weniger glamourös schienen die 60er- und 70er-Jahre, als renditegetriebene Immobilienfirmen den Saisonarbeiter*innen, die sich damals im ganzen Kreis 4 niederliessen, überteuerte Appartements vermieteten. Diese Zeit prägt die Gegend bis heute, noch immer gilt es als Arbeiter*innenquartier. In den Folgejahren zog das Sexgewerbe ins Quartier, genauso wie in den 90er-Jahren die Drogenszene vom Letten – in Hinterhöfen wurde gedealt, in Waschküchen gefixt. 1996 reagierten Anwohnerschaft und Gewerbe mit der Aktion «Pro Langstrassenquartier» und sagten dem Sexgewerbe und der Drogenszene den Kampf an. Es zogen Galerien und Beizen an die Müllerstrasse, wie so oft als Vorboten der Gentrifizierung. Die Verkehrsberuhigung und der Glitzer der Europaallee ab 2014 verstärkten den Trend.
Lange waren im Quartier rund um die Müllerstrasse diejenigen zu Hause, die anderswo in der Stadt nicht gern gesehen waren. Doch diese Zeit neigt sich dem Ende zu. Heute wird an der Glasmalergasse 5 via Airbnb eine 6-Zimmer-Wohnung für 1270 Franken pro Nacht vermietet, günstiger Wohnraum verschwindet zu Gunsten von Wohnungen im Hochpreissegment.
Doch wem gehört an der Müllerstrasse eigentlich was? Ein Blick ins Grundbuch bringt rasch Muster zu Tage. Die aktuellsten Eigentumsübertragungen erfolgten praktisch alle zuhanden institutioneller Akteure: Anlage- und Vorsorgestiftungen, Immobilienkonzerne, Architekturbüros. Darunter der Immobilienkonzern Swiss Prime Site SPS, der an der Müllerstrasse 16/20 den neuen Google-Standort baut und an der Hausnummer 57 möblierte 2-Zimmer-Wohnungen für bis zu 5200 Franken pro Monat vermietet. Aber auch Stiftungen wie die Nest Sammelstiftung an der Müllerstrasse 63 oder die Vorsorgestiftung La Collective de Prévoyance an der Müllerstrasse 37, die stadtbekannte Immobilienfirma K5 Immobilien, die neu im Besitz der Gebäude an der Müllerstrasse 88 und 92 ist, oder das Architekturbüro Kissling & Roth.
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Letzteres ist Eigentümerin der Liegenschaft an der Müllerstrasse 10. Mandu dos Santos Pinto und Otto Wenk wohnen seit 13 beziehungsweise 23 Jahren an dieser Adresse. Der Mietpreis ist vernünftig, die zentrale Lage toll – doch die Aussichten sind düster. Kurz vor Weihnachten 2022 erhielten alle Mieter*innen die Kündigung und anschliessend Zwischennutzungsverträge angeboten, denn das Haus wurde verkauft. Wenk und dos Santos Pinto fochten die Kündigung an und lehnten die Zwischennutzung ab. Sie wollten um ihren Verbleib im Kreis 4 kämpfen und die Eigentümerin zu Zugeständnissen bewegen, weshalb sie an die Schlichtungsbehörde gelangten. Dort erhielten sie Recht, wie kurz vor Redaktionsschluss bekannt wurde.
Dos Santos Pinto ist selber Architekt und Urbanistik-Experte. Wie der Verkauf der Müllerstrasse 10 ablief, schockiert den Mieter. Bei einem Besuch im von Baustellen eingeklemmten Haus erzählt er von den wenigen bekannten Einzelheiten des Verkaufs: «Die ZKB hat den Kauf abgewickelt. Anscheinend lag das Anfangsangebot bei 5 Millionen Franken – für ein Haus mit zwei Gewerberäumen und drei Wohnungen. Damit war die Möglichkeit auf günstigen Wohnraum von Beginn weg vom Tisch. Warum macht das eine öffentliche Bank? Die sollte doch das Gemeinwohl der Stadt und deren Bewohner*innen im Blick haben.» Durch diese gentrifizierenden Projekte würden die Bewohner*innen, die zum Quartierleben beigetragen haben, hinausgedrängt und die Durchmischung im Quartier nehme ab. Die Nachricht, dass Google an die Müllerstrasse zieht, habe diese Entwicklung noch beschleunigt, weil plötzlich klar wurde, welche Preise dadurch an diesem Standort erzielt werden können, so dos Santos Pinto, der selber im Bereich der nachhaltigen Quartierentwicklung arbeitet.
Nach 23 Jahren Müllerstrasse scheint es auch für Otto Wenk keinen Platz mehr zu haben. Als der Architekt, der lange als Handwerker arbeitete, im Jahr 2000 ins Erdgeschoss zog, war die damalige Verwalterin froh um ihn als «seriösen» Bewerber, der selber Hand anlegen kann. Wenk konnte das «verunstaltete Objekt» selber umbauen und investierte nicht nur Leidenschaft, sondern auch viel Material und Arbeitszeit. «Hier ist mein Zuhause, durch und durch, was Otium (Musse; Anm. d. Red.) und Negotium betrifft», sagt er im Gespräch mit dem M+W. Gegenüber den Architekten Kissling & Roth üben Wenk und dos Santos Pinto scharfe Kritik: Wie bereits beim 2011 verwirklichten Bauprojekt an der Müllerstrasse 45 würden diese auch anstelle ihres Hauses einen Ersatzneubau planen, der angestammten Bewohner*innen mit «masslos überteuerten Preisen» keinen Platz mehr biete. Wenk spricht gar von «urbanistischer Verunstaltung».
Otto Wenk und Mandu Dos Santos fochten ihr Kündigung vor der Schlichtungsstelle an und bekamen Recht. Foto: Reto Schlatter
Angesprochen auf die Umbaupläne an der Müllerstrasse 10, sagt David Roth, Geschäftsführer und Architekt bei Kissling & Roth, das Objekt sei in einem schlechten Zustand; das Dach lecke und ein Teil des Hauses sei aufgrund des desolaten Zustands nicht vermietet, eine Renovation darum notwendig. Der Architekt, der in der Gemeinde Windisch während Jahren für die SP im Einwohnerrat sass, spricht Klartext: «Für die Liegenschaft haben wir einen hohen Preis bezahlt, der sich nach dem Entwicklungspotenzial der Liegenschaft richtete. Nur mit der Entwicklung der Liegenschaft lässt sich dieser rechtfertigen.» Oder anders gesagt: Der Kaufpreis muss wieder reingeholt werden. Wie hoch dieser effektiv ist, will David Roth nicht sagen, laut Schätzungen liegt er bei über fünf Millionen Franken. Mieter und Stadtentwickler dos Santos Pinto rechnet vor, dass bereits ein Preis von über 2,5 Millionen zu viel gewesen wäre, um günstigen Wohnraum zu erhalten. Angesichts der Machtlosigkeit, in der sich viele Mietende befinden, fordert er Massnahmen von der Politik: «Es wäre möglich, ja sogar nötig, die Mieten einzufrieren. Es braucht flankierende Massnahmen, um diese Eskalation zu stoppen. Denn seien wir ehrlich: Das ist der letzte Atemzug dieser Strasse. Danach ist sie weg. Und der Rest des Quartiers folgt schrittweise.»
