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Neue Küche, neues Bad – aber ohne uns?

Sanierungen bringen oft viel Unruhe mit sich, und nicht selten erhalten alle Mieter*innen eine Kündigung. Doch Widerstand kann sich lohnen – diese Tipps zeigen, wie vorzugehen ist.

Als Brigitte und Rolf Hugentobler eines Tages einen Brief von ihrer Hausverwal­tung erhalten, staunen sie nicht schlecht: Ein Termin zur Begutachtung ihrer Wohnung wird angekündigt. Vor wenigen Tagen war bereits ein Handwerker dort, um die Leitungen zu inspizieren. «Will die Vermieterin sanieren? Bedeutet das eine baldige Kündigung?» fragen sie sich besorgt.

Ihre Befürchtung kommt nicht von ungefähr. Massenkündigungen wie die bei den «Sugus-Häusern» im Zürcher Kreis 5 verunsichern viele Mieter*innen. Ihr Wohnhaus wurde in den 80er-Jahren gebaut und seither nicht modernisiert. Zwar wirkt die Einrichtung mit ihren braunen Küchenfronten und den bunten Badezimmerfliesen altmodisch, doch für die Hugentoblers ist ihr Zuhause perfekt. Seit Jahrzehnten nennen sie diese Woh­nung ihr Zuhause, haben hier ihre Kinder grossgezogen, Nachbarschaft gelebt und Wurzeln geschlagen. Eine Kündigung würde nicht nur den Verlust der Woh­nung bedeuten, sondern auch den Ab­schied von der vertrauten Gemeinschaft. Zudem ist die Miete im Vergleich zu den allgemein gestiegenen Wohnkosten mo­derat – ein wesentlicher Faktor für viele Bewohner*innen der Liegenschaft.

Manche Renovationen sind möglich, ohne dass Mieter*innen ausziehen müssen. Doch oft wird behauptet, eine Sa­nierung mache den Verbleib unmöglich – sei es aus praktischen Gründen oder mit dem Hintergedanken, danach höhere Mieten verlangen zu können. Ob es wirk­lich so ist, sollte genau geprüft werden.

Vorübergehender Auszug als Lösung

Das Bundesgericht hat entschieden, dass eine Kündigung aufgrund einer Sanierung missbräuchlich sein kann, wenn Mieter*innen einen temporären Auszug anbieten. In diesem Fall stellt die Anwesenheit der Mieter*innen kein Hindernis für die Bauarbeiten dar, sodass ein schutzwürdiges Kündigungs­interesse fehlt. Die Hugentoblers sollten also noch vor einer allfälligen Kündigung schriftlich erklären, dass sie bereit wären, während der Sanierung vorübergehend auszuziehen – die sogenannte Auszugs­garantie –, um danach in ihre renovierte Wohnung zurückzukehren. Dieses für Mieter*innen wichtige Inst­rument wurde nun vom Obergericht des Kantons geschwächt. Das Mietgericht Zürich hatte sich kürzlich mit der Frage zu beschäftigen, wie es mit der Miss­bräuchlichkeit aussieht, wenn die Mieter­schaft erst nach Erhalt der Kündigung eine Auszugsgarantie abgibt, und gab dem betroffenen Mieter recht. Die Gegenseite zog das Urteil weiter und errang ihrerseits einen Sieg vor dem Zürcher Obergericht. Dieses war der Meinung: Eine einmal gültig ausgesprochene Kündigung bleibt bestehen, selbst wenn die Mieterschaft später eine Auszugsgarantie gibt.

Fragwürdiges Urteil

Das Urteil des Obergerichts ignoriert den eigentlichen Zweck der Kündigung und ist deshalb fragwürdig. Wenn Mie­ter*innen garantieren, für die Sanierung auszuziehen, ist eine Kündigung über­flüssig. Dennoch hielt das Gericht an der Gültigkeit der Kündigung fest – obwohl sie keinen praktischen Nutzen mehr hat.

Das benachteiligt kooperative Mie­ter*innen und verschafft Vermieter*in­nen mehr Spielraum, Kündigungen auch ohne echten Bedarf durchzusetzen. So können Mieter*innen ihre Wohnung verlieren, obwohl sie der Vermieterschaft gar nicht im Weg stehen. Was können Mieter*innen dennoch tun?

Gemeinsam auftreten

Mieter*innen haben bessere Chancen, wenn sie sich zusammenschliessen und gemeinsam Forderungen stellen. Dabei sollten ihre Anliegen strukturiert und geordnet werden. Die Hugentoblers könnten in ihrer Hausgemeinschaft eine Sprecherrolle übernehmen und die Ge­spräche mit der Vermieterin führen. Eine faire Vermieterin sollte in einem solchen Fall versuchen, die Sanierung sozialver­träglich zu gestalten.

Öffentlichkeit als Hebel

Für Herrn und Frau Hugentobler kommt es anders: Als sie das Gespräch mit der Vermieterin suchen, blockt sie ab – von Entgegenkommen keine Spur. Nun könnten die Hugentoblers mediale Aufmerksamkeit suchen. Öffentlicher Druck könnte die Vermieterin zu Kom­promissen bewegen. Auch die Unterstüt­zung durch politische Entscheidungsträ­ger*innen oder den Mieterinnen-und Mieterverbands kann hilfreich sein, ins­besondere bei grossen Bauprojekten. 17

Kündigung: Form ist Pflicht

Da die Vermieterin die Wohnungen ohne Bewohner*innen sanieren will, kün­digt sie allen Mietparteien, auch den Hugentoblers. Doch gesetzlich muss eine Kündigung bestimmten Formalitäten ent­sprechen: Sie muss auf einem amtlich ge­nehmigten Formular erfolgen, sonst ist sie nichtig. Da die Hugentoblers verheiratet sind, muss die Vermieterin jedem Ehe­partner ein separates Kündigungsformular zusenden, selbst wenn nur eine Person den Mietvertrag unterschrieben hat.

