Raus aus dem Haus – aber wie? 

Illustration: Patric Sandri

Mietverträge mit einer längeren Mindestdauer sind grundsätzlich zulässig. Doch es gibt eine Möglichkeit, wie man als Mieter*in vorzeitig aus einem solchen Vertrag rauskommt. 

Jürg Nötzli hat die Nase voll. Vor knapp drei Monaten ist er in seine vermeintliche Traumwohnung gezogen. Doch seit seinem Einzug vergeht kein Tag, an dem sich Nötzli nicht grün und blau ärgert. Der Grund sind seine Nachbarn. Fast täglich ist Nötzli – überzeugter Veganer – dem Grillgeruch ausgesetzt, der von der unteren Wohnung durch sein Fenster zieht. Damit könnte er ja noch leben, würde die Geruchsbelästigung nicht zusätzlich von penetrantem Kindergeschrei akustisch untermalt. Zu guter Letzt ist da noch Hunkelers Dobermann, der ihn bei jeder Begegnung im Treppenhaus zähnefletschend begrüsst und der regelmässig seine Notdurft im Treppenhaus verrichtet.

Kinderlärm müsse man halt tolerieren und der Nachbar verwende ja extra einen Gasgrill. Und Hunkelers Dobermann sei doch ganz ein Lieber, wimmelt ihn seine Vermieterin ab. Nötzli hat keine Lust, mit der Geschichte an die Schlichtungsbehörde zu gelangen. Er hat nämlich bereits eine neue Wohnung gefunden, die seinen Bedürfnissen besser entspricht. Der Einzugstermin wäre bereits in zwei Monaten. Nötzli möchte diese Wohnung unbedingt mieten. Deshalb prüft er die Kündigungsmodalitäten seines aktuellen Mietvertrags. Seine Euphorie schlägt rasch in Panik um, als er im Mietvertrag über eine Klausel stolpert: Laut dieser kann sein Mietverhältnis erst in fünf Jahren gekündigt werden, also das erste Mal auf den 31. März 2028. Beim Abschluss des Mietvertrags hat er diese Klausel schlichtweg überlesen. 

Mindestdauer ist zulässig 

Ist eine solche Mindestdauer überhaupt erlaubt? Ja. Verträge mit einer Mindestdauer sind grundsätzlich zulässig. Unterschreibt man einen solchen Vertrag, so gilt er. Ist aber eine fünfjährige Mindestvertragsdauer nicht viel zu lang? Vertragsverhältnisse von allzu langer Dauer können tatsächlich eine übermässige Bindung darstellen, die gemäss Artikel 27 des Zivilgesetzbuches ungültig ist. Die sogenannte «ewige Miete» ist unzulässig. Ab welcher Dauer eine Vertragsbindung als übermässig gilt, ist jedoch nicht genau festgelegt. Das müsste das zuständige Gericht in jedem Einzelfall unter Würdigung der Umstände entscheiden. Das Bundesgericht befand im Jahre 1988, ein «für alle Zeit» abgeschlossener Vertrag könne nach 20 Jahren gekündigt werden. Dabei ging es allerdings nicht um eine Wohnung, sondern um Bierlieferungen an Gaststätten. Bei einem fünf Jahre lang unkündbaren Mietvertrag kann kaum von übermässiger Bindung die Rede sein. Solche Verträge sind vor allem für Einfamilienhäuser oder Geschäftslokale durchaus üblich. Sogar zehnjährige Verträge für Geschäftsräume kommen vor.

Weniger Flexibilität, dafür mehr Sicherheit 

Ein mehrjähriger Mietvertrag hat Vor- und Nachteile. Als Mieter*in ist man nicht so flexibel, wenn man schon bald wieder ausziehen will. Dafür geniesst man mehr Sicherheit, da die Vermieterschaft über längere Zeit nicht kündigen kann. Das ist nützlich, wenn man beispielsweise etwas ins Mietobjekt investiert, wie das bei Geschäftslokalen häufig der Fall ist. Rechtlich ist es sogar zulässig, für Mieter*innen und Vermieter*innen unterschiedliche Kündigungsbedingungen zu vereinbaren. Ein Vertrag kann beispielsweise der Mieterschaft jedes Quartal ab Mietbeginn eine Kündigungsmöglichkeit zugestehen, der Vermieterschaft aber erst nach fünf Jahren. 

Auch finanziell kann sich eine mehrjährige Vertragsdauer lohnen, gerade jetzt, wo der Referenzzinssatz erhöht wurde. Anpassungen des Mietzinses an den Referenzzinssatz können erst auf den nächstmöglichen Kündigungstermin vorgenommen werden. Wer also ein langfristiges Mietverhältnis hat, kann den niedrigeren Zins noch für eine Weile «anbinden». 

