Die Pensionskasse Schaffhausen stellt in Beringen (SH) 26 Mieter*innen vor die Tür. Es ist nicht das erste Mal, dass sie günstigen Wohnraum beseitigt. Die Politik wird nun aktiv.
Vor zwei Wochen erhielten 26 Mieter*innen in Beringen denselben Brief von ihrer Immobilienverwaltung. Die vier Mehrfamilienhäuser zwischen Steig und Haargasse, in denen sie wohnen, seien am «Ende ihres Lebenszyklus» angelangt. «Die Sanierung der bestehenden Gebäude wurde geprüft, ist jedoch für die Eigentümerschaft aus finanziellen und nachhaltigen Gründen keine Option», heisst es weiter. Stattdessen würden Ersatzneubauten geplant. Der Mietvertrag werde deshalb «vermutlich per ca. Frühling 2027» aufgelöst.
Damit verschwindet Wohnraum im untersten Preissegment aus dem Beringer Zentrum. Solch günstige Mietzinse – rund 1000 Franken für eine 4-Zimmer-Wohnung – finden sich nicht einmal mehr weit ausserhalb, in den Wohnblöcken im Beringerfeld. Zurzeit ausgeschriebene Wohnungen in Beringen kosten das Anderthalb- bis Zweifache. Brisant: Die Wohnblöcke gehören der Pensionskasse des Kantons (PKSH). Und es ist nicht das erste Mal, dass sie mit staatlichen Lohnabgaben bezahlbaren Wohnraum aufwertet.
Business as usual für die PKSH
Die PKSH verwaltet die Altersvermögen der Angestellten des Kantons, aber auch des Personals der Spitäler, der Kantonalbank, des Berufsbildungszentrums oder der Elektrischen Werke des Kantons. Ebenfalls angeschlossen sind mehrere Schaffhauser Gemeinden, darunter die Stadt Schaffhausen, Thayngen und auch Beringen. Das Gesamtkapital der PKSH: 3,8 Milliarden Franken. Dieses Geld investiert die Pensionskasse in Aktien, Obligationen, Anleihen und – im Umfang von rund einer Milliarde Franken – in Immobilien.
Weil die PKSH Gelder der öffentlichen Hand verwaltet, setzt sie hohe Ansprüche an sich selbst und ihre Anlagestrategie. «Die Pensionskasse ist sich als Investor der ethischen, ökologischen und sozialen Verantwortung bewusst und berücksichtigt diese bei den Anlageentscheiden», so steht es in einem Reglement, das sich die PKSH selbst gegeben hat.
Das hat die Schaffhauser Pensionskasse jedoch auch in der Vergangenheit nicht davon abgehalten, im grossen Stil günstige Altbauwohnblöcke leerzukündigen und durch Neubauten zu ersetzen. So wurde 2021 etwa den Mieter*innen von 96 Wohnungen in sieben Wohnblocks in Kloten gekündigt. Nun baut die PKSH dort neue Mehrfamilienhäuser mit mehr als doppelt so vielen Wohnungen und doppelt so hoher Miete. Der Tagesanzeiger berichtete im März von ehemaligen Bewohner*innen, die Kloten nun nach mehr als 30 Jahren verlassen müssen, weil sie keine Wohnung mehr fanden, die in ihrem Budget liegt.
Ähnlich ist die PKSH in St. Gallen vorgegangen. Dort kündigte die Pensionskasse den Bewohner*innen von 42 Wohnungen in drei Gebäuden mit einer Frist von acht Monaten. Die Häuser wurden saniert und die Mietpreise um 100 Prozent erhöht. «Vernichtung von erschwinglichem Wohnraum», nannte das die St. Galler SP vor vier Jahren. Nun hat die unzimperliche Immobilienstrategie der Pensionskasse also auch Schaffhausen erreicht.
Die Mieten werden steigen
Die Wohnblöcke in Beringen gehören der PKSH, seit sie 1962 erbaut wurden. Saniert wurden sie zuletzt im Jahr 1992. Bewohner*innen bestätigen: Die Wohnungen, vor allem Küchen und Badezimmer, sind sehr in die Jahre gekommen. Wieso wurden die Gebäude seit den 1990ern nie saniert?
Oliver Diethelm, Geschäftsführer der PKSH, bleibt dazu auf Anfrage auf einer allgemeinen Ebene: «Der Sanierungszyklus von Liegenschaften beträgt rund 25 bis 30 Jahre.» Eine Sanierung zum jetzigen Zeitpunkt sei «aus ökonomischen und ökologischen Gründen keine Option» – derselbe Wortlaut wie im Brief an die Mieter*innen. «Zudem bietet ein allfälliger Ersatzneubau die Möglichkeit, eine dichtere Bebauung zu schaffen, welche einen Beitrag gegen den Mangel an Wohnraum leistet.» Selbstverständlich würden die heutigen Mieter*innen die Möglichkeit erhalten, sich bevorzugt um die neu gebauten Wohnungen zu bewerben. Wie stark die Mieten steigen werden, sei noch nicht festgelegt, so die PKSH.
Was sich hingegen mit Sicherheit sagen lässt: Sie werden steigen. Eine Bewohnerin, die anonym bleiben möchte, sagt, dass sie sich grosse Sorgen mache. «Seit der Brief gekommen ist, schaue ich jeden Tag die Online-Inserate an. Aber in Beringen gibt es nichts, was wir uns leisten könnten.»
Regierungsrat muss Stellung nehmen
Nun wird die Politik aktiv. Angela Penkov, SP-Kantonsrätin und aktives Mitglied des Mieterinnen- und Mieterverbands Schaffhausen, hat eine Kleine Anfrage eingereicht und hinterfragt darin die Wohnpolitik der Pensionskasse Schaffhausen. Nun wird der Regierungsrat Stellung nehmen müssen dazu, wie die Einhaltung von sozialen Kriterien, wie der Erhalt von bezahlbarem Wohnraum bei der Investitionstätigkeit der Pensionskasse sichergestellt werden kann. Konkret will Penkov auch wissen, ob und wie man den betroffenen Mieter*innen in Beringen entgegenkommt. Diese sind auf die Antwort besonders gespannt.
Text: Luca Miozzari, erstmals erschienen in der Schaffhauser AZ und auf shaz.ch