Timing zählt

Die Vermieterin muss sich an die ver­traglichen Kündigungsfristen und -ter­mine halten. Die Frist beginnt an dem Tag zu laufen, an dem die Hugentoblers das Einschreiben entgegennehmen oder es erstmals hätten bei der Post abholen können. Ab diesem Zeitpunkt beginnt auch die Rechtsmittelfrist für eine Kündi­gungsanfechtung und/oder ein Erstre­ckungsbegehren zu laufen. Der Folgetag ist Tag eins der 30-tägigen Anfechtungs­frist. Das gilt unabhängig davon, ob die Hugentoblers die Sendung abholen oder nicht. Ein Ignorieren eingeschriebener Post ist deshalb keine gute Idee – die Frist bleibt die gleiche.

Kündigungen anfechten

Den Hugentoblers bleibt nur noch eine Option: die Kündigung innerhalb von 30 Tagen bei der Schlichtungsbe­hörde anfechten. Verpassen sie diese Frist, gilt die Kündigung als akzeptiert – selbst wenn sich die Sanierung später als «faule Ausrede» entpuppt. Laut Bundes­gericht sind die Chancen einer Anfech­tung gut, wenn die Sanierung auch im bewohnten Zustand ohne grössere Verzö­gerung oder Komplikationen machbar wäre. Dazu zählen beispielsweise Maler­arbeiten, Balkonanbauten oder Fassaden­renovationen. Dann fehlt ein schutzwür­diger Kündigungsgrund. Eine Kündigung «auf Vorrat» ist ebenfalls missbräuchlich, etwa wenn noch kein Baugesuch einge­reicht, nur ein Investitionsplan vorliegt oder die Finanzierung nicht gesichert ist. Eine Kündigung gilt auch dann als miss­bräuchlich, wenn die geplante Sanierung unrealistisch oder gar unmöglich er­scheint – insbesondere wenn weder der Umfang der Arbeiten noch die Notwendigkeit des Auszugs der Mietenden klar beurteilt werden können.

Wird eine Kündigung als missbräuch­lich eingestuft, wird sie aufgehoben und die Mieter*innen kommen zusätzlich in den Genuss einer Kündigungssperrfrist. Diese schützt Mieter*innen vor Kündi­gungen aus Vergeltung, etwa nach einer erfolgreichen Kündigungsanfechtung. Die Vermieterschaft darf dann für drei Jahre nicht kündigen, es sei denn, es liegt ein gesetzlich anerkannter Grund vor.

Erstreckung des Mietverhältnisses

Eine Kündigung bedeutet nicht auto­matisch, dass die Hugentoblers sofort ihre sieben Sachen packen und ausziehen müssen – selbst dann nicht, wenn die Schlichtungsbehörde oder das Gericht die Kündigung als rechtmässig einstuft. In vielen Fällen haben Mieter*innen die Möglichkeit, eine Mieterstreckung zu be­antragen. Dann wird genau geprüft: Wie hart trifft sie der Verlust ihrer Wohnung? Und wie dringend ist das Sanierungspro­jekt der Vermieterschaft tatsächlich?

Die Entscheidung über eine Erstre­ckung ist eine Ermessensfrage. Das heisst, es gibt keine festen Regeln, aber be­stimmte Faktoren spielen eine Rolle. Wer finanziell nicht auf Rosen gebettet ist oder Kinder hat, kann oft mit einer längeren Erstreckung rechnen. Auch die Wohnungssituation am Markt ist entscheidend: Je schwieriger es ist, eine Ersatzwohnung zu finden, desto eher wird eine Erstreckung gewährt. Es lohnt sich, aktiv nach einer neuen Bleibe zu suchen und die Bemü­hungen mit Bewerbungsschreiben oder Internetanfragen zu dokumentieren.

Üblicherweise dürfen Mieter*innen noch einige Monate bleiben, in manchen Fällen sogar länger als ein Jahr. Die ge­setzliche Höchstdauer für eine Erstre­ckung beträgt vier Jahre. Ein so langer Aufschub ist aber in der Praxis eher die Ausnahme – leider.

Fazit: Sanierung heisst nicht automa­tisch Vertreibung. Wer sich organisiert, seine Rechte kennt und aktiv handelt, kann eine Kündigung anfechten, eine Er­streckung erwirken oder durch öffentli­chen Druck faire Lösungen erzwingen. Mieter*innen sind nicht machtlos – wer sich wehrt, kann gewinnen.

Text: Fabian Gloor

Das Bundesgericht hebelt den Mietschutz aus

Dass die Mieten laufend erhöht werden, hat verschiedene Gründe. Neben dem Machtgefälle zwischen Vermieterschaft und Mieterschaft und dem fehlenden Angebot führt die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu mehr Renditemöglichkeiten.

Die Mieten werden laufend erhöht, obwohl die Kosten für die Vermieter*in­nen seit Jahren sinken. Gemäss Studie sind es inzwischen über 10 Milliarden Franken Miete, die pro Jahr ungerechtfertigt von Mietenden an die Vermieter­schaft fliessen. Ungerechtfertigt des­wegen, weil das Mietrecht auf der Kostenmiete basiert; tiefere Kosten müssten tiefere Mieten nach sich ziehen.

