Ausserterminlich ausziehen ist im Prinzip kein Problem, Sie müssen nur eine geeignete Nachmieterschaft für Ihre Wohnung finden. Dabei sollten Sie sich an bestimmte Regeln halten.
Haben Sie Ihre Traumwohnung gefunden? Dann ist langes Trödeln fehl am Platz. Unterschreiben Sie den neuen Mietvertrag, bevor die Wohnung weg ist. Sollte es für eine rechtzeitige Kündigung Ihrer alten Wohnung bereits zu spät sein, stellt dies kein Hindernis dar. Sie können eine Person suchen, die Ihre Wohnung übernimmt. Eine solche ausserterminliche Kündigung ist also eigentlich keine grosse Sache, dennoch gilt es einige Dinge zu beachten. Wir haben die Antworten auf die wichtigsten Fragen hier für Sie zusammengestellt.
Schalten Sie auf den einschlägigen Online-Immobilienportalen ein Wohnungsinserat samt einigen aussagekräftigen Bildern. Auch die Anschlagbretter in den Quartierläden können Sie mit Anzeigen tapezieren. Nicht zu vernachlässigen sind die Mundpropaganda und die sozialen Medien.
Kann ich der Vermieterschaft eine x-beliebige Person als Nachmieter*in vorschlagen?
Nein. Die Vermieterschaft muss nicht jede Person akzeptieren. Laut Gesetz muss Ihre Nachfolge «zumutbar» und «zahlungsfähig» sein. Zudem muss sie bereit sein, den Mietvertrag zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen. Zahlungsfähig bedeutet, dass die Nachmieterschaft in der Lage sein muss, den Mietzins und die Nebenkosten pünktlich zu bezahlen. Zumutbar sind grundsätzlich alle Personen, bei denen Ärger mit der Nachbarschaft nicht bereits programmiert ist. Als Faustregel gilt: Die Vermieterschaft darf an Nachmieter*innen nicht höhere Anforderungen stellen als an Sie. Allgemeine menschliche Eigenschaften wie Geschlecht, Hautfarbe, sexuelle Orientierung oder Nationalität sind unzulässige Ablehnungsgründe.
Wie kann ich beweisen, dass eine Person zahlungsfähig ist?
Die Zahlungsfähigkeit lässt sich am besten mit einem aktuellen Auszug aus dem Betreibungsregister belegen. Ist das Betreibungsregister – im Idealfall – sauber oder weist es höchstens vereinzelte Einträge auf, die nicht auf Zahlungsschwierigkeiten oder eine schlechte Zahlungsmoral schliessen lassen, dann gelten Nachmieter*innen generell als zahlungsfähig. Als nicht genügend zahlungsfähig gelten nur Personen, die mehrere Betreibungen aufweisen, insbesondere von der Steuerverwaltung oder der Krankenkasse. Als weiteres Indiz für die Zahlungsfähigkeit gilt der Lohn: Der Mietzins darf nicht mehr als ein Drittel des Haushaltseinkommens ausmachen. Ganz stur kann man aber nicht auf diese Formel abstellen. Im Einzelfall sind immer die Umstände zu prüfen. Die Zahlungsfähigkeit kann grundsätzlich auch bejaht werden, wenn die Nachmieterschaft von der Sozialhilfe unterstützt wird und eine Mietzinsgarantie der Sozialbehörde vorliegt. In der Praxis erfolgt dies durch eine schriftliche Kostengutsprache.
Mein Vermieter behauptet, ich müsse ihm drei Nachmieter*innen stellen. Hat er Recht?
Da befindet sich Ihr Vermieter auf dem Holzweg. Doch dieser verbreitete Irrglaube kommt nicht von ungefähr. Das frühere Mietrecht verlangte tatsächlich drei potenzielle Nachmieter*innen. Seit Juli 1990 gilt hingegen das revidierte Gesetz, wonach eine zahlungsfähige und zumutbare Person ausreicht. Trotzdem empfiehlt es sich, so viele Personen zu melden, wie Sie finden. Denn wenn Sie dem Vermieter nur eine einzige melden, die sich als nicht zumutbar erweist oder wieder abspringt, verlieren Sie wertvolle Zeit und müssen schlimmstenfalls weiter Miete bezahlen.
Ich habe einige Personen gefunden, die die Wohnung mieten möchten. Wie ist das weitere Vorgehen?
Im Hinblick auf einen möglichen Rechtsstreit sind Beweismittel wichtig. Sie müssen nachweisen können, wann Sie welche Person als Nachmieter*in gemeldet haben. Den Interessierten einfach Bewerbungsformulare in die Hände zu drücken und sie aufzufordern, sich selbst bei der Vermieterschaft zu melden, ist nicht ratsam. Sollte die Vermieterschaft nämlich behaupten, es habe niemand Interesse an der Wohnung bekundet, haben Sie nichts in der Hand. Lassen Sie deshalb sämtliche Interessierten ein Bewerbungsformular ausfüllen und erstellen Sie jeweils eine Kopie. Schicken Sie die Formulare zusammen mit den jeweiligen Betreibungsregisterauszügen eingeschrieben an die Vermieterschaft und bewahren Sie die Kopien und die Postquittung auf.
Meine Vermieterin ist gerade in den Sommerferien und sagt, sie könne die Bewerbungsunterlagen erst in sieben Wochen prüfen. Muss ich die Interessent*innen so lange bei der Stange halten?
Ihre Vermieterin ist verpflichtet, die Bewerbungsdossiers innert nützlicher Frist zu prüfen. Trödelt sie zu lange herum, sind Sie von Ihren mietvertraglichen Pflichten befreit. Auch dann, wenn die Interessent*innen wieder abspringen, etwa weil sie inzwischen eine andere Bleibe gefunden haben. Wie lange sich die Vermieterin Zeit lassen kann, hängt von den Umständen ab. Für eine professionelle Immobilienverwaltung sollte es innerhalb von 10 bis 20 Tagen zu bewerkstelligen sein – ist ja schliesslich ihr «Daily Business». Private Vermieter*innen dürfen sich bis zu 30 Tage Zeit nehmen. Diese Frist gilt auch, wenn die Vermieterschaft in den Ferien weilt.
Ich habe meiner Vermieterin für meine grosszügige 3-Zimmer-Wohnung eine Familie mit zwei Kleinkindern als Nachmieterschaft vorgeschlagen. Sie behauptet nun, die Familie sei nicht zumutbar, da die Wohnung zu klein sei. Zu Recht?
Die Überbelegung ist ein beliebtes Argument vieler Vermieter*innen, um gerade Familien abzulehnen. Tatsächlich darf eine Wohnung nicht überbelegt sein. Wann jedoch eine Überbelegung vorliegt, ist nicht so eindeutig festgelegt. Eine weit verbreitete Faustregel besagt, die Grenze liege bei «einer oder zwei Personen über der Anzahl Zimmer». Auch auf diese Faustregel kann aber nicht stur abgestellt werden, sondern es muss immer der Einzelfall geprüft werden. In Ihrem Fall ist die Überbelegung eine faule Ausrede, umso mehr, als es sich bei zwei der vier Personen um Kleinkinder handelt, die sich problemlos ein Zimmer teilen können.
Mein Vermieter verlangt, dass ich die Wohnung anstatt zum bisherigen zu einem höheren Mietzins ausschreibe. Ich bezweifle, dass ich zu diesen Bedingungen eine Nachmieterschaft finde.
Laut Gesetz müssen Sie nur eine Person vorschlagen, die den Mietvertrag zu den gleichen Bedingungen übernimmt. Und gleiche Bedingungen bedeutet auch gleicher Mietzins. Einfach zurücklehnen und Däumchen drehen können Sie trotzdem nicht, sie müssen beweisen, dass jemand die Wohnung zum bisherigen Mietzins mieten würde. Schreiben Sie die Wohnung deshalb zum bisherigen Mietzins aus. Ihr Vermieter soll den Interessent*innen den Aufschlag selber mitteilen. Ziehen sich diese wegen der höheren Miete zurück, dann sind Sie von den mietvertraglichen Verpflichtungen befreit. Und zwar von dem Zeitpunkt an, ab dem die Person die Wohnung zum bisherigen Mietzins übernommen hätte.
Wie gehe ich vor, wenn meine Vermieterin eine Person als Nachmieter*in ablehnt, die meiner Meinung nach zumutbar ist?
Teilen Sie der Vermieterin per Einschreiben mit, dass Sie Ihre Mietzinszahlungen stoppen werden, weil Sie Ihren Pflichten nachgekommen sind. Zahlen Sie ab dem Zeitpunkt, ab dem die vorgeschlagene Person die Wohnung gemietet hätte, keine Miete mehr. Wichtig: Sie müssen Ihre Wohnung auch auf den Termin abgeben, auf den Sie die Nachmieterschaft vorgeschlagen haben. Andernfalls müssen Sie weiterhin Mietzins bezahlen, selbst wenn die Vermieterin die vorgeschlagene Nachmieterschaft zu Unrecht abgelehnt hat. Erscheint die Vermieterin nicht zur Abgabe, schicken Sie ihr sämtliche Schlüssel mit eingeschriebenem Brief zurück. Damit gilt die Wohnung als abgegeben.
Druckermodelle, die mit Tintentank funktionieren, sind kostengünstiger und verursachen weniger Abfall.
Texte oder Mails ausdrucken oder nicht – jedes Mal ein kleiner Gewissensentscheid: Es braucht dafür ja Strom, Papier und Toner oder Tinte. Worauf soll man achten, wenn man auf den Drucker angewiesen ist und ein Gerät kaufen muss?
Rund vier Millionen Laser-und Tintenstrahldrucker stehen in der Schweiz in Haushalten und in Büros im Einsatz. Die Geräte verbrauchen rund 80 Millionen Kilowattstunden (kWh) Strom pro Jahr. Dabei erstaunt, dass weniger als zehn Prozent des gesamten Stromverbrauchs beim Ausdrucken von Texten anfallen. Den Grossteil der Energie verbrauchen die Drucker im Standby-Betrieb. Standby bedeutet: Das Gerät ist zwar ausgeschaltet, aber via Kabel am Netz, was Strom braucht. Erst das Umlegen des Kippschalters bei der Steckerleiste trennt es ganz vom Netz. Bei der Betriebsart «Schlafmodus» ist der Drucker nur teilweise ausgeschaltet und rascher wieder druckbereit, braucht aber auch mehr Strom als im Standby.
Laser- oder Tintenstrahldrucker?
Grundsätzlich gibt es den Laser-und den Tintenstrahldrucker. Tintenstrahldrucker (oder Inkjets) funktionieren mit Tintenpatronen oder Tintentanks, Laserdrucker arbeiten mit Einweg-Tonerkassetten. Wo liegen die Unterschiede? Topten listet unter www.topten.ch/drucker die besten, umweltfreundlichsten und effizientesten Drucker für daheim oder im Büro auf. «De facto brauchen Laserdrucker mehr Strom und auch mehr Material. Zudem belasten sie die Raumluft. Sie sind aber auch deutlich schneller», erklärt Nadja Gross von Topten. Für den Privatgebrauch ist ein Tintenstrahl-Drucker völlig ausreichend. Personen aber, die sehr viel drucken müssen und vor allem im Homeoffice arbeiten, brauchen vielleicht eher einen leistungsstärkeren Laserdrucker, räumt Nadja Gross ein. Ein Tintenstrahldrucker spuckt – je nach Modell – 8 bis 15 Seiten pro Minute aus; beim Laserdrucker können das gut und gerne 25 Seiten und mehr sein. Farbbilder brauchen logischerweise viel Tinte respektive Toner. «Die Unterhaltskosten übersteigen schnell einmal die Anschaffungskosten des Druckers selbst», warnt Nadja Gross.
Tintentank im Vormarsch
Mittlerweile bieten viele Hersteller Druckermodelle an, welche statt mit Tintenpatronen mit Tintentanks funktionieren. «Modelle mit Tintentanks finden immer mehr Verbreitung», sagt Nadja Gross. Sie können mittels Tintenflaschen selber aufgefüllt werden. Dies ist nicht nur deutlich kostengünstiger, man verursacht auch viel weniger Abfall, und das lästige Eintrocknen und Ersetzen der Patronen entfällt.
Effizient drucken – Geld und Ressourcen sparen
Beim Kauf eines Laserdruckers sollte man auf das deutsche Umweltlabel des «Blauen Engels» achten. Das Label bewertet die Belastung für die Umwelt und die Risiken für die Gesundheit wie die Innenraumbelastung. Das Label hat auch strenge Anforderungen bei der Werkstoffauswahl respektive bei der Verwendung von schadstoffarmen Materialien. Ein gutes Gerät ist recyclinggerecht konstruiert und hat einen tiefen Energieverbrauch. Alle Laserdrucker auf der Topten-Liste sind mit dem «Blauen Engel» ausgezeichnet.