Ausserterminliche Kündigung ist möglich 

Ist Nötzlis Traum von einer neuen Bleibe deshalb bereits ausgeträumt? Nicht ganz, denn das Gesetz sieht einen Ausweg vor: Nötzli kann sich von seinen mietvertraglichen Verpflichtungen befreien, indem er eine zumutbare und zahlungsfähige Nachmieterschaft für seine Wohnung findet. Gemäss Gesetz genügt es, wenn Nötzli seiner Vermieterin eine einzige Person präsentiert. Besser ist es aber, wenn er so viele potenzielle Nachmieter*innen wie möglich sucht. So erhöht er die Chance, dass sich darunter eine Person befindet, die zumutbar und zahlungsfähig ist. 

Sofort teilt Nötzli seiner Vermieterin per Brief mit, dass er in zwei Monaten ausserterminlich ausziehen und ihr deshalb so bald wie möglich Nachmieter*innen melden werde. Rasch schaltet er auf diversen Immobilienportalen ein Wohnungsinserat samt einigen aussagekräftigen Bildern online. Auch das Anschlagbrett des Quartierladens schmückt er mit einer Anzeige. Es läuft wie am Schnürchen. Innerhalb weniger Tage besichtigen zahlreiche Interessierte die Wohnung und füllen das Formular zur Meldung von Nachmieter*innen aus, das Nötzli von der Website des MV kostenlos heruntergeladen hat. 

Kriterium Zahlungsfähigkeit 

Viele der Interessierten haben auf Nötzlis Bitte hin einen aktuellen Auszug aus dem Betreibungsregister zur Wohnungsbesichtigung mitgebracht. Damit kann er belegen, dass diese auch tatsächlich zahlungsfähig sind. Generell gelten Nachmieter*innen als zahlungsfähig, wenn deren Betreibungsregisterauszug höchstens vereinzelte Einträge aufweist, die nicht auf Zahlungsschwierigkeiten oder eine schlechte Zahlungsmoral schliessen lassen. Viele Vermieter*innen lehnen alle Personen ab, deren Betreibungsregister nicht astrein ist. Diese Haltung ist übervorsichtig. Wer nur einzelne Betreibungen hat, die nicht generell auf Zahlungsprobleme hinweisen, ist als Nachmieter*in zumutbar. Als nicht genügend zahlungsfähig gelten nur Personen, die mehrere Betreibungen aufweisen, insbesondere von der Steuerverwaltung oder der Krankenkasse. Als weiteres Indiz für die Zahlungsfähigkeit gilt der Lohn. Zudem darf der Mietzins nicht mehr als ein Drittel des Haushaltseinkommens ausmachen. 

Kriterium Zumutbarkeit 

Und wann gilt jemand als Nachmieter*in als zumutbar? Zumutbar sind grundsätzlich alle Personen, bei denen Ärger mit der Nachbarschaft nicht bereits programmiert ist. Allgemeine menschliche Eigenschaften wie Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, sexuelle Orientierung oder Nationalität sind unzulässige Ablehnungsgründe. In der Regel dürfen an Ersatzmieter*innen nicht höhere Anforderungen gestellt werden als an die ausziehenden Mieter*innen.

Nötzli schickt die Formulare der interessierten Personen zusammen mit den jeweiligen Betreibungsregisterauszügen an die Vermieterin – per Einschreiben. So kann er später beweisen, wann er ihr welche Person gemeldet hat. Die Kopien der Unterlagen sowie die Postquittung bewahrt er auf. Sie könnten in einem möglichen Rechtsstreit wichtige Beweismittel sein. 

Mietzinserhöhung nach Auszug 

Zwei Wochen verstreichen. Dann teilt ihm die Vermieterin per Brief mit, sie werde den Mietzins von 1500 auf 2000 Franken erhöhen. Der Referenzzinssatz sei schliesslich gestiegen. Nötzli bezweifelt, dass er zu diesen Bedingungen überhaupt mögliche Nachmieter*innen fände. Scheitern seine Pläne doch noch an den Absichten der Vermieterin? 

Nein. Gemäss Art. 264 OR müssen Mieter*innen nur eine Nachmieterschaft vorschlagen, die «den Mietvertrag zu den gleichen Bedingungen übernimmt». Kann Nötzli also die Hände in den Schoss legen und die weitere Suche sein lassen? Nein, so einfach geht es nun auch wieder nicht. Nötzli muss den Tatbeweis erbringen, dass es eine Person gibt, die die Wohnung zum aktuellen Mietzins von 1500 Franken mieten würde. Dafür holt sich Nötzli bei den potenziellen Nachmieter*innen eine schriftliche Bestätigung ein, dass sie bereit sind respektive bereit gewesen wären, die frei werdende Wohnung zum vereinbarten Termin und zu den Bedingungen des aktuellen Mietvertrags zu übernehmen. 

Was tut Nötzli als Nächstes? Er schreibt seiner Vermieterin einen eingeschriebenen Brief. Darin teilt er ihr mit, er werde die Wohnung Ende September abgeben und ab diesem Zeitpunkt keinen Mietzins mehr bezahlen. Was, wenn die Vermieterin nicht zur Wohnungsabgabe erscheint (solange Nötzli im Besitz der Wohnungsschlüssel ist, gilt er als Mieter und schuldet deshalb weiterhin den Mietzins)? Dann schickt Nötzli alle Wohnungsschlüssel eingeschrieben an die Vermieterin zurück.