Sanierungen wirbeln viel Staub auf, oft erhalten alle Mieter*innen eine Kündigung. Dass Widerstand in diesem Fall nicht immer zwecklos ist, zeigen diese Tipps.
«Ich würde gerne rasch Ihre Küche und Ihr Bad ausmessen», bekommen Eva und Beat Hunkeler vom Handwerker an ihrer Haustür zu hören. Bereits letzte Woche war ein Sanitär da und inspizierte akribisch sämtliche Leitungen. «Will die Vermieterin womöglich die Wohnung sanieren und flattert nun bald eine Kündigung ins Haus?», fragen sie sich.
Das könnte durchaus sein, denn die Siedlung, in der sie wohnen, wurde in den 70er-Jahren gebaut. Seither wurde nie etwas gemacht. Die orangen Fliesen im Bad, das grüne Lavabo, die Teppichböden und die Küche mit der Durchreiche mögen zwar altmodisch wirken. Doch Hunkelers stören sich nicht daran. Ganz im Gegenteil. In ihrem trauten Heim mit zeitlosem Retro-Charme haben sie ihr halbes Leben verbracht und ihre Kinder grossgezogen. Nun möchten sie ihren wohlverdienten Ruhestand geniessen. Sie fühlen sich mit dem Quartier und seinen Bewohner*innen verbunden. Die Miete ist moderat und auch für Geringverdienende bezahlbar. Mit einer Kündigung würden sie ihr Zuhause verlieren und auch aus einer Gemeinschaft herausgerissen. Beides ein herber Verlust, sowohl für die Hunkelers als auch für die übrigen Mieter*innen dieser Liegenschaft.
Die Sorgen der Hunkelers kommen nicht von ungefähr. Renovationen, bei welchen die Mietenden in den Wohnungen bleiben können, kommen zwar des Öfteren vor. Vielfach sind aber so umfassende Sanierungen nötig, dass ein Verbleib der Mieter*innen in den Wohnungen nicht möglich erscheint – das ist zumindest vielfach die Ansicht der Verantwortlichen. Ob das objektiv betrachtet tatsächlich der Fall ist oder ob es eher darum geht, nach der Sanierung mit der Neuvermietung höhere Mietzinse einzustreichen, muss im Einzelfall geprüft werden.
Ohren offen halten
Seriöse Vermieter*innen informieren ihre Mieter*innen rechtzeitig über eine geplante Sanierung, deren Durchführung und über die Konsequenzen, mit denen die Bewohner*innen rechnen müssen. Erhalten die Hunkelers tatsächlich eine solche Mitteilung oder erfahren sie auf anderem Weg, dass ihre Liegenschaft saniert und deshalb leergekündigt wird, sind die juristischen Verteidigungsmittel dagegen noch bescheiden. In diesem Stadium können die Hunkelers allenfalls Korrekturen am Sanierungsvorhaben mittels einer Einsprache gegen das Baugesuch erwirken. Sind alle Bauvorschriften eingehalten, sind die Erfolgsaussichten einer Baueinsprache allerdings unsicher.
Vorübergehenden Umzug anbieten
Gemäss dem Bundesgericht ist eine Kündigung wegen einer Sanierung dann missbräuchlich, wenn Mieter*innen der Vermieterschaft einen vorübergehenden Auszug aus der Wohnung anbieten. In diesem Fall nämlich werden die Renovationsarbeiten nicht durch die Anwesenheit der Mietenden behindert. Die Kündigung wäre aus dem Grund missbräuchlich, dass ein schutzwürdiges Kündigungsinteresse fehlt. Hunkelers sollten deshalb ihrer Vermieterin möglichst schnell und unbedingt noch vor der Kündigung schriftlich anbieten, während der Sanierung anderswo unterzuschlüpfen, um danach die eigene, renovierte Wohnung wieder beziehen zu können. Dies natürlich nur, wenn die Hunkelers auch tatsächlich eine Ausweichmöglichkeit haben.
Gemeinsam ist man stärker
Kündigt die Vermieterschaft eine Sanierung an, haben Mieter*innen am ehesten Erfolg, wenn sie Korrekturen am Vorhaben oder am Vorgehen gemeinsam einfordern. Dabei müssen die Bedürfnisse der Mieter*innen zusammengefasst und gewichtet werden. Eventuell könnten die Hunkelers als «Sprachrohr» fungieren, indem sie die Anliegen und Forderungen bei der Vermieterin vertreten und die Verhandlungen führen. Ist die Vermieterin fair, so könnten die Hunkelers mit dieser Strategie erreichen, dass die Sanierung sozialverträglich gestaltet wird.
Der Gang an die Öffentlichkeit
Als die Hunkelers mit der Vermieterin das Gespräch suchen, schaltet diese auf stur und ist alles andere als bereit, den Hunkelers Hand zu bieten. Nun könnten Hunkelers versuchen, sich über die Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen. Dadurch riskiert die Vermieterin ihren guten Ruf, den sie in der Region geniesst. Allenfalls kann auch die Politik und der Mieterinnen- und Mieterverband einbezogen werden. Gerade bei grösseren Bauvorhaben kann die Unterstützung der politisch Verantwortlichen viel bewirken.