Papierverbrauch senken: Doppelseitig drucken
Über den ganzen Lebenszyklus betrachtet fällt vor allem der Papierverbrauch fürs Drucken stark ins Gewicht. Wer hier sparsam ist, bewirkt am meisten für die Umwelt. Tipps: Wenn immer möglich sollte Papier doppelseitig bedruckt werden. Aus diesem Grund sind alle Drucker auf Topten fähig, doppelseitig zu drucken. Sinnvoll ist es in vielen Fällen auch, zwei Seiten eines Dokuments auf einer Seite zu drucken. Bei vielen Geräten lassen sich diese Funktionen standardmässig voreinstellen. Beide Massnahmen sparen Papier und damit auch Energie bei der Papierherstellung. Empfohlen wird Recyclingpapier. Dieses braucht in der Herstellung bis zu drei Mal weniger Energie und Wasser als Frischfaserpapier. Wenn es unbedingt Frischfaserpapier sein muss, achte man auf das FSC-Label, also auf Holz aus nachhaltigem Anbau als Rohstoff. Viele Dokumente lassen sich in Schwarzweiss statt Farbe drucken. So lässt sich auch Farbe sparen.
Teure Tonerkassetten und Tintenpatronen
Das Teuerste bei beiden Druckertypen sind die Tintenpatronen und Tintentank-Nachfüllflaschen für Tintenstrahldrucker und die Tonerkassetten bei den Laserdruckern. Es braucht in allen Fällen jeweils vier Patronen, Flaschen oder Kassetten, eine pro Farbe. Erfreulich ist immerhin, dass leere Patronen und Toner gratis an den Hersteller zurückgesendet werden können. Ausgediente Geräte nimmt die Sammelstelle jeder Gemeinde entgegen.
Die Immobilien- und Bauwirtschaft bringt im Bundesparlament praktisch jeden mietrechtsfeindlichen Vorstoss durch. Dass die Bürgerlichen damit zuverlässig gegen die Interessen der Bevölkerungsmehrheit politisieren, ist nicht neu – aber etwas Entscheidendes hat sich verändert.
Am 24. November gilt es ernst. Dann entscheiden die Stimmberechtigten darüber, ob Mieter*innen künftig einfacher gekündigt werden kann. Und ob es schwieriger werden soll, als Wohngemeinschaft zu leben. Es steht sogar auf dem Spiel, ob das Untervermieten der Wohnung oder des WG-Zimmers während eines Studienaufenthaltes noch möglich sein wird.
Mitreden darf die Bevölkerung einzig, weil der Mieterinnen- und Mieterverband (MV) das Referendum ergriffen hat. Denn die Mehrheit im National- und Ständerat hat entschieden, die Rechte und die Wohnsicherheit der Mieter*innen zu untergraben.
Wie kommt das? Warum verbündet sich eine Mehrheit der Volksvertreter*innen gegen eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung? Immerhin machen in der Schweiz die Mieter*innen-Haushalte gegen 60 Prozent aus. Welche Rolle spielt dabei die Lobby der Immobilienwirtschaft? Wer ist überhaupt «die Immolobby »? Und dann noch diese Frage – sie rückte zunehmend ins Zentrum: Vertritt der Hauseigentümerverband (HEV) tatsächlich noch die Interessen der Menschen, die ein Eigenheim besitzen?
Klare Machtverhältnisse in beiden Räten
Wir starten im Parlament, der Zentrale der Macht. Ihre beiden Kammern, National- und Ständerat, sind bürgerlich dominiert, wie immer schon. Aktuell bilden die Fraktionen der SVP, Mitte und FDP in beiden Räten komfortable Mehrheiten: Sie besetzen zusammen 126 der 200 Sitze im Nationalrat, im Ständerat sogar 33 von 46. Was nicht heissen muss, dass sie alle stets im Sinn der Immolobby stimmen – aber in den allermeisten Fällen tun sie es. Auch die Vertreter*innen der Mitte. Wer von ihnen selber Häuser und Boden besitzt, ist nicht bekannt, eine Meldepraxis oder gar -pflicht gibt es nicht. Hingegen wird heute erwartet, dass gewählte Politiker*innen ihre Interessenbindungen angeben. Die Organisation Lobbywatch macht die vorhandenen und zusätzlich recherchierten Informationen der Öffentlichkeit zugänglich.
Die Lobbywatch-Daten zeigen: Von den 246 Parlamentarier*innen sind 150 beruflich, über ein Mandat oder eine einfache Mitgliedschaft mit der Immobilienwirtschaft, dem Baugewerbe, Banken, Versicherungen oder Pensionskassen verbunden, wobei es sich in 19 Fällen um Unternehmen oder Organisationen mit sozialem und gemeinnützigem Charakter handelt, etwa Wohngenossenschaften. Verbindungen zum MV haben 18 Parlamentarier*innen.
Von den 246 Parlamentarier*innen sind 150 mit der Immobilienwirtschaft, dem Baugewerbe, Banken, Versicherungen oder Pensionskassen verbunden.
Ungleich waren die Machtverhältnisse immer schon. Aber die Angriffe auf die Rechte der Mieter*innen sind in den letzten rund zehn Jahren zahlreicher und heftiger geworden. Was ist da passiert?
Egloffs Gruppe Wohn- und Grundeigentum
Beim Blick in die relevanten Geschäfte taucht immer wieder der Name Hans Egloff auf. Der Zürcher SVP-Politiker ist 2011 in den Nationalrat gewählt worden und 2012 zum Präsidenten des Hauseigentümerverbandes HEV. Dieser ist quasi der Antipode des MV – einfach mit sehr, sehr viel mehr Geld. Im Nationalrat machte sich Egloff sofort daran, eine zuverlässige überparteiliche Lobby-Struktur zu bilden. Gegenüber einer Zürcher Tageszeitung erzählte der Anwalt, wie er den Einfluss des HEV im Parlament stärken wolle, auch via CVP (heute Mitte): «Wir pflegen die Kontakte zu wenig. Als Gegenmittel schwebt mir eine parlamentarische Gruppe ‹Wohn- und Grundeigentum› vor.»
53%
der Parlamentarier*innen haben mindestens eine Interessenbindung zu renditeorientierten Unternehmen oder Organisationen in der Immobilienwirtschaft, dem Baugewerbe oder immobiliennahen Branchen wie Banken, Versicherungen und Pensionskassen.
Parlamentarische Gruppen sind überparteiliche Zusammenschlüsse zu gemeinsamen Interessen. Wie wirkungsvoll sie als Lobby-Instrument sind, ist umstritten. Die Wohn- und Grundeigentum-Gruppe, die Egloff gegründet und aufgebaut hat, zählt heute 97 Mitglieder (2023, als das Parlament über die Untermiete und den Eigenbedarf abstimmte, waren es sogar 109). Sie ist die grösste Parlamentarische Gruppe in Bundesbern. GLP-Nationalrat Beat Flach, der als einziges Mitglied keiner der drei bürgerlichen Fraktionen (SVP, FDP, Mitte) angehört, hält sie dennoch für mässig wichtig: «Diese Gruppe ist einfach ein zusätzliches Gefäss.» Fakt ist: Der HEV versorgt hier ein Drittel der Volksvertreter*innen des Nationalrats und im Ständerat sogar jede*n Zweite*n mit Informationen, Interpretationen und Empfehlungen.
Interessenbindungen der Parlamentarier*innen: Die 200 Mitglieder des Nationalrats (äusserer Kreis) und die 46 des Ständerats (innerer Kreis), eingefärbt entsprechend ihren Verbindungen zu Mieterinnen-Organisationen oder in die Immobilienwirtschaft (inklusive nahestehender Branchen wie Bauhauptgewerbe, Banken, Versicherungen, Pensionskassen). Es kann sich dabei um eine berufliche Tätigkeit, ein Mandat oder eine einfache Mitgliedschaft handeln. Namentlich hervorgehoben sind die im Text erwähnten Parlamentarier*innen.
Egloff gründete die Gruppe mit dem Ziel, die Kräfte auch auf nationaler Ebene «wieder besser zu bündeln.» Auf die Frage, ob das reiche, antwortete er damals gegenüber dem «Landboten»: «Nein, wir müssen auch verstärkt mit anderen Verbänden zusammenarbeiten, die ähnliche Interessen vertreten. Ich denke etwa an den Gewerbeverband. (…) Wir sollten uns gegenseitig helfen und unterstützen.» Abstimmungsresultate zeigen: Die Strategie ging auf.
97
Parlamentarier*innen sind Mitglied der vom HEV organisierten parlamentarischen Gruppe «Wohn- und Grundeigentum». Mit einer Ausnahme gehören sie alle der SVP-, FDP- oder Mitte-Fraktion an. 34 davon sind Mitglied beim HEV, 20 haben darüber hinaus ein Mandat beim HEV inne.
Wen vertritt der HEV wirklich?
Erst vor wenigen Wochen trat Hans Egloff als HEV-Präsident zurück. Was hinterlässt er? Dazu Beat Flach: «Egloff konzentrierte sich im Parlament voll und ganz auf die Themen seines Verbandes und brachte Mehrheiten zustande.» Die Frage sei einfach, so der Vizepräsident des auf faire Mietverhältnisse setzenden Hauseigentümerverbandes Casafair: «Würden Hausbesitzer die heutige Linie ihres Verbandes vertreten, wenn sie in Kenntnis der Sachlage wären?» Flach ist nicht der Einzige, der sich fragt, ob die HEV-Politik den «kleinen» Hausbesitzer* innen noch dient. Auch Michael Töngi, Vizepräsident des MV und Grünen-Nationalrat, sagt: «Der HEV ist die prägende Kraft der Immobilienlobby. Aber während er sich gegen aussen als Verband der privaten Hauseigentümer gibt, vertritt er inzwischen in erster Linie die Interessen der Investoren und Immobilienfirmen.» Darauf kommen wir noch zurück.
Egloffs Nachfolger ist sein Nationalratskollege Gregor Rutz. Der SVP-Politiker steigt von der mächtigen Zürcher Sektion an die Spitze des Verbandes auf. Rutz ist ein zynischer Hardliner gegen Mieter*innen. Letztes Jahr behauptete er auf SRF, Hauseigentümer müssten heute immer öfters Häuser abreissen oder leerkünden – «wegen all den Auflagen». Korrekt wäre: Vor allem institutionelle Immobiliengesellschaften und -investoren kündigen oft allen Mieter*innen eines Hauses oder einer Siedlung, um mit neuen Verträgen ihre Rendite massiv zu steigern. Dafür braucht es eine Renovation oder Abriss und Neubau, selbst wenn die Häuser erst vor kurzem erneuert wurden, wie bei der Zürcher Credit-Suisse-Siedlung Küngenmatt.
HEV als einer der grössten Spender
Der HEV baut Hausbesitzer*innen mit politischen Ambitionen in den Regionen gezielt auf. Die Sektionen unterstützen sie mit Werbung in regionalen Wahlkämpfen. Für manche führt die Zusammenarbeit bis nach Bundesbern. Denn auch in nationalen Wahlkämpfen finanziert der HEV kräftig mit, wie die Zahlen der Eidgenössischen Finanzkontrolle zeigen, bei der Kandidat*innen und Unterstützende grössere Wahlkampfspenden seit 2023 deklarieren müssen. Demnach gehört der Hauseigentümerverband zu den grössten Geldgebern: Er hat bei den eidgenössischen Wahlen im letzten Herbst Kandidat*innen von SVP, FDP und Mitte mit Zuwendungen und eigenen Kampagnen im Wert von über einer halben Million Franken unterstützt.
Die Interessengruppen im Bereich Immobilien aufgeschlüsselt: Interessengruppen mit Bezug zu Immobilien im Vergleich mit der Interessengruppe Mieter*innen. JEdes Kästchen steht für eine Firma oder Organisation. In Klammer die Anzahl Verbindungen ins Parlament. Das kann eine berufliche Tätigkeit, ein Mandat oder eine Mitgliedschaft sein. Fläche proportional zur Anzahl Verbinungen.
