Zwischen Bobbycar und Hausordnung – was Familien in Mietwohnungen wissen müssen

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Kinder verändern nicht nur das Leben, sondern auch das Mietverhältnis. Mit dem ersten Kind wird der Alltag aufregender und lauter. Mit dem Baby kommen Nuggi, Windeln, Schoppen und plötzlich auch ganz neue Mietrechtsfragen. Wo darf der Kinderwagen hin? Wie viel Lärm ist zu viel des Guten? Und was, wenn der Bobbycar im Gang zur Stolperfalle für die Nachbarschaft wird?

Annegrets und Kurts Tochter Amélie schreit laut und oft. Besonders nachmittags, manchmal auch in der Nacht. Nachbar Hunkeler empfindet das als alles andere denn erholsam und hat sich bereits mehrfach bei der Vermieterschaft beschwert.

Doch selbst wenn der Nachwuchs ein regelrechtes Schreikonzert veranstaltet, besteht kein Handlungsbedarf. Denn Lärm von Kleinkindern gehört tagsüber zum ganz normalen Alltag und muss von den Nachbar*innen toleriert werden. Kinder dürfen spielen, hüpfen, lachen, schreien, manchmal auch alles gleichzeitig. Das gehört zum Leben. Selbst eine Kindergeburtstagsparty mit zehn Zuckerschock-geplagten Mini-Gästen kann die Vermieterschaft nicht verbieten.

Zu respektieren sind natürlich die Ruhezeiten. Diese ergeben sich aus dem Mietvertrag oder der Hausordnung und sind je nach Region etwas unterschiedlich geregelt. Allgemein gilt jedoch: Ab 22 Uhr ist Nachtruhe. Spätestens dann haben Bobbycars Pause, Geburtstagsgäste sollten den Heimweg antreten, und auch das Piratenschiff im Kinderzimmer geht vor Anker. Dass ein Kleinkind oder Säugling auch nach 22 Uhr einmal weint, schreit oder sich aus pädagogisch nicht ganz nachvollziehbaren Gründen quengelnd auf den Boden wirf, ist rechtlich unproblematisch. Das fällt unter «normaler Familienalltag», und der ist halt einfach nicht komplett geräuschlos.

Es stellt sich die Frage, ob der übernächtigte Nachbar Hunkeler wegen des Kinderlärms eine Mietreduktion verlangen kann. Wohl eher nicht, denn Kinderlärm gehört – wie gesagt – zum Mietalltag. Selbst der griesgrämigste Nachbar muss ihn ertragen. Eine Mietzinsreduktion kommt nur in Betracht, wenn der Lärm das übliche Mass deutlich übersteigt. Doch bei einem weinenden Baby oder einem Dreikäsehoch, der im Hof spielt, ist das in der Regel nicht der Fall.

Vermieter*innen, die Kinderlärm präventiv vermeiden wollen, dürfen bei der Wohnungsvergabe selektiv sein. Das erlaubt die Vertragsfreiheit. Klauseln im Mietvertrag wie zum Beispiel «Keine Kinder erlaubt» gehen aber zu weit und sind nicht verbindlich. Ob sich Mieter*innen fortpflanzen, bleibt ganz allein ihre Sache.

Der Kinderwagen im Treppenhaus

Nach einem Spaziergang mit Amélie ist es verständlich, dass Annegret und Kurt den Kinderwagen nicht gleich bis in den dritten Stock schleppen möchten. Ihn im Hausflur abzustellen ist praktischer. Doch Mieter*innen dürfen grundsätzlich nur den Bereich nutzen, den sie gemietet haben. Und dazu zählen Hausflur und Treppenhaus in der Regel nicht. Daher dürfen keine Gegenstände wie Velos, Bobbycars oder eben Kinderwagen ohne weiteres ausserhalb der Wohnung geparkt werden. Dies zumindest nicht ohne Erlaubnis der Vermieterschaft – selbst dann nicht, wenn der Platz vor der Wohnungstür noch so praktisch erscheint.

Ob Vermieter*innen verpflichtet sind, einen Abstellplatz für Kinderwagen zur Verfügung zu stellen, ist rechtlich umstritten. Deshalb ist es umso wichtiger, bereits bei der Wohnungswahl darauf zu achten, ob es geeignete Abstellmöglichkeiten ausserhalb der Wohnung gibt. Am besten ist es, bei der Vermieterschaft nachzufragen, ob der Kinderwagen im Hausflur abgestellt werden darf. Die Erlaubnis wird meist unter der Bedingung erteilt, dass weder Fluchtwege versperrt noch andere Hausbewohner*innen gestört werden. Sollte es dennoch zu Beschwerden kommen, kann die Vermieterschaft die Erlaubnis jederzeit widerrufen. Wer also auf Nummer sicher gehen will, bittet zuerst um Erlaubnis und parkiert den Kinderwagen so, dass niemand darüber stolpert und die Fluchtwege frei sind.

Aus dem Büro wird ein Kinderzimmer?

