So geht es immer

Am 1. März konnten die Mietenden der Bertastrasse 4 (Mitte) wieder in ihre Wohnungen einziehen.

Die Mietenden der Bertastrasse 4 in Zürich sind in ihre sanierten Wohnungen zurückgezogen. Eine engagierte Mieterschaft und das Mietrecht machten es möglich. 

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Am 22. Mai 1991 kaufte die gemeinnützige «Stiftung zur Erhaltung von preisgünstigen Wohn-und Gewerberäumen» (PWG) ihr erstes Haus. Der Kauf von Liegenschaften ist ihre Strategie. Weil sie keine Gewinnabsichten verfolgt und die langfristige Übernahme der bestehenden Mietverhältnisse garantieren soll, gibt es auch heute noch Eigentümer*innen, die ihre Häuser zu einem vertretbaren Preis an sie verkaufen. 

Dreissig Jahre nach dem ersten Kauf umfasst das PWG-Portfolio rund 1900 Wohnungen und 300 Gewerbeobjekte. In den Jahresberichten halten sich mittlerweile die Nachrichten über Käufe und Sanierungen die Waage. Damit stellt sich die Frage, wie umfassende Sanierungen abgewickelt werden. Deshalb horchten Insider auf, als im Frühling 2018 die Nachricht die Runde machte, den Mietenden des 1992 gekauften PWG-Hauses Schreinerstrasse 42 sei wegen Sanierung die Kündigung zugestellt worden. 

Verzicht auf Kündigungen 

Das Haus an der Bertastrasse 4 mit neun Wohnungen und zwei Ladenlokalen erwarb die PWG 2002. Im Frühling 2017 wurde den Mietenden mitgeteilt, eine Sanierung werde geplant. Die Hausgemeinschaft gab in ihrer sofort verfassten Antwort dem Wunsch Ausdruck, diese solle so sanft wie möglich und ohne Grundrissänderungen geplant werden. 

Im Juni 2018 teilte die PWG mit, die Wohnungen würden per 31. Mai 2019 gekündigt, weil im Zug der Sanierung asbesthaltige Schadstoffe entsorgt werden müssten. Für die Mietenden war das ein Schock. Sie schickten Briefe an die PWG, führten Gespräche und holten beim MV fachlichen Rat ein. Im August bot die Geschäftsstelle der PWG Unterstützung bei der Wohnungssuche und ein Vormietrecht für die umgebauten Wohnungen an. An der Kündigung wollte sie festhalten. 

Erst als sich der Stiftungsrat und dessen Ausschuss einschalteten, kam Bewegung in die Sache. In der Planung nicht berücksichtigte Einwände der Mietenden zur Anpassung der Grundrisse wurden teilweise aufgenommen. Ihr Wunsch, das Haus möge strangweise saniert werden und ein Teil der Mietenden in den Wohnungen bleiben können, wurde aber abgelehnt. Hingegen wurde vereinbart, dass die Mietenden während der Bauzeit auf eigene Kosten aus ihren Wohnungen ausziehen und die PWG auf die Kündigung der Mietverträge verzichtet. Grundlage der Vereinbarung ist die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach eine Kündigung wegen Sanierung gegen Treu und Glauben verstösst, wenn die Mietenden ihre Wohnung auf eigene Kosten räumen und während das Umbaus ausziehen. 

Hausgemeinschaft bleibt erhalten 

Ende März 2020 gaben die Mietenden ihre Mietobjekte ab, einzelne konnten in eine von der PWG zur Verfügung gestellte Ersatzwohnung ziehen. Elf Monate später konnten sie an die Bertastrasse zurück – zunächst zu denselben Konditionen. Die aufgrund der wertvermehrenden Investitionen anstehende Mietzinserhöhung – die sie mietrechtlich überprüfen lassen können – soll ihnen Mitte Jahr zugestellt werden. 

Nach dem Wiedereinzug gibt es von beiden Seiten kritische Bemerkungen. Die Mietenden sind enttäuscht, dass sie von der PWG nicht stärker in die Planung der Sanierung einbezogen wurden. PWG-Sprecher Kornel Ringli weist darauf hin, dass die Stiftung mit der «für beide Seiten aufwändigen Lösung … gezielt auf die Bedürfnisse der Mietenden» eingegangen sei und dennoch einzelne Mietende «auf ihr Rückkehrrecht verzichtet» hätten. 

Trotzdem kann festgehalten werden, dass die Hausgemeinschaft nicht auseinandergerissen wurde. Eingehalten werden konnte auch das dem ehemaligen Eigentümer gegebene Versprechen, die Mietverhältnisse weiterlaufen zu lassen. 

Text: Walter Angst