Eine, die es im HEV-Machtzentrum ganz nach oben geschafft hat, ist Brigitte Häberli-Koller. Die Mitte-Politikerin wurde 2003 in den Nationalrat gewählt, seit 2011 vertritt sie den Kanton Thurgau im Ständerat. Mit ihrer Vorstandsarbeit beim HEV Schweiz verdient sie 36’000 Franken im Jahr. Sie leitet zudem die Parlamentarische Gruppe Wohn- und Grundeigentum und engagiert sich neuerdings auch an vorderster Front im neuen, vom HEV orchestrierten «Bund für mehr Wohnraum». Dieser spricht von wirksamen und nachhaltigen Massnahmen, um einfacher bauen zu können, verfolgt aber primär ein anderes Ziel: nämlich dass Mieter*innen einfacher aus ihren Wohnungen geschmissen werden können. Im Fokus hat er die Abstimmung vom 24. November. Dann sollen die Stimmberechtigten, wenn es nach dem «Bund für mehr Wohnraum» geht, zweimal Ja sagen; Mieter*innen sollen also gegen ihre eigenen Interessen und Schutzrechte abstimmen. Der «Bund für mehr Wohnraum» nennt das Einfacherkündigen-Können so: «Faire Regeln und keinen Missbrauch im Mietrecht». Neben Mitte-Ständerätin Brigitte Häberli-Koller exponiert sich FDP-Nationalrat Beat Walti in der Allianz. Walti ist Präsident des Verbands Immobilien Schweiz (VIS). Hier sind die grossen Immobiliengesellschaften und -investoren vereint, UBS, Swiss Life, PSP Swiss Property, Swiss Prime Site Immobilien, Mobimo, Pensimo und viele weitere. Für den VIS sind Immobilien, also auch Wohnhäuser, Renditeobjekte und nichts anderes. Beim Erwerb von Boden wünschen sie sich möglichst keine Wettbewerbshemmnisse. Dazu sagte der Mitte-Ständerat Daniel Fässler einst: «Fallen ausländische Investoren weg, sinkt die Nachfrage, und damit sinken auch die Preise.» Der Anwalt vertritt in Bern den Kanton Appenzell. Vor Beat Walti war er VIS-Präsident, von 2016 bis 2023. In dieser Zeit lobbyierte er nach eigenen Angaben «in enger Kooperation mit anderen Dachverbänden und im direkten Austausch mit Verwaltung und Politik» für die Anliegen der grossen Investoren, des intransparenten weltumspannenden Kapitals. In Fässlers VIS-Zeit fällt die (leider erfolgreiche) Bekämpfung der Volksinitiative für mehr bezahlbare Wohnungen. Heute ist Fässler als Ständerat Mitglied der mietrechtsrelevanten Rechtskommission RK. Zugleich ist er Stiftungsrat der Swiss Prime Anlagestiftung, die zur Immobiliengesellschaft Swiss Prime Site gehört.
Politikfinanzierung bei den eidgenössischen Wahlen 2023 – die Top-5-Verbände: Finanzielle Unterstützung in Form von Kampagnen und Zuwendungen von Verbänden (links) an Parteien und andere politische Akteure (rechts). Verbandssektionen sind jeweils zusammengefasst. In Blau die Aufwendungen des Hauseigentümerverbands. Die Beträge (auf 100 Franken gerundet) wurden von den Akteuren gemäss den neuen Transparenzregeln an die Eidgenössische Finanzkontrolle gemeldet (Selbstdeklaration).
568’300 Franken
haben Sektionen des Hauseigentümerverbands für Kampagnen und Wahlkampfspenden bei den eidgenössischen Wahlen 2023 aufgewendet. Der HEV war damit unter den Top-5-Verbänden bei der Politikfinanzierung. Bedenkt man, dass der Gewerbeverband und economiesuisse in Sachen Wohnpolitik auf gleicher Wellenlänge sind wie der HEV, lässt sich sagen: Die Interessen der Hauseigentümerinnen und Investoren wurden bei den letzten Wahlen mit rund 2,4 Millionen Franken gefördert.
Das Lobbying wirkt
Die Lobbyarbeit der Investoren wirkt am Markt: In der Stadt Zürich haben die institutionellen Immobilienbesitzer die privaten Hausbesitzenden letztes Jahr erstmals überholt, ihr Wohnungsanteil sei deutlich gestiegen, schreibt die Stadt und spricht von einem Wendepunkt.
Aber auch in der Bundesverwaltung versteht es die Immo-Lobby, ihre Interessen durchzusetzen. Das geht aus internen Dokumenten zum Aktionsplan von Bundesrat Guy Parmelin und seinem Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) hervor. «Watson» wollte wissen, weshalb die wenigen zum runden Tisch eingeladenen Vertreter*innen der Zivilgesellschaft (MV, Caritas, Procap, Städte und ein paar weitere) am Ende des Prozesses so enttäuscht waren. Unter Berufung auf das Öffentlichkeitsgesetz erhielt die Online-Zeitung vom BWO E-Mails, Protokolle und Entwürfe ausgehändigt. Diese zeigen, wie weitreichend und autoritär insbesondere die Bauwirtschaft ihre Macht geltend machte – und wie erschreckend weit das BWO den Begehren Folge leistete. Aus den Protokollen geht auch hervor, wie die Immo-Lobby tatsächlich denkt. Von wegen «faire Regeln im gesellschaftlichen Zusammenleben und im Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter» – in einem nicht von Watson veröffentlichten, aber dieser Redaktion vorliegenden Protokoll (s. Bild unten) ist zusammengefasst, was VIS-Präsident bzw. FDP-Nationalrat Beat Walti sagte: «Es braucht einen funktionierenden liquiden Wohnungsmarkt. Die Leute sollen nicht ewig in derselben Wohnung bleiben, sondern sich auch verändern können.»
Das erwähnte Zitat von VIS-Präsident und FDP-Nationalrat Beat Walti.
Baut der VIS zusammen mit dem HEV seine politische Macht nicht «nur» im Parlament, sondern auch in der Verwaltung und mit dem ganzen Geld, das er für Kampagnen hat, noch weiter aus, ist das, was wir heute erleben, erst der Anfang der Verdrängung.
Aber wie und wann hat das eigentlich angefangen mit diesen Immobilienfirmen und ihrer Lobby?
Die Lockerung der Lex Koller
Eine, die das wissen muss, ist Jacqueline Badran, seit 2011 wirtschaftskompetente SP-Nationalrätin und engagierte Kämpferin für die Rechte der Mieter*innen. «Die Zäsur kam nach der Internetkrise um die Jahrtausendwende. Da entdeckten die Investoren die Immobilien wieder neu, als reine Anlagevehikel», sagt sie. Und ergänzt: «Wohlgemerkt, wir sprechen hier von unseren Wohnungen.»
Was die Immobilienlobby damals im Bundeshaus durchbrachte, ist bis heute relevant.
Wir schreiben das Jahr 1997. Das bürgerlich dominierte Parlament entlässt die Geschäftsliegenschaften aus der Lex Koller. Ihre Anteile können seit da an der Börse gehandelt werden. PSP Swiss Property und Swiss Prime Site (ihnen gehört unter anderem der Prime Tower in Zürich) waren die ersten Schweizer Immobilienfirmen, die nur darauf gewartet hatten. Fette Gewinne waren den Beteiligten sicher. Es dauerte nicht lange, und die Immobilienfirmen, die Wohnungen in ihrem Portfolio haben, fanden: «Wir wollen auch!» Dazu brauchte es eine weitere Gesetzesänderung.
Auftritt Georges Theiler, Nationalrat der FDP aus Luzern. Er brachte den Angriff auf den Schutz des hiesigen Bodens gegen reine Renditeinteressen durch den Rat, und auch bei Bundesrat Christoph Blocher stiess er auf offene Ohren. 2005 besiegelte das Parlament die entscheidende Lockerung: Von nun an konnten Ausländer*innen ohne Meldepflicht sogar auch an Wohnimmobilienfirmen Anteile kaufen, Hedgefonds genauso wie Finanzgesellschaften. Noch im selben Jahr ging die Mobimo Holding AG mit ihren Immobilien, darunter Dutzende Wohnhäuser, an die Börse. Damals schon Mobimo-Miteigentümer und im Verwaltungsrat: FDP-Nationalrat Georges Theiler.
Von nun an konnten Ausländer*innen ohne Meldepflicht sogar an Wohnimmobilienfirmen Anteile kaufen, Hedgefonds genauso wie Finanzgesellschaften.
Steigende Mieten trotz Überangebot
Nach der Lockerung der Lex Koller wurde dann tatsächlich enorm viel gebaut, aber sind die Mieten dadurch gesunken? «Nein», sagt Jacqueline Badran, «im Gegenteil: Sie sind gestiegen. Obwohl es sogar ein Überangebot an Wohnungen gab.» Ein Grund dafür ist: Durch die Deregulierung und den Zustrom ausländischen Kapitals stiegen die Bodenpreise stark an. Private, Wohnbaugenossenschaften, sogar die Städte können seither kaum noch mitbieten, dadurch kann weniger günstiger Wohnraum gebaut werden (und immer weniger können sich ein Eigenheim leisten). Ein weiterer Grund: Immobilien werden jedes Jahr neu bewertet. Immobilienfirmen steigern ihren Bilanzwert, indem sie höhere potenzielle Erträge angeben – mittels höherer Mieten, versteht sich. Und genau dazu muss das Mietrecht ausgehebelt werden. Die Aktionäre wollen die entsprechenden Renditen ausbezahlt erhalten, dieser Druck führe zu einer Mietpreis-Aufwärtsspirale, erklärt Ökonomin Badran.
Es blieb alles beim Alten, Bodenpreise und Mieten stiegen weiter marktgetrieben an, bis heute, und eine Trendumkehr ist nicht in Sicht, egal wie es um die Hypothekarzinsen aussieht.
2013 versuchten SP und Verbündete auf Initiative Badrans, die Lex Koller wieder zu stärken. Bundesrat und Nationalrat erkannten die Dringlichkeit und unterstützten den besseren Schutz vor Überkapitalisierung des Bodens und der Interessen der Bevölkerung. In der kleinen Kammer gab es aber plötzlich grossen Widerstand. Dahinter steckte die Bau- und Immobilienwirtschaft. In einer vom VIS (damals noch VII) orchestrierten Lobbying-Offensive brachte er die Ständerät* innen auf Kurs. Es blieb alles beim Alten, die Bodenpreise und die Mieten stiegen weiter nachfragegetrieben an, bis heute und eine Trendumkehr ist nicht in Sicht, egal wie es um die Hypothekarzinsen steht.
Bis zur Abstimmung am 24. November kann der «Bund für mehr Wohnraum» und mit ihm die ganze Immo-Lobby mit noch so viel Kreide im Mund von Fairness und Nachhaltigkeit sprechen: Ihre Rezepte zerstören bezahlbaren Wohnraum, bevor sie neuen schaffen. Und mit den Wohnungen, die sie bauen, bereichern sie sich auf Kosten der Mieter*innen. Und sogar die Wohnträume von Menschen, die sich etwas Eigenes aufbauen oder erhalten möchten, zerstören sie ganz grundsätzlich – spätestens in der nächsten Generation. Wer profitiert, sind die Immobilienfirmen und die mit den Anteilen daran. Und viele von denen leben nicht einmal in der Schweiz.
Text: Esther Banz, Datenvisualisierung: Isabel Plana
Die Siedlung Im Tiergarten: Ihr Name geht auf eine frühere Nutzung zurück – hier wurden einst die an Krankheit verendeten Nutztiere entsorgt.
Die Siedlung Im Tiergarten wird saniert. Anders als sonst nur allzu oft, dürfen die Mietenden bleiben. Sanierungen im bewohnten Zustand sind eine wichtige Alternative zu Leerkündigungen. Sie verursachen aber auch Ängste und Unsicherheiten. Deshalb sind eine gute Kommunikation und ein früher Einbezug der Bewohnenden wichtig.
Zufällig kommt man nicht in der Siedlung «Im Tiergarten» vorbei. Die Gleise der Uetliberg-Bahn und eine Baumreihe schirmen die Überbauung von drei Seiten her ab. Und wen es doch in die Siedlung im Zürcher Friesenbergquartier verschlägt, den begrüsst ein Schild: «Arealbenutzung nur für Bewohner».
Katja E. wohnt schon seit 15 Jahren hier. Auf das Schild angesprochen, lacht sie. «Es wirkt nicht einladend von draussen, nein. Aber hier drinnen ist es ganz anders.» Die Siedlung im Tiergarten ist eindrücklich. 466 Mietwohnungen umfasst die 1993 bezogene Überbauung. Sie liebe es hier, sagt die Sozialarbeiterin: «Es ist wie ein Dorf in der Stadt.» Man helfe sich, schaue auf den Hund der Nachbarin, giesse deren Pflanzen. Es sei schön, in einer funktionierenden Gemeinschaft zu leben, meint Katja E. «Und das jetzt, das werden wir auch noch überstehen», fügt sie an.
Eine valable Alternative
Mit «das jetzt» spricht Katja E. an, was im Tiergarten gerade alle beschäftigt: Die Siedlung wird in den kommenden Jahren saniert. Den Bewohnenden droht aber keine Leerkündigung, das Schreckgespenst vieler Zürcher Mietenden. Die Sanierung passiert im bewohnten Zustand. In einem Informationsschreiben an die Bewohnenden versicherte die Inhaberin Plazza AG: «Alle Gebäude bleiben erhalten und Sie können in Ihren Wohnungen bleiben.»
Für Walter Angst, Co-Geschäftsleiter des Zürcher Mieterinnen-und Mieterverbands (MV Zürich), sind das gute Nachrichten: Sanierungen im bewohnten Zustand seien in den vergangenen zwanzig Jahren selten geworden. «Dabei wäre es eine valable Alternative zum Ersatzneubau.» Angst erklärt: «Wird leergekündigt, dann leben nach der Renovation selten noch mehr als fünf Prozent der Vormieter*innen im Haus.» Bei Sanierungen im bewohnten Zustand würden erfahrungsgemäss mehr als zwei Drittel in ihren Wohnungen bleiben. Das sei auch für die Vermietungsseite attraktiv. Die Mietzinszahlungen laufen weiter. Und die Aufwände für die Neuvermietung fallen weg.
