Sanieren zugunsten der Mietenden

Ein Haus wird nach Minergie-Standard saniert. Foto: Fluxif (Gerry Nitsch) / Das Gebäudeprogramm

In energetischen Sanierungen von Gebäuden steckt ein grosses Potenzial, sie müssen darum stärker gefördert werden. Dabei dürfen die Mietenden nicht vergessen gehen.

Über 40 Prozent des gesamten Energieverbrauchs und rund ein Drittel der klimaschädlichen CO2-Emissionen fallen gemäss Bundesamt für Energie (BFE) hierzulande im Gebäudebereich an. Mehr als eine Million Häuser sind energetisch dringend sanierungsbedürftig: Viele davon sind nicht oder kaum gedämmt und können nicht mit erneuerbaren Energien geheizt werden. Sanierungen, die den Energieverbrauch verringern, müssen zwar meist von der Vermieterschaft beschlossen werden. In gewissen Fällen können die Mietenden aber auch mitreden und in der Regel profitieren sie von den Massnahmen. 

Grosses Potenzial 

Das Potenzial zur Senkung des Energieverbrauchs im Gebäudesektor ist beträchtlich. Wenn Heizung und Fenster ausgetauscht und die Aussendämmung verbessert werden, sind Einsparungen von bis zu 60 Prozent möglich. Eine zusätzliche Dämmung der Fassade senkt den Energieverbrauch um weitere 10 bis 20 Prozent, insbesondere bei Gebäuden, die vor 1975 gebaut wurden und deren Wärmedämmung im Allgemeinen schlecht ist. Von einer Isolierung profitieren die Mietenden während der Wintermonate, weil sie den Energieverlust verringert, aber auch an heissen Tagen, da eine gute Isolierung die Hitze draussen hält. 

Gemäss der Energiestrategie des Bundes soll der Verbrauch des Schweizer Gebäudebestands bis 2050 um fast die Hälfte reduziert werden. Technisch ist dies machbar, viele Vermieter*innen zögern jedoch zu investieren, und die Mietenden haben berechtigte Angst vor Mietzinserhöhungen. 

Mieter*innen schützen 

Nach Sanierungen steigen Mieten oft über das mietrechtlich zulässige Mass hinaus an, oder die Mietverträge werden gekündigt und die Wohnungen zu einem viel zu hohen Preis weitervermietet. Damit sich Sanierungen nicht unverhältnismässig stark auf die Mietenden auswirken, müssen damit zusammenhängende Mieterhöhungen strenger geregelt werden. 

Senkung des Überwälzungssatzes 
Bei grösseren Modernisierungen zur Verbesserung der Energieeffizienz muss der Anteil, der auf die Mieten überwälzt werden darf – derzeit liegt er bei 50 – 70 % –, gesenkt werden. Gemäss einer Studie liegt der Satz, der der tatsächlichen Wertschöpfung entspricht, deutlich tiefer. 

Kontrolle der Mietzinserhöhungen 
Bei einer Auszahlung von Fördergeldern muss die nach der Sanierung erfolgte Mietzinserhöhung von amtlicher Seite kontrolliert werden. 

Keine Kündigungen nach Sanierungen 
Wer von Fördergeldern für energetische Sanierungen profitiert, soll keine Kündigungen aussprechen dürfen. So kann verhindert werden, dass die Vermieterschaft doppelt profitiert, indem sie einerseits Fördergelder erhält und anderseits die Mietzinsen bei der Neuvermietung erhöht. 

Sanieren statt abreissen 
Liegenschaften sollen wenn immer möglich saniert statt abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Dies ermöglicht den Mietenden, in ihren Wohnungen zu bleiben, erhält zahlbaren Wohnraum und wirkt der Verdrängung entgegen.

Sanierung statt Abriss und Neubau 

Laut Andrea Streit, Gebäudespezialist beim Bundesamt für Energie (BFE), bringen energetische Sanierungen viele Vorteile. Eine Modernisierung ist für die Mietenden eindeutig die bessere Lösung als ein Abriss und Neubau, der zu wesentlich höheren Mieten führen kann. Ausserdem steigt, wie bereits erwähnt, der Komfort für die Mietenden nach einer energetischen Sanierung. Die entscheidende Frage ist allerdings, wer für die Kosten der Sanierung aufkommen soll. Im Interview gibt Philippe Thalmann, Leiter des Lehrstuhls für Städte- und Umweltökonomie an der ETH Lausanne, einige Anregungen dazu. 

Einfamilienhäuser sanieren reicht nicht 

In der Schweiz leben fast 60 Prozent der Bevölkerung in Mietwohnungen. Dieser Anteil zeigt, wie wichtig Liegenschaften mit Mietwohnungen für das Erreichen der energie- und klimapolitischen Ziele sind. Vermutlich liegt es an einem Mangel an Informationen über Subventionen und die Vorteile einer Modernisierung, dass nicht mehr Eigentümer*innen ihre Liegenschaften sanieren. 

Um Aufklärungsarbeit zu leisten, haben die Bundesämter für Energie respektive Wohnungswesen die beiden Online-Ratgeber «Renovabene» und «Locabene» lanciert. Sie sollen Vermieter*innen respektive Mieter*innen vor, während und nach energetischen Sanierungen mit Informationen und konkreten Beispielen unterstützen und den Dialog zwischen den beiden Seiten fördern. 

Text: Henriette Schaffter