Wie finden Sozialhilfebeziehende in Zürich würdigen und bezahlbaren Wohnraum? Das Projekt WohnFit von Caritas Zürich hilft – und sucht freiwillige Mentor*innen.
Angemessene und finanziell tragbare Wohnverhältnisse sind die Grundlage für die wirtschaftliche und soziale Integration – und elementar für den Weg aus der Armut. Als Reaktion auf die angespannte Situation auf dem Zürcher Wohnungsmarkt hat Caritas Zürich zusammen mit der Stadt Zürich das Projekt WohnFit lanciert mit dem Ziel, Sozialhilfebeziehende mit Freiwilligen zusammenzubringen, die sie bei der Wohnungssuche unterstützen. Ein solches Tandem bilden Mandy und ihre Mentorin Beatrice. Mandy wohnt in einem Reihenhaus in Zürich-Wollishofen. Ein hügeliges Quartier; nur schon bis man beim Haus Nummer 6 an der Tür klingeln kann, gilt es ein Dutzend Treppenstufen zu überwinden. Für Menschen ohne Beeinträchtigung nicht weiter problematisch. Für Mandy liegen die Dinge ein bisschen anders: Die 57-Jährige hat grosse gesundheitliche Probleme – ein Nervenleiden und damit verbundene permanente Schmerzen erschweren ihr das Gehen, das Treppensteigen sowieso, und sie ist auf einen Rollator angewiesen. Und: Mandy hat krankheitsbedingt ihre letzte Stelle als Assistentin Betreuung in einem Hort verloren und bezieht Sozialhilfe, sie hat also ein sehr überschaubares Budget.
Zusammen den Wohnungsmarkt beackern
Im November 2021 muss sie aus ihrer günstigen Wohnung ausziehen – eine Aussicht, die ihr den Schlaf raubt, fast noch mehr, als die Schmerzen es tun. «Der Mann von der Spitex brachte mich auf die Idee, mich beim WohnFit-Programm von Caritas anzumelden», erzählt Mandy. Und so kam sie Ende 2020 mit ihrer Mentorin Beatrice zusammen. Seither beackern sie zusammen den Zürcher Wohnungsmarkt auf der Suche nach einer bezahlbaren und hindernisfreien Bleibe. Hindernisfrei heisst in diesem Fall: Mindestens ein Lift muss sein, denn der würde es Mandy ermöglichen, auch mal spontan nach draussen zu gehen, ohne jedes Mal Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen. Der Anfang der Zusammenarbeit der beiden Frauen verlief eher harzig: «Einen grossen Teil der Zeit haben wir für Papierkram gebraucht», sagt Mentorin Beatrice, «Betreibungsregisterauszüge besorgen, Wohnsitzbescheinigung und so weiter.» Da Mandy lange im Ausland gelebt hat, sei das nicht ganz einfach gewesen. Mittlerweile sind sie aber ein eingespieltes Team und verfügen über ein dichtes digitales Netz, das ihnen erlaubt, den Wohnungsmarkt zu beobachten. Etwas, das Mandy zuerst lernen musste: «Ich habe vorher nie wirklich am Computer gearbeitet und wusste zuerst gar nicht, wo ich überhaupt nach Wohnungen suchen soll.»
Anfragen nehmen zu
Für Sandra Trivick, Leiterin WohnFit bei Caritas Zürich, ist klar: Ist der Umzug in eine angemessene und bezahlbare Wohnung nicht möglich, wird in prekären Wohnverhältnissen ausgeharrt. «Eine sehr kleine, schimmelige oder schlecht ausgestattete Wohnung wird schnell zu einer existenziellen Frage», so Trivick. «Die hohen Mieten führen dazu, dass die Menschen sich verschulden und in anderen Lebensbereichen übermässig sparen müssen, etwa bei der Ernährung. Gerade bei Familien mit Kindern kann das schwerwiegende Folgen nach sich ziehen.» Caritas Zürich führt WohnFit im Auftrag der Stadt Zürich durch, momentan noch als Pilotversuch. «Ich hoffe sehr, dass wir das Projekt weiterführen können, zumal die Anfragen nach Unterstützung zunehmen», sagt Trivick. «Wir möchten zudem allen Armutsbetroffenen ein Mentoring ermöglichen, und nicht ausschliesslich Sozialhilfebeziehenden.»
Text: Andreas Reinhart, Caritas Zürich