Profitmaximierung mit «Crowdhouse»

Judith Bucher (links) und Sabina Düringer vor dem Haus, in dem sie früher wohnten. Bild: Isabel Plana

Kurz nach dem Einzug wird das Haus verkauft, bald folgt die Kündigung wegen Eigenbedarfs. Trotzdem wird die Wohnung neu ausgeschrieben – mehr als doppelt so teuer. Judith Bucher und Sabina Düringer erleben, was es heisst, Mieter*innen einer Rendite-Immobilie zu sein.

Judith Bucher und Sabina Düringer staunten nicht schlecht, als sie Anfang Februar ihre ehemalige Wohnung an der Kraftstrasse 37 am Zürichberg auf «Homegate» ausgeschrieben sahen – für einen Mietzins von sage und schreibe 9900 Franken. Das Zweieinhalbfache von dem, was sie für die 3,5-Zimmer-Dach­wohnung von rund 135 Quadratmetern bezahlt hatten. «Im Inserat war ersicht­lich, dass Küche und Bad – die im Übrigen noch in einem guten Zustand waren – nach unserem Auszug renoviert wurden und eine Klimaanlage eingebaut wurde. Die Miete dafür mehr als zu verdoppeln, schien uns aber selbst für das Nobelviertel Zürichberg jenseits», sagt Düringer. Viel mehr als der Mietzins irritierte das Paar aber die Tatsache, dass die Wohnung überhaupt ausgeschrieben war. Denn ihnen hatte der Vermieter im Februar 2022 wegen Eigenbedarfs gekündigt. Eigentlich sollte also jetzt er oder ein Familienmitglied in der Woh­nung wohnen.

«Marktplatz für Rendite-Immobilien»

An der Kraftstrasse 37 war von Anfang an der Wurm drin. Bereits am Einzugstag im Mai 2019 wurde den beiden Frauen mitgeteilt, das Haus sei kürzlich verkauft worden. Die Verunsicherung war gross. Erst ein knappes halbes Jahr später mel­dete sich die neue Verwaltung, die Firma Crowdhouse, und informierte vage über die neuen Besitzverhältnisse. Das 2015 gegründete Fintech-Unternehmen aus Zürich hat mit dem Modell des Crowdinvestings den Schweizer Immobilien­markt aufgemischt und bezeichnet sich selbst als «Marktplatz für Rendite-Immo­bilien». Ab einem Betrag von 100 000 Franken ist man dabei und kann auf der Online-Plattform mit einem Klick Anteile eines Objekts erwerben. Den Inves­tor*innen werden dabei 4 bis 6 Prozent Rendite in Aussicht gestellt, weit mehr als die 3,25 % (Referenzzinssatz plus 2 %), die aktuell mietrechtlich zulässig sind.

Judith Bucher (links) und Sabina Düringer vor dem Haus, in dem sie früher wohnten. Bild: Isabel Plana

Die Schwarmfinanzierung ist aber of­fenbar ins Stocken geraten. Mittlerweile vermittelt Crowdhouse einen Grossteil der Objekte an Alleineigentümer*innen. So auch das Mehrfamilienhaus mit neun Wohnungen an der Kraftstrasse 37, das von einem einzigen Investor erworben wurde – dem Eintrag auf der Crowdhouse-Website zufolge für 13,3 Millionen Franken. An einer erfolgreichen Vermitt­lung verdient Crowdhouse gleich dop­pelt: Die neuen Mit- oder Alleineigentümer*innen bezahlen eine Gebühr für die Abwicklung des Kaufs und danach für die Liegenschaftsverwaltung, die Crowdhouse in der Regel auch gleich übernimmt. Das Honorar für die Liegen­schaftsverwaltung ist erfolgsbasiert und beträgt 5 bis 7 Prozent der jährlichen Mieteinnahmen. Crowdhouse hat also ein Eigeninteresse an hohen Renditen und steuert die Mietzinse entsprechend. Bei Liegenschaften im Miteigentum legt Crowdhouse die Mieten selber fest, bei Alleineigentum in Absprache mit der Eigentümerin, dem Eigentümer.