Die meisten Erhöhungen finden beim Wechsel der Mieterschaft statt. Und dabei geht es mehr um das Auspressen einer Zitrone – wobei die auszupressende Zitrone wir Mieter*innen sind – als um exakte Berechnungen nach Referenzzins­satz und Co. In unserer Luzerner Kam­pagne für mehr Transparenz und Anfech­tungen beim Anfangsmietzins haben wir daher seit 2021 versucht, gegen solche ungerechtfertigten Erhöhungen vorzugehen. Trotz Erfolgen müssen wir fest­stellen, dass sich in dieser Zeit der Rahmen, was überhaupt erlaubt ist, zu­gunsten der Vermieterschaft verschoben hat. Verantwortlich dafür sind die Urteile des Bundesgerichts, das die Renditemöglichkeiten für Vermieter*innen massiv ausgebaut hat.

Basierend auf dem Prinzip der im Gesetz verankerten Kostenmiete erach­tete das Bundesgericht lange Zeit einen Zuschlag von 0,5% zum Referenzzinssatz als zulässigen Wert. 2020 änderte das Bundesgericht diese Praxis. Nun darf der Nettoertrag oder die Nettorendite statt 0,5% neu 2% über dem Referenzzinssatz liegen, solange dieser nicht höher als 2% ist. Beim damaligen Referenzzinssatz von 1,75% war nun statt einer Rendite von 2,25% neu eine solche von 3,75% erlaubt. Diese sogenannte Nettorenditeberechnung gilt allerdings nur bei Bauten, die älter als 10 Jahre sind und nicht länger als 30 Jahre bei derselben Eigentümerschaft liegen.

Skandalöser Entscheid

Bei Altbauten – also Gebäuden, die länger als 30 Jahre im selben Besitz sind–gilt nicht die Kostenmiete, sondern eine Marktmiete; die Mieten müssen dem orts-und quartierüblichen Niveau ent­sprechen. Stieg der Anfangsmietzins ge­genüber der Vormiete um mehr als 10%, galt jedoch die Vermutung, dass diese Erhöhung missbräuchlich sei. Diese Ver­mutung musste durch die Vermieter­schaft eindeutig widerlegt werden: Min­destens fünf Objekte im gleichen Ort oder Stadtquartier, die nach Lage, Grösse, Zustand, Ausstattung und Bauperiode mit dem Mietobjekt vergleichbar sind, musste sie dazu vorbringen.

Auch hier griff das Bundesgericht ein. Neu reichen Indizien wie Statistiken oder ein langes Vormietverhältnis, um die Missbrauchsvermutung umzustossen, und die Beweislast mit den fünf Objekten liegt dann bei den Mieter*innen. Den Mietzins bei einem Wechsel der Mieter­schaft zu erhöhen, wird so erleichtert.

Und was gilt bei Neubauten – also Gebäuden, die vor maximal 10 Jahren ge­baut wurden? Auch hier ist eine Rendite erlaubt, die 2% über dem Referenzzins­satz liegt. Die Renditeberechnung beruht bei Neubauten aber auf dem gesamten investierten Kapital, nicht nur dem Eigenkapital.

Der neuste Entscheid des Bundesgerichts – und das ist skandalös – erhöht den Renditesatz sogar auf 3,5% über dem Referenzzinssatz. Das macht beim aktu­ellen Referenzzinssatz eine Rendite von 5% – und zwar auf das gesamte inves­tierte Kapital, inklusive Fremdkapital.

Höhere Renditen allenthalben und erschwerte Mietzinsanfechtungen: Das Bundesgericht macht mit diesen Urteilen Mietpolitik – auf eine solch mietfeind­liche Weise, wie es dem Parlament dank der Referendumsfähigkeit des Miete­rinnen-und Mieterverbands nie gelingen würde. Politisch bedeutet dies für uns, eigene Ideen anzustossen. Wir müssen die Kostenmiete stärken und mehr Kontrollmöglichkeiten bei den Renditen schaffen.

Text: Nadja Burri und Daniel Gähwiler, MV Luzern, NW, OW, UR

News

Bundesgericht lässt Mieter*innen im Regen stehen

Das Bundesgericht hat in einem Leiturteil die Rechtsprechung zur Berechnung der zulässigen Mietzinserhöhung nach einer Wohnungssanierung neu beurteilt. Damit werden die Mietzinse nach Sanierungen noch höher – obwohl schon heute viel zu hohe Mietzinserhöhungen verrechnet werden. Mit diesem Urteil begünstigt das Bundesgericht einmal mehr die Vermieterseite und ihre Immobilienrenditen statt der Kaufkraft der Mieter*innen.

Achtung, Leitzins ≠ Referenzzins!

Im September 2024 hat die Schweizerische Nationalbank SNB den Leitzins bereits zum dritten Mal in Folge gesenkt. Dieser liegt nun bei 1 Prozent. Aber: Das bedeutet (noch) nicht, dass Mietende eine Mietzinssenkung verlangen können. Die Mietzinse orientieren sich am Referenzzinssatz, der vierteljährlich durch das Bundesamt für Wohnungswesen BWO publiziert wird. Dieser liegt aktuell bei 1,75 Prozent und kann frühestens im Dezember 2024 sinken. Eine Senkung des Mietzinses aufgrund des Referenzzinssatzes können Mietende erst dann einfordern – und auch dann nur, wenn sie zuletzt eine Erhöhung aufgrund des steigenden Referenzzinses erhalten haben oder der Vertrag auf einem Referenzzins von 1,75 Prozent oder höher basiert.