Im Tiergarten
Die Siedlung Im Tiergarten war die erste mittels einer Sondernutzungsplanung vollzogene Umzonung einer grossen, vormals industriell genutzten Fläche für Wohnzwecke in der Stadt Zürich. Genau wie bei den Siedlungen Binz oder Brunau in der unmittelbaren Nachbarschaft stand hier bis 1974 eine Lehmgrube der Zürcher Ziegeleien. Ein Sprössling der Schweizer Wirtschaftsdynastie Schmidheiny, die während mehr als hundert Jahren die Zürcher Ziegeleien (später Conzzeta AG) geführt hatte, sitzt heute noch im Verwaltungsrat der Plazza AG. Nach dem Ende der Ziegelei erlaubte die Stadt der damaligen ZZ Immobilien AG (später Plazza Immobilien und seit 2015 Plazza AG), von 1988 bis 1992 auf dem Areal die heutige Siedlung Im Tiergarten zu bauen. Der Name Tiergarten geht auf eine noch frühere Nutzung zurück: Hier wurden einst die an Krankheit verendeten Nutztiere entsorgt.
Die Belastung ist trotzdem gross
Für die Mieter*innen sei eine Sanierung im bewohnten Zustand trotzdem kein Zuckerschlecken, so Angst. Die Belastung ist gross. Die Bewohnenden müssen für einige Wochen mit provisorischen Küchen und sanitären Anlagen in Containern vorliebnehmen. Und nach der Sanierung gibt es happige Mietzinsaufschläge.
Die Ankündigung hat im Tiergarten denn auch für Wirbel gesorgt, das bestätigt Annina Brügger. Auch sie wohnt mit ihrem Partner schon lange hier. Wie viel teurer wird die Miete? Wie lange wird es lärmig? Muss man ausziehen während des Umbaus? «Wir können uns arrangieren. Wir sind flexibel, verdienen beide und können auch mal bei Bekannten unterkommen, wenn der Lärm zu gross wird.» Aber viele in der Siedlung hätten kein finanzielles Polster oder würden Angehörige in der eigenen Wohnung betreuen, so die Softwaredesignerin. Die Verunsicherung sei daher gross.
Das scheint auch der Verwaltung bewusst gewesen zu sein. Sie hat die Kommunikationsagentur «s2r» mandatiert, die von Anfang an für eine offene Kommunikation sorgen soll. Diese will sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht öffentlich äussern. «s2r» hat bereits die Sanierung der Telli-Häuser in Aarau begleitet. Von 2020 bis 2023 wurden die 581 Wohnungen in der ikonischen Siedlung ebenfalls im bewohnten Zustand saniert. Die Sanierung gilt als Vorzeigeprojekt in Sachen Einbezug der Mieter*innen.
Unsicherheit ist für alle schlecht
Im Tiergarten wartet auf die Kommunikationsexpertin noch einiges an Arbeit. «Es wäre einfacher, wenn wir uns sicher sein könnten, fair behandelt zu werden», sagt Katja E. Sie spricht aus Erfahrung – bereits zweimal musste sie sich gegenüber der Vermieterschaft wehren. Als gleich nebenan ein Bürohaus zu Wohnungen umgenutzt und bis auf das Skelett zurückgebaut wurde, mussten die Mieter*innen für eine angemessene Entschädigung kämpfen. Und 2023 hat die Plazza AG die Erhöhung des Referenzzinssatzes mit stark übersetzten Kostensteigerungspauschalen berechnet. Es sei deshalb nicht erstaunlich, dass die Ankündigung, die Wohnungen neu mit Wäscheturm auszurüsten, in der Siedlung für Stirnrunzeln gesorgt habe, sagt Katja E. Es gebe Befürchtungen, die Eigentümerin strebe eine Luxussanierung an, um die Mieten hochzudrücken.
Unsicherheit sei auch für die Vermieterin schlecht, gibt Walter Angst zu bedenken. Wenn die Mieter*innen nicht mitmachten, könne es zu Bauverzögerungen kommen. Und das sei teuer. Für eine Sanierung im bewohnten Zustand gebe es klare Regeln. Das gelte auch für die Kosten, die auf die Mieten überwälzt werden dürfen, sagt Angst (siehe Box).
Sanieren im bewohnten Zustand
Sanieren in bewohntem Zustand ist im Mietrecht klar reguliert. So muss die Eigentümerschaft dafür sorgen, dass die Wohnung weiterhin bewohnbar bleibt. Wenn Bad, WC und Küche während der Bauphase nicht benutzt werden können, muss eine Ersatzlösung angeboten werden. Bei Einschränkungen der Nutzbarkeit der Wohnung muss die Vermieterin den Mietzins temporär reduzieren. Und auch beim Mietzins nach der Sanierung ist klar geregelt, welche Kosten auf die Mietenden überwälzt werden dürfen und welche nicht. Um die Unsicherheit zu reduzieren und die Bedürfnisse der Mieter*innen in die Planung einbringen zu können, ist eine frühzeitige Kontaktaufnahme mit dem MV sinnvoll. Weil es während der Bauarbeiten und bei der nach Vorliegen der Bauabrechnung eintreffenden Mietzinserhöhung oft den Beistand von Fachleuten braucht, ist ein frühzeitiger Abschluss einer Mitgliedschaft im MV zu empfehlen.
250 Personen an MV-Infoveranstaltung
Die mietrechtlichen Vorgaben seien aber für Mieter*innen oft ein Buch mit sieben Siegeln. Deshalb hat der MV Zürich die Bewohner*innen der Siedlung Im Tiergarten Anfang Juli zu einer Infoveranstaltung ins benachbarte Kirchgemeindehaus an der Bühlstrasse eingeladen. 250 Personen folgten der Einladung.
Die Einladungen seien von einer Kurierin in alle Briefkästen der Siedlung verteilt worden, erzählt Angst. Auch die Verwaltung, die ein Büro vor Ort hat, habe eine Einladung erhalten. Diese ging an die Kommunikationsagentur, die nach Rücksprache mit dem MV auch an der Mieter*innenversammlung teilgenommen und spontan offene Fragen der Mieter*innen beantwortet habe. Der Wunsch vieler Mieter*innen, auf eine flächendeckende Ausstattung der Wohnungen mit Wäschetürmen zu verzichten, wurde in den Gesprächen auch thematisiert. Für die Anwesenden sei aber noch viel wichtiger gewesen, wie hoch der Mietzinsaufschlag ausfallen könnte, so Angst. Eine erste grobe Schätzung der Investitionskosten sei möglich, sobald die Baueingabe vorliege. Angst erwartet dies frühestens Ende Jahr.
Die Plazza AG schreibt auf Anfrage, eine Luxusmodernisierung sei nicht vorgesehen. Die Sanierung diene der Erhaltung der Siedlung auf längere Sicht und Leerkündigungen würden bewusst vermieden. Vorgesehen sei eine «energetische Optimierung der baulichen und technischen Anlagen». Auch beabsichtige sie die Mieter*innen frühzeitig und periodisch zu informieren. Erste schriftliche Informationen wurden bereits verschickt und an zwei Anlässen im Juni hat auch ein erster Austausch mit der Mieterschaft stattgefunden, um deren Anliegen und Themen aufzunehmen. Die nächste grössere Information sei Ende Jahr vorgesehen.
«Einfach froh, dass sie uns nicht kündigen»
Für Mietende, die sich den Aufschlag nicht leisten können, hat die Verwaltung in einem Informationsschreiben vom Juni bereits eine Alternative angedeutet: Ein Umzug in eine kleinere Wohnung ermögliche es, «die Mietzinserhöhung abzufedern». Walter Angst vom MV Zürich begrüsst diese Möglichkeit. Die Eigentümerin müsse beim neuen Mietvertrag aber auf eine Anpassung der Miete an den Marktwert verzichten. Andernfalls drohe die neue, kleinere Wohnung dennoch teurer zu werden. Die Plazza AG hält sich bei diesem Punkt noch bedeckt. Man habe sich vorgenommen, «für mögliche spezielle Situationen im Einzelfall nach passenden Lösungen zu suchen».
«Der MV Zürich hat uns erklärt, was die Verwaltung machen darf – und was nicht», erzählt Katja E. Das habe viele ihrer Fragen beantwortet, etwa die Frage des Wäscheturms: «Ob ein solcher hingestellt wird, hat nur eine geringe Auswirkung auf die Mietzinserhöhung.» Da seien andere Faktoren viel relevanter, weiss sie nun. Sie seien aber immer noch Mieter*innen und könnten daher bei vielen Fragen nicht mitbestimmen, auch das habe der MV Zürich gut aufgezeigt. Was gemacht wird, entscheidet die Eigentümerin.
Auch Annina Brügger war am Informationsabend. Die Erklärungen des MV Zürich hätten etwas Sicherheit zurückgebracht: «Sie konnten uns erklären, wann genau wir mit welchen Informationen rechnen können», sagt sie. Das habe viele in der Siedlung etwas beruhigt. Und Katja E. fügt an: «Am Schluss sind wir alle einfach froh, dass sie uns nicht kündigen. Alles andere ist schliesslich temporär.»
In meinen Zwanzigern wohnte ich in mehreren Wohngemeinschaften. Der Grund war einerseits finanzieller Natur, aber nicht nur. Viel lieber wollte ich zusammen mit anderen Menschen wohnen als allein. Wohnräume zu teilen, bringt schliesslich vielerlei Vorteile mit sich: Man muss nicht alleine kochen und essen, man hat jemand zum Reden und manchmal tut es doch nur schon gut zu wissen, dass jemand im Raum nebenan ist.
Damals dachte ich, nur Studierende zwischen zwanzig und dreissig würden so wohnen. Diese Vorstellung war zwar schon vor zwanzig Jahren falsch – aber noch viel falscher ist sie heutzutage. Eine kürzlich erschienene Studie zeigt nämlich: Einpersonenhaushalte nehmen in der Schweiz ab, Wohngemeinschaften dagegen nehmen zu, und zwar auch bei älteren und berufstätigen Menschen. In einem Artikel zu dieser Studie berichtete die «NZZ am Sonntag» von Menschen, die sich – nach dem Auszug der Kinder oder einer Trennung – ihre Wohnung nicht mehr leisten können und quasi gezwungen sind, einen Teil unterzuvermieten. Zwar können auch solche Zweck-WGs funktionieren oder sich gar zum Guten entwickeln. Die besten Voraussetzungen sind das jedoch nicht.
In unserer aktuellen Ausgabe zeigen wir Ihnen Menschen, die ihre Wohnung aus Überzeugung mit anderen teilen. Unsere Autorin Esther Banz hat sie besucht. Wie vielfältig doch das WG-Leben in der Schweiz aussieht!
Leider steht diese Wohnform politisch grad stark unter Druck. Die Immobilienlobby will die Untermiete – auf der viele WGs rechtlich aufgebaut sind – im Mietrecht massiv einschränken und hat im Parlament einen entsprechenden Vorstoss durchgebracht. Das Ziel: Vermieter*innen sollen Wohngemeinschaften künftig viel leichter rauswerfen können. Das letzte Wort ist in der Sache aber noch nicht gesprochen: Dank dem Referendum des MV können wir uns im November mit einem Nein an der Urne für die Wohngemeinschaften einsetzen.
Selbst Bundesrat Guy Parmelin (SVP) kann die Augen vor dem Problem der steigenden Mietzinse nicht mehr verschliessen. Er hat ein Massnahmenpaket vorgestellt, bei dem wir allerdings nicht so recht wussten, ob er es wirklich ernst meint. Wir haben deshalb die Satirikerin Patti Basler gebeten, sich die Massnahmen genauer anzuschauen. Dafür versetzte sie sich in die Rolle des Vermieters Hausi Zinsli, der dem Wohnungsminister klar und direkt sagt, was er von seinen Ideen hält.
Patty Basler übt sich in Kritik an Wohnungsminister Parmelin.
Lieber Guy Parmelin
You’re a good Guy! Du hast den Mietenden ein Massnahmenpaket verkauft. Danke! Als Vermieter verstehe ich gar nicht, warum die dauernd jammern! «Miete zu hoch!», «Miete schon Hälfte des Lohnes!», «Mietzins kriminell!», «Mimimi- Miete hier, Mimimi-Miete da!», eine einzige Miet-Life- Crisis!
Klar, meine Mietzinse sind leicht in den nicht mehr ganz legalen Bereich geklettert. Aber was soll ich machen, Guy? Weinen? Die Leute zahlen es! Das ist der Markt. Wer mietet mehr? Du musst deinen Wein auch zum bestmöglichen Preis verkaufen. Mein Leitspruch ist: «Kriegen wir die tiefsten Mieten, sind wir Vermieter miese Nieten!»