Ein Teil von Kissling & Roths Geschäftsstrategie ist der Kauf von günstigem Wohnraum mit Verdichtungspotenzial, den sie renovieren und dann meist im Stockwerkeigentum verkaufen. Der Grundbucheintrag zum Bauprojekt von 2011 an der Müllerstrasse 45 bestätigt dies. Das blüht auch der Müllerstrasse 10. Aktuell sind 3- und 4-Zimmer-Wohnungen im Haus, wie gross die Wohnungen nach der Renovation sein werden, ist unklar. Sollten diese im Stockwerkeigentum verkauft werden, steht fest: Für Personen mit tiefem Einkommen wie Mandu dos Santos Pinto oder Otto Wenk ist an der neuen Müllerstrasse kein Platz mehr.
Verdrängung:DieÄrmstenzuerst
Die Müllerstrasse 10 steht exemplarisch für die Entwicklung in Zürich: Verdrängt werden in der Stadt zuerst prekarisierte Personen. Ausländer*innen haben eine um 30 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, aus ihrem Zuhause verdrängt zu werden, Alleinerziehende sind sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt. Die Zahlen sprechen für sich: Haushalte, die von Verdrängung betroffen sind, verdienen im Monat rund 4800 Franken weniger als der kantonale Durchschnitt, wie eine Studie der ETH belegt (lesen Sie unser Interview mit dem Studienautor).
Im August 2022 rechnete der «Tagesanzeiger» vor: Die Stadtbevölkerung wuchs von 2002 bis 2018 um 9,6, die Steuereinnahmen jedoch um ganze 42 Prozent. Dabei stieg der Anteil an Gutverdienenden mit einem steuerbaren Einkommen von über 60 000 Franken im Jahr, während die tiefe Einkommensklasse zwischen 20 000 und 60 000 Franken von 45 auf 37 Prozent der Bevölkerung sank. Neben den Steuereinnahmen stiegen auch die Bodenpreise.
Laut dem Statistikamt der Stadt Zürich hat sich der Quadratmeterpreis für ein Grundstück in der Stadt seit 2010 vervierfacht (impliziter Näherungswert), der Preis für unbebautes Wohnbauland stieg laut Donato Scognamiglio vom Immobilienunternehmen IAZI um 76 Prozent. Es ist ein regelrechter Immobilien-Boom und zahlreiche Expert*innen warnen immer eindringlicher davor, dass die Blase platzen könnte.
Rolf Vieli hat diesen Boom hautnah miterlebt und geprägt. Der frühere «Mister Langstrasse» war ab 2001 Direktor des Projekts «Langstrasse PLUS». Dieses setzte Aufwertungsmassnahmen, Vieli spricht von «Verbesserung der Lebensqualität», im Quartier um. Beruhigung von Strassen, härtere Repression gegen das Drogen- und Sexgeschäft, Förderung des Kleingewerbes. Zur aktuellen Situation sagt Vieli: «Das Ziel von einem Drittel gemeinnützigen Wohnungen in der Stadt Zürich bis 2050 kann unter den gegebenen Bedingungen nicht erreicht werden.» Die Grundstückpreise seien zu hoch, kaufe die Stadt zu diesen Preisen, heize sie die Spekulation selbst an. Die Stadt hätte zwischen 2001 und 2003 die Möglichkeit gehabt, Liegenschaften zu vernünftigen Preisen zu kaufen, doch die politischen Mühlen mahlten zu zögerlich und so lösten sich viele Kaufoptionen in Luft auf. Die «Gammelhäuser» an der Neufrankengasse, die die Stadt 2017 für 26 Millionen Franken erwarb, wären damals relativ günstig zu haben gewesen, sagt Vieli mit Blick auf die Entwicklung.
Es ist ein Teufelskreis: Dank steigendem Steuersubstrat stehen der Stadt mehr Mittel zu Verfügung, um den gemeinnützigen Wohnungsbau zu fördern. Die höheren Steuereinnahmen kommen aber daher, dass Gutverdiener*innen in die Stadt drängen, und das treibt wiederum Wohnungs- und Grundstückpreise in die Höhe. Die Stadt verantwortet zudem seit Jahren eine Ansiedlungspolitik, die diese Entwicklung fördert. Mittels Standortmarketing werden multinationale Konzerne nach Zürich gelockt – inklusive deren gutverdienenden Mitarbeitenden aus dem In- und Ausland. Das bekannteste Beispiel: Google. Der Tech-Konzern wuchs am Standort Zürich innert knapp 20 Jahren von 2 auf 5000 Mitarbeitende an. Ein Grossteil von ihnen verdient 150 000 Franken oder mehr und lebt gerne in der Nähe zu den Google-Standorten im Hürlimann-Areal, an der Europaallee oder zukünftig an der Müllerstrasse.
Während der gemeinnützige Wohnungsbau in der Stadt Zürich stockt, steigen die Mieten ungebremst: seit 1989 um 84,5 Prozent. Mit den Mieten stieg in den letzten Jahren auch der Platzbedarf. Laut dem Zürcher Statistikamt vergrösserte sich die durchschnittliche Wohnfläche pro Person seit 1980 von 36 auf 41 Quadratmeter. Mit 63 Quadratmetern pro Person liegen dabei die Einpersonenhaushalte weit über dem Durchschnitt.
Dass diese einen höheren Flächenverbrauch haben, liegt auf der Hand, nutzen sie doch beispielsweise Badezimmer und Küche alleine. Aktuell sind 44 Prozent aller Stadtzürcher Wohnungen Einzelhaushalte, Tendenz steigend. Darauf reagiert auch der Markt, wie das Bauvorhaben an der Müllerstrasse 8, in Nachbarschaft zu Otto Wenk und Mandu dos Santos Pinto, zeigt.
