Die rechte Mehrheit im Nationalrat beklagt Missbräuche bei der Untermiete und will das Gesetz anpassen. Stimmt auch der Ständerat zu, können Mietende künftig wegen Bagatellen die Wohnung verlieren. Die vorgesehenen Gesetzesänderungen sind aber auch ein Angriff auf nachhaltige, zeitgemässe und innovative Wohnformen.
Erst kürzlich fand an der ETH Zürich eine Tagung zum Thema «Generationenwohnen» statt. Es ging dabei auch um gesellschaftliche und ökologische Herausforderungen der Gegenwart. Eine zentrale Frage war, wie ein gutes Miteinander vonseiten der Wohnbauträger gefördert werden kann. Zum Beispiel: Was gibt es angesichts der Tatsache, dass Menschen älter werden und nicht unbedingt Angehörige in der näheren Umgebung haben, für architektonische Lösungen und Wohnformen, die die sozialen Kontakte begünstigen? Die ein lebendiges Miteinander im Haus, in der Siedlung, dem Quartier und über Generationen hinweg ermöglichen? In diesem Zusammenhang ging es selbstverständlich auch um Wohn- und Hausgemeinschaften. Sie dürften in Zukunft an Bedeutung gewinnen.
Rauswurf wegen Bagatelle
Für das Teilen einer Wohnung oder eines Hauses gibt es den Untermietvertrag. Er ermöglicht sozial, ökonomisch und ökologisch nachhaltige Wohnformen. Doch das soll sich nun ändern. Die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat ist Anfang März der Immobilienlobby in der Kommission für Rechtsfragen gefolgt und hat schwerwiegende rechtliche Verschlechterungen bei der Untermiete beschlossen: Erstens müssen Vermieter*innen künftig in jedem Fall ihre schriftliche Zustimmung zu einer Untervermietung geben, sonst ist sie nicht erlaubt. Zweitens kann die Untermiete auf zwei Jahre befristet werden. Und drittens soll Mieter*innen, die es versäumen, vorgängig schriftlich die Untermiete zu beantragen oder über Änderungen zu informieren, ausserordentlich gekündigt werden können. Mit einer Frist von nur 30 Tagen nach Mahnung.
Viel Glück allen, die in Schweizer Städten und Vororten innert weniger Wochen eine andere bezahlbare Wohnung finden müssen.
Ein realistisches Szenario unter dem neuen Regime (falls der Ständerat dem Nationalrat folgt) sieht so aus: Eine Luzerner Familie lebt seit Jahren in einer Mietwohnung. Das älteste Kind ist ausgezogen, in das frei gewordene Zimmer zieht die Tochter einer Bekannten ein, die gerade anfängt, an der Hochschule Luzern zu studieren. Die Familie regelt mit ihrer Untermieterin das Wohnverhältnis via Untermietvertrag und informiert zeitnah den Vermieter.
– Ups! Sie hätten ihn vorgängig zwingend um Erlaubnis bitten müssen, neuerdings schriftlich. Und dieser hätte mit dem neuen Gesetz diverse und gesetzlich nicht abschliessend definierte Gründe geltend machen können, weshalb er die Untermiete nicht erlauben will. Wissen die Mietenden nicht um diese neue, streng geregelte Pflicht oder nehmen sie es mit dem Melden nicht so genau – man hat ja schliesslich nichts Unredliches im Sinn und Zusammenwohnen ist etwas vom Privatesten, das es gibt –, kann das böse Folgen haben: Die Familie kann mitsamt Untermieter*in nach einer Mahnung mit einer Frist von nur dreissig Tagen aus der Wohnung geworfen werden. Es ist nicht auszuschliessen, dass Vermieter*innen, die mit ihren Wohnliegenschaften mehr Profit erzielen wollen, auf genau solche Gelegenheiten warten werden, um die Wohnungen neu und deutlich teurer weiterzuvermieten.