Pro Wohnung bekomme ich bloss etwa 370 Franken zu viel monatlich. Das ist vertretbar. Mit diesen 370 Franken könnten die Familien im Januar natürlich die jährliche Serafe-Gebühr bezahlen für TV und Radio. Aber Guy, dann würden die vielleicht noch durch die Konsumenten-Sendungen erfahren, dass sie eigentlich gegen missbräuchliche Mietzinse klagen können. Im Ganzen macht das nur 4440 Franken für mich pro Wohnung, die ich zu viel einnehme. Das ist doch kein Wahnsinns-Betrag. Damit kann ich nicht mal meine Putzfrau bezahlen. Sollen die Mietenden sich halt kleinere Wohnungen nehmen und selber putzen! Da soll der David Roth, der dir, dem grossen Guyliath, sogar das Departement wegnehmen will, der soll mal feucht durchwischen in der Küche. Vielleicht verschwinden dann die mit Roth durchzogenen Flecken und alles erstrahlt in liberalem Blau. Und die Jacqueline kann im Bad-ran!
Guy, du als Senior weisst, die zu hohen Mietzins-Renditen fliessen quasi fast direkt in die Pensionskassen, die sind die grössten Immobilien-Besitzerinnen. Das ist ein Perpetuum immobile: Sind die Pensionskassen nicht gut gefüllt, können sich die Alten das Wohnen ja gar nicht mehr leisten bei diesen hohen Mieten.
Der Zweck heiligt die Miete!
Lieber Guy, du hast das Beste aus der Situation gemacht! Ein Massnahmen- Paket, das so viel wert ist wie ein Altpapierbündel aus fehlerhaften Weinetiketten! Einfach Verordnungen, die schon längst gelten, hübsch aufgeschrieben. Verordnungen, die wir nicht wirklich einhielten, es hat ja niemand hingeschaut. Du kennst das! Den Mietenden geht es mit diesem Verordnungs-Stapel wie dir mit deinem Wein: Sie haben ihn noch nie selber gelesen! VMWG klingt ohnehin nicht nach Verordnung, sondern nach einer WG! Die VMWG, die Ver-Mieter-WG, in der wir uns gemütlich einrichten, solange niemand mit einem nervigen Ämtli-Plan winkt. Ämtli gäbe es einige:
Wir müssten schon lange das effektive Ausmass der Kostensteigerung ausweisen (Artikel 12 Abs. 1bis VMWG), blablabla, langweilig. Es ist doch für alle einfacher, wenn wir die Miete pauschal erhöhen.
Lieber Guy, nun noch etwas Kritik: Über Jahrzehnte konnten wir uns auf nicht ganz legale Art (Art. 16 VMWG) die Teuerung über steigende Mieten ausgleichen lassen, das war die bessere Geldanlage als jedes Bankkonto! Die Bank gibt nicht mehr Geld, nur weil alles teurer wird! Als Vermieter jedoch kann ich einfach die Teuerung von der Mieterin begleichen lassen. Die bezahlt mir die Rendite auf mein Eigenkapital! Ein bisschen wie bei einer guten Flasche Wein, Guy, die einen immer grösseren Wert bekommt, selbst wenn sie bescheiden schmeckt. Wie clever ist das denn? Gut, wir haben zwar über Jahrzehnte ein bisschen allzu viel Rendite gemacht, das lag an einem Rechnungsfehler, der nun leider korrigiert werden soll. Das ist bedauerlich, Guy, ich würde gar sagen, das ist für mich als Vermieter ein echter Wermuths-Tropfen.
Eine Rechtsbelehrung hast du ihnen als Massnahme verkauft! Ein Hinweis, der schon lange galt (Artikel 19 Abs. 1 Bst. a Ziff. 6 VMWG): Dass sie überrissene Mieten anfechten können, wenn sie diese mit Konkurrenz- Wohnungen im Quartier vergleichen! Konkurrenz ist ein unschönes Wort, nennen wir es spasseshalber «Miet-Bewerber»! Diese «Massnahme», Guy, ist ein wahrlicher Winzer-Schachzug. Alter Wein in neuen Schläuchen.
Und dann schreiben wir noch Teuerungs-Stand und Referenz-Zinssatz hin, den wir bei der Zins-Berechnung verwendeten (Art. 19 Abs. 3 VMWG). Und hoffen, dass die Mietenden nicht besser rechnen können als die Behörden, welche uns alles durchgehen liessen. Solange niemand weiss, was die Vorgänger bezahlten, können wir denen alles erzählen!
Die glauben sogar, dass Zuwanderung und Wohnungsknappheit schuld seien! Dabei bauten wir wie im Vollrausch bis 2021, als der Hypothekarzins tief war. Trotz mehr Wohnungsangebot verlangten wir stets mehr Mietzins. Weisst du warum, Guy? Weil die Leute wohnen müssen! Ha! Weil sie nicht warten können mit Wohnen, bis es sich lohnt! Wir mit Bauen aber schon! Die Mietenden sind die Alkis, die den Fusel brauchen.
Drum kaufen sie jeder Flasche den Etikettenschwindel ab.
Prost!
Dein alter WG-Miet-Bewohner
Hausi Zinsli
PS: Hast du bemerkt, wie korrekt ich «Mietende» gendere? Wenn die mir nämlich nicht genug zahlen wollen, dann kommt es für Mietende schnell zum Miet-Ende. Ende.
Die Immobilienlobby greift die Untermiete gesetzlich an, Wohngemeinschaften stehen deshalb unter Druck. Was ginge verloren? Auf Besuch bei verschiedenartigen WGs.
Wohngemeinschaften sind Wohnformen der Zukunft. Sie bedeuten im Kern «zusammen statt alleine» – als Jugendliche, Erwachsene, Familien oder auch Senior*innen. Sie wirken gegen Einsamkeit und ermöglichen generationenübergreifenden und interkulturellen Austausch. WGs sind ein Mittel gegen Einsamkeit und soziale Trennung, sie sorgen für besser ausgelastete Wohnflächen und schonen so nicht zuletzt das Klima. Wohngemeinschaften sind sozial und ökologisch sinnvoll. Dennoch haben National- und Ständerat beschlossen, das rechtliche Werkzeug, das es zum Wohnen in Gemeinschaften welcher Art auch immer braucht, weitreichend zu verschlechtern: die Untermiete. Sie soll künftig willkürlich untersagt werden können. Und wer formale Fehler macht, soll sogar ausserordentlich gekündigt werden können. Das ist die schärfste Waffe, die das Mietrecht kennt. Angeblich geht es einzig darum, Missbrauch vorzubeugen (Stichwort Airbnb). Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Der mächtigen Immobilienwirtschaft geht es vor allem darum, Mieter*innen einfacher kündigen zu können.
Einen Untermietvertrag schliesst ab, wer die Wohnung zeitweise weitervermietet (etwa bei einem mehrmonatigen Studien- oder Arbeitsaufenthalt im Ausland) oder wer sie mit Personen, die nicht zur engsten Familie gehören, teilen will. Der Mieterinnen- und Mieterverband hat gegen die dramatischen Verschlechterungen des Mietrechts das Referendum ergriffen.
Miteinander statt alleine – im Alter, in der fremden Kultur
«Die Sprache ist ein Türöffner»
Auf ihrem grossen Balkon geniesst Susanne einen unverschämt schönen Ausblick auf den Vierwaldstättersee, den Pilatus und viele weitere Berge der Innerschweiz. Sie lebt seit 22 Jahren in der Nähe von Luzern – mit Unterbrüchen, denn die gelernte Pflegefachfrau und spätere Berufsschullehrerin arbeitete zuletzt viele Jahre für Entwicklungsprojekte in postsowjetischen Ländern. Seit sie pensioniert ist, kann sie ihr Zuhause erst recht geniessen. Aber etwas stimmte nicht mehr. Rückblickend sagt sie: «Je länger, je mehr schienen mir 100 Quadratmeter für eine Person nicht mehr zeitgemäss.» Sie erwog, ihre Wohnung zu teilen, vielleicht mit einer Studentin. Als sie einen Zeitungsartikel zum Projekt «WohnTandem» las, bei dem Menschen ihre Wohnung mit einer Person teilen, die geflüchtet ist, wurde sie aktiv. Am liebsten hätte sie es mit einer Frau versucht – aber Frauen flüchten selten alleine. Durch die Vermittlung der Genossenschaft «Zeitgut Luzern» und den Verein «Hello Welcome» kam schliesslich das WohnTandem mit Hossein zustande.
Hossein ist aus dem Iran geflüchtet. Er lernte in der Schweiz mehrere Asylunterkünfte kennen. Die Zustände und Bedingungen taten ihm nicht gut, er kämpfte mit Depressionen. Susanne, die als Deutschlehrerin für migrantische Menschen selber schon viel gesehen und gehört hat, verstand. Und sie fand: Wenn jemand einen Platz braucht, ist es doch egal, welches Geschlecht diese Person hat. Für Hossein wiederum war das Konzept «Wohngemeinschaft» mit einem Menschen, der nicht zur eigenen Familie zählt, zunächst fremd. Nachdem sie beide ihre leisen inneren Widerstände überwunden hatten und nach der Einwilligung des Amts für Migration zog Hossein ein. Jetzt wohnen sie seit vier Monaten zusammen.
Sie mussten sich finden, die kulturellen Unterschiede und der wirtschaftliche Graben sind gross. Sie haben eine gemeinsame Kasse für Lebensmittel. Susanne kauft gerne Qualitätsprodukte ein – Hossein kann sich nur das leisten, was günstig ist. Nach einem beratenden Gespräch mit den Begleitpersonen des Projekts bezahlt Susanne jetzt einfach etwas mehr in die gemeinsame Kasse ein und achtet auf Aktionen.
Hossein arbeitet als Hilfskoch, im Sommer kann er nach einem Praktikum und Kursen, die ihm sein Arbeitgeber, die Luzerner Stiftung St. Anna, ermöglicht hat, in deren Pflegeheim eine Kochlehre beginnen. Er strahlt, als er von seinem Glück und von seiner Dankbarkeit erzählt. Auch zuhause kocht er oft, manchmal allein, manchmal zusammen mit Susanne, die es geniesst, in die persische Kochkunst und Kultur eingeführt zu werden. Handkehrum gibt sie ihm Deutsch-Nachhilfe. «Die Sprache ist ein Türöffner», sagt sie, «und zusammen zuwohnen ermöglicht tägliches Reden und Zuhören.» Wie integrationsfördernd die WG sein kann, wird klar, als Susanne und Hossein bei einer zweiten Tasse Kaffee und Tee weitererzählen: Die behördlichen Briefe, die Hossein erhält, und die Weisungen, die er als Geflüchteter zu befolgen hat, aber auch ganz viele andere administrative Notwendigkeiten – all das ist in einer Fremdsprache schwierig zu verstehen. Susanne weiss das von ihrer Zeit im Ausland. Nicht zuletzt lernt Hossein durch das Zusammenwohnen auch die hiesige Kultur besser kennen. Er gibt seiner Vermieterin und Mitbewohnerin indirekt etwas zurück, indem er sich als Freiwilliger im örtlichen Naturschutzverein sowie bei der gemeinnützigen Organisation «Tischlein deck dich» engagiert. Und ganz direkt, indem er öfter als sie staubsaugt und in der Siedlung bei der Umgebungsarbeit mithilft. Ausserdem teilt er mit der 73-jährigen Susanne, die seine Grossmutter sein könnte, im Alltag viele fröhliche und auch ernste Momente.
Die beiden stehen jetzt in der Küche. Auch von dort haben Susanne und Hossein Sicht auf den Pilatus. Susanne sagt: «Ich weiss, dass es hinter unseren Bergen eine Welt gibt. Und dass ich sehr privilegiert bin. Und seit Hossein hier lebt, weiss ich, dass diese Wohnform eine Riesenchance für uns beide ist.»
Kreative Städter*innen mit grünem Daumen, jetzt in der Agglomeration
«Zusammenwohnen ist ein Prozess»
Als im vergangenen Mai Tausende Menschen wegen der Wohnkrise in Zürich auf die Strasse gingen, war auch Lisa (Namen geändert) unter den Protestierenden. Vor zwei Jahren suchten sie und ihr Partner John mit zwei Freundinnen in der Stadt Zürich ein neues Zuhause. Ihre vorherige Wohnung, in der sie als WG gelebt hatten, war ihnen wegen Renovation gekündigt worden. Es zeigte sich bald, dass sie in der Stadt nichts Bezahlbares finden würden, also suchten sie auch ausserhalb und entdeckten ein Haus mit Garten in der Vorortgemeinde Dietikon. Ihre erste Reaktion war: «Dort? Auf keinen Fall!» Doch als sie das freistehende Haus aus den 1950er- Jahren von Nahem sahen, waren sie begeistert. Und die private Vermieterin bevorzugte explizit eine WG. Zu viert zogen sie 2022 ein: Lisa, John und zwei Freundinnen – inzwischen hat es einen Wechsel gegeben, neu ist Emma eingezogen. Sie waren sich auf Anhieb sympathisch. Die intellektuellen Kulturschaffenden und die bei einer NGO engagierte Landwirtschaftsexpertin haben beim Gärtnern und nachhaltig gut Essen ein grosses gemeinsames Interesse. Zu Emma gehört auch ein Hund, den die ganze WG innig gern hat. Lisa und John haben sich viele Gedanken über ihr persönliches WG-Leben und das WG-Leben im Allgemeinen gemacht. Als Paar mit anderen zusammen zu wohnen und dann noch mit auf die 40 zugehend – das ist selbst in links-kulturellen Kreisen nicht selbstverständlich. Oft werden sie als Erstes gefragt, ob das denn nicht kompliziert und ein wenig mühsam sei in diesem Alter. «Da ist immer so eine Erwartung, Schauergeschichten zu hören», lacht John. Dabei sei Zusammenwohnen doch auch einfach ein Prozess. Lisa überlegt und ergänzt dann: «Wir verbringen als WG klar mehr Zeit damit, uns beim Wohnen zu organisieren und zu schauen, wie es stimmig ist. Wir nehmen alle Raum in Anspruch – dafür ein Gespür zu haben und darüber diskutieren zu können, ist in der WG sicher wichtiger, als wenn ein Paar allein wohnt. Gleichzeitig sind da dafür auch weitere Menschen, mit denen ich leicht einen freundschaftlichen Austausch pflegen kann.» Letztlich sei Zusammenwohnen immer auch ein Experiment, sagt sie, «wir hatten ja auch Wechsel». Schwierig finden beide, wenn jemand in der WG komplett zurückgezogen lebt, kein Interesse fürs Gemeinsame hat, das miteinander Essen und Diskutieren. Bei ihnen ist es auch der Garten, den sie gemeinsam kultivieren. Mit dem Einzug am neuen Ort und wegen der Waldnähe besuchte die ganze WG einen Pilzkurs und geht seither regelmässig pilzlen. Leben mit anderen habe etwas Entschleunigendes, überlegt Lisa, «wohl weil wir dann nicht immer auf uns selber fokussiert sind».