Wie weiter bei einer Kündigung?
Da die Vermieterin die Wohnungen in unbewohntem Zustand sanieren will, kündigt sie allen Mieter*innen mitsamt den Hunkelers. Das Gesetz lässt eine Kündigung nur unter Einhaltung gewisser Formalitäten zu. Die Vermieterin muss den Hunkelers die Kündigung auf einem amtlich genehmigten Formular mitteilen. Andernfalls ist sie nichtig. Da die Hunkelers verheiratet sind, muss die Vermieterin eine weitere Formalität beachten: Gemäss Art. 266m OR muss die Vermieterschaft beiden Ehe- oder eingetragenen Partner*innen ein separates Kündigungsformular zuschicken. Und zwar selbst dann, wenn nur eine der beiden Personen den Mietvertrag unterschrieben hat. Sonst ist die Kündigung ebenfalls nichtig.
Fristen und Termine
Auch bei einer Sanierungskündigung muss sich die Vermieterin an die vertragliche Kündigungsfrist und den Kündigungstermin halten. Die Kündigung muss vor Beginn der Kündigungsfrist bei den Hunkelers eintreffen. Falls die Kündigung per Einschreiben erfolgt, gilt als Zustelltermin entweder der Tag, an dem die Hunkelers die Sendung tatsächlich entgegengenommen haben, oder – falls sie ihn nicht abholen – derjenige, an dem sie den Brief erstmals bei der Poststelle hätten abholen können. Ab diesem Zeitpunkt beginnt auch die Rechtsmittelfrist für eine Kündigungsanfechtung und/oder ein Erstreckungsbegehren zu laufen. Der Folgetag ist Tag 1 der 30-tägigen Anfechtungsfrist. Das gilt unabhängig davon, ob die Hunkelers die Sendung abholen oder nicht. Eingeschriebene Briefe einfach zu ignorieren ist also keine gute Idee.
Kündigung anfechten
Die Anfechtung der Kündigung bei der Schlichtungsbehörde innerhalb von 30 Tagen ist nun das einzige Mittel, das den Hunkelers noch bleibt. Lassen sie diese Frist ungenützt verstreichen, gilt die Kündigung als akzeptiert, sogar dann, wenn sich die Sanierung im Nachhinein als «faule Ausrede» entpuppen sollte. Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts stehen die Chancen für eine Anfechtung der Kündigung gut, wenn die geplante Sanierung auch im bewohnten Haus ohne wesentliche Verzögerung oder Komplikationen möglich wäre, wie dies etwa beim Streichen von Wänden, blossen Aussenrenovationen oder Balkonanbauten der Fall wäre. Dann gibt es keinen schutzwürdigen Grund für eine Kündigung. Auch eine Kündigung «auf Vorrat» ist missbräuchlich, so zum Beispiel, wenn das Bauvorhaben im Zeitpunkt der Kündigung noch nicht ausgereift ist. Nicht ausgereift ist ein Sanierungsprojekt dann, wenn die Vermieterschaft lediglich über einen einfachen Entwurf für die zukünftigen Arbeiten verfügt, wenn noch gar kein Baugesuch eingereicht wurde, nur ein Investitionsplan vorliegt oder die Finanzierung ungesichert ist. Missbräuchlich ist eine Kündigung ebenfalls, wenn die Sanierung nicht realitätsnah oder sogar unmöglich erscheint, der Umfang der geplanten Arbeiten und die Notwendigkeit des Auszugs der Mietenden also gar nicht zu beurteilen ist.
Im Einzelfall ist es eine Ermessensfrage, ob eine Kündigung wegen Sanierungsarbeiten missbräuchlich ist. Beurteilt die Schlichtungsbehörde oder das Gericht eine Kündigung als missbräuchlich, wird sie aufgehoben und ein dreijähriger Kündigungsschutz wird ausgelöst.
Recht auf Erstreckung
Selbst wenn die Schlichtungsbehörde oder das Gericht die Kündigung als rechtmässig beurteilt, müssen die Hunkelers nicht sofort ausziehen. Sie können dann eine Mieterstreckung verlangen. Die Schlichtungsbehörde oder das Gericht muss dann abwägen, wie hart sie die Kündigung trifft und wie dringlich das Sanierungsvorhaben der Vermieterin ist. Ob und wie lange eine Erstreckung gewährt wird, ist eine Ermessensfrage. Üblicherweise können Mieter*innen mit einer Erstreckung von mindestens einigen Monaten rechnen, manchmal sogar mit einer von mehr als einem Jahr. Die gesetzliche Maximaldauer beträgt für Wohnungen vier Jahre. Ein so langer Aufschub ist in der Praxis aber selten – leider.
Text: Fabian Gloor