Die Annahme der Initiative «Deutsche Wohnen & Co. enteignen» ist ein starkes Zeichen gegen die Renditeoptimierung der Wohnkonzerne. Auch wenn ihre Forderung vermutlich nie umgesetzt wird.
Als am 26. September alle Augen auf den Ausgang der Bundestagswahlen gerichtet waren, ereignete sich in Berlin eine kleine Sensation: Eine Mehrheit von fast 60 Prozent der Stimmberechtigten sagte Ja zur Initiative «Deutsche Wohnen & Co. enteignen». Das Bemerkenswerte an diesem Resultat ist, dass die angenommene Initiative nicht weniger verlangt als die Vergesellschaftung von Immobilien, die im Besitz von Unternehmen mit mehr als 3000 Mietwohnungen sind. Die Konzerne sollen gegen Entschädigung enteignet und die Immobilien in eine Anstalt öffentlichen Rechts überführt werden. Der Berliner Mieterverein deutete das Votum in einer Medienmitteilung als «Zeichen für eine soziale Wohnungspolitik, die nicht nur die Interessen von Investoren bedient, sondern sich einer leistbaren Wohnraumversorgung und dem Schutz aller Mieter und Mieterinnen verpflichtet sieht».
Wird es tatsächlich zu Enteignungen kommen?
Ob es in Berlin aber jemals zu einer Enteignung der grossen Wohnkonzerne kommen wird, ist fraglich. Denn angenommen wurde nicht ein konkreter Gesetzesvorschlag, sondern ein sogenannter Beschlussentwurf. Und der ist für die Berliner Regierung nicht bindend. Noch ist nicht definitiv entschieden, wer die Hauptstadt künftig regieren wird. Es sieht aber danach aus, als würde die Koalition aus Rot-Grün-Rot weitergeführt, wobei die Wahlsiegerin SPD mit Franziska Giffey die Bürgermeisterin stellen wird. Giffey liess bereits während der Wahlkampagne keine Zweifel daran, dass sie eine Enteignung der Immobilienkonzerne als nicht zielführend ansieht. Die Grünen unterstützten die Initiative zwar grundsätzlich, bezeichneten die Enteignungen jedoch als «letztes Mittel», die Linke dagegen beteiligte sich an der Unterschriftensammlung und macht sich für die Umsetzung der Enteignungen stark. Einen ersten Hinweis, worauf sich die Parteien einigen könnten, liefert das Sondierungspapier, das sie im Hinblick auf die Koalitionsverhandlungen veröffentlichten. Darin ist festgehalten, dass sich die Regierung für bezahlbare Mieten im Bestand sowie einen konsequenten Schutz der Mietenden einsetzen und 200 000 neue Wohnungen bis 2030 bauen will. Der Teil zum Volksentscheid dagegen ist etwas weniger klar: Die Parteien einigten sich vorläufig darauf, «eine Expertenkommission zur Prüfung der Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen der Umsetzung des Volksbegehrens» einsetzen zu wollen.
Das Treiben geht munter weiter
Derweil geht das Treiben der Immobilienkonzerne munter weiter. Noch am Abstimmungsabend gab der schwedische Immobilienkonzern Heimstaden bekannt, vom ebenfalls schwedischen Konkurrenten Akelius fast 29 000 Wohnungen in Skandinavien und Deutschland im Wert von 9,1 Milliarden Euro zu übernehmen, rund die Hälfte davon in Berlin. Die Berliner Deutsche Wohnen, nach der die Initiative benannt ist, wurde ihrerseits keine zwei Wochen nach der Abstimmung vom Bochumer Konzern Vonovia übernommen. Dadurch entsteht der mit Abstand grösste börsenkotierte Wohnungskonzern in Europa mit rund 550 000 Wohnungen im Wert von mehr als 80 Milliarden Euro, der grösste Teil davon in Deutschland.
Text: Andrea Bauer