Die WG in Dietikon hat keine Aufgaben definiert. Auch einen Kochplan gibt es nicht. Es kocht, wer als Erste*r Zeit hat – und Lust. Oder wer eine innere Stimme hört, die sagt: «Ich könnte auch mal wieder.» A propos: Wer gemeinsam kocht und isst, gibt weniger Geld aus. Auch die Kosten für Versicherungen und Nebenkosten teilen sich Wohngemeinschaften. Und zum Ausrechnen der Anteile gebe es praktische Apps wie «Splitwise».
Fraglos, es brauche viel Kommunikation, sagt Lisa, und wenn es Unstimmigkeiten gibt, sei miteinander zu reden hilfreicher als passiv-aggressiver Rückzug einer Person. Und was geht gar nicht? «Die liebsten handbemalten Keramiken in der Abwaschmaschine», sagt sie – und er: «frisch geschliffene, wertvolle Küchenmesser zweckentfremden.» In dem hellen und aufgeräumten, mit einfachen Holz- und Stoffmöbeln eingerichteten Wohnzimmer fällt es leicht, sich wohlzufühlen. Einen Putzfimmel hätten sie aber nicht, sagen die Anwesenden: «Wir pflegen lieber die Gemeinschaft.»
Zusammen die Arbeitsräume teilen
«Die Psychohygiene macht den Mehraufwand wett»
Im Zürcher Kreis 4 hat es zahlreiche einstige Gewerbehäuser und -etagen, in denen Selbstständigerwerbende, Freischaffende und Kleinunternehmen unter einem Dach arbeiten. Sie teilen sich die Miete, oft ist eine Person oder Firma Hauptmieterin, die andern sind in Untermiete. Eine solche Haus-Gemeinschaft befindet sich an der Kanzleistrasse 53. Die digitale Kommunikationsagentur Nemuk mietet das sorgfältig ausgebaute Häuschen als Ganzes seit rund zwanzig Jahren. Eine Zeit lang war die Firma so gross, dass sie alle drei Etagen für sich selber beanspruchte. Seit Nemuk sich wieder auf ihre Kernkompetenz Marketing- Automation konzentriert, teilt das KMU das Haus mit einer Buchhalterin, weiteren IT-Spezialisten, Grafikerinnen und einem Architekten. Alle haben ihre eigenen Büros, gemeinsam nutzen sie eine kleine Küche und das Sitzungszimmer. Dort essen sie oft gemeinsam zu Mittag. Am Tag unseres Besuchs speist Rémy von Nemuk zusammen mit den Grafikerinnen Doris und Isabel und der Buchhalterin Manuela. Dieser Austausch über Mittag sei enorm wertvoll, sind sich Isabel und Manuela einig.
Es gab auch schon schwierige Zeiten an der Kanzleistrasse 53. Beinahe gab Nemuk das Häuschen auf. Es war zu anstrengend und teuer geworden, Hauptmieter zu sein, die ganze Verantwortung allein zu tragen – für die Nebenkosten, und vor allem dafür, dass die Miete des ganzen Hauses bezahlt wird, auch wenn es leer stehenden Arbeitsraum hat. Der Entscheid, den Mietvertrag aufzugeben, stand bereits fest, als im letzten Augenblick ein Architekt sein Interesse am gesamten Erdgeschoss anmeldete. Das war der glückliche Wendepunkt. Die Kündigungsfrist für die bisherigen und den neuen Untermieter wurden an den Hauptmietvertrag angepasst, sodass nun alle Parteien dieselben Bedingungen haben. Mitspracherechte hatten die Untermieter*innen immer schon, «wir sind auf Augenhöhe, für mich sind alle gleichwertig», sagt Rémy als Hauptmieter. So empfinden das auch die anderen. Bei Neubesetzungen schauen sich alle die Interessierten an – sie hätten ein Vetorecht, wenn sie mit der auserwählten Person nicht einverstanden wären.
Die Miete berechnet sich nach dem Anteil der Fläche, die man in Anspruch nimmt, plus variable Kosten pro Person. Für die Reinigung haben sie eine Firma angestellt. Organisatorisches regeln sie unkompliziert über einen Haus-Chat oder an sporadischen Sitzungen. Rémy geniesst es, morgens an die Kanzleistrasse zu fahren. So einen Arbeitsplatz zu haben, mit Menschen um ihn herum, mit denen er in Austausch sein kann und gerne ist: das sei ein grosser Mehrwert, sagt der Spezialist für Online-Kommunikation. Die Verwaltungsaufgaben bedeuteten zwar Mehraufwand, aber die Psychohygiene durch reale gute Kontakte mit Menschen mache das längstens wett. Und es sei auch einfach bereichernd, mit Leuten zu reden, die in anderen Berufen tätig sind, «zudem können wir uns gegenseitig unterstützen, Tipps geben».
Nach dem Mittagessen machen sich alle wieder an die Arbeit. Die Wege sind kurz, die Türen bleiben offen. Es motiviert, selber fleissig zu sein, wenn von nebenan das Tippen auf Tastatur hörbar ist, hier eine seufzt, dort einer lacht.
Zwei Männer wohnen selbstbestimmt mit Assistenz
«Hier entscheiden wir selber»
Die breite Wohnungstüre steht weit offen. Eine Schwelle gibt es nicht und wer von der Laube her eintritt, steht direkt in der grossen Küche. Dort verrenkt sich Kurt Cobain mit E-Gitarre auf einer Bühne. Neben dem gerahmten Poster steht ein Gestell mit Geschirr, Kaffeemaschine und Mikrowelle und rechts davon ein grosser Kühlschrank, darüber in weisser Schrift auf rotem Hintergrund die klare Ansage: «Gourmet Männer WG». Einer der beiden hier lebenden Männer ruft jetzt ‹Hallo!› aus dem Raum hinter der Küche. Es ist Pesche. Ein leises Surren verrät, dass er seinen E-Rollstuhl in Bewegung gesetzt hat. Im Wohn-, das auch ein Arbeitszimmer ist, hat er eine Hälfte des Tisches leer geräumt, auf der andern Hälfte sind fein säuberlich die Sammelkarten seines Mitbewohners gestapelt. «Das ist mein Hobby», sagt Thomas, der nun ebenfalls im Zimmer angekommen ist. Die beiden gleichen sich: millimeterkurze Haare auf dem Kopf und unter dem Kinn, schwarze Brille und ein Gerät, das beim Atmen unterstützt. Beide haben ein Smartphone, mit dem sie die Wohnungstüre, den Lift und das Licht steuern können.
Pesche ist 36 Jahre alt, Thomas 33. Die beiden kennen sich aus einem Sommerlager für Muskelkranke, sie waren damals 13 beziehungsweise 10 Jahre alt. Seit fünf Jahren wohnen sie nun zusammen in ihrer 5-½-Zimmer-Wohnung in der autofreien Wohnbaugenossenschaft Oberfeld in Ostermundigen bei Bern. Sie haben 15 Assistenzpersonen im Teilzeitpensum angestellt, die sich in der Betreuung abwechseln; Pesche und Thomas sind Arbeitgeber (jeder für sich allein, weil die IV es so will). Die Assistenzpersonen kaufen ein, kochen, waschen ab, putzen, machen die Körper- und die Behandlungspflege. In der Nacht ist immer jemand auf Pikett da und wird gebraucht – zum Abhusten, Maske richten, Trinken, Umlagern, für WC-Gänge oder für den Fall, dass ein Atemgerät aussteigen sollte. Eines der Zimmer ist für die Assistenzpersonen eingerichtet.
Sowohl Thomas als auch Pesche haben in der Vergangenheit mehrere Jahre im Heim gelebt. Jetzt in einer eigenen Wohnung als WG zu leben, bedeutet für sie: Freiheit. Die beiden zählen die Unterschiede auf. Pesche: «Hier kann ich selber entscheiden, wer mich wann, wo und wie pflegt.» Thomas: «Auch wann ich esse – und wie gekocht sein soll.» Pesche: «Und ich entscheide, wann ich zu Bett gehe. Das ist im Heim nur beschränkt möglich.» Ausserdem dürfe man im Heim keine Haustiere halten, sagt Thomas – sein Blick wandert hinüber zum Terrarium. Dort verstecken sich zwei Bartagamen-Echsen. Die Freunde und Wohnpartner arbeiten auch von zuhause aus, sie haben einst beide die eidgenössische Ausbildung als Kaufmann EFZ abgeschlossen.
Wer zuhause wohnt und Assistenzpersonen hat, ist selber Arbeitgeber. Pesche berät zudem andere Menschen mit Behinderungen, die mithilfe von Assistenzpersonen bereits selbstbestimmt leben oder dies planen. Daneben engagiert er sich auch in der örtlichen SP. Alles von zuhause aus. Thomas und Pesche sitzen im eigentlichen Sinne ganze Tage dicht nebeneinander. Das gehe grundsätzlich gut, sagen beide, einzig das Weitergeben von Informationen klappe nicht immer reibungslos.
Weniger harmonisch haben sie es bisweilen mit den Behörden – die IV erhöhe die administrativen Hürden immer mehr, und die Ausgleichskasse hat ausgerechnet bei denen, die in WGs wohnen, die Ergänzungsleistungen gekürzt. Für ihre Miete müssen Pesche und Thomas jetzt je 290 Franken monatlich von ihren Lebenshaltungskosten absparen. Wohnten sie im Heim, würde das den Staat deutlich mehr kosten. Doch anstatt sich wieder darüber zu ärgern, zeigen sie auf die schöne Landschaft, die direkt hinter ihrem Haus beginnt und wo sie spazierfahren gehen können, wie es ihnen beliebt.
Wohnen und ein wenig Arbeit: Student wohnt bei Senior
«Ich dachte, ich würde zum Gärtnern und für Reparaturen gebraucht»
Um 18.15 macht es auf Hans’ grosser Terrasse zweimal hintereinander «krack!». Mit den beiden Dosen alkoholfreiem Radler prosten sich der 92-Jährige und sein 24-jähriger Mitbewohner Nicola zu. Es ist ein frühsommerlicher Sonntagabend, im artenreich bepflanzten Garten plätschert ein Brunnen, nach dem Apéro wird Nicola kochen gehen, Hans kann sich auf Pasta an einer Steinpilz-Rahmsauce mit Broccoli freuen. Zuerst geniessen sie aber ihr Beisammensein und diskutieren – wie an so vielen Abenden. Der Austausch ist für Nicola offiziell Arbeit, Teil der Abmachung: Er ist einer der rund dreissig Studierenden, die im Grossraum Zürich zurzeit bei einer Person im Rentenalter wohnen. Diese spezielle, die Generationen verbindende WG-Form ist ein Projekt von Pro Senectute Kanton Zürich und heisst «Wohnen mit Hilfe». Es bedeutet Zimmer gegen Arbeit und dient beiden: Die jungen Menschen haben ein Zuhause, das ihr schmales Budget nicht belastet, die Senior*innen erhalten Unterstützung im Alltag – und Gesellschaft; einen Menschen, der anwesend ist und mit dem sie im Idealfall einen freundschaftlichen Austausch haben. Wie Nicola mit Hans.