Ihre Fragen, unsere Antworten

Die Rechtsberater*innen des Mieterinnen- und Mieterverbands beantworten jährlich Zehntausende von Fragen rund ums Mieten und das Mietrecht – darunter viele, die sich um Mietzinse und Kündigungen drehen. Nur Mieter*innen, die ihre Rechte kennen, können sich auch wehren.

Wie kann ich überprüfen, ob meine Mietzinserhöhung korrekt ist?

Ob eine Mietzinserhöhung aufgrund des Referenzzinssatzes, der Teuerung oder allgemeinen Kostensteigerung betragsmässig gerechtfertigt ist, können Sie mit dem Mietzinsrechner auf www.mieterverband.ch/mietzinsrechner ermitteln. Als Mitglied beim Mieterinnen- und Mieterverband helfen Ihnen unsere Berater*innen. Wenn Sie mit der Mietzinserhöhung nicht einverstanden sind, müssen Sie sie innert 30 Tagen bei der zuständigen Schlichtungsbehörde anfechten.

Nadja Burri, Mieterinnen- und Mieterverband Luzern

Unsere Vermieterschaft hat lediglich drei von zwölf Mietparteien eine Mietzinserhöhung zugestellt. Wir vermuten, nur denjenigen, welche die letztjährigen Mietzinssenkungen jeweils einverlangt haben. Darf die Vermieterschaft die Mietenden in ein und derselben Liegenschaft derart ungleich behandeln?

Ja. Die Vermieterschaft kann frei entscheiden, ob sie mögliche Mietzinsveränderungen auf die Mieter*innen überwälzt oder nicht. Da Mietverhältnisse in Mehrfamilienhäusern in der Regel zu unterschiedlichen Zeitpunkten eingegangen werden, basiert die Berechnung des jeweiligen Mietzinses auf unterschiedlichen Grundlagen wie z. B. unterschiedlichen Referenzzinssätzen und Konsumentenpreisen (Teuerung).

Gaby Millasson, Mieterinnen- und Mieterverband Aargau

Wie finde ich heraus, welche Nebenkosten die Vermieterschaft abrechnen kann?

Prüfen Sie Ihren Mietvertrag, denn Nebenkosten sind nur dann geschuldet, wenn diese besonders vereinbart wurden. Was im Mietvertrag nicht ausdrücklich erwähnt wird, ist im Nettomietzins inbegriffen. Der Mietvertrag muss zudem die zu Ihren Lasten gehenden Nebenkostenpositionen genau umschreiben, damit beim Vertragsabschluss klar verständlich ist, welche Kosten zusätzlich zu übernehmen sind. Generelle Formulierungen wie «sämtliche Nebenkosten zulasten der Mieterschaft» oder ein reiner Verweis auf allgemeine Vertragsbestimmungen reichen nicht aus. Auch Sammelbegriffe, wie z. B. «Service-Abo», die nicht nachvollziehen lassen, für welche konkreten Leistungen Zusatzkosten entstehen, genügen den Voraussetzungen der Klarheit und Eindeutigkeit nicht. Diese Kosten dürfen Ihnen nicht in Rechnung gestellt werden.

Stefanie Zillig, Mieterinnen- und Mieterverband Bern

Wie kann ich mich gegen eine ungerechtfertigte Mietzinserhöhung wehren?

Wenn Sie mit einer Erhöhung nicht einverstanden sind, müssen Sie diese innert 30 Tagen ab Erhalt bei der Schlichtungsbehörde Ihres Wohnbezirks anfechten. Den Brief müssen alle Personen unterzeichnen, die im Mietvertrag aufgeführt sind. Bei Familienwohnungen müssen beide Ehepartner*innen unterschreiben. Legen Sie dem Brief Kopien des ursprünglichen Mietvertrages und der vergangenen Mietzinsänderungen inkl. der letzten Erhöhung bei. Senden Sie den Brief unbedingt per Einschreiben ab.

Nicole Schweizer, Mieterinnen- und Mieterverband Zürich

Meine Vermieterin hat mich auf dem Kieker, weil ich Einsicht in die Belege für die Nebenkosten verlangt habe. Neulich im Treppenhaus schreit sie: «Pack deine sieben Sachen und verschwinde!». Gilt das als Kündigung?

Eine mündliche Kündigung ist unwirksam, also so, als hätte sie die Vermieterin gar nie ausgesprochen. Die Vermieterin hätte schriftlich und mit einem vom Kanton genehmigten Formular kündigen müssen. Gegen eine mündliche Kündigung müssen Sie nichts unternehmen.

Fabian Gloor, Hotline für Mietrecht

Mein Vermieter hat mir gekündigt, eingeschrieben und unter Verwendung des amtlichen Formulars. Allerdings enthält die Kündigung keine Begründung.

Eine Kündigung ist auch ohne Begründung gültig. Denn laut Gesetz muss der Vermieter die Kündigung nur begründen, wenn Sie dies verlangen. Sie müssen diese Kündigung, wenn Sie nicht damit einverstanden sind, deshalb auch anfechten, wenn sie nicht begründet ist oder wenn der Vermieter eine Begründung verweigert. Liefert der Vermieter keine Begründung, kann das Ihre Erfolgsaussichten bei der Anfechtung der Kündigung erhöhen. Das Gleiche gilt, wenn sich die angegebene Begründung als falsch oder vorgeschoben erweist. Dann ist die Kündigung nämlich missbräuchlich.