1- und 2-Zimmer-Wohnungen neben Google
Das Haus an der Müllerstrasse 8, gleich neben der Kasernenstrasse, mit Blick auf das trendige Union Diner, ist eingerüstet und ausgehöhlt. Im Haus mit Baujahr 1884 war zuletzt eine Kita über vier Stockwerke eingemietet und je eine 3- und 4-Zimmer-Wohnung waren bewohnt. Nun hat die Kita gekündigt, das Haus wird kernsaniert und in 1- und 2-Zimmer-Wohnungen umgebaut.
«Das Ganze muss sich auch rechnen», so der Eigentümer Urs Stocker. Stocker will das Haus in eine Minergie-Liegenschaft umbauen und so viel wie möglich vom alten Bau erhalten. Der Umbau ist aber nicht nur deswegen aufwändig: «Die Auflagen der Stadt Zürich über behindertengerechtes Bauen zwangen uns, das Hochparterre aufzugeben und einen Lift einzubauen.»
Stocker, der in vierter Generation die Gipfeli-Dynastie Bäckerei Stocker führt, schwärmt vom geschichtsträchtigen Haus. Er hat ein Faible für alte Häuser, die eine Geschichte erzählen, so wie dieses. Er erzählt von gotischen Mauern im Keller und dem historischen Einfluss des Sihldeltas und beklagt sich über die Zwangsjacke der staatlichen Regulierung. Bei der Frage zu seiner sozialen Verantwortung als Hauseigentümer kommt er ins Grübeln. Er sehe die Problematik, dass Menschen aus ihren Wohnungen vertrieben werden. Die Innenstadt sei attraktiv geworden, das spiegle sich in den Mieten. Auch er sehe Bedarf für Veränderung, sagt Stocker, selber sieht er sich als Eigentümer aber nicht in der Verantwortung. Gleichzeitig warnt er vor staatlichen Eingriffen in den Wohnungsmarkt: «Ich bin Unternehmer und Handwerker. Ich bin dagegen, dass der Staat alles finanziert.»
Eine andere Lösung hat Stocker aber auch nicht bereit. Wie viel die 1- und 2-Zimmer-Wohnungen, die an der Müllerstrasse 8 entstehen, kosten werden, ist nicht klar, doch gutverdienende Singles von Firmen wie Google dürften sie sich problemlos leisten können. An Orten wie der Müllerstrasse wird für ihr Geschäft und für ihr Wohnbedürfnis Platz geschaffen.
Es geht auch anders: Müllerstrasse 25
Dass es auch anders geht, zeigen die Eigentümer an der Müllerstrasse 25, nur ein paar Meter weiter, gegenüber dem zukünftigen Google-Standort. Für eine 3-Zimmer-Wohnung bezahlen die Mieter*innen 1360 Franken. Roger Weber, Mitinhaber von weberbrunner Architekten, erklärt: «Meine Familie ist schon lange Miteigentümerin der Müllerstrasse 25. Zum Zeitpunkt des Erwerbs der Liegenschaft waren die Mietzinse ‹normal›. Wir passten sie jedoch nicht kontinuierlich dem Niveau des Quartiers an, sondern orientieren uns am Ursprung, dem Erwerb der Liegenschaft. Das sind wir der Stadt schuldig.»
Das Haus wurde vor vielen Jahren erworben und die Schuldenlast ist entsprechend klein – der Grundbucheintrag ist auf das Jahr 1982 datiert. Das erlaubt auch bei moderaten Mieten eine kleine Rendite. Eine Erhöhung des Mietzinses gäbe es vielleicht, wenn sie das Gebäude um einen Stock erhöhen würden, um zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Aber auch dann stehe eine günstige Miete im Vordergrund: «Sollten wir uns für eine Aufstockung entscheiden, werden wir die Mieten der ursprünglichen Wohnungen nicht erhöhen. Den Mietzins für die neuen Wohnungen berechnen wir auf der Basis der Investition, nicht ausgehend vom Marktpreis. Das ist ein ideologischer Entscheid.»
Gemeinnützige habens schwer
Doch die Müllerstrasse 25 ist ein Tropfen auf den heissen Stein. Die Wohnsituation in der Stadt Zürich ist prekär, bedroht sind die wenig Privilegierten. Mit den tiefen Mietpreisen wollen sie einen Beitrag zur Durchmischung der Stadtbevölkerung leisten und ihre Verantwortung als Eigentümer wahrnehmen. Zusätzlich brächten moderate Mietzinse eine langfristige Mieterschaft, sprich weniger Wechsel, und somit Beständigkeit ins Haus.
Der gemeinnützige Wohnungsbau habe seinen Zenit vorerst erreicht, warnen verschiedene Stimmen. Das bestätigt auch der Immobilienberater Donato Scognamiglio: «In der Stadt Zürich sind derzeit 25 Prozent aller Wohnungen im Besitz von gemeinnützigen Wohnbauträgerschaften. Bei gleich bleibender Bautätigkeit müssten ab sofort mehr als zwei Drittel aller neu gebauten Wohnungen gemeinnützig sein, um das Ziel von einem Drittel gemeinnütziger Wohnungen in der Stadt Zürich bis 2050 zu erreichen.» Die Eigentumsverhältnisse an der Müllerstrasse deuten in eine gegenteilige Richtung, nicht eine einzige «gemeinnützige Wohnbauträgerschaft» hat in den letzten sechs Jahren an der Müllerstrasse eine Liegenschaft gekauft. Der Blick ins Grundbuch bestätigt Mandu dos Santos Pintos These: Die Stadt und gemeinnützige Stiftungen haben im Wettbewerb gegen Private keine Chance. Wer nicht mitbieten kann, fliegt raus.
Die Politik bleibt derweil beunruhigend ruhig. Ein griffiges Konzept für flankierende Massnahmen fehlt, und das angestrebte Drittel an gemeinnützigen Wohnungen wird wohl weiterhin ein Wunschtraum bleiben. Massnahmen, um den Wohnungsmarkt zu regulieren, gäbe es derweil genügend. Mietendeckel, Spekulationsverbote, Vorstösse zu Enteignungen wie in Berlin oder jüngst in der Schweiz oder Einschränkungen für die Vermietung von Ferienwohnungen, wie kürzlich in Luzern verabschiedet. Ein erster Schritt ist jedoch in Sichtweite: Am 18. Juni stimmt die Stadtbevölkerung über einen Wohnraumfonds ab, der dem Erreichen des Drittelsziels zudienen soll. Der 300 Millionen Franken umfassende Fonds dürfte zwar kaum reichen, um die bestehenden Probleme auf dem überhitzten Wohnungsmarkt langfristig zu lösen – doch zusammen mit weiteren Massnahmen könnte es ein Anfang sein, um dem renditegetriebenen Immobiliengeschäft entgegenzuwirken und Wohnraum langfristig in die Gemeinnützigkeit zu überführen.
