In der aktuellen Krise offenbaren sich die Schwächen des Mietrechts. Wer wegen Covid in finanzielle Schwierigkeiten gerät, ist kaum geschützt.
Um Leben zu retten – und angesichts des Wiederanstiegs der Covid-Infektionen –, haben Bund und Kantone Ende 2020 Massnahmen ergriffen. Diese sind notwendig, sie verschärfen aber die wirtschaftliche und soziale Krise zusätzlich. Viele Mietende sind stark von den Massnahmen betroffen und haben Mühe, ihre Miete zu bezahlen.
Keine politische Unterstützung
Der Bund macht keine Anstalten, den Mietenden zu helfen. Wir erinnern uns an die Debatte über die Geschäftsmieten: Eine Mehrheit von SVP, FDP, Grünliberalen und der Mitte (ex CVP) war nicht einmal bereit, die Mieten derjenigen Geschäfte für einige Wochen zu senken, die durch den Beschluss des Bundesrates zur Schliessung gezwungen wurden. Über eine Unterstützung von privaten Mietenden wurde nicht einmal diskutiert. Was diese politische Mehrheit im Grunde will, ist, dass die Vermieterschaft entscheiden kann, welche Mietenden bleiben dürfen und welche gehen müssen. Auf diese Weise schützt sie die Interessen der grossen Immobilienbesitzer, sprich: der Versicherungen und Banken.
Krise offenbart Mängel des Mietrechts
Diese Verweigerungshaltung wird schwerwiegende Folgen haben. Denn das Mietrecht hat einige Schwächen, die sich gerade in der aktuellen Krise offenbaren. Insbesondere im Hinblick auf die Kündigung wegen Zahlungsverzugs sind die Mietenden nur ungenügend geschützt. Schon wenn sie nur ein paar Tage mit der Zahlung im Verzug sind, kann ihnen die Kündigung angedroht werden, sofern sie nicht innerhalb von 30 Tagen zahlen. Nach Ablauf dieser Frist kann die Vermieterschaft den Mietvertrag kündigen. Die Mietenden haben keine Möglichkeit, eine Wiedereinsetzung des Vertrags zu verlangen, wenn sie mit etwas Verspätung doch noch zahlen. Selbst dann nicht, wenn sie geltend machen können, dass sie sich in einer schwierigen Situation befinden. In der Schweiz hat die Vermieterschaft das Recht, ältere oder kranke Personen oder Familien auf die Strasse zu stellen, auch wenn keine Anschlusslösung da ist. Solche Zwangsräumungen sind sogar im Winter erlaubt.
Selbstständige können alles verlieren
Die Krise offenbart noch ein weiteres Problem. Als Garantie für die Mietzinszahlung sind viele Gewerbetreibende gezwungen, den Mietvertrag ihres Geschäfts, meist Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), als natürliche Person mitzuunterzeichnen. Dies führt dazu, dass sie bei einer Insolvenz nicht nur ihr Geschäft aufgeben und sich neu orientieren müssen, sondern dass die Vermieterschaft auch ihr persönliches Vermögen pfänden lassen kann. Mit der Gründung einer juristischen Person sollte insbesondere sichergestellt werden, dass im Falle einer Insolvenz des Unternehmens keine Privatpersonen haftbar gemacht werden können.
Eigentümerschaft hat viele Vorteile
Zusätzlich zur gesetzlichen Mietgarantie profitiert die Eigentümerschaft vom Zurückbehaltungsrecht an den in den Räumlichkeiten gelagerten Waren. Bei einem Konkurs erhält sie so den Löwenanteil und ist gegenüber anderen Gläubigern bevorteilt, die ihre Forderungen aus der Konkursmasse geltend machen müssen. Dies ist etwa bei Mitarbeitenden der Fall, deren Löhne nicht bezahlt worden sind.
Mietende brauchen mehr Schutz
Ich habe im Mai respektive im Dezember des letzten Jahres zwei Vorstösse im Nationalrat eingereicht, um diese
verheerende Situation zu korrigieren. Der erste Vorstoss zielt darauf ab, der Vermieterschaft die Wiederaufnahme des Mietverhältnisses aufzuerlegen, sofern die Mieterschaft, die mit der Zahlung in Verzug geraten ist, diese nachgeholt und die Miete mehrere Monate lang regelmässig bezahlt hat. Der zweite soll verhindern, dass die Person, die einen Geschäftsmietvertrag nur zum Zweck der Mietzinsgarantie mitunterzeichnet hat, nicht Gefahr läuft, von der vermietenden Partei zur Zahlung einer Mietzinsforderung oder einer Entschädigung gezwungen zu werden.
Text: Christian Dandrès