Nebenkosten – alles andere als ein Nebenschauplatz

Illustration: Patric Sandri

Vielerorts flattert jetzt die Nebenkostenabrechnung ins Haus. Wie befürchtet sind Heizen, Duschen und Kochen massiv teurer geworden und Mietende werden teils mit horrenden Nachforderungen konfrontiert.

«In der Beilage erhalten Sie die Heiz- und Betriebskostenabrechnung für die Periode vom 1.7.2022 bis zum 30.6.2023. Bitte überweisen Sie den Betrag von Fr. 2000 innert 30 Tagen auf mein Konto.»

José Garcia ist schockiert. Was er befürchtet hat, ist eingetreten. Allerdings schlimmer als erwartet – und obwohl er die monatlichen Akontobeiträge auf Anraten der Verwaltung erhöht hatte. Dass die Preise für Heizöl und Gas regelrecht explodiert sind und auch der Strom teurer geworden ist und dass der massive Teuerungsanstieg auf den Krieg in der Ukraine sowie die anhaltenden Lieferkettenprobleme infolge der Corona-Pandemie zurückzuführen sind, ist Garcia klar. Dennoch überrascht ihn die Höhe der Nachforderung. Die Heizung zurückzuschrauben und deutlich weniger zu duschen, war wohl für die Katz.

«Sind solch horrende Nachforderungen denn überhaupt legal?», fragt sich Garcia. Beim System der Akontozahlungen bezahlen Mieter*innen jeden Monat einen identischen Betrag im Voraus, der dann jährlich mit den tatsächlich entstandenen Kosten verrechnet wird. Die Akontozahlungen sind also «nur» Anzahlungen. Je nach Abrechnungsergebnis erhält die Mieterschaft am Ende eine Rückerstattung oder muss – wie Garcia – eine Nachzahlung leisten. Solange die Energiekosten korrekt weiterverrechnet werden, kann sich Garcia darum nicht dagegen wehren, sondern muss die Nachforderung tatsächlich bezahlen. Deshalb ist es wichtig, dass er die Abrechnung genaustens überprüft.

Es gibt auch Mietverhältnisse, bei denen die Nebenkosten pauschal abgerechnet werden. In diesen Fällen werden die Nebenkosten im Voraus ziffernmässig festgesetzt. Mit der Bezahlung der Pauschale gelten sämtliche Nebenkosten als abgegolten, unabhängig davon, ob die effektiven Aufwendungen der Vermieterschaft höher oder tiefer sind. Eine Nebenkostenabrechnung gibt es folglich nicht.

Nebenkosten im Mietvertrag erwähnt?

In einem ersten Schritt vergleicht Garcia nun die einzelnen Positionen in der Nebenkostenabrechnung mit den im Mietvertrag aufgelisteten Nebenkosten. Denn geschuldet sind nur jene Nebenkosten, die im Mietvertrag ausdrücklich erwähnt sind. Andernfalls gelten sie als im Nettomietzins inbegriffen. Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts genügt es nicht, wenn die Nebenkosten nur in den Allgemeinen Bestimmungen zum Mietvertrag – also im Kleingedruckten – aufgeführt sind. Denn der Mieterschaft kann nicht zugemutet werden, erst nach einer sorgfältigen Konsultation des Kleingedruckten zu wissen, welche Nebenkosten sie zusätzlich zum Mietzins zu berappen hat.

Die Nebenkosten müssen detailliert aufgeführt respektive klar ausgeschieden sein. Steht im Mietvertrag «Heizkosten- und übrige Betriebskosten», müssen Mieter*innen nur die Heizkosten bezahlen. Die Bezeichnungen «Betriebskosten» oder auch «übliche Nebenkosten» sind zu vage. Sind im Mietvertrag beispielsweise keine Nebenkosten für die Gartenpflege genannt, darf der Vermieter dafür keine Extravergütung verlangen. Bei der Position «Serviceverträge» wird Garcia stutzig. Zu Recht, denn diese Bestimmung ist zu ungenau und genügt den strengen Anforderungen an Klarheit und Eindeutigkeit der Bezeichnung nicht. Die Kosten der Serviceverträge für Lift, Waschmaschine und Tumbler muss Garcia deshalb nicht berappen.

Doch keine Regel ohne Ausnahme: Erwähnt der Mietvertrag die Heizkosten, so dürfen gemäss Artikel 5 VMWG ohne besondere Erwähnung nebst den Energiekosten auch die Heiznebenkosten wie Brenner- und Boilerservice, Pumpenstrom, Kaminfeger, Tankrevision und die Messungen des Wärmeverbrauchs in Rechnung gestellt werden. Dasselbe gilt bei den Warmwasserkosten. Sind die Warmwasseraufbereitungskosten im Mietvertrag erwähnt, darf die Vermieterschaft nebst den Energiekosten auch die Auslagen für die Entkalkung des Boilers und des Leitungsnetzes verrechnen.