Derweil schreitet der fundamentale Wandel an der Müllerstrasse voran. Die vielen Baustellen zeugen vom Aufbruch, die Eigentumsverhältnisse lassen erahnen, in welche Richtung er geht. Transparente für mehr bezahlbare Wohnungen wird man an dieser Strasse in Zukunft wohl noch weniger sehen.
Autoren: Lorenz Naegeli und Reto Naegeli, Recherchekollektiv WAV
Cargo-E-Bikes sind sehr beliebt für den Transport von Kindern. Foto: Dreamstime
Das Angebot an E-Bikes ist kaum mehr überschaubar. Welches Modell am besten passt und worauf es beim Kauf zu achten gilt.
Jung und Alt lockt das E-Bike wegen der bequemen und raschen Art der Fortbewegung. Sobald man in die Pedale tritt, wird der Antrieb durch Energie aus dem Akku unterstützt. Wir unterscheiden zwischen langsamen E-Bikes, die eine Geschwindigkeit von bis zu 25 km/h erreichen, und schnellen Modellen mit bis zu 45 km/h. Das ist schon ganz schön schnell, darum brauchen diese Modelle auch ein gelbes Nummernschild. Ausserdem ist der Helm obligatorisch. Wobei dieser sich in jedem Fall empfiehlt, denn das E-Bike ist nicht zu unterschätzen: Es ist nicht nur schnell, es ist auch schwerer als normale Velos, und der Bremsweg ist länger. E-Bikes verlangen also wache Lenker*innen, die in der Lage sind, im Verkehr rasch zu reagieren. Seit 2022 ist für E-Bikes zudem eine ständige Beleuchtung Pflicht, auch tagsüber.
Welches Modell soll es sein?
Im Ortsverkehr ist ein E-Citybike das ideale Verkehrsmittel. Mit Tretunterstützung erreicht es bis 25 km/h. Es ist bequem, der gebogene Lenker ermöglicht eine aufrechte Sitzhaltung. E-Mountainbikes eignen sich für Trails abseits befestigter Wege. Sie verfügen über eine sportliche, gerade Lenkstange, breite Reifen und eine gute Federung, was im hügeligen Gelände von Vorteil ist. Auch E-Trekking- und E-Tourenvelos sind robuste Geräte und geeignet für schweres Gepäck. Elektro-Lastenfahrräder (Cargo-E-Bikes) mit verlängertem Radstand können bis zu 200 Kilogramm Nutzlast mitführen und sind eine gute Alternative zum motorisierten Kleintransporter im Stadtverkehr. Sie eignen sich auch gut für den Transport von Kindern und erfreuen sich daher zunehmender Beliebtheit. Unter www.topten.ch/e-bikes findet sich eine Übersicht über die Produktepalette.
Akku – Kernstück des E-Bikes
Zu den Kernstücken des E-Bikes gehört der aufladbare Akku. Er treibt den Motor an. Seine Speicherkapazität und die richtige Pflege bestimmen die Reichweite und die Lebensdauer des E-Bikes. Im leicht hügeligen Schweizer Mittelland darf man mit einem Akku von 500 Wattstunden von rund 100 km Reichweite ausgehen. Dabei spielen die gewählte Stufe der Motorunterstützung («Eco» bis «Turbo»), das Gelände, das Gewicht von E-Biker und Gepäck, aber auch Wind und Pneudruck eine Rolle.
Bezüglich Handling wird empfohlen, den Ladestand des Akkus möglichst zwischen 20 % und 80 % zu halten; ihn also nicht jedes Mal voll aufzuladen und auch nicht zuzuwarten, bis er ganz leer ist. «Allein durch diese einfache Massnahme erhöht sich die Lebensdauer des Akkus enorm», sagt Nadja Gross von Topten. Das E-Bike sollte einen herausnehmbaren Lithium- Akku haben, damit er auch in der Wohnung oder unterwegs im Hotelzimmer aufgeladen werden kann. Zudem ist es empfehlenswert, den Akku im Winter in der Wohnung zu lagern. In der Kälte entlädt er sich schneller. Das Fahrrad sollte auch nicht an der prallen Sonne stehen, sondern immer im Schatten, damit sich der Akku nicht zu stark aufheizt.
Umweltbelastung: Akku möglichst lange nutzen!
Die Entwicklung der Akkus hat grosse Fortschritte gemacht; sie sind leichter und kleiner geworden, und sie können mehr Energie speichern. Ältere Billig-Bikes oder Occasionen haben oft noch Blei-Akkus, deren Herstellung besonders umweltbelastend ist. Auch die Förderung von Lithium ist ökologisch nicht unbedenklich. Die Lithium-Gewinnung braucht zum Beispiel viel Wasser. «Ein Label für ‹grüne› Akkus bzw. schonend abgebautes Lithium gibt es bisher nicht», betont Nadja Gross. Wegen der Umweltbelastung bei der Herstellung sollten Akku und E-Bike daher möglichst lange genutzt werden, bevor man an einen Ersatz denkt. Nach sieben bis zehn Jahren und einer durchschnittlichen Nutzung von etwa 30 000 Kilometern sinkt die Akku-Speicherkapazität. Nach 500 Ladezyklen liegt sie noch bei zirka 70 %. Akkus können durch den Ersatz von defekten Lithiumzellen wieder in Schuss gebracht werden, was allerdings nicht ganz billig ist.
Alte Akkus respektive Velos können bei der Kaufstelle abgegeben werden. Gebrauchte Akkus können anderweitig eine Wiederverwendung finden, als Powerbank etwa, als Solar- oder Offgrid-Speicher. So kann ein Akku, welcher den Ansprüchen der Erstanwendung nicht mehr genügt, in einer Zweitverwendung nochmals bis zu 10 Jahre genutzt werden.
Mittelmotor – guter Schwerpunkt
Beim Kauf sollte auch auf die Art des Motors geachtet werden. Für City-Bikes reicht in der Regel ein 250-Watt-Motor. Die meisten E-Bikes haben Mittelmotoren. Dadurch, dass sie nahe am Schwerpunkt des Elektrovelos montiert sind, sorgen sie für eine gute Gewichtsverteilung. Ein E-Bike wiegt rund 30 Kilogramm. Da sich die Kraft bei Mittelmotoren via Kette überträgt, ist deren Verschleiss – und jener des Kettenblatts sowie des Zahnkranzes – allerdings erhöht. Heckmotoren (auch Nabenmotoren genannt) werden oft in E-Bikes mit Unterstützung bis 45 km/h eingebaut.
