Es brauche neue Ideen, um Vermieter*innen zu Sanierungen zu bewegen, sagt der Lausanner Wirtschaftsprofessor Philippe Thalmann.
M+W: Herr Thalmann, welches ist der beste Weg, um energetische Sanierungen zu fördern?
Philippe Thalmann: Es muss sowohl Druck als auch Unterstützung für die Sanierungen geben. Die Hilfe ist da, vor allem durch das Gebäudeprogramm des Bundes. Es fehlt der Druck. Für Eigenheimbesitzer*innen mag der Druck der CO2-Abgabe, die das Heizöl verteuert, ausreichen. Die Vermieter*innen aber, die die Abgabe auf die Heizkosten ihrer Mieterschaft abwälzen können, wird sie nicht bewegen. In diesem Fall müssen neue Druckmittel gefunden werden. Zum Beispiel ein Äquivalent zum Abgastest bei Autos: Man könnte Gebäude regelmässig inspizieren und bei denjenigen, die die Normen für die Gesamtenergieeffizienz nicht erfüllen, die Besitzer*innen zur Sanierung verpflichten. Oder man könnte eine schlechte Energieeffizienz, die zu hohen Heizkosten für die Mietenden führt, als Mangel am Mietobjekt erklären, sodass die Miete bis zur Behebung des Mangels einbehalten werden kann.
Welche Rolle spielt die öffentliche Hand bei der Sanierung von Gebäuden?
Sie kann Druck ausüben und finanzielle und technische Hilfe anbieten. Diese beiden Instrumente müssen aber sehr vorsichtig eingesetzt werden, da bestimmte Einschränkungen das Gegenteil von dem bewirken können, was beabsichtigt war. So kann etwa die Verpflichtung zu energetischen Sanierungen, sobald ein Eigentümer Unterhaltsarbeiten vornimmt, diesen davon abhalten, überhaupt Arbeiten durchzuführen. Das Problem bei Finanzhilfen wiederum ist, dass sie auch von Eigentümern in Anspruch genommen werden, die sie nicht brauchen, sodass schliesslich weniger für diejenigen übrig bleibt, die sie tatsächlich nötig haben.
Welche Rolle kommt der Vermieterschaft zu?
Letztendlich ist sie es, die über Sanierungen entscheidet. Manche sind aus ideellen Gründen dafür. Die meisten aber renovieren nur, wenn sie einen finanziellen Nutzen darin sehen. Gemäss Mietrecht haben sie fast keinen, da sie nur die Kosten für die wertsteigernden Arbeiten auf den Mietzins überwälzen können. Wenn sie es versäumt haben, die Senkungen des Referenzzinssatzes weiterzugeben, laufen sie Gefahr, die Miete im Falle einer Anfechtung durch die Mieterschaft sogar nach unten korrigieren zu müssen. Im Allgemeinen ist eine Sanierung für alle Beteiligten mit viel Aufwand und Risiko verbunden, ohne dass ein Gewinn in Aussicht steht. Es ist schwierig, diese Hürde zu überwinden.
Wie viel Spielraum haben die Mietenden? Haben sie irgendeinen Einfluss, tragen sie sogar Verantwortung für Sanierungen?
Solange eine schlechte Gesamtenergieeffizienz nicht als Mangel am Mietobjekt anerkannt wird, besteht die einzige Möglichkeit für die Mietenden, ihre Unzufriedenheit zu äussern, im Auszug. Andernfalls bleibt nur, die Wohnung richtig zu lüften und die Temperatur zu senken, um Heizkosten zu sparen. Das ist bis zu einem gewissen Grad wünschenswert, reicht aber natürlich nicht.
Gibt es interessante Beispiele aus dem Ausland, die die Schweiz übernehmen könnte?
Im Rahmen eines Forschungsprojekts an der EPFL sind wir derzeit auf der Suche nach solchen Beispielen. Ein oft zitiertes Beispiel ist das niederländische Modell «Energiesprong», bei dem die Kosten für die Wärmedämmung so weit gesenkt werden, dass vernünftige Eigentümer*innen sie nicht mehr ablehnen können.
Gibt es in der Schweiz bereits Verfahren, die es ermöglichen, energetische Sanierungen auch an Mietshäusern durchzuführen?
Das Energie-Contracting ist eine solche Lösung: Eine externe Firma finanziert dabei die energetische Sanierung gegen Zahlung einer Heizkostenpauschale nach der Sanierung; sie kümmert sich um alles und übernimmt alle Risiken.
Interview: Henriette Schaffter