Nur Betriebskosten sind Nebenkosten

Als Nächstes kontrolliert Garcia, ob es sich bei den einzelnen Rechnungspositionen tatsächlich um «nebenkostenfähige» Leistungen handelt. Als nebenkostenfähig gelten nämlich nur die sogenannten Betriebskosten, die gemäss Artikel 257b OR «mit dem Gebrauch der Mietsache zusammenhängen». Typische Beispiele sind neben den Heiz- und Warmwasserkosten die Kosten für die Hauswartung (inkl. Sozialleistungen, Versicherungen sowie Putzmaterial), die Garten- und Umgebungspflege, die Schneeräumung oder den Allgemeinstrom sowie die jährliche Gebühr für den Kehricht und die TV-Gebühren.

Von den Betriebskosten zu unterscheiden sind die Unterhaltskosten. Diese Unterscheidung ist wichtig, weil die Vermieterschaftals Gegenleistung zum Mietzins gesetzlich zum Unterhalt des Mietobjekts verpflichtet ist. Diese Regel ist zwingend und lässt sichvertraglich nicht abändern. Klauseln im Mietvertrag, die die Unterhaltskosten auf die Nebenkosten abwälzen, sind deshalb nicht verbindlich.

Unterhaltskosten, die nichts auf der Nebenkostenabrechnung zu suchen haben, sind etwa Reparaturkosten, Abschreibungen wie die Amortisation der Heizanlage oder die Verzinsung des in sie investierten Kapitals. Ausnahmsweise erlaubt ist die Überwälzung von Abschreibungen beim sogenannten «Contracting», also beim Bezug der Heizenergie aus einer auswärtigen Zentrale. Hier darf die Vermieterschaft alles in Rechnung stellen, was der Betreiber der externen Zentrale ihr in Rechnung stellt.

Unzulässig sind dagegen wiederum Kosten für jegliche Form von Steuern, Gebäudeversicherungsprämien, Anschlussgebühren für die Kanalisation, die Gebühr für Regenwasser (Meteorwasser) und Kehrichtgebühren, soweit es um die verbrauchsunabhängigen Grund- oder Anschlussgebühren geht. Bei diesen Kosten fehlt der unmittelbare Zusammenhang mit dem Gebrauch der Mietsache, weshalb sie von der Vermieterschaft übernommen werden müssen.

Die Abrechnung muss detailliert sein

Als Mieter hat Garcia das Recht auf eine detaillierte Nebenkostenabrechnung. Eine Abrechnung, in der sich bloss ein einziger Betrag für Wasser-, Abwasser-, Strom- und Hauswartskosten findet, muss Garcia nicht akzeptieren. Er muss abschätzen können, ob die in Rechnung gestellten Kosten plausibel sind.Die Mieterschaft muss zudem in der Abrechnung erkennen können, wie die gesamten Nebenkosten auf die einzelnen Parteien im Mietshaus aufgeteilt werden.

Sollte die Nebenkostenabrechnung den genannten Anforderungen nicht genügen, sollte sich Garcia mit einem eingeschriebenen Brief an seinen Vermieter wenden und eine detaillierte Abrechnung verlangen. Zudem hat er das Recht, Einblick in die Belege zu nehmen. Dies sollte Garcia unbedingt tun, denn nur so kann er sich ein genaues Bild darüber machen, wie die Beträge für diverse Auslagen (Heizöl, Warmwasser) oder Lohnkosten (Hauswart, Reinigung) zustande gekommen sind.

Bei Nichtbezahlung droht Kündigung

Gemäss Art. 257d OR kann die Vermieterschaft bei Zahlungsverzug von Mietzins und Nebenkosten das Mietverhältnis kurzfristig kündigen. Vor einer Zahlungsverzugskündigung ist die Mieterschaft allerdings geschützt, wenn sie die Nebenkostenzahlung «in guten Treuen» verweigert, wenn sie also berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der Abrechnung hegt.

Aber Achtung: Der unbestrittene Teil der Nebenkosten muss unbedingt bezahlt werden, andernfalls droht der Rauswurf aus der Wohnung. Der bestrittene und der unbestrittene Anteil lassen sich allerdings oft nicht genau auseinanderhalten. Wenn Mieter*innen von der Vermieterschaft eine Zahlungsaufforderung mit Kündigungsandrohung erhalten, sollten sie sich deshalb vom Mieterinnen- und Mieterverband beraten lassen.

Einvernehmliche Lösung suchen

Leider sind die hohen Energiepreise und die gestiegenen Nebenkosten eine Tatsache, für die weder die Mietenden noch die Vermietenden etwas können. In Anbetracht der momentanen Notlage ist die Bereitschaft der Vermieterschaft zum gemeinsamen Aushandeln von Lösungen im Interesse der gesamten Gesellschaft – ausserordentliche Umstände verlangen nach ausserordentlichen Lösungen. Sollte Garcia nicht imstande sein, die hohe Nachforderung innerhalb der 30 Tage zu begleichen, sollte er sich sofort schriftlich bei seinem Vermieter melden, ihm seine finanzielle Notlage schildern und ihn um einen Zahlungsaufschub bitten. Denkbar ist auch die Vereinbarung einer Ratenzahlung. Solche Abmachungen sollten unbedingt schriftlich vereinbart werden.

Autor: Fabian Gloor