«Verwaltung ist nicht ihr Bier»

Rund 3000 Wohneinheiten in über 150 Liegenschaften verwaltet das Zürcher Fintech-Unternehmen aktuell in der ganzen Deutschschweiz. Dem «Beob­achter» gegenüber sagte Crowdhouse 2020, das Immobilien-Management mache nur einen Bruchteil seiner Ein­nahmen aus. Ob das vielleicht erklärt, wieso es sich für die Anliegen der Mieter*innen kein Bein ausreisst? «Verwaltung ist definitiv nicht ihr Bier», sagt Sabina Düringer. «Weil das Dach stellen­weise undicht war, hat es bei Gewitter mehrfach reingeregnet. Wir haben das beim ersten Mal sofort gemeldet, haben bei Crowdhouse angerufen, Fotos ge­schickt», erzählt sie. Passiert ist nichts. «Erst beim dritten Vorfall, nachdem wir hartnäckig insistiert hatten, schickten sie einen Schreiner vorbei, der das Dach­fenster behelfsmässig flickte.» Auch der kaputte Geschirrspüler wurde erst nach mehrmaligem Nachhaken repariert. «Der Mechaniker stellte einen Ermü­dungsbruch beim Türgelenk fest», erzählt Bucher. «Die Rechnung für die Reparatur des 16 Jahre alten Geräts war dann prompt an uns adressiert, obwohl es ganz klar ein abnutzungsbedingter Mangel war.» Crowdhouse versprach, die Sache mit dem Eigentümer abzuklären. Passiert ist auch hier: nichts. «Stattdessen schickten sie uns ein halbes Jahr später eine erste Mahnung mit Betreibungsandrohung. Wir haben die Rechnung dann bezahlt, Crowdhouse aber in einem Schreiben aufgefordert, uns den Betrag zurückzuerstatten. Was sie am Ende tatsächlich getan haben.»

Ein-Stern-Bewertungen auf Google

Judith Bucher und Sabina Düringer sind nicht die einzigen Mieter*innen, die mit Crowdhouse schlechte Erfahrungen gemacht haben. Auf Google wimmelt es von Ein-Stern-Bewertungen und verärgerten Kommentaren. Von nicht beho­benen, teils gravierenden Mängeln wie kaputten Heizungen ist die Rede. Von Nebenkostenabrechnungen, die mit drei, vier, fünf Jahren Verzögerung ausgestellt wurden. Von schlechter Erreichbarkeit und unbeantworteten Anfragen. «Das kenne ich alles nur zu gut», sagt Michael Frauchiger. Er wohnt in einem Neubau im zürcherischen Weiach, den Crowdhouse an mehrere Miteigentümer vermittelte und seither selber verwaltet. Das 2017 erstellte Mehrfamilienhaus sei in einem desaströsen Zustand, ein Fall von Bau­pfusch. «Dafür kann Crowdhouse nichts. Aber als Mieter erwarte ich von einer Ver­waltung trotzdem, dass sie sich um die Mängel kümmert.» Und davon gab es, seit Frauchiger und sein Partner im März 2019 eingezogen sind, Unmengen. Undichte Fenster und Schimmelbildung in der Folge, defekte Raumthermostaten, wie­derholte Ausfälle von Heizung und Warm­wasser. Behoben wurden die Mängel, wenn überhaupt, nur behelfsmässig. «Zweimal war die Tiefgarage überflutet, dadurch ging der Lift kaputt und lief danach drei Wochen lang nicht. Da haben wir zusammen mit acht weiteren Mietparteien eine Mietzinsreduktion eingefor­dert und mit dem Mieterverband und der Schlichtungsbehörde gedroht. Crowdhouse ist der Aufforderung diskus­sionslos nachgekommen.» Auch Frau­chiger hat die Erfahrung gemacht, dass Crowdhouse schlecht erreichbar ist, dass nicht oder erst nach wiederholtem Nach­haken reagiert wird. Dass Nebenkosten­abrechnungen erst nach vier – bei seinen Nachbarn sogar erst nach fast fünf – Jahren ausgestellt werden. «Entweder ist Crowdhouse mit der Verwaltungsaufgabe einfach komplett überfordert oder, und das ist eher mein Eindruck, sie vermeiden bewusst jeden Aufwand. Ohne einge­schriebenen Brief und Androhung eines Schlichtungsverfahrens geht nichts. Eine so schlechte Verwaltung habe ich echt noch nie erlebt.»

Nach vier Jahren reicht es Frauchiger und seinem Partner. Ende Mai ziehen sie aus. Diese Gelegenheit nutzt Crowdhouse prompt, um den Mietzins zu er­höhen. «Wie schon bei der Wohnung unserer Nachbarn, die letztes Jahr ge­gangen sind, wird auch unsere Wohnung rund 260 Franken teurer.» Statt 2260 sollen Frauchigers Nachmieter*innen für die 120 Quadratmeter grosse 4,5-Zimmer-Wohnung im abgelegenen Züribieter Dorf mit Fluglärm nun-mehr 2520 Franken zahlen – eine Steige­rung von über 10 Prozent, ohne dass an der Wohnung etwas gemacht wurde.