Domenica Imperiali, Mieterinnen- und Mieterverband Solothurn

Mein Vermieter hat mir mit einer dreimonatigen Frist auf den 30. September gekündigt. Im Mietvertrag sind nur der 31. März und der 30. November als Kündigungstermine vermerkt.

Ihr Mietvertrag sieht nur zwei Kündigungstermine im Jahr vor. Diese gelten nicht nur für Sie, sondern sind auch für Ihren Vermieter verbindlich. Er kann Ihnen deshalb nicht auf den 30. September kündigen. Eine verfrühte Kündigung ist aber nicht nichtig, sondern wird einfach auf den nächstmöglichen Kündigungstermin wirksam – in Ihrem Fall automatisch auf den 30. November. Dies allerdings nur, wenn Sie die Kündigung nicht anfechten und keine Erstreckung verlangen. Das müssten Sie innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt der Kündigung tun.

Rahel Gsponer, Mieterinnen- und Mieterverband Ostschweiz

Antworten auf noch viel mehr Fragen aus dem Mietrecht, Fallbeispiele aus der Praxis und Dokumente zum Herunterladen finden Sie auf mieterverband.ch/mietrecht

Das Parlament besteht aus Volksvertreter*innen. Doch die meisten sind es nicht.

Ueli Schmezer ist Journalist, Jurist, Musiker, Dozent und Auftrittscoach. Und erster Ersatzmann der SP-Männer in Bern für den Nationalrat. Unter anderem war er 25 Jahre beim Kassensturz. Foto: Goran Basic

Vom Volk gewählt, das schon – und das betonen die Gewählten auch gerne. Aber wenn’s um das Betätigen des Ja- oder Nein-Knopfes im Ratssaal geht, sind sie plötzlich sehr weit weg vom Alltag dieses Volkes.

Dass echte Volksvertreter*innen so dünn gesät sind, ist eine eklatante Schwäche unseres Parlaments und letztlich undemokratisch. Die Angriffe auf das Mietrecht zeigen das exemplarisch: 60 Prozent der Menschen im Lande sind Mietende, also müsste sich das Parlament, wäre es tatsächlich eine repräsentative Vertretung der Bevölkerung, zu 60% pro Mietende ausdrücken. Das tut es aber nicht. Mieterfreundlich stimmen lediglich rund 30 Prozent.

Warum wählen die Leute Menschen und Parteien, die sich nicht für sie einsetzen? Eine Frage, die weh tut. Zwei Erklärungsversuche:

Die Leute nehmen Wahlen nicht ernst. Dieser Haltung bin ich im Wahlkampf einige Male begegnet. Wahlen seien nicht wichtig, in der Schweiz könnten wir Fehlentscheide des Parlaments per Abstimmung korrigieren. Ich halte diese Einstellung für fahrlässig. Ja, wir können per Referendum korrigierend eingreifen. Doch das Parlament trifft laufend Entscheide, die unser Leben beeinträchtigen können – jedes Mal das Referendum zu ergreifen, ist nicht möglich, denn Referenden sind aufwändig. Referendumskampf bedeutet, dass wir Lebenszeit aufwenden müssen, um das Schlimmste abzuwenden, das uns Parlamentarier*innen eingebrockt haben, die wir besser nicht gewählt hätten.

Wissen Wählende von Mitte, FDP und SVP, dass diese Parteien fast nie für die Mieter*innen stimmen?

Erklärungsversuch zwei: Es ist den Leuten nicht bewusst, wie die von ihnen Gewählten im Parlament konkret handeln. Weil sie nicht hinschauen und überprüfen, wie sich «ihre» Parlamentarier*innen in Einzelfragen verhalten. Wissen Wählende von Mitte, FDP und SVP, dass diese Parteien fast nie für die Mieter*innen stimmen? Die Leute könnten sich ein böses Erwachen nach den Wahlen ersparen, wenn sie die Kandidierenden genauer betrachten würden, bevor sie ihnen ihre Stimme geben. Beispiel bevorstehende Gemeinderatswahl in Bern: Der grösste Geldgeber der bürgerlichen Liste ist der Hauseigentümerverband. Werden sich die dort Kandidierenden jemals für Mietende einsetzen?

Liebe Mieter*innen, dass wir Ende November einen Angriff auf den Mieterschutz per Abstimmung abwehren müssen, ist die Folge davon, dass die Falschen im Parlament sitzen. Nur deshalb müssen wir heute viel Aufwand für null Fortschritt betreiben.

Mieterfreundliche Menschen ins Parlament zu wählen, ist der effizientere Weg. Denken Sie bei den nächsten Wahlen bitte daran.

Editorial

Jacqueline Badran, Nationalrätin, Vorstand Mieterinnenund
Mieterverband Schweiz

Wenn ich unterwegs bin und an Veranstaltungen, im Zug oder auf der Strasse angesprochen werde, sind steigende Mieten fast immer ein Thema. Logisch, denn die Mietzinsspirale dreht sich seit Jahrzehnten unaufhaltsam nach oben – und macht den Menschen Angst! Wieso passiert das, obwohl die Zinsen in dieser Zeitspanne massiv gesunken sind und weit über den Bedarf durch die Zuwanderung hinaus gebaut wurde? Besonders bei Wechseln der Mietpartei sind Sprünge von ein paar hundert Franken keine Seltenheit. Und das oft, ohne dass die Vermieter das rechtlich überhaupt dürften. So kommt es, dass die Mieter*innen Jahr für Jahr viel zu viel für ihre Miete bezahlen. Allein im letzten Jahr waren es über 10 Milliarden zu viel, die aus den Taschen der Mieter*innen zu den Vermietenden geflossen sind.