Text: Stefan Hartmann, Topten
Topten.ch ist eine unabhängige Preisvergleich-Plattform, deren Fokus auf Energieeffizienz, geringer Umweltbelastung und Qualität liegt. Topten.ch wurde im Jahr 2000 vom WWF Schweiz, dem Elektrizitätswerk der Stadt Zürich ewz und der Schweizerischen Agentur für Energieeffizienz S.A.F.E gegründet und existiert heute in 15 europäischen Ländern sowie in Argentinien, Brasilien, Chile und Peru.
Doch erst einmal von vorne: Frau Martel von der NZZ behauptet in ihrem Artikel, die in der Grafik unten rosa eingefärbte Kurve «Erwarteter Mietpreisindex» sei nicht korrekt berechnet worden. Die Kurve stammt aus einer Studie des Büros Bass. Sie zeigt, dass zwischen 2005 und 2021 Mieten im Umfang von insgesamt 78 Milliarden Franken zu viel bezahlt wurden.
Mal abgesehen davon, dass Frau Martel im Artikel die falsche Grafik abgedruckt hat (wurde mittlerweile online korrigiert) und dem Büro Bass kaum Zeit für eine Antwort gelassen hat, ist ihre Aussage schlicht falsch.
Falscher Vorwurf 1: Unterhaltskosten würden nicht als kostensteigernder Faktor berücksichtigt
Im NZZ-Artikel kommt wenig erstaunlich Donato Scognamiglio zu Wort, CEO des Immobilienberatungsunternehmens IAZI. Der Vorwurf von Herrn Scognamiglio, die Studie würde den Anstieg der Unterhaltskosten für die Berechnung der Kurve nicht berücksichtigen, ist schlicht falsch. Dies wäre für Frau Martel sehr einfach recherchierbar gewesen – ein Blick in die Bass-Studie hätte genügt.
Falscher Vorwurf 2: Der Mietpreisindex sei keine korrekte Referenz für die Mietpreisentwicklung
Auch diese tendenziöse Behauptung hat Frau Martel bei Herrn Scognamiglio eingeholt. Er behauptet, der Mietpreisindex des Bundesamts für Statistik (BfS) sei keine korrekte Referenz, da er nicht nur Bestandes-, sondern auch Neumieten umfasse. Dass das Büro Bass auf den Mietpreisindex des BfS als Vergleichswert referenziert, ist aber genau deshalb goldrichtig, weil er beide, Neu-wie auch Bestandesmieten, also bereits bestehende Mietverhältnisse, abbildet. Die Bestandesmieten, auf die sich das IAZI gerne ausschliesslich beziehen möchte, bilden nur einen Teil aller Mietverhältnisse ab. Dem Wohnungsmarkt als Ganzes wird dies nicht gerecht.
Diese Argumentation des IAZI, das nur Bestandesmieten abbilden möchte, ist immer öfter zu hören und zu lesen. Sie wird allerdings nicht wahrer, indem sie wiederholt wird. Herr Scognamiglio will mit dieser Argumentation darauf hinaus, dass bei Neumieten das Kriterium der Ortsüblichkeit zum Tragen komme und dort deshalb keine missbräuchlichen Renditen mehr gemacht würden. Unter Ortsüblichkeit wird verstanden, dass die Wohnungsmiete sich im Rahmen vergleichbarer Objekte bewegt. Heisst: teures Quartier = hohe Miete = selber schuld.
Die Sache mit der Ortsüblichkeit
Doch mit der Ortsüblichkeit ist es so eine Sache. Wer sich mit ihren sieben Vergleichskriterien auskennt, die für einen Gerichtsprozess für mindestens fünf Vergleichsobjekte durchdekliniert werden müssen, weiss: Erstens gilt sie nur für Objekte, die älter als 30 Jahre sind. Zweitens ist sie kaum zu beweisen, da unglaublich kompliziert, und drittens hat sie vor allem ein Ziel: missbräuchliche Mieten an Orten mit einer hohen Mieterfluktuation in teuren, meist urbanen Ballungszentren zu legitimieren.
Dass die Beweislast bei denjenigen liegt, die sich darauf berufen, hilft nur wenig. Betrachten wir die Zahlen der Schlichtungsstellen: Noch immer gehen die wenigsten Mieter*innen zur Schlichtung, um die Anfangsmiete anzufechten. Diese Anfechtung ist aber eines der wenigen Mittel, das Mieter*innen haben, sich gegen missbräuchliche Mieten zu wehren. Im Jahr 2019 wurde von diesem Recht in gerade mal 1023 Fällen Gebrauch gemacht – bei rund 500 000 neu abgeschlossenen Mietverträgen. Das heisst, es werden gerade mal 0,2 Prozent der neuen Mietverträge angefochten (siehe MV-Positionspapier «Mieterinnen und Mieter massiv unter Druck»). Viele Mieter*innen machen von diesem Recht nicht Gebrauch, da sie sich vor negativen Konsequenzen fürchten.
Der Mieterinnen- und Mieterverband empfiehlt, eine Erhöhung der Miete, die sich auf die Ortsüblichkeit stützt, bei der Schlichtungsstelle anzufechten, denn der Nachweis dieses Kriteriums muss vonseiten der Vermieterschaft erbracht werden. Da die Anforderungen sehr hoch sind, gelingt der Vermieterseite der Nachweis nur selten und in den meisten Fällen erlangen die Mieter*innen in der Folge eine Senkung des Mietpreises.
Weg von der Verantwortung des Individuums
Und dann noch ein letztes Wort zum NZZ-Artikel von Frau Martel: Es wird behauptet, Vermieter*innen seien grundsätzlich frei, ihre Wohnungen zu einem Preis auf den Markt zu bringen, «der ihnen gefällt». Das ist schlicht nicht wahr. Bundesverfassung wie auch Obligationenrecht halten unmissverständlich fest, wie Mieten berechnet werden müssen und wann sie missbräuchlich sind. Der Grund, weshalb Mieter*innen im Schnitt 370 Franken pro Monat zu viel bezahlen, liegt einzig darin, dass sie selber und individuell dafür verantwortlich sind, für ihr Recht auf eine faire und legale Miete zu kämpfen – bis vor Gericht.
Dass diese Verantwortungsdelegation an das Individuum ein Riesenproblem und mitverantwortlich für die entfesselten Mieten ist, hat der Mieterinnen-und Mieterverband in seinem Papier «Mieterinnen und Mieter massiv unter Druck» klar festgehalten. Wir werden uns für dieses Recht auf faire Mieten einsetzen und damit für eine regulierte Mietpreiskontrolle, mit der wir von der Verantwortung des Individuums wegkommen – zur Not auch mit einer Initiative.
Jetzt hat der erste Rat entschieden: Mit der Annahme von zwei Vorstössen der Immobilienlobby will der Nationalrat den Kündigungsschutz für Mietende aufweichen. Folgt ihm der Ständerat, kommt es definitiv zum Referendum durch den MV.