Unangemeldeter Hausbesuch

Crowdhouse ist sicher nicht die ein­zige Liegenschaftsverwaltung, die Mie­ter*innen auflaufen lässt und Mieten erhöht. Was sie Anfang März 2022 er­lebte, kann Judith Bucher aber bis heute nicht fassen. «Ich war an diesem Tag mit Grippe zuhause geblieben, als es klingelte und sechs unbekannte Männer vor un­serer Tür standen.» Es war der Hauseigen­tümer in Begleitung seines Sohnes und einer Entourage von Crowdhouse. «Er habe seine Wohnung noch nie gesehen und wolle sich jetzt ein Bild davon ma­chen, sagte der Eigentümer. Ich stand im Pyjama an der Tür, war völlig überrumpelt von diesem unangekündigten Besuch und wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Also habe ich die Herren hereingelassen.» Crowdhouse teilt auf Anfrage mit, dass Besichtigungen standardmässig immer vorab mit der Mieterschaft abgeklärt würden. Es könne dabei – insbesondere in Begleitung der Eigentümerschaft – aber passieren, dass es sich kurzfristig als aufschlussreich erweise, gleich auch noch andere Wohneinheiten zu begutachten. In solchen seltenen Fällen könne es vor­kommen, dass auch ohne Voranmeldung bei der entsprechenden Mieterschaft um eine spontane Zutrittsgewährung ge­beten werde. «Ein äusserst unübliches und unprofessionelles Vorgehen», kriti­siert Nicole Schweizer, Rechtsberaterin des MV Zürich. «Grundsätzlich haben Eigentümer*innen ein Zutrittsrecht zu den Wohnungen in ihren Liegenschaften, zum Beispiel um den Zustand und einen allfälligen Renovationsbedarf zu beur­teilen. Aber ein Besuch ist den Mieter*in­nen mindestens 48 Stunden im Voraus telefonisch oder schriftlich anzukündigen und zu begründen. Frau Bucher hätte die Herren bei diesem Überraschungsbesuch ohne Weiteres wegschicken können.»

Nach diesem Überfall schwante Judith Bucher und Sabina Düringer nichts Gutes. Tatsächlich kam zwei Wochen später die Kündigung mit dem Verweis auf Eigenbedarf. Sie wandten sich an den Mieterinnen- und Mieterverband und fochten die Kündigung an. «Der MV empfiehlt, Kündigungen grundsätzlich anzufechten, um eine Mieterstreckung zu erwirken. Im Fall einer Eigenbedarfskün­digung kann man bei der Anfechtung ausserdem verlangen, dass die Vermieter­schaft in der Schlichtungsverhandlung die Gründe für den Eigenbedarf erklären und belegen muss», sagt Schweizer. «Den betroffenen Mieterinnen und Mietern empfehle ich, zu recherchieren, wer die Person ist, die einziehen soll, also zum Beispiel im Telefonbuch oder im Han­delsregister nachzuschauen.» Die Rechts­beraterin kennt einen Fall, in dem die Mieterschaft aufzeigen konnte, dass die Tochter des Eigentümers, für die der Eigenbedarf angemeldet wurde, bereits in einem anderen Dorf verwurzelt war – sie hatte dort ein Geschäft, und ihre Kinder gingen dort zu Schule. «Der Eigentümer konnte nicht überzeugend dagegen argu­mentieren, und die Schlichtungsbehörde forderte ihn zu einer grosszügigen Mie­terstreckung auf.» Aber selbst wenn man Hinweise finde, die gegen den Eigenbedarf sprechen, solle man sich nicht da­rauf ausruhen, sagt Schweizer. «Es ist wichtig, in jedem Fall nach einer neuen Wohnung zu suchen und die Suchbemühungen zu dokumentieren. Die Schlichtungsbehörden legen zunehmend Wert auf einen solchen Nachweis.»

Eigenbedarf von kurzer Dauer

Im Fall von Bucher und Düringer kam es nie zur Schlichtungsverhandlung, sie sich bereits vorgängig mit dem Eigen­tümer einigen konnten. «Er bot uns eine Mieterstreckung von drei Monaten und eine Reduktion der Kündigungsfrist auf einen Monat. Das stimmte für uns, weil wir zu dem Zeitpunkt bereits etwas in Aussicht hatten. Daher zogen wir die Anfechtung zurück.» Die Geschichte könnte hier zu Ende sein. Ist sie aber nicht.

