Editorial

Andrea Bauer, Verantwortliche Redaktorin

In meinen Zwanzigern wohnte ich in mehreren Wohngemeinschaften. Der Grund war einerseits finanzieller Natur, aber nicht nur. Viel lieber wollte ich zusammen mit anderen Menschen wohnen als allein. Wohnräume zu teilen, bringt schliesslich vielerlei Vorteile mit sich: Man muss nicht alleine kochen und essen, man hat jemand zum Reden und manchmal tut es doch nur schon gut zu wissen, dass jemand im Raum nebenan ist.

Damals dachte ich, nur Studierende zwischen zwanzig und dreissig würden so wohnen. Diese Vorstellung war zwar schon vor zwanzig Jahren falsch – aber noch viel falscher ist sie heutzutage. Eine kürzlich erschienene Studie zeigt nämlich: Einpersonenhaushalte nehmen in der Schweiz ab, Wohngemeinschaften dagegen nehmen zu, und zwar auch bei älteren und berufstätigen Men­schen. In einem Artikel zu dieser Studie berichtete die «NZZ am Sonntag» von Menschen, die sich – nach dem Auszug der Kinder oder einer Trennung – ihre Wohnung nicht mehr leisten können und quasi gezwungen sind, einen Teil unterzuver­mieten. Zwar können auch solche Zweck-WGs funktionieren oder sich gar zum Guten entwi­ckeln. Die besten Voraussetzungen sind das jedoch nicht.

In unserer aktuellen Ausgabe zeigen wir Ihnen Menschen, die ihre Wohnung aus Überzeugung mit anderen teilen. Unsere Autorin Esther Banz hat sie besucht. Wie vielfältig doch das WG-Leben in der Schweiz aussieht!

Leider steht diese Wohnform politisch grad stark unter Druck. Die Immobilienlobby will die Untermiete – auf der viele WGs rechtlich aufge­baut sind – im Mietrecht massiv einschränken und hat im Parlament einen entsprechenden Vorstoss durchgebracht. Das Ziel: Vermieter*innen sollen Wohngemeinschaften künftig viel leichter raus­werfen können. Das letzte Wort ist in der Sache aber noch nicht gesprochen: Dank dem Refe­rendum des MV können wir uns im November mit einem Nein an der Urne für die Wohngemein­schaften einsetzen.

Herzliche Grüsse