Seit genau einem Jahr wohnt der sportliche und politisch interessierte angehende Physiker beim früheren Ingenieur in dessen grosser Eigentumswohnung in einer Zürcher Vorortgemeinde. Davor lebte der ETH-Student mit Gleichaltrigen in einer WG in Zürich. Das Haus wurde leergekündigt und abgerissen, Nicola wusste, dass es schwierig würde, in der Stadt etwas Bezahlbares zu finden. Durch Recherche stiess er auf das Wohn- Vermittlungs-Angebot von Pro Senectute. In den Fragebogen schrieb er sinngemäss: «Die Küche mitbenutzen ist mir wichtig, sonst fühle ich mich nicht zuhause. Und waschen will ich auch können.» Bei den Leistungen, die er im Gegenzug zum Wohnen ohne Mietzins erbringen kann, kreuzte er nebst dem Kochen auch Gärtnern und Hausarbeit an. Und Gesellschaft leisten. Hans interessierte vor allem Letzteres, denn Putz- und Haushaltshilfen hat er bereits. Er suchte einen jungen Menschen, mit dem er seriös diskutieren kann, wie er sagt, nicht übers Wetter, sondern über aktuelle und relevante Themen – und über das Leben.
2021 ist Hans’ Frau an Krebs verstorben. «Dort fängt die Geschichte an», sagt er. «Ich sah, dass ich nicht alleine bleiben kann. Ich lief im Morgenmantel herum, rasierte mich nicht mehr richtig und ass unregelmässig. Ich verstand: Das ist nicht gut, ich werde vergammeln.» Als einer, der vier Zeitungen abonniert hat, wusste er auch um die Wohnkrise in Zürich. Mit einer ersten Mitbewohnerin machte Hans gute Erfahrungen. Als sie auszog, um mit ihrem Freund zusammenzuziehen, suchte er umgehend jemand Neues. Nicola und er verstanden sich auf Anhieb. Beide sind offen, interessiert, kommunikativ und unkompliziert – und das seien auch die Voraussetzungen, damit das Zusammenwohnen klappt, findet Nicola. Die Arbeitszeit ist von Pro Senectute Kanton Zürich auf einfache, aber klare Art in einer Vereinbarung geregelt: eine Stunde monatliche Arbeit pro Quadratmeter eigenes Zimmer. Nicolas Zimmer und Bad sind 20 Quadratmeter gross; bei 16 Stunden deckelt Pro Senectute die Arbeitsleistung und mehr erwartet Hans auch gar nicht. Überhaupt werde bei ihnen nicht gerechnet. Mit dieser Art des Wohnens gewinne er wahnsinnig viel, sagt Hans. Der Austausch halte ihn lebendig und wach. Dass er dafür sein Intimstes teilt, die eigene Wohnung, ist für ihn kein Kompromiss, sondern ein Gewinn. Einzig das Badezimmer wäre er nicht bereit zu teilen, «das ist dann doch zu intim» sagt er und lacht. Und Nicola sagt: «Ich kann so wohnen, wie ich möchte, und komme gerne nach Hause. Selbstverständlich passe ich mich auch ein wenig an – wie man das in jeder WG tut.» Sie sehen sich meistens erst abends, denn Nicola geht früh aus dem Haus. Mehrmals in der Woche kommt er am frühen Abend mit den Zutaten für den Znacht nach Hause, den er kochen wird. Davor trinken sie aber noch gemütlich das alkoholfreie Radler. «Das ist unser Grundnahrungsmittel», scherzt der Student. Er habe gedacht, er würde zum Gärtnern und Reparieren gebraucht, «und jetzt ist es einfach das Reden». Beide lachen herzlich und ehe Nicola für kurze Zeit in der Küche verschwindet, nimmt er noch einen Schluck.
Die Mieter*innen der Forchstrasse 114 – 120 in Zürich übergeben dem Stadtrat Daniel Leupi (Zweiter von links) ihre Unterschriften. Der ehemalige AL-Gemeinderat Mischa Schiwow (Vierter von links) hat die Sammlung unterstützt.
Immer mehr Mietende wehren sich mit allen Mitteln gegen die Verdrängung – zum Teil mit Erfolg. Während die Politik vielerorts schläft, erhalten sie Unterstützung von solidarischen Nachbarschaften und einer wachsenden Wohnrechtsbewegung.
Der Immobilienmarkt in der Schweiz steht mächtig unter Druck, die Mieten sind im Steigflug und die Bodenpreise schiessen in astronomische Höhen. Davon profitieren hauptsächlich die grossen institutionellen Immobilienbesitzer im Land, an deren Spitze die UBS, die seit der Fusion mit der Credit Suisse ihr Portfolio auf 70’000 Wohnungen aufstocken konnte. Dahinter folgt der Versicherungskonzern Swiss Life mit 38’000 Wohnungen.
Die Immobilienbesitzer erfreuen sich am «Boom», verbuchen aus den Renditen hohe Gewinne und wollen immer mehr Liegenschaften kaufen. Dies spiegelt sich auch im Bodenpreis, der sich etwa in Zürich seit 2010 mehr als vervierfacht hat. Kaufen renditegetriebene Anleger eine Liegenschaft, ist das Szenario oft ein Ersatzneubau, der wiederum zu höheren Mieten führt. Vermehrt wehren sich Mieter*innen gegen die Spekulation mit ihrem Zuhause. Und sie haben Erfolg, wie Beispiele aus Zürich und Basel zeigen.
Das Beispiel Forchstrasse in Zürich
In Zürich steigt der Bodenpreis schneller als der Puls eines Investmentbankers beim Anblick einer neuen Aktie. An der Forchstrasse 114 – 120, wo die Trams den Berg erklimmen und vom pompösen Seefeld wenig zu spüren ist, steht ein Haus mit dem Charme des Alters. Es ist das Zuhause von über 50 Mieter*innen. Diese Liegenschaft gehörte bis 2023 der Huber-Graf- und Billeter-Graf-Stiftung. Eine wohltätige Stiftung, die sich für bedürftige Menschen einsetzt. Doch günstige Mieten waren nicht Teil ihrer Wohltätigkeit.
Im Februar 2023 erschien die Liegenschaft im Portfolio eines Immobilienmaklers, angepriesen als «einmalige Gelegenheit für Investoren» mit Neubaupotenzial. Startpreis? 20 Millionen Franken. Für die Mieter*innen war schnell klar, was das bedeutet: Verdrängung. Für sie schien es keine Zukunft an diesem Ort zu geben.
Als Reaktion auf die Verkaufspläne versammelte der Gemeinderat der Alternativen Liste (AL) Mischa Schiwow die gesamte Mieterschaft. Jung und Alt kamen zusammen, um über den Verkauf zu diskutieren, ihre Ängste zu teilen. Schnell war klar: Kampflos räumt hier niemand die Wohnung. In einem Schreiben wandten sie sich an Dieter Gessler, den Präsidenten des Stiftungsrates, und forderten Klarheit über die Hintergründe des Verkaufs. Gesslers Antwort? Die Stiftung wolle weiterhin bedürftigen Menschen helfen, aber das Haus verkaufen, um mehr Mittel für ihre Tätigkeit zu generieren.
Die Enttäuschung bei den Mieter*innen war gross. Und die Wut noch grösser: Sie organisierten sich und intensivierten ihren Druck auf die Stadtregierung. Ihr Ziel: Die Liegenschaftsverwaltung der Stadt Zürich soll das Gebäude kaufen und damit ihren Verbleib sichern. Zwei lange Monate sammelten sie bei Sonne und Regen Unterschriften, führten Gespräche mit Quartierbewohner*innen über die wachsende Wohnungsnot und klopften unermüdlich bei der Stadtverwaltung an, um das Neueste zum Stand der Verkaufsverhandlungen zu erfahren. Am Ende reichten sie 800 Unterschriften beim Stadtrat ein (Bild oben).
Die Stadt kauft Häuser
Auch ihre Medienstrategie war ein Volltreffer. Der «Blick» brachte eine Reportage über Ida und Fritz Scheidegger, ein Ehepaar um die 90, das seit über fünf Jahrzehnten an der Forchstrasse wohnt. «Wir haben hier unsere Freunde, hier kennen wir die Geschäfte. Es wäre sehr schwer, jetzt noch umzuziehen», sagte Ida Scheidegger der Zeitung. Eine bezahlbare Wohnung im gleichen Quartier finden? Ein Ding der Unmöglichkeit. Auch die «WOZ» und «P. S.» sprangen auf den Zug auf und berichteten ausführlich, was die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit weiter vergrösserte. Die Scheideggers und ihre Nachbar*innen wurden zu Symbolfiguren für diejenigen, die sich gemeinsam gegen ihre drohende Vertreibung wehren. Ihre Botschaft war klar: Wir geben dieses Haus nicht auf. Und die Botschaft kam an. Die Stadt stieg ins Bietverfahren ein und kaufte die Häuser für satte 29 Millionen Franken. Ein Sieg für die Mieter*innen, die endlich wieder durchatmen konnten.
Jung und Alt kamen zusammen, um zu diskutieren und ihre Ängste zu teilen.
In der Zürcher Politik ist die Wohnkrise ein Dauerbrenner, das Budget für Immobilienkäufe in diesem Jahr summiert sich auf 500 Millionen Franken. Das ist zwar nur etwas mehr als ein Viertel des ersten Quartalsgewinns der UBS, hört sich aber dennoch nach viel Geld an. Davon profitierten kürzlich auch 39 Mietparteien im Zürcher Quartier Wollishofen. Nachdem ihnen im März letzten Jahres die Nachricht vom drohenden Verkauf ihrer Wohnungen ins Haus geflattert war, kochte auch bei ihnen die Angst hoch. Die Bewohner*innen schlossen sich zusammen, um gegen den Ausverkauf ihres Viertels vorzugehen. Auch sie forderten die Stadt mittels einer Petition dazu auf, die Liegenschaften zu erwerben. Die Stadt Zürich griff tatsächlich zu und kaufte die Häuser im letzten April.
Doch die 500 Millionen des städtisches Immobilienbudgets reichen nicht. Der grüne Finanzvorsteher Daniel Leupi hält das Drittelsziel – 33 Prozent aller Wohnungen in der Stadt Zürich sollen bis 2050 gemeinnützig sein – mittlerweile für sehr ambitioniert. Das Problem dabei ist aber mindestens teilweise hausgemacht. Die Zürcher Standortpolitik, die Konzerne wie Google und Disney mit offenen Armen empfängt, treibt damit die Mieten in die Höhe. Eine unbequeme Wahrheit, die in der Limmatstadt nicht gerne ausgesprochen wird.
Basel: Dank Hartnäckigkeit zum Erfolg
Um den Immobilienmarkt langfristig zu beruhigen, braucht es vielseitige Strategien. Eine aktive Zivilgesellschaft ist eine davon. In einem Markt, in dem immer mehr günstige Wohnungen abgerissen werden, weil die Mieteinnahmen nicht mehr genug Rendite abwerfen, erhöhen zivilgesellschaftliche Gruppen und Mieter*innen den Druck auf die Eigentümerschaften – private wie öffentliche.
Auch in Basel sorgen teure urbane Grossprojekte wie das Klybeck-Areal, bei dem die Swiss Life eine wichtige Investorin ist, seit Jahren für Kritik. Nur ein paar Gehminuten von diesem entfernt befindet sich die Mattenstrasse 74/76. Für die Mieter*innen der beiden Häuser in Kleinbasel begann die Auseinandersetzung um ihr Zuhause bereits vor elf Jahren, als sie vom Besitzer, dem katholischen Vinzenz-Verein, von der Auflösung der Mietverträge erfuhren. Die Bewohner*innen nahmen das Herz in die Hand und organisierten sich für einen jahrelangen Kampf um den Verbleib in ihren Wohnungen. Um das Recht, nicht verdrängt zu werden. Bereits 2015 unterbreiteten sie, gemeinsam mit dem Mietshäusersyndikat, dem Vinzenz-Verein ein Kaufangebot. Dieser lehnte ab und reichte zwei Jahre später ein Baugesuch ein.
Die Anwohnerschaft reagierte mit einer Petition mit über 4000 Unterschriften und 120 Einsprachen gegen das Neubauprojekt. Sie wagten den Schritt an die Presse und appellierten medienwirksam an die Bibeltreue des Vereins. Sie schmückten das Haus mit dem alttestamentarischen Spruch «Durch Weisheit wird ein Haus gebaut und durch Verstand erhalten». Für die Petitionsübergabe organisierten sie eine Marienprozession, bei der sie Santa Marí la Juaricua, der mexikanischen Volksheiligen gegen Gentrifizierung, huldigten. Doch sie bissen wieder auf Granit.
Die Wende kam erst, als im August 2018 das Baugesuch des Vinzenz-Vereins abgelehnt wurde. Der Eigentümer zeigte sich nun zu einem Verkauf bereit. Die Häuser wurden an das Mietshäusersyndikat verkauft und ab 2019 von den Bewohner*innen selbst verwaltet. Die jahrelange politische Auseinandersetzung mit öffentlichen Aktionen, die Überzeugungsarbeit im Quartier, stundenlanges Unterschriftensammeln – es hatte sich gelohnt.
Im Zürcher Quartier Wollishofen gelang es den Mieter*innen, die Stadt Zürich mittels einer Petition davon zu überzeugen, die Häuser zu kaufen.