Bei Mieter*innen, die schon in einer Wohnung sind, ist es nicht so einfach die Miete zu erhöhen. Umso mehr versuchen Vermietende, bei Mieter*innen-Wechseln oder Neuvermietungen gehörig aufzuschlagen, ohne dass sie das gesetzlich dürften. Um dies zu vermeiden, müssten die Mietenden den Mietzins anfechten. Wer macht das schon? Kein Wunder, wollen die Immobilienfirmen die Mieter*innen einfacher rauswerfen können, um danach die Mieten zu erhöhen und noch mehr zu verdienen. Die Immo-Lobby ist eine der mächtigsten, die ich im Parlament je erlebt habe. Obwohl die Mehrheit der Menschen in der Schweiz Mieter*innen sind, hat sie gegen deren Interessen durchgesetzt, dass künftig die bewährte Untermiete massiv erschwert und ein Rauswurf bei Eigenbedarf vereinfacht wird. Doch damit noch nicht genug. Denn diese beiden Vorlagen sind Teil eines konzertierten Vorgehens. Im Parlament sind schon die nächsten Angriffe auf die Mieter*innen unterwegs. Es wurden immer neue Gesetzesänderungen beschlossen, um die Renditen noch höher zu machen. Das dürfen wir nicht zulassen! Wohnungen und Mieten sind nicht einfach ein Ort, an dem Profite gemacht werden dürfen. Schliesslich geht es hier um das Zuhause von zig Millionen Menschen und nicht um irgendeine Ware. Deshalb hat der Mieterinnen- und Mieterverband das Referendum ergriffen. Es ist zentral, dass wir am 24. November klar und deutlich 2x Nein sagen! Um die beiden Rauswurfvorlagen vom Tisch zu haben und um ein lautes Zeichen in Richtung Immo-Lobby zu schicken, dass wir es nicht mehr akzeptieren, dass Mietende als Milchkühe der Immobilieneigentümer missbraucht werden!

Jacqueline Badran

Wohnen: Mehr als nur vier Wände

Wohnen ist weit mehr als einfach vier Wände und ein Dach über dem Kopf, das vor Regen und Kälte schützt. Wo und wie wir wohnen, hat Einfluss auf nahezu alle Aspekte in unserem Alltag und unserem Leben. Wo wir wohnen, prägt, was wir unter Heimat verstehen und wo wir uns wohlfühlen. Die Wohnung zu verlieren oder wechseln zu müssen, ist deshalb oft eine Entwurzelung. Wir haben verschiedene Persönlichkeiten gefragt, was ihnen Wohnen bedeutet.

«Wohnen heisst für mich Heimat haben, zu Hause sein. Zu Hause sein bedeutet den Freiraum haben, einfach zu sein – sei es mit meinen Nächsten oder nur für mich allein. Das Recht auf Wohnen ist nicht ohne Grund ein Menschenrecht.»

Corine Mauch, Stadtpräsidentin Zürich
Foto: Dominique Meienberg
Foto: zVg

«Wohnen heisst für mich, meine innere Marie Kondo mit meiner Sammelleidenschaft für schöne Dinge auf einen Nenner zu bringen. Darum plädiere ich für Wohnungen, die mit dem Alter ihrer Bewohner mitwachsen.»

Peter Schneider, Psychoanalytiker, Autor, Kolumnist

«Wohnen ist Sein. Schutz. Inspiration. Erinnerung und Gegenwart zugleich. Rampe für den Lebensflug. Erholung. Identität. Wohnen ist Existenz. Grundbedürfnis. Kein Privileg.»

Delia Mayer, Schauspielerin und Sängerin
Foto: Tina Herzl
Foto: Keystone/Michael Buholzer

«Wohnen heisst für mich, meinen eigenen Rückzugsort zu haben. Ein Ort, an dem ich zur Ruhe kommen kann, der sich vertraut anfühlt und Sicherheit symbolisiert. Für mich ist das Zuhause auch ein Ort von Erinnerungen. Und von Zugehörigkeit. Ich richte mir mein Zuhause so ein, wie es mir gefällt. Da kann ich abschalten von dem, was ich tagtäglich mache. Und gleichzeitig kann ich beim Wohnen – mit Familie oder Freund*innen – auch Beziehungen pflegen und Gemeinschaft erleben.»

Lia Wälti, Fussballspielerin

«Wohnen bedeutet für mich, einen Raum zu haben, der nicht nur Schutz bietet, sondern auch Geborgenheit und Inspiration. Es ist der Ort, an dem Erinnerungen entstehen, Beziehungen wachsen und Träume verwirklicht werden. Ein Zuhause ist mehr als nur ein Dach über dem Kopf, es ist der Rückzugsort, der uns mit der Welt verbindet.»

Noah Bachofen, Koch, Food-Influencer
Foto: zVg
Foto: Tom Huber

«Wohnen heisst für mich, immer wieder zurückkehren zu können an den gewohnten Ort. Ein Ort, der Schutz bietet vor den Stürmen der Welt. Wohnen heisst, sich einen sicheren Hafen leisten zu können, auch dann, wenn man keinen echten Anker im Keller hat.»

Patti Basler, Autorin, Kabarettistin und schnellste
Instant-Protokollantin der Schweiz

«Wohnen heisst für mich ein Stück persönliche Heimat in meiner eigenen, erschwinglichen Lebenswelt. Ich muss mich zu Hause fühlen können. Zur Wohnqualität gehört, dass zumindest auf einer Gebäudeseite kein störender Dauerlärm stattfindet. Und dass ich in der Nähe eine Grünfläche und einen Kinderspielplatz vorfinde.»