Der Angriff des Parlaments auf die Untermiete ist auch ein Angriff auf Wohnformen, die künftig an Bedeutung gewinnen dürften, wie der Text von Esther Banz zeigt. Menschen, die aus finanziellen Gründen nicht aus der zu gross gewordenen Wohnung ausziehen können, können so ein Zimmer vermieten; Studierende, die keine eigene Wohnung vermögen, können sich eine teilen; Gastfamilien können Geflüchtete bei sich aufnehmen, und wer für eine Weile ins Ausland zieht, kann dank der Untermiete die Wohnung behalten. Der Untermietvertrag ermöglicht sozial, ökonomisch und auch ökologisch nachhaltiges Wohnen. In einer Zeit, in der wir über zu wenig Wohnraum und den gestiegenen Flächenverbrauch diskutieren, steht das Ansinnen der Parlamentsmehrheit doch ziemlich schräg in der Landschaft.
Das Gleiche könnte man über einen kürzlich in der NZZ veröffentlichten Artikel sagen. In diesem wird eine vom MV in Auftrag gegebene Studie angezweifelt, die aufzeigt, dass die Mietenden zwischen 2005 und 2021 insgesamt 78 Milliarden zu viel an Mieten bezahlt haben. MV-Generalsekretärin Linda Rosenkranz hat eine Replik geschrieben, in der nachzulesen ist, warum diese skandalös hohe Zahl eben doch stimmt und wir sie auch in Zukunft so oft wie möglich nennen sollten.
Skandalös ist auch der Mietzins in unserer Titelgeschichte aus Zürich. Nachdem Judith Bucher und Sabina Düringer aus ihrer 3,5-Zimmer-Wohnung ausgezogen waren, fanden sie diese im Internet wieder ausgeschrieben – für 9900 Franken! Mehr als das Doppelte von dem, was sie bezahlt hatten. Noch mehr als der Mietzins irritierte die beiden aber, dass ihre Wohnung überhaupt ausgeschrieben war. Hatte ihnen der Vermieter doch wegen Eigenbedarfs gekündigt und müsste jetzt eigentlich die Wohnung für sich oder zumindest ein Familienmitglied beanspruchen. Isabel Plana hat die Geschichte für uns aufgeschrieben.
Judith Bucher (links) und Sabina Düringer vor dem Haus, in dem sie früher wohnten. Bild: Isabel Plana
Kurz nach dem Einzug wird das Haus verkauft, bald folgt die Kündigung wegen Eigenbedarfs. Trotzdem wird die Wohnung neu ausgeschrieben – mehr als doppelt so teuer. Judith Bucher und Sabina Düringer erleben, was es heisst, Mieter*innen einer Rendite-Immobilie zu sein.
Judith Bucher und Sabina Düringer staunten nicht schlecht, als sie Anfang Februar ihre ehemalige Wohnung an der Kraftstrasse 37 am Zürichberg auf «Homegate» ausgeschrieben sahen – für einen Mietzins von sage und schreibe 9900 Franken. Das Zweieinhalbfache von dem, was sie für die 3,5-Zimmer-Dachwohnung von rund 135 Quadratmetern bezahlt hatten. «Im Inserat war ersichtlich, dass Küche und Bad – die im Übrigen noch in einem guten Zustand waren – nach unserem Auszug renoviert wurden und eine Klimaanlage eingebaut wurde. Die Miete dafür mehr als zu verdoppeln, schien uns aber selbst für das Nobelviertel Zürichberg jenseits», sagt Düringer. Viel mehr als der Mietzins irritierte das Paar aber die Tatsache, dass die Wohnung überhaupt ausgeschrieben war. Denn ihnen hatte der Vermieter im Februar 2022 wegen Eigenbedarfs gekündigt. Eigentlich sollte also jetzt er oder ein Familienmitglied in der Wohnung wohnen.
«Marktplatz für Rendite-Immobilien»
An der Kraftstrasse 37 war von Anfang an der Wurm drin. Bereits am Einzugstag im Mai 2019 wurde den beiden Frauen mitgeteilt, das Haus sei kürzlich verkauft worden. Die Verunsicherung war gross. Erst ein knappes halbes Jahr später meldete sich die neue Verwaltung, die Firma Crowdhouse, und informierte vage über die neuen Besitzverhältnisse. Das 2015 gegründete Fintech-Unternehmen aus Zürich hat mit dem Modell des Crowdinvestings den Schweizer Immobilienmarkt aufgemischt und bezeichnet sich selbst als «Marktplatz für Rendite-Immobilien». Ab einem Betrag von 100 000 Franken ist man dabei und kann auf der Online-Plattform mit einem Klick Anteile eines Objekts erwerben. Den Investor*innen werden dabei 4 bis 6 Prozent Rendite in Aussicht gestellt, weit mehr als die 3,25 % (Referenzzinssatz plus 2 %), die aktuell mietrechtlich zulässig sind.
Judith Bucher (links) und Sabina Düringer vor dem Haus, in dem sie früher wohnten. Bild: Isabel Plana
Die Schwarmfinanzierung ist aber offenbar ins Stocken geraten. Mittlerweile vermittelt Crowdhouse einen Grossteil der Objekte an Alleineigentümer*innen. So auch das Mehrfamilienhaus mit neun Wohnungen an der Kraftstrasse 37, das von einem einzigen Investor erworben wurde – dem Eintrag auf der Crowdhouse-Website zufolge für 13,3 Millionen Franken. An einer erfolgreichen Vermittlung verdient Crowdhouse gleich doppelt: Die neuen Mit- oder Alleineigentümer*innen bezahlen eine Gebühr für die Abwicklung des Kaufs und danach für die Liegenschaftsverwaltung, die Crowdhouse in der Regel auch gleich übernimmt. Das Honorar für die Liegenschaftsverwaltung ist erfolgsbasiert und beträgt 5 bis 7 Prozent der jährlichen Mieteinnahmen. Crowdhouse hat also ein Eigeninteresse an hohen Renditen und steuert die Mietzinse entsprechend. Bei Liegenschaften im Miteigentum legt Crowdhouse die Mieten selber fest, bei Alleineigentum in Absprache mit der Eigentümerin, dem Eigentümer.