Die schärfste Waffe, die das Mietrecht kennt
Die ausserordentliche Kündigung ist die schärfste Waffe, die das Mietrecht kennt, sie darf etwa dann angewendet werden, wenn ein*e Mieter*in den Mietzins nicht bezahlt. Neu sollen Mieter*innen, die seit Jahren immer pünktlich ihren Zins zahlen, diese brutale Konsequenz wegen einer Bagatelle zu spüren bekommen. Der Leiter der Hotline des Mieterinnen- und Mieterverbandes, Fabian Gloor, bestätigt: «Eine kleine Vertragsverletzung soll künftig schwerwiegende Folgen haben.» Für ihn ist klar, dass es mit dieser Schraubendrehung darum geht, den Schutz der Mieter*innen weiter zu schwächen. Man müsse diesen Vorstoss auch im Kontext der anderen Angriffe auf das Mietrecht sehen, sagt der Jurist: «Kommen sie durch, wird das verheerende Folgen haben.»
Gegen die Interessen älterer Menschen
Die Immolobby ist in der nationalrätlichen Kommission für Rechtsfragen unter anderem durch die Basler Präsidentin des Hauseigentümerverbandes (HEV), Patricia von Falkenstein, vertreten. Sie ist auch Stiftungsrätin von Pro Senectute beider Basel. Als solche vertritt sie die Interessen älterer Menschen. Tut sie das? Die Wohnungsnot hat zur Folge, dass es nicht gerne gesehen wird, wenn Mieter*innen nach dem Auszug der Kinder oder dem Tod des Partners in ihren bisherigen Wohnungen bleiben. Sie könnten doch Familien Platz machen, heisst es oft. Tatsächlich bleiben viele, weil selbst kleinere Wohnungen für sie nicht bezahlbar sind (was ganz im Sinn des HEV ist, der für seine Mitglieder eine Politik des maximalen Profits auf Kosten der Mieter*innen verfolgt). Immerhin bleibt noch die Möglichkeit, ein Zimmer an eine Person unterzuvermieten. Dadurch sinken für alle Beteiligten die Wohnkosten (Stichwort «ökonomische Nachhaltigkeit»), es gibt die Möglichkeit von Austausch und gegenseitiger Unterstützung («soziale Nachhaltigkeit») und der Flächenverbrauch wird reduziert («ökologische Nachhaltigkeit»). Die Gesetzesänderungen werden nun aber, falls der Ständerat mitzieht, jüngeren wie älteren Menschen diese sinnvolle Art des Wohnens erschweren. Betroffen ist auch das «Wohnen gegen Hilfe». Die Mediensprecherin des Bundesamtes für Wohnungswesen (BWO) Eva van Beek erklärt, was damit gemeint ist: «Eine Mieterin wird im Alltag von einer anderen Person, beispielsweise einem Studenten, unterstützt. Im Gegenzug hat dieser ein Zimmer in der Wohnung beziehungsweise im Haus und muss dafür weniger Untermiete bezahlen.»
Patricia von Falkenstein rechtfertigt die vorgesehenen Schikanen bei der Untermiete. Es gehe «hauptsächlich darum, dass jemand nicht mehr mehrere Wohnungen mietet, diese untervermietet und als Einnahmequelle missbraucht.» Auf die Frage, weshalb man dann nicht zwischen der Untervermietung ganzer Wohnungen und nur einzelner Zimmer unterscheide, gibt sie ziemlich deutlich zu erkennen, wie sie über Mieter*innen denkt: Es gebe in der vorliegenden Fassung keine Unterscheidung, «damit der Mieter den unrechtmässigen Ertrag nicht noch weiter steigern kann.» Und es dürfe doch nicht sein, dass «Mietobjekte teils raumweise zu haarsträubenden Preisen an mehrere einzelne Untermieter weitervermietet werden können.» Es klingt, als ob so etwas gehäuft vorkäme und Symptom einer weit verbreiteten Profitgier unter Mieter*innen sei – aber Zahlen nennt Patricia von Falkenstein keine. Ob man hier von sich auf andere schliesst? Sie versichert lediglich, Wohngemeinschaften sollten nicht betroffen sein, das «ist und war auch nie das Ziel». Auch wenn der Vorstoss vom Ständerat angenommen werden sollte, «ist noch lange nicht klar, wie der genaue Wortlaut formuliert sein wird und der zu ändernde Artikel lautet». Es wäre überraschend, wenn diese Aussage nicht die taktisch motivierte Verharmlosung einer gewieften Politikerin wäre, die eine Brechstangen-Vorlage ins Trockene bringen will.