Rudolf Strahm, ehemaliger Preisüberwacher und ehemaliger Präsident
des Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverbands 1991–2004
Foto: Annette Boutellier
Foto: Philippe Hubler

«Wohnen heisst für mich, mir meine eigene Welt zu zimmern. Ich kann mir auf ein paar Quadratmetern einen Ort der Geborgenheit schaffen. Meine Wohnung ist ein Kraftort, wo ich gerne bin, auch wenn es mir mal mies geht. Mit meiner Nachbarschaft habe ich inspirierende Gespräche im Treppenhaus. Ich darf anfragen, wenn ich zu wenig Kuchenformen habe, und wir reden darüber, wann wir das nächste gemeinsame Gartenfest veranstalten.»

Michael Elsener, Satiriker

Wir bezahlen jährlich 10 Milliarden zu viel Miete

Umverteilung von Mieter*innen zu Vermieter*innen in Millionen Franken.

Im Jahr 2023 bezahlte jede*r Mieter*in durchschnittlich 340 Franken pro Monat zu viel Miete. Für alle Mieter*innen zusammen sind das über 10 Milliarden Franken, die in den Portemonnaies fehlen. Das Schweizer Mietrecht wie auch die Rechtsprechung des Bundesgerichts würden dies eigentlich verbieten. Mieter*innen können sich heute aber praktisch nicht wehren. Mit ständig steigenden Krankenkassenprämien, steigenden Energiekosten und der allgemeinen Teuerung sind die Mieten für viele kaum mehr zu stemmen.

Die Schweiz ist ein Land von Mieter*innen. Das hat Folgen. Der Mietwohnungsmarkt wird gerne als der grösste Markt der Schweiz bezeichnet. Rund 2,4 Millionen Wohnungen werden vermietet und jährlich fliessen 42 Milliarden Franken von den Mieter*innen zu den Vermieter*innen. Die Mietpreise sind in den letzten 20 Jahren regelrecht explodiert und ein Ende ist nicht abzusehen. Im Quartalsbericht der Raiffeisenbank heisst es dazu lapidar: «Die Mietpreisdynamik beschleunigt sich weiter.» Auf der Suche nach Ursachen und Treibern wird schnell klar: In laufenden Mietverhältnissen gibt es einen Schutz vor willkürlich steigenden Mieten. Die grossen Sprünge gibt es bei Wechseln der Mieterschaft. Schnell steigen die Mieten um mehrere Hundert Franken. Oft auch illegal − denn es gibt weder eine Überprüfung der Mietzinse noch ein griffiges Instrument für Mieter*innen, um sich zur Wehr zu setzen.

Unerlaubte Renditen – viel zu hohe Mieten

Eigentlich schreibt das Mietrecht die Kostenmiete vor. Das bedeutet, dass die Vermieter*innen mit den Einnahmen aus der Vermietung ihre Kosten decken und eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals erzielen dürfen. Was angemessen ist, hat das Bundesgericht festgelegt. Grob gesagt darf die Rendite heute den Referenzzinssatz um 2 % übersteigen. Damit wäre aktuell eine Rendite von 3,75 % auf dem investierten Kapital legal. Das Problem ist, dass diese Regeln in der Praxis schlicht ignoriert werden. Dies vor allem deshalb, weil es keinen Mechanismus gibt, die Mietzinse systematisch zu überprüfen und wenn nötig zu senken.

360 Franken im Monat oder 4350 Franken im Jahr zu viel

Das Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS) hat in einer Studie die Mietzinsentwicklung der letzten knapp 20 Jahre genau untersucht. Mit Ausnahme der letzten Jahre war diese Zeit geprägt von einer ausserordentlichen Tiefzinsphase mit stetig sinkenden Referenzzinssätzen. In der Theorie hätten die Mieten also ebenfalls sinken müssen. Tatsächlich sind sie aber um 25 Prozent gestiegen. Die sogenannten Nettorenditen auf Mietwohnungen lagen mit durchschnittlich 6,2 Prozent deutlich höher als zulässig. In Einzelfällen liegen die Renditen sogar im zweistelligen Bereich. Die Leidtragenden sind die Mieter*innen. Im Jahr 2023 zahlten sie durchschnittlich 360 Franken zu viel – jeden Monat. Pro Jahr sind das 4320 Franken. Für alle 2,4 Millionen vermieteten Wohnungen bezahlen wir 10 Milliarden Franken zu viel Miete pro Jahr. Seit 2005 sind so über 100 Milliarden Franken zu viel aus den Taschen der Mieter*innen zu den Vermieter*innen geflossen. Teuerung, steigende Energiekosten und Krankenkassenprämien haben das Leben ständig teurer gemacht. Die Mieter*innen hätten dieses Geld gut gebrauchen können.

Text: Lorenz Keller

Gekündigt wegen Eigenbedarf

Katrin T.’s Vormieter Martin H. wurde gekündigt – «Eigenbedarf» stand im amtlichen Formular.

Kein Wort fürchten Mieterinnen und Mieter so sehr wie «Eigenbedarf». Oft wird er als Grund für eine Kündigung angegeben – auch wenn es gar nicht stimmt. Trotzdem sollen Mietende künftig noch einfacher wegen (angeblichen) Eigenbedarfs rausgeschmissen werden können.