Denn ganz offenbar war, anders als in der Kündigung angegeben, kein ernst­hafter Eigenbedarf vorhanden. «Irgend­wie hatte ich schon so eine Vorahnung und bin vor ein paar Monaten aus Neu­gier auf Homegate gegangen», erzählt Bucher. «Als wir das Inserat entdeckten – und dann noch mit diesem überrissenen Mietzins –, fühlten wir uns schon über den Tisch gezogen. Da kommt natürlich der Verdacht auf, dass das mit dem Ei­genbedarf nur eine Täuschung war, um den Mietzins zu erhöhen.» Crowdhouse bestreitet dies. Vom Eigentümer beauf­tragt, die Wohnung erneut auszuschrei­ben, habe man sich bei ihm nach den Hintergründen erkundigt, um eine mög­liche vorgeschobene Kündigung aufgrund von Eigenbedarf abzuklären, heisst es auf Anfrage. Der Eigentümer habe plau­sibel erklären können, inwiefern sich die Umstände für die ursprünglich geplante Eigennutzung geändert hätten.

Ob tatsächlich mal Eigenbedarf be­stand oder alles bloss eine Masche war – mit der satten Mietzinserhöhung dürfte der Eigentümer, und damit auch Crowdhouse als Liegenschaftsverwalterin, Profit aus der Sache schlagen. Zum Ärger von Judith Bucher und Sabina Düringer, die unnötigerweise umziehen mussten. Nicole Schweizer kann den Frust nach­vollziehen. «Rechtlich gesehen muss ein dringender Eigenbedarf aber nur zum Zeitpunkt der Kündigung bestehen und glaubhaft gemacht werden. Wenn bei­spielsweise der Sohn des Eigentümers einziehen möchte, es sich aber ein paar Monate später wieder anders überlegt, dann ist das legitim.» Nachträglich da­gegen vorzugehen ist möglich, Schweizer rät aber davon ab. Die Betroffenen müssten ein gerichtliches Verfahren gegen die ehemalige Vermieterschaft er­öffnen und wären damit beweispflichtig, müssten also nachweisen, dass es gar nie einen Eigenbedarf gab. «Ein solches Verfahren ist eine schwierige und lang­wierige Angelegenheit. Die Erfolgs­chancen sind klein, die potenziellen Ver­fahrens- und Anwaltskosten hoch», gibt die Juristin zu bedenken. «Auch wenn der Frust in so einer Situation gross ist – wir empfehlen die Sache abzuhaken.»

Rechtliche Schritte werden Judith Bucher und Sabina Düringer nicht er­greifen. Aber die Sache einfach so auf sich beruhen lassen wollten sie auch nicht. «Wir möchten unsere Erfahrungen teilen und andere Mieter*innen dazu ermu­tigen, sich zu wehren.» Gegen renditege­triebene Geschäftsmodelle wie jenes von Crowdhouse, in dem die Mieter*innen zu Milchkühen verkommen. Ein wenig Ge­nugtuung verspürten die beiden Frauen doch noch, als sie Ende März nochmals bei «Homegate» reinschauten. Crowdhouse hatte offenbar noch immer keine Nachmieter*innen für ihre ehemalige Wohnung gefunden und den Mietpreis nach unten korrigiert – von 9900 auf «nur» noch 7150 Franken.

So gehen Sie bei einer Eigenbedarfskündigung vor
· Fechten Sie die Kündigung innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt bei der Schlichtungsbehörde per Einschreiben an.
· Verlangen Sie in der Anfechtung, dass die Kündigung wegen Missbräuchlichkeit aufgehoben wird, dass das Mietverhältnis erstreckt wird (hierfür ist ein Härtefall darzulegen) und dass der angemeldete Eigenbedarf begründet wird.
· Falls bekannt ist, für wen der Eigenbedarf geltend gemacht wird – für den/die Eigentümer*in selbst oder ein Familienmitglied: Versuchen Sie, Näheres über diese Person herauszufinden. Zum Beispiel, wo sie aktuell wohnt oder wo sie arbeitet.
· Machen Sie sich auf die Wohnungssuche und dokumentieren Sie Ihre Suchbemühungen, auch wenn Sie den Verdacht haben, dass der Eigenbedarf nur vorgeschoben ist.

So sieht eine Rendite-Liegenschaft aus – 9900 Franken waren für die 3,5-Zimmer-Wohnung dann aber doch zu viel. <small>Bild: Isabel Plana</small>

Text: Isabel Plana