Annegret und Kurt möchten das ehemalige Bürozimmer in ein richtiges Kinderparadies verwandeln. Ein Teppich soll den kalten Boden gemütlicher machen, und sogar ein klappbarer Wickeltisch an der babyblauen Wand ist geplant. Doch dürfen Mieter*innen solche kleineren Umbauten einfach vornehmen?

Die Antwort lautet: Ja – aber nur mit schriftlicher Zustimmung der Vermieterschaft. Am besten halten Annegret und Kurt die Umbaupläne schriftlich fest und vereinbaren mit der Vermieterschaft auch, wie viel sie investieren und wie hoch der Entschädigungsanspruch bei ihrem Auszug ist. Ein solcher Mehrwertanspruch kann sogar dann bestehen, wenn in der schriftlichen Zustimmung keine Beträge genannt sind.

Manche Vermieter*innen geben zwar ihr schriftliches Okay, verlangen aber gleichzeitig, dass beim Auszug alles wieder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt wird. Das ist nur dann rechtlich verbindlich, wenn die Mieter*innen dieser Rückbaupflicht ausdrücklich zustimmen. Ein pauschaler Hinweis in der Zustimmung reicht nicht. Es muss nachweisbar sein, dass die Mieterschaft mit dem Rückbau einverstanden war.

Doch was, wenn Annegret und Kurt befürchten, dass sie keine Zustimmung erhalten? Einfach loslegen und auf Kulanz hoffen ist nicht ratsam. Die Vermieterschaft könnte im schlimmsten Fall kündigen – unter Umständen sogar fristlos. Das ist allerdings nur möglich, wenn die baulichen Veränderungen dem Mietobjekt ernsthaft schaden. Ein Teppich oder ein neuer Anstrich fallen sicherlich nicht darunter.

Ohne Zustimmung müssen Annegret und Kurt aber damit rechnen, dass sie beim Auszug alles auf eigene Kosten zurückbauen müssen. Und das kann teuer und nervenaufreibend werden – gerade mit Baby an Bord. Deshalb lohnt es sich in jedem Fall, vorgängig das Gespräch mit der Vermieterschaft zu suchen.

Kinderkunst in der Mietwohnung

Amélie liebt es, kreativ zu sein – leider auch an der Wohnzimmerwand. Mit Filzstift, Wachsmalkreiden oder Joghurt vermischt mit Fingerfarbe entstehen dort täglich neue Kunstwerke. Doch was passiert beim Auszug? Wer haftet für den «Schaden»?

Grundsätzlich gilt: Mieter*innen müssen das Mietobjekt in einem ordnungsgemässen Zustand zurückgeben. Das bedeutet nicht «wie neu», aber doch so, wie es dem vertragsgemässen Gebrauch entspricht. Kinderzeichnungen an der Wand gehören da nicht dazu – und gelten meist als übermässige Abnutzung. Eltern haften also für die künstlerischen Ausbrüche ihres Sprösslings. Bei Übergabe kann die Vermieterschaft verlangen, dass die betroffenen Wände neu gestrichen oder fachgerecht gereinigt werden, und zwar auf Kosten von Annegret und Kurt.

Bei der Bemessung der Entschädigung ist die Altersentwertung zu berücksichtigen. Ist die Lebensdauer der Wand bereits abgelaufen, müssen Mieter*innen nichts mehr bezahlen.

Planschbecken auf dem Balkon

An heissen Sommertagen gibt es für Amélie nichts Schöneres, als im kühlen Wasser zu planschen. Da die nächste Badi zu weit weg ist, muss dafür der Balkon herhalten. Doch dürfen Annegret und Kurt dort einfach ein Planschbecken aufstellen? Da hilf ein Blick in den Mietvertrag und die Hausordnung. Ist das Aufstellen eines Planschbeckens dort nicht explizit verboten, dürfe es eigentlich kein Problem sein. Trotzdem gibt es ein paar Dinge zu beachten – nicht nur, um Ärger mit der Vermieterschaft zu vermeiden, sondern auch im Sinne der Sicherheit. Denn so klein Kinder auch sind – Wasser bringt Gewicht mit sich. Ein gut gefülltes Planschbecken mit einem fröhlich planschenden Kind kann schnell mehrere hundert Kilo wiegen. Je nach Grösse des Balkons und Bausubstanz kann das zu viel sein. Die Tragfähigkeit des Balkons sollte deshalb unbedingt vorher mit der Vermieterschaft geklärt werden.

Rücksichtnahme ist im Interesse aller Parteien

Auch wenn Kinder in ihrer Wohnung vieles dürfen, sollten Eltern und Kinder auf ihre Nachbarschaft Rücksicht nehmen. Toben, Hüpfen und Spielen gehören dazu – aber bitte mit Augenmass.

Fussballspielen passt besser auf die Gemeinschaftswiese als ins Wohnzimmer. Und wenn Bauklötze regelmässig wie Felsbrocken aufs Parket krachen, kann ein Teppich Wunder wirken, für den Boden und die Nerven der Nachbarschaft. Wer ein offenes Ohr hat und die allseits erforderliche Toleranz nicht überstrapaziert, leistet einen wichtigen Beitrag zu einem entspannten Miteinander

Text: Fabian Gloor