Seit Katrin T. ihr Zuhause verloren hat, ist ihr Leben nicht mehr dasselbe. Die Fahrlehrerin wohnte fast zehn Jahre in ihrem geliebten Knusperhäuschen in einem Ostschweizer Weiler. Mit dem Besitzer, der im Ausland lebt, war sie per du. Sie verstanden sich gut. Er wusste auch von ihrem kürzlichen Unfall und dass sie seither gesundheitlich angeschlagen ist. Die Kündigung wegen Eigenbedarfs traf an Katrin T.’s Geburtstag ein, im Juni dieses Jahres. Der Schock und die Erschütterung nahmen ihr viel Kraft – sie war nicht in der Lage, die Kündigung anzufechten oder wenigstens eine Fristerstreckung zu verlangen. Aber ihre Enttäuschung war bodenlos und schmerzvoll. Und es sollte alles noch schlimmer kommen.

Die ansonsten wehrhafte Mieterin brauchte ein neues Zuhause für sich und ihr Kind. Es musste eines sein, das in der Umgebung ist – denn das Kind ist noch in Ausbildung. Und ihr Geschäft ist lokal verankert. «Ich nahm die erstbeste Wohngelegenheit, die ich finden konnte», sagt sie. Katrin T. wusste bei der Vertragsunterzeichnung nicht, dass ihrem Vormieter Martin H. gekündigt worden war. Das Verhältnis zwischen ihm und dem Besitzer des Bauernhof-Stöcklis hatte sich zunehmend verschlechtert – das war einer der Kündigungsgründe gewesen. Ein anderer: ebenfalls «Eigenbedarf». Was seltsam ist, denn weder die Besitzer noch Verwandte zogen ein. Katrin T. fand das Stöckli, das auf den ersten Blick gut aussah, im Internet ausgeschrieben. Wenn sie gewusst hätte, was sie erwarten würde, hätte sie einen grossen Bogen darum herum gemacht, sagt die selbstbewusste Frau. Nicht nur sassen sie und ihr Kind kurz nach Einzug fröstelnd in unbeheizten Räumen, für die sie mehr als 2000 Franken im Monat bezahlt. Sie hatte in ihrer Not auch eingewilligt, erst frühestens in einem Jahr wieder auszuziehen – bis dann muss sie die Miete bezahlen. Katrin T. sagt: «Ich fühle mich an manchen Tagen, als würde gleich alles über mir zusammenbrechen.» Sie vermisst ihr vorheriges Zuhause, und ihre durch den Unfall ausgelösten körperlichen Schmerzen sind durch diese zusätzliche psychische Belastung stärker geworden. Sie zweifelt noch immer, dass der Kündigungsgrund Eigenbedarf bei ihrem geliebten Zuhause rechtens war. Denn es sehe nicht danach aus, als kehre das Besitzerpaar in die Schweiz zurück, und die erwachsenen Kinder kann sich Katrin T. nicht in dem abgelegenen Weiler fern jeden öffentlichen Verkehrs vorstellen. Das Häuschen wird derzeit renoviert. Für wen, fragt sie sich.

Die neuen Mieter im Haus zahlen 1000 Franken mehr im Monat

Absolut unglaubwürdig mutet der Eigenbedarf eines Vermieters im Zürcher Kreis 5 an. In einer der Wohnungen im Mehrfamilienhaus wohnt Sandro G. Obwohl der Vermieter erfuhr, dass der einstige Journalist chronisch krank ist und es mit seiner IV-Rente schwierig werden würde, in der Stadt eine andere Wohnung zu finden, drängte er beim langjährigen, verwurzelten Mieter auf eine rasche Kündigung – und auch bei einem weiteren. In dessen Wohnung wolle er selber einziehen, behauptete der Geschäftsmann, der mit seiner Frau in einem kürzlich sanierten Eigenheim ausserhalb der Stadt lebt. Die Wohnung, in der er angeblich künftig leben will, ist im Vergleich dazu winzig, und das Haus liegt an einer belebten, mitunter lärmigen Strasse. Trotzdem soll auch der Sohn in dieses Haus einziehen, konkret in Sandro G.’s Wohnung. Dringend, denn er beginne eine Ausbildung ganz in der Nähe. Seit der Kündigung vor zwei Jahren sind im Haus mehrere Wohnungen frei geworden. Weder der Vermieter noch sein Sohn zogen je ein. Sandro G. und der andere gekündigte Mieter sind mit Abstand am längsten im Haus, ihre Mietzinse entsprechend günstig. Von erst in den letzten Jahren eingezogenen Nach-barn weiss Sandro G., dass sie rund 1000 Franken mehr für die Miete einer gleich grossen Wohnung bezahlen. Ihm bleibt noch rund ein Jahr bis zu dem Tag, an dem er die Wohnung geräumt haben muss. Mit jedem Tag wird seine Angst grösser.

Sandro G. fürchtet sich davor, keine zahlbare Wohnung mehr zu finden.

Beispiele wie diese gibt es unzählige. Der Eigenbedarf ist das Killer-Kündigungs-Argument für Hausbesitzer*innen, die ihre Mieter*innen zwecks mehr Rendite auswechseln wollen. Macht ein Vermieter von ihm Gebrauch, muss er respektive sie oder jemand aus der näheren Verwandtschaft einziehen: Ehegattin, Partner, Kinder, Eltern, Grosskinder oder Geschwister und deren Ehegatten. Der Eigenbedarf muss ernsthaft, konkret und aktuell sein sowie auf erwiesenen Tatsachen beruhen. Ein künftiger oder hypothetischer Bedarf genügt nicht.

Seit der Kündigung vor zwei Jahren sind im Haus mehrere Wohnungen frei geworden. Weder der Vermieter noch sein Sohn zogen je ein.

Eigenbedarf wird als Grund vorgeschoben

Aber das Gesetