Die Macht der Worte

Um Verwirrung zu stiften, nutzt die wirkungsmächtige Lobby des Immobilienkapitals gezielt falsche Begriffe. Das hat besonders dann drastische Folgen, wenn Parlamentsmitglieder oder Medienschaffende die Begriffe übernehmen.

Ich habs aufgegeben. Von unserem Parlament ist in Sachen «gute Rahmenbedingungen für die Mieterinnen und Mieter» nichts zu erwarten – rein gar nichts. Präziser: von Mitte-rechts in unserem Bundesparlament. Ganz im Gegenteil, sie tun alles, um noch mehr Geld aus den Mietenden zu pressen und deren Bedingungen laufend zu verschlechtern. Als ob die Mietenden die Milchkühe der Nation wären und sie allein den Rendite-Interessen des Immobilienkapitals zu dienen hätten.

Es ist wirklich beelendend. Sie tun es immer und immer wieder. Zuerst haben sie das globale Immobilienkapital ins Land gelassen durch die mehrfache Aufweichung der Lex Koller unter dem Titel «Belebung des Kapitalmarktes». So strömte immer mehr Geld in die Schweiz, das in Immobilien angelegt sein wollte, via Immobilienfonds und börsenkotierte Immobiliengesellschaften (die gibt es erst seit dem Jahr 2000). Da immer mehr Kapital um den ewig gleich knappen Boden buhlt, werden der Boden und somit auch die Mieten verteuert.

Klammheimlich «Marktmiete» eingeführt

Indem sie jede Verbesserung, zum Beispiel durch eine Mietpreiskontrolle, verhinderten, führten sie faktisch eine «Marktmiete» ein. Dies obwohl unser Gesetz eine «Marktmiete» ausdrücklich verbietet und eine Kostenmiete mit einer beschränkten Rendite vorschreibt: Die Mieten haben sich entlang der Kosten zu bewegen und sind deshalb an den Hypothekarzins gebunden.

Und wie geht das mit der «Marktmiete»? Indem bei jedem Wohnungswechsel – und das sind immerhin 10 Prozent aller Mietverhältnisse pro Jahr – einfach aufgeschlagen wird, je nach Region 500 bis 1000 Franken. Ohne die geringste Leistung. Das führte dazu, dass in den letzten Jahrzehnten die Mieten nur eine Richtung kannten: nach oben. Obwohl sie wegen historisch tiefer Zinsen hätten sinken sollen. 10 Milliarden werden so den Mietenden zu viel aus der Tasche gezogen. Das sind 370 Franken pro Haushalt und Monat! Die Wohneigentümer*innen konnten im gleichen Zeitraum ihre Wohnkosten halbieren.

Mieten steigen nicht erst jetzt!

Und jetzt, wo seit 2021 die Zinsen steigen, schreien Mitte-rechts und die Medien «Jetzt steigen die Mieten!» oder «… in dieser angespannten Lage». – Nein, nicht «Jetzt»! Sie steigen schon lange, weil das Mietrecht – sprich: die Kostenmiete mit Renditedeckel – nicht eingehalten wird. Und Bundesbern alles dafür tut, dass das auch so bleibt. Etwa indem es sich weigert, eine bundesweite Formularpflicht einzuführen, dank der alle Mietenden den Vormietzins kennen würden und so überhaupt erst eine Grundlage hätten, den Anfangsmietzins anzufechten. Damit nicht genug: Mitte-rechts beschliesst am Laufmeter vermeintlich kleine Gesetzesänderungen, die Kündigungen vereinfachen. Eigentümer*innen sollen einfacher Eigenbedarf geltend machen können, die Untermiete soll erschwert werden. Beides hat zum Ziel, dass die Mieten illegal erhöht werden können. Der Mieterinnenund Mieterverband musste vor kurzem gleich zwei Referenden dagegen ergreifen. Gleichzeitig wurden seine Vorstösse – zur Durchsetzung des Mietrechts, um die gigantische Umverteilung zu stoppen oder für mehr gemeinnützigen Wohnungsbau – konsequent abgelehnt.

Der Patient ist chronisch krank

Und nun schreien alle «Wohnungsknappheit» und «Wohnungsnot», als würde es sich um einen Akutpatienten handeln und nicht um einen chronisch Kranken (mehr dazu auf: mietenundwohnen.ch/wohnungsnot-systemkrise). Weil seit 2021 weniger gebaut wird, macht man einen runden Tisch zur «Wohnungsnot» und schreit, die «Baugesetze» seien schuld und die Raumplanung. Was für ein Quatsch. Die kantonalen Baugesetze haben sich seit Jahren nicht geändert und die Bau- und Zonenordnungen lassen immer mehr Dichte zu. Das Einzige, was sich seit 2021 geändert hat, ist der Hypothekarzins. Nur deswegen wird weniger gebaut. Weil sich die Kapitalkosten erhöht haben, sind andere Anlageklassen wie Aktien oder Obligationen lukrativer als der Wohnungsbau. «Wohnungsknappheit» ist ein Kampfbegriff der Immobilienlobby und soll suggerieren, es müsse nur mehr gebaut werden und alles komme gut. Dabei geht es ihnen nur darum, eine Deregulierungswelle auszulösen sowie mehr Kapital auf einer Parzelle parkieren zu können.

Stimmbevölkerung muss korrigieren

In dieser Frühjahrssession hat Mitterechts im Parlament erneut zugeschlagen und die Bedingungen für die Mietenden abermals verschlechtert: Damit «gegen die Wohnungsnot mehr gebaut werden kann», wurde der Lärmschutz gekappt. Sie haben die Grenzwerte hinabgesetzt mit der Argumentation, man müsse die Fenster ja nicht öffnen können, eine Lüftungsanlage reiche. Gleichzeitig wollen sie Tempo 30 an Hauptstrassen verbieten, die effizienteste Lärmschutzmassnahme ausserhalb der Gebäude. Ist doch egal, ob die Mietenden dem Lärm ausgesetzt sind oder ob sie teure Lüftungsanlagen finanzieren müssen und so die Mieten steigen. Der Initiant des Tempo-30-Verbots wohnt übrigens an einer Sackgasse in der Tempo-30-Zone.

Warum tun sie das? Ich weiss es nicht genau. Die Arroganz der Mächtigen? Ignoranz und Unwissenheit? Sicher ist, dass die wirkungsmächtige Lobby des Immobilienkapitals gezielt falsche Begriffe nutzt, um die Köpfe der Leute – auch der Parlamentsmitglieder und der Medienschaffenden – zu verwirren.

Eines weiss ich: Die Stimmbevölkerung muss diese parlamentarischen Missstände korrigieren. Daran führt kein Weg vorbei.

Text: Jacqueline Badran