Ziel: Leichter kündigen können
Auch SVP-Bundesrat Guy Parmelin – ihm ist das BWO unterstellt – sprach sich in der Nationalratsdebatte gegen die gesetzlichen Anpassungen bei der Untermiete aus. Er sieht wegen der neuen «nicht erschöpfenden Aufzählung der Gründe, die den Vermieter berechtigen, seine Zustimmung zur Untervermietung zu verweigern», sogar die Gefahr rechtlicher Unsicherheiten, die es mit dem jetzt geltenden Gesetz nicht gibt. Sein Parteikollege Hans Egloff, Präsident des Hauseigentümerverbandes (HEV), hat den Vorstoss zur Untermiets- Erschwerung 2015 mit dem Argument eingereicht, man wolle damit dem Missbrauch entgegenwirken. Aber wie von Falkenstein liefert auch der HEV als Verband keine Belege für das angebliche Problem.
Die BWO-Mediensprecherin Eva van Beek erinnert daran, dass die Untermiete 1990 mit einem Liberalisierungsziel in Kraft gesetzt wurde: «Der Gesetzgeber wollte mit der Vorschrift dem Verbot der Untermiete begegnen, welches in einem grossen Teil der standardisierten Mietverträge über Wohnungen enthalten war.» Die Untervermietung sei gemäss der Auffassung des Bundesgerichts grundsätzlich für Mietende gedacht, die das gemietete Objekt vorübergehend nicht nutzen können: «Sie überlassen die Räumlichkeiten für die Zeit ihrer Abwesenheit aus finanziellen Motiven einer Drittperson.» Des Weiteren könne eine Untermiete eben auch «im Falle eines Wegzugs oder nach dem Tod von Familienangehörigen erfolgen, wenn die Wohnung zu gross wird». Überhaupt sei der Abschluss von Untermietverträgen eine «Möglichkeit, um nachhaltige Wohnformen zu realisieren», sagt van Beek und präzisiert: «Unter dem jetzt noch geltenden Recht.» Unter dem neuen, so wie es jetzt formuliert ist, wäre das nicht mehr so.
Für Nationalrätin Florence Brenzikofer (Grüne) ist klar: «Es geht einzig darum, leichter kündigen zu können.» Bundesrat Parmelins Worte lassen ausserdem befürchten, dass die Gesetzesänderungen den Missbrauch nicht bekämpfen, sondern fördern werden – zuungunsten der Mieter*innen.
Gegen gemeinschaftliche Wohnformen
Betroffen sind allen voran Wohngemeinschaften, und da denkt man ja zunächst mal an Studierende. Also Anruf bei Patrik Suter, Geschäftsführer des Jugendwohnnetzes JUWO in Zürich. Das JUWO stellt Wohnraum für 3500 junge Menschen in Ausbildung zur Verfügung. Dafür mietet es Wohnungen an und vermietet diese an WGs weiter. Was hält er von den drohenden Verschärfungen? Suter sagt: «Der Grossteil unserer 1400 Untermietverträge ist unbefristet oder hat eine Laufzeit von mehr als zwei Jahren. Eine Beschränkung auf zwei Jahre würde nicht mal die Dauer eines üblichen Studiengangs abdecken.» Sein Fazit: «Eine zeitliche Beschränkung halte ich für nicht zielführend und sie wäre für das JUWO existenzbedrohend.»