Ein gesamtschweizerisches Problem
Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist aber nicht nur in den grösseren urbanen Zentren der Schweiz ein Problem, sondern auch in kleineren Städten wie Biel. Hier wird der Ruf nach städtischem Wohnungsbau immer lauter. Die Stadt hat verhältnismässig viel Landbesitz und verfolgt eine aktive Bodenpolitik: Verkaufen ist keine Option. Doch der städtische Wohnungsbau ist im Tiefschlaf. Anna Tanner, SP-Parlamentarierin in Biel, klagt: «Die Verwaltung ist oft überfordert und verkauft auch immer wieder städtisches Land an Private.» 2022 startete die SP zusammen mit linken Parteien und Organisationen eine Offensive, die den städtischen Wohnungsbau stärken soll. Das Ziel? 20 Prozent gemeinnütziger Wohnraum. Doch dieses Ziel sei noch in weiter Ferne, sagt Tanner.
Noch bescheidener sind die Ziele in Luzern, wo bis 2037 ein Anteil von 16 Prozent an gemeinnützigen Wohnungen erreicht werden soll. Der Mieterinnen-und Mieterverband Luzern ist skeptisch, ob das Ziel überhaupt erreicht werden kann. Der Geschäftsleiter Daniel Gähwiler erklärt, dass die Stadt eigene Grundstücke im Baurecht an Genossenschaften weitergebe, die dann Liegenschaften errichten würden. Das Problem dabei: Neubauprojekte dauern lange in der Umsetzung und führen in der Regel zu höheren Mieten. Um dem zu begegnen, schlägt Gähwiler vor: «Die Stadt sollte besser preisgünstige Bestandsliegenschaften kaufen.»
Die Zürcher Standortpolitik treibt die Mieten in die Höhe. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist auch in kleineren Städten wie Biel ein Problem.
Der Blick nach Zürich, Basel, Luzern oder Biel zeigt: Die Wohnungsmärkte sind unter Druck, die Politik ist gefordert. Boden- und Mietpreise steigen kontinuierlich. Während es einzelne Bemühungen gibt, fehlen systemische Antworten wie ein Mietpreisdeckel oder eine Bodenpreisbremse jedoch weitgehend.
Es braucht Druck aus der Gesellschaft
Für solche Massnahmen braucht es steigenden Druck aus der Gesellschaft. Denn die Geschichten von der Zürcher Forchstrasse oder der Basler Mattenstrasse sind nicht nur ein Erfolg der jeweiligen Mieterschaft. Sie sind das Resultat einer aktiven Wohnrechtsbewegung und solidarischer Nachbarschaften, die juristische, parlamentarische und aktivistische Mittel nutzen, um sich zu wehren.
Eine Basler Stimme, die sich in die Debatte einbringt, ist der Verein «Stadt für alle». Er vertritt «die Vision einer sozialverträglichen, partizipativen und ökologischen Stadtentwicklung und für ein Recht auf Stadt für alle Bewohner*innen Basels» und engagiert sich vielseitig im urbanen Streit um Wohnraum. Die Mitglieder des Vereins sammeln Daten aus dem öffentlichen Grundbuch und veröffentlichen Karten und Zeitungen, um die Öffentlichkeit über die Besitzverhältnisse in den Quartieren zu informieren.
In Zürich gibt es ähnliche Bewegungen, die das Angebot des Mieterinnen- und Mieterverbands ergänzen. «Mieten-Marta» etwa veröffentlicht auf ihrem Wohnrechts-Blog Recherche-Leitfäden zum Grundstücksbesitz und liefert Fakten zur Wohnungsnot. Den Mieter*innen werden Instrumente zur Verfügung gestellt, mit denen sie sich selbst gegen Verdrängung wehren können. Das «Mietenplenum» wiederum organisiert regelmässige offene Treffen, an denen sich Betroffene und Unterstützer*innen vernetzen können. Es werden politische Aktionen und Öffentlichkeitsarbeit organisiert, Tipps und Erfahrungen ausgetauscht und Informationen über aktuelle Probleme abgegeben.
Während wertvoller Boden und Wohnraum weiterhin in erschreckendem Ausmass und Tempo an Höchstbietende verkauft wird, suchen engagierte Mieter*innen und die Wohnrechtsbewegung Antworten auf diese Probleme. Und finden sie immer wieder auf unterschiedliche Art und Weise.
Wer Solarpanels am Balkon anbringen will, sollte unbedingt erst das Einverständnis der Vermieterschaft einholen.
Sie möchten einen Fünftel Ihres Strombedarfs selber erzeugen? Kein Problem – nun wird es sogar noch einfacher.
Die gute Botschaft gleich zu Beginn: Mieter*innen dürfen kleine, steckerfertige Solaranlagen bis zu einer Gesamtleistung von 600 Watt selber installieren. Eine Bewilligung des Stromversorgers (EW) ist nicht erforderlich. Die Anlage muss nach Inbetriebnahme lediglich beim örtlichen EW gemeldet werden, zusammen mit einer «Konformitätserklärung» des Herstellers. Diese garantiert, dass beim Produkt alle elektrischen Sicherheitsvorschriften erfüllt sind.
Kosten, Leistung, Fördergeld
Was leistet eine Balkon-Anlage? «Zwei Panels à 300 W erzeugen 600 Watt pro Jahr und decken in etwa den Strombedarf aller elektrischen Küchengeräte», sagt Eric Bush von Topten. Der Wert des selbst erzeugten Stroms beträgt rund 150 Franken, was etwa einem Viertel des Stromverbrauchs einer Wohnung entspricht. Bei Gesamtkosten der Solaranlage von total rund 1000 bis 1500 Franken ist die Investition in acht bis zehn Jahren amortisiert.
Die Lebensdauer der Panels liegt bei mindestens 20 Jahren. Wer in der Stadt Zürich wohnt, kommt ausserdem in den Genuss eines Förderbeitrags von 200 Franken pro Panel ab 250 Watt Leistung (www.topten.ch/ewz). Der Solarstrom, der nicht im Haushalt verbraucht wird, fliesst zurück ins Netz und muss von den Elektrizitätswerken vergütet werden, entweder pauschal oder falls bereits ein Smartmeter vorhanden ist, zum üblichen Preis..
Neue Mustervereinbarung
Die zentrale Frage, die sich Mieter*innen stellt: Darf ich am Balkon oder an der Fassade Panels anbringen, ohne die Vermieterschaft zu fragen? Die Antwort ist klar: Ohne Einverständnis darf man keine Anlage montieren. «Viele haben Bedenken wegen Haftungsfragen für den Fall, dass die Anlage schlecht montiert ist, hinunterfällt und Schaden anrichtet», sagt Eric Bush von Topten. Dazu gibt es seit Anfang 2024 eine Mustervereinbarung zwischen Vermieter*in und Mieter*in, welche Haftungs- und Versicherungsfragen klärt. Sie wurde von Topten, Casafair und Mieterinnen- und Mieterverband ausgearbeitet (www.mieterverband.ch/solar).
Mieter*innen sind verantwortlich für die fachgerechte (sturmsichere) Montage der Panels am Geländer. Das Gewicht eines Panels mit Rahmen liegt immerhin bei 20 Kilo und braucht dementsprechend eine solide Befestigung. Es gibt Solaranlagen-Anbieter, welche die Montage (auf Wunsch) anbieten. Wer handwerklich einigermassen begabt ist oder eine entsprechende Person im Freundeskreis hat, kann dies auch selber machen. Manche Anbieter bieten Montagesets an, zum Beispiel www.erneuer.bar.
Die Solaranlage muss beim Auszug wieder demontiert werden. Sie kann aber auch den Wohnungsnachfolger*innen weiterverkauft werden.
Ultraleichte Panels von 3 Kilogramm
Dass die Panels boomen, belegt die lange Liste von Topten-geprüften Produkten: Diese enthält derzeit 74 Einträge von Solarpanels (www.topten.ch/private/ products/solar_panels).
Das neuste Produkt sind dünne, ultraleichte Panels aus Kautschuk mit einem Gewicht von lediglich 3 Kilo pro Stück. Die zwei flexiblen Solarpanels à 145 W haben insgesamt 290 Watt Leistung. Es gibt auch ultraleichte Produkte an einem Stück (200 x 68,5 x 3 mm) zu 300 W. Die Lieferung des Solarhändlers umfasst Kabelbinder für die Montage sowie einen Modulwechselrichter mit Anschlusskabel. Der Wechselrichter transformiert den Gleichstrom des Panels zu Wechselstrom. Ist das Ganze einmal zusammengesteckt, steht der Inbetriebnahme des kleinen Kraftwerks nichts mehr im Weg und die Panels können per Kabel an die Aussensteckdose im Balkon- Aussenbereich angeschlossen werden.
Grosse Haushaltsgeräte werden immer effizienter, noch funktionierende Apparate sollte man wegen der grauen Energie aber nicht einfach ersetzen.
Haushaltgeräte werden ständig effizienter. Stadt und Kanton Zürich, aber auch andere Energieversorger der Schweiz fördern den Kauf von effizienten Grossgeräten.
Grosse Haushaltgeräte wie der Kühlschrank oder der Geschirrspüler werden ständig besser und sparen so Stromkosten. «Noch intakte Apparate sollte man aber nicht einfach ersetzen, weil viel graue Energie drinsteckt», sagt Nadja Gross von Topten. Doch wie merkt man, wann ein Gerät «fällig» ist? Wer sich nicht sicher ist, kann den Stromverbrauch mit einem einfachen Messgerät zwischen Steckdose und Gerät messen. Ist der Stromverbrauch ein Zigfaches höher als bei einem Neugerät, ist ein Ersatz sinnvoll. Viele Geräte halten rund 8 bis 12 Jahre. In der Stadt und im Kanton Zürich kommen Kund*innen in den Genuss von Fördergeld.
Förderprogramme für Grossgeräte
Das ewz (Elektrizitätswerk der Stadt Zürich) zahlt Privaten oder Besitzer*innen grösserer Liegenschaften 100 Franken an Haushaltgrossgeräte. Das Gerät muss lediglich auf der Topten-Liste der empfohlenen Geräte aufgeführt sein. Dazu muss auf www.topten.ch/ewz ein Gesuchsformular mit dem Kassenzettel und dem Gerätetyp ausgefüllt werden – eine Sache von 5 Minuten. Nebst Haushaltgrossgeräten werden auch weitere energiesparende Geräte gefördert, wie etwa TVs, Ventilatoren oder steckerfertige Solaranlagen. Diese Förderaktionen sind unbefristet.
EKZ: Vom 1. Juni bis 31. August 2024 unterstützen die EKZ (Elektrizitätswerke des Kantons Zürich) ihre Kundinnen und Kunden mit 25 % Rabatt (bis 300 Franken) auf effiziente Haushalt-Grossgeräte. Die EKZ versorgen den grössten Teil des Kantons Zürich. Auch hier lässt sich direkt auf der Website rasch und einfach das Gesuchsformular ausfüllen. Alle weiteren Informationen finden sich unter www.topten.ch/ekz.
Anhand der Energieetikette können sich Konsument*innen über die Energieeffizienzklasse und weitere Eigenschaften eines Geräts informieren. 2021 führte der Bund ein neues Energielabel ein. Seitdem tragen die jeweils besten im Handel erhältlichen Geräte nicht mehr automatisch das Label A – ein kurzer Überblick:
Waschmaschine: A; Kühlschrank: B; Tiefkühler: C; Geschirrspüler: A; Tumbler: A+++ (hier gibt es noch kein neues Label).
Was zunächst wie ein Rückschritt gegenüber dem früheren Energielabel aussieht, hat einen ganz bestimmten Zweck: Die Messlatte bei der Energieeffizienz wurde mit den neuen Labels höher angesetzt. Ein Gerät, das früher als A+++ eingestuft war, erhält nach heutigen Kriterien kaum mehr als ein E. Nadja Gross von Topten erklärt: «Die Hersteller sollen so motiviert werden, noch sparsamere Geräte zu entwickeln.» Die neuen Etiketten enthalten auch weitere Angaben wie etwa zum Wasserverbrauch, zum Energieverbrauch im Eco-Programm oder zu Geräuschemissionen.
Guter Rat ist gar nicht teuer!
Mit einigen wenigen Handgriffen und mit dem Lesen der Gebrauchsanweisung ist übers Jahr schnell viel Geld gespart. Hier die besten Tipps:
Waschmaschinen: Energiesparprogramm benutzen, kalt waschen und gut schleudern – dadurch trocknet die Wäsche schneller und braucht weniger Energie im Tumbler. Mehr unter www.topten.ch/waschmaschinen
Geschirrspüler: Energiesparprogramm nutzen, nicht von Hand vorwaschen, ganz füllen. Mehr unter www.topten.ch/geschirrspueler
Kühlschrank: auf 7 Grad einstellen, keine heissen oder warmen Lebensmittel in den Kühlschrank stellen! Mehr unter www.topten.ch/kuehlschraenke
Tiefkühler: regelmässig abtauen, denn Eisbildung erhöht den Energieverbrauch. Mehr unter www.topten.ch/gefriergeraete
Tumbler: immer ganz befüllen. Nach Möglichkeit Wäsche draussen trocknen (Balkon, Terrasse). Mehr unter www.topten.ch/tumbler