«Verwaltung ist nicht ihr Bier»
Rund 3000 Wohneinheiten in über 150 Liegenschaften verwaltet das Zürcher Fintech-Unternehmen aktuell in der ganzen Deutschschweiz. Dem «Beobachter» gegenüber sagte Crowdhouse 2020, das Immobilien-Management mache nur einen Bruchteil seiner Einnahmen aus. Ob das vielleicht erklärt, wieso es sich für die Anliegen der Mieter*innen kein Bein ausreisst? «Verwaltung ist definitiv nicht ihr Bier», sagt Sabina Düringer. «Weil das Dach stellenweise undicht war, hat es bei Gewitter mehrfach reingeregnet. Wir haben das beim ersten Mal sofort gemeldet, haben bei Crowdhouse angerufen, Fotos geschickt», erzählt sie. Passiert ist nichts. «Erst beim dritten Vorfall, nachdem wir hartnäckig insistiert hatten, schickten sie einen Schreiner vorbei, der das Dachfenster behelfsmässig flickte.» Auch der kaputte Geschirrspüler wurde erst nach mehrmaligem Nachhaken repariert. «Der Mechaniker stellte einen Ermüdungsbruch beim Türgelenk fest», erzählt Bucher. «Die Rechnung für die Reparatur des 16 Jahre alten Geräts war dann prompt an uns adressiert, obwohl es ganz klar ein abnutzungsbedingter Mangel war.» Crowdhouse versprach, die Sache mit dem Eigentümer abzuklären. Passiert ist auch hier: nichts. «Stattdessen schickten sie uns ein halbes Jahr später eine erste Mahnung mit Betreibungsandrohung. Wir haben die Rechnung dann bezahlt, Crowdhouse aber in einem Schreiben aufgefordert, uns den Betrag zurückzuerstatten. Was sie am Ende tatsächlich getan haben.»
Ein-Stern-Bewertungen auf Google
Judith Bucher und Sabina Düringer sind nicht die einzigen Mieter*innen, die mit Crowdhouse schlechte Erfahrungen gemacht haben. Auf Google wimmelt es von Ein-Stern-Bewertungen und verärgerten Kommentaren. Von nicht behobenen, teils gravierenden Mängeln wie kaputten Heizungen ist die Rede. Von Nebenkostenabrechnungen, die mit drei, vier, fünf Jahren Verzögerung ausgestellt wurden. Von schlechter Erreichbarkeit und unbeantworteten Anfragen. «Das kenne ich alles nur zu gut», sagt Michael Frauchiger. Er wohnt in einem Neubau im zürcherischen Weiach, den Crowdhouse an mehrere Miteigentümer vermittelte und seither selber verwaltet. Das 2017 erstellte Mehrfamilienhaus sei in einem desaströsen Zustand, ein Fall von Baupfusch. «Dafür kann Crowdhouse nichts. Aber als Mieter erwarte ich von einer Verwaltung trotzdem, dass sie sich um die Mängel kümmert.» Und davon gab es, seit Frauchiger und sein Partner im März 2019 eingezogen sind, Unmengen. Undichte Fenster und Schimmelbildung in der Folge, defekte Raumthermostaten, wiederholte Ausfälle von Heizung und Warmwasser. Behoben wurden die Mängel, wenn überhaupt, nur behelfsmässig. «Zweimal war die Tiefgarage überflutet, dadurch ging der Lift kaputt und lief danach drei Wochen lang nicht. Da haben wir zusammen mit acht weiteren Mietparteien eine Mietzinsreduktion eingefordert und mit dem Mieterverband und der Schlichtungsbehörde gedroht. Crowdhouse ist der Aufforderung diskussionslos nachgekommen.» Auch Frauchiger hat die Erfahrung gemacht, dass Crowdhouse schlecht erreichbar ist, dass nicht oder erst nach wiederholtem Nachhaken reagiert wird. Dass Nebenkostenabrechnungen erst nach vier – bei seinen Nachbarn sogar erst nach fast fünf – Jahren ausgestellt werden. «Entweder ist Crowdhouse mit der Verwaltungsaufgabe einfach komplett überfordert oder, und das ist eher mein Eindruck, sie vermeiden bewusst jeden Aufwand. Ohne eingeschriebenen Brief und Androhung eines Schlichtungsverfahrens geht nichts. Eine so schlechte Verwaltung habe ich echt noch nie erlebt.»
Nach vier Jahren reicht es Frauchiger und seinem Partner. Ende Mai ziehen sie aus. Diese Gelegenheit nutzt Crowdhouse prompt, um den Mietzins zu erhöhen. «Wie schon bei der Wohnung unserer Nachbarn, die letztes Jahr gegangen sind, wird auch unsere Wohnung rund 260 Franken teurer.» Statt 2260 sollen Frauchigers Nachmieter*innen für die 120 Quadratmeter grosse 4,5-Zimmer-Wohnung im abgelegenen Züribieter Dorf mit Fluglärm nun-mehr 2520 Franken zahlen – eine Steigerung von über 10 Prozent, ohne dass an der Wohnung etwas gemacht wurde.
Unangemeldeter Hausbesuch
Crowdhouse ist sicher nicht die einzige Liegenschaftsverwaltung, die Mieter*innen auflaufen lässt und Mieten erhöht. Was sie Anfang März 2022 erlebte, kann Judith Bucher aber bis heute nicht fassen. «Ich war an diesem Tag mit Grippe zuhause geblieben, als es klingelte und sechs unbekannte Männer vor unserer Tür standen.» Es war der Hauseigentümer in Begleitung seines Sohnes und einer Entourage von Crowdhouse. «Er habe seine Wohnung noch nie gesehen und wolle sich jetzt ein Bild davon machen, sagte der Eigentümer. Ich stand im Pyjama an der Tür, war völlig überrumpelt von diesem unangekündigten Besuch und wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Also habe ich die Herren hereingelassen.» Crowdhouse teilt auf Anfrage mit, dass Besichtigungen standardmässig immer vorab mit der Mieterschaft abgeklärt würden. Es könne dabei – insbesondere in Begleitung der Eigentümerschaft – aber passieren, dass es sich kurzfristig als aufschlussreich erweise, gleich auch noch andere Wohneinheiten zu begutachten. In solchen seltenen Fällen könne es vorkommen, dass auch ohne Voranmeldung bei der entsprechenden Mieterschaft um eine spontane Zutrittsgewährung gebeten werde. «Ein äusserst unübliches und unprofessionelles Vorgehen», kritisiert Nicole Schweizer, Rechtsberaterin des MV Zürich. «Grundsätzlich haben Eigentümer*innen ein Zutrittsrecht zu den Wohnungen in ihren Liegenschaften, zum Beispiel um den Zustand und einen allfälligen Renovationsbedarf zu beurteilen. Aber ein Besuch ist den Mieter*innen mindestens 48 Stunden im Voraus telefonisch oder schriftlich anzukündigen und zu begründen. Frau Bucher hätte die Herren bei diesem Überraschungsbesuch ohne Weiteres wegschicken können.»
Nach diesem Überfall schwante Judith Bucher und Sabina Düringer nichts Gutes. Tatsächlich kam zwei Wochen später die Kündigung mit dem Verweis auf Eigenbedarf. Sie wandten sich an den Mieterinnen- und Mieterverband und fochten die Kündigung an. «Der MV empfiehlt, Kündigungen grundsätzlich anzufechten, um eine Mieterstreckung zu erwirken. Im Fall einer Eigenbedarfskündigung kann man bei der Anfechtung ausserdem verlangen, dass die Vermieterschaft in der Schlichtungsverhandlung die Gründe für den Eigenbedarf erklären und belegen muss», sagt Schweizer. «Den betroffenen Mieterinnen und Mietern empfehle ich, zu recherchieren, wer die Person ist, die einziehen soll, also zum Beispiel im Telefonbuch oder im Handelsregister nachzuschauen.» Die Rechtsberaterin kennt einen Fall, in dem die Mieterschaft aufzeigen konnte, dass die Tochter des Eigentümers, für die der Eigenbedarf angemeldet wurde, bereits in einem anderen Dorf verwurzelt war – sie hatte dort ein Geschäft, und ihre Kinder gingen dort zu Schule. «Der Eigentümer konnte nicht überzeugend dagegen argumentieren, und die Schlichtungsbehörde forderte ihn zu einer grosszügigen Mieterstreckung auf.» Aber selbst wenn man Hinweise finde, die gegen den Eigenbedarf sprechen, solle man sich nicht darauf ausruhen, sagt Schweizer. «Es ist wichtig, in jedem Fall nach einer neuen Wohnung zu suchen und die Suchbemühungen zu dokumentieren. Die Schlichtungsbehörden legen zunehmend Wert auf einen solchen Nachweis.»
Eigenbedarf von kurzer Dauer
Im Fall von Bucher und Düringer kam es nie zur Schlichtungsverhandlung, sie sich bereits vorgängig mit dem Eigentümer einigen konnten. «Er bot uns eine Mieterstreckung von drei Monaten und eine Reduktion der Kündigungsfrist auf einen Monat. Das stimmte für uns, weil wir zu dem Zeitpunkt bereits etwas in Aussicht hatten. Daher zogen wir die Anfechtung zurück.» Die Geschichte könnte hier zu Ende sein. Ist sie aber nicht.
Denn ganz offenbar war, anders als in der Kündigung angegeben, kein ernsthafter Eigenbedarf vorhanden. «Irgendwie hatte ich schon so eine Vorahnung und bin vor ein paar Monaten aus Neugier auf Homegate gegangen», erzählt Bucher. «Als wir das Inserat entdeckten – und dann noch mit diesem überrissenen Mietzins –, fühlten wir uns schon über den Tisch gezogen. Da kommt natürlich der Verdacht auf, dass das mit dem Eigenbedarf nur eine Täuschung war, um den Mietzins zu erhöhen.» Crowdhouse bestreitet dies. Vom Eigentümer beauftragt, die Wohnung erneut auszuschreiben, habe man sich bei ihm nach den Hintergründen erkundigt, um eine mögliche vorgeschobene Kündigung aufgrund von Eigenbedarf abzuklären, heisst es auf Anfrage. Der Eigentümer habe plausibel erklären können, inwiefern sich die Umstände für die ursprünglich geplante Eigennutzung geändert hätten.
Ob tatsächlich mal Eigenbedarf bestand oder alles bloss eine Masche war – mit der satten Mietzinserhöhung dürfte der Eigentümer, und damit auch Crowdhouse als Liegenschaftsverwalterin, Profit aus der Sache schlagen. Zum Ärger von Judith Bucher und Sabina Düringer, die unnötigerweise umziehen mussten. Nicole Schweizer kann den Frust nachvollziehen. «Rechtlich gesehen muss ein dringender Eigenbedarf aber nur zum Zeitpunkt der Kündigung bestehen und glaubhaft gemacht werden. Wenn beispielsweise der Sohn des Eigentümers einziehen möchte, es sich aber ein paar Monate später wieder anders überlegt, dann ist das legitim.» Nachträglich dagegen vorzugehen ist möglich, Schweizer rät aber davon ab. Die Betroffenen müssten ein gerichtliches Verfahren gegen die ehemalige Vermieterschaft eröffnen und wären damit beweispflichtig, müssten also nachweisen, dass es gar nie einen Eigenbedarf gab. «Ein solches Verfahren ist eine schwierige und langwierige Angelegenheit. Die Erfolgschancen sind klein, die potenziellen Verfahrens- und Anwaltskosten hoch», gibt die Juristin zu bedenken. «Auch wenn der Frust in so einer Situation gross ist – wir empfehlen die Sache abzuhaken.»
Rechtliche Schritte werden Judith Bucher und Sabina Düringer nicht ergreifen. Aber die Sache einfach so auf sich beruhen lassen wollten sie auch nicht. «Wir möchten unsere Erfahrungen teilen und andere Mieter*innen dazu ermutigen, sich zu wehren.» Gegen renditegetriebene Geschäftsmodelle wie jenes von Crowdhouse, in dem die Mieter*innen zu Milchkühen verkommen. Ein wenig Genugtuung verspürten die beiden Frauen doch noch, als sie Ende März nochmals bei «Homegate» reinschauten. Crowdhouse hatte offenbar noch immer keine Nachmieter*innen für ihre ehemalige Wohnung gefunden und den Mietpreis nach unten korrigiert – von 9900 auf «nur» noch 7150 Franken.
So gehen Sie bei einer Eigenbedarfskündigung vor · Fechten Sie die Kündigung innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt bei der Schlichtungsbehörde per Einschreiben an. · Verlangen Sie in der Anfechtung, dass die Kündigung wegen Missbräuchlichkeit aufgehoben wird, dass das Mietverhältnis erstreckt wird (hierfür ist ein Härtefall darzulegen) und dass der angemeldete Eigenbedarf begründet wird. · Falls bekannt ist, für wen der Eigenbedarf geltend gemacht wird – für den/die Eigentümer*in selbst oder ein Familienmitglied: Versuchen Sie, Näheres über diese Person herauszufinden. Zum Beispiel, wo sie aktuell wohnt oder wo sie arbeitet. · Machen Sie sich auf die Wohnungssuche und dokumentieren Sie Ihre Suchbemühungen, auch wenn Sie den Verdacht haben, dass der Eigenbedarf nur vorgeschoben ist.
So sieht eine Rendite-Liegenschaft aus – 9900 Franken waren für die 3,5-Zimmer-Wohnung dann aber doch zu viel. <small>Bild: Isabel Plana</small>