Politsatire

Selbst Bundesrat Guy Parmelin (SVP) kann die Augen vor dem Problem der steigenden Mietzinse nicht mehr verschliessen. Er hat ein Massnahmen­paket vorgestellt, bei dem wir allerdings nicht so recht wussten, ob er es wirklich ernst meint. Wir haben deshalb die Satirikerin Patti Basler gebeten, sich die Massnahmen genauer anzu­schauen. Dafür versetzte sie sich in die Rolle des Vermieters Hausi Zinsli, der dem Wohnungsminister klar und direkt sagt, was er von seinen Ideen hält.

Patty Basler übt sich in Kritik an Wohnungsminister Parmelin.

Lieber Guy Parmelin

You’re a good Guy! Du hast den Mietenden ein Massnahmen­paket verkauft. Danke! Als Vermieter verstehe ich gar nicht, warum die dauernd jammern! «Miete zu hoch!», «Miete schon Hälfte des Lohnes!», «Mietzins kriminell!», «Mimimi- Miete hier, Mimimi-Miete da!», eine einzige Miet-Life- Crisis!

Klar, meine Mietzinse sind leicht in den nicht mehr ganz legalen Bereich geklettert. Aber was soll ich machen, Guy? Weinen? Die Leute zahlen es! Das ist der Markt. Wer mietet mehr? Du musst deinen Wein auch zum bestmöglichen Preis verkaufen. Mein Leitspruch ist: «Kriegen wir die tiefsten Mieten, sind wir Vermieter miese Nieten!»

Pro Wohnung bekomme ich bloss etwa 370 Franken zu viel monatlich. Das ist vertretbar. Mit diesen 370 Franken könnten die Familien im Januar natürlich die jährliche Serafe-Gebühr bezahlen für TV und Radio. Aber Guy, dann würden die vielleicht noch durch die Konsumenten-Sen­dungen erfahren, dass sie eigentlich gegen missbräuchliche Mietzinse klagen können. Im Ganzen macht das nur 4440 Franken für mich pro Wohnung, die ich zu viel ein­nehme. Das ist doch kein Wahnsinns-Betrag. Damit kann ich nicht mal meine Putzfrau bezahlen. Sollen die Mietenden sich halt kleinere Wohnungen nehmen und selber putzen! Da soll der David Roth, der dir, dem grossen Guyliath, sogar das Departement wegnehmen will, der soll mal feucht durchwischen in der Küche. Vielleicht verschwinden dann die mit Roth durchzogenen Flecken und alles erstrahlt in liberalem Blau. Und die Jacqueline kann im Bad-ran!

Guy, du als Senior weisst, die zu hohen Mietzins-Renditen fliessen quasi fast direkt in die Pensionskassen, die sind die grössten Immobilien-Besitze­rinnen. Das ist ein Perpetuum immobile: Sind die Pensionskassen nicht gut gefüllt, können sich die Alten das Wohnen ja gar nicht mehr leisten bei diesen hohen Mieten.

Der Zweck heiligt die Miete!

Lieber Guy, du hast das Beste aus der Situation gemacht! Ein Massnahmen- Paket, das so viel wert ist wie ein Altpapierbündel aus fehlerhaften Weinetiketten! Einfach Verordnungen, die schon längst gelten, hübsch aufge­schrieben. Verordnungen, die wir nicht wirklich einhielten, es hat ja niemand hingeschaut. Du kennst das! Den Mietenden geht es mit diesem Verord­nungs-Stapel wie dir mit deinem Wein: Sie haben ihn noch nie selber gelesen! VMWG klingt ohnehin nicht nach Verordnung, sondern nach einer WG! Die VMWG, die Ver-Mieter-WG, in der wir uns gemütlich einrichten, solange niemand mit einem nervigen Ämtli-Plan winkt. Ämtli gäbe es einige:

  • Wir müssten schon lange das effektive Ausmass der Kostensteigerung aus­weisen (Artikel 12 Abs. 1bis VMWG), blablabla, langweilig. Es ist doch für alle einfacher, wenn wir die Miete pauschal erhöhen.
  • Lieber Guy, nun noch etwas Kritik: Über Jahrzehnte konnten wir uns auf nicht ganz legale Art (Art. 16 VMWG) die Teuerung über steigende Mieten ausgleichen lassen, das war die bessere Geldanlage als jedes Bankkonto! Die Bank gibt nicht mehr Geld, nur weil alles teurer wird! Als Vermieter je­doch kann ich einfach die Teuerung von der Mieterin begleichen lassen. Die bezahlt mir die Rendite auf mein Eigenkapital! Ein bisschen wie bei einer guten Flasche Wein, Guy, die einen immer grösseren Wert bekommt, selbst wenn sie bescheiden schmeckt. Wie clever ist das denn? Gut, wir haben zwar über Jahrzehnte ein bisschen allzu viel Rendite gemacht, das lag an einem Rechnungsfehler, der nun leider korrigiert werden soll. Das ist bedauerlich, Guy, ich würde gar sagen, das ist für mich als Vermieter ein echter Wermuths-Tropfen.
  • Eine Rechtsbelehrung hast du ihnen als Massnahme verkauft! Ein Hin­weis, der schon lange galt (Artikel 19 Abs. 1 Bst. a Ziff. 6 VMWG): Dass sie überrissene Mieten anfechten können, wenn sie diese mit Konkurrenz- Wohnungen im Quartier vergleichen! Konkurrenz ist ein unschönes Wort, nennen wir es spasseshalber «Miet-Bewerber»! Diese «Massnahme», Guy, ist ein wahrlicher Winzer-Schachzug. Alter Wein in neuen Schläuchen.
  • Und dann schreiben wir noch Teuerungs-Stand und Referenz-Zinssatz hin, den wir bei der Zins-Berechnung verwendeten (Art. 19 Abs. 3 VMWG). Und hoffen, dass die Mietenden nicht besser rechnen können als die Be­hörden, welche uns alles durchgehen liessen. Solange niemand weiss, was die Vorgänger bezahlten, können wir denen alles erzählen!

Die glauben sogar, dass Zuwanderung und Wohnungsknappheit schuld seien! Dabei bauten wir wie im Vollrausch bis 2021, als der Hypothekarzins tief war. Trotz mehr Wohnungsangebot verlangten wir stets mehr Mietzins. Weisst du warum, Guy? Weil die Leute wohnen müssen! Ha! Weil sie nicht warten können mit Wohnen, bis es sich lohnt! Wir mit Bauen aber schon! Die Mietenden sind die Alkis, die den Fusel brauchen.

Drum kaufen sie jeder Flasche den Etikettenschwindel ab.

Prost!

Dein alter WG-Miet-Bewohner

Hausi Zinsli

PS: Hast du bemerkt, wie korrekt ich «Mietende» gendere? Wenn die mir nämlich nicht genug zahlen wollen, dann kommt es für Mietende schnell zum Miet-Ende. Ende.