Auch Lorenz Bertsch von Caritas St. Gallen und Appenzell sieht in den Plänen der Immobilienlobby grosse Nachteile für breite Teile der Bevölkerung. Er leitet den Fachbereich Sozialpolitik und erzählt: «Ich sehe viele Alleinstehende, die in Berufen mit tiefen Löhnen arbeiten und sich eine Wohnung teilen, weil sie sich sonst keine leisten können. Und dann sind da auch die getrennten Paare mit Kindern. Sie sind mit der Situation konfrontiert, dass sie nach dem Bruch deutlich höhere Wohnkosten haben, weil sie nun zwei Wohnungen brauchen. Können sie eine Untermieterin in die zu gross gewordene ehemalige Familienwohnung nehmen oder in beide Wohnungen einen Mitbewohner, entlastet das das Budget erheblich.»
Nicht zuletzt würde die neue Gesetzesbestimmung gemäss Guy Parmelin auch Wohnformen und Projekte erschweren, die der Bund unterstützt.
Gegen Innovation im Wohnbereich
Dank der Untermiete konnten in den letzten Jahrzehnten vielfältige neue Wohnformen erprobt werden. Dabei geht es nicht alleine darum, sich eine Wohnung überhaupt leisten zu können – es geht auch um Wohn- und überhaupt Lebensqualität etwa durch gemeinschaftsorientiertes Wohnen, um verschiedene Formen von Alternativen zum Modell der konventionellen Kleinfamilie. Immer mehr versteht man auch, dass sich (familiäre) Konstellationen verändern und es Räume braucht, die diese Veränderungen ermöglichen, die selber veränderbar sind. Am ETH-Wohnforum wird schon länger zu Impulsen und Innovationen im Wohnungsbau geforscht. Eine der Expertinnen ist die Sozialanthropologin Angela Birrer. Sie sagt: «Mit der Beschränkung der Untermiete würden bisherige und zukünftige Innovationen im gemeinschaftlichen Wohnen gehemmt und das Ziel eines geringeren Wohnflächenverbrauchs massgeblich erschwert.» Es würde noch schwieriger werden, bezahlbaren Wohnraum zu finden oder zu halten. Auch was die Anpassbarkeit von Wohnräumen betrifft, werde es Rückschritte geben. Ihr Fazit: «Grundrisse können noch so flexibel nutzbar sein – wenn am Schluss der rechtliche Rahmen keine flexible Nutzung zulässt, können sie auch nicht veränderten Lebenssituationen und Wohnbedürfnissen gerecht werden.»
Die nächste Tagung der ETH zum Wohnen findet erst wieder in einem Jahr statt. Es ist zu hoffen, dass das Thema dann nicht «Wohnzukünfte: Neustart ab Feld 1» wird lauten müssen.
PS bzw. No-Fun-Fact: In ihrer Rolle als Präsidentin des Verbandes Wohnbaugenossenschaften Schweiz sprach auch SP-Ständerätin Eva Herzog an der kürzlichen ETH-Tagung zum Generationenwohnen und plädierte für den Ausbau solcher gemeinschaftlicher Wohnformen. Womöglich hat sie inzwischen vergessen, dass sie sich vor zwei Jahren in der Vernehmlassung für die Untermietsverschlechterungen aussprach. Sie schrieb damals: «Neu wird in Abs. 4 Bst. d eine vorgesehene Untermietdauer von mehr als zwei Jahren als Grund für die Verweigerung der Zustimmung definiert. Wohnbaugenossenschaften Schweiz begrüsst diese Regelung. Eine klare Regelung und zeitliche Begrenzung der Untermiete ist im Interesse unserer Mitglieder.» Erstaunlich.
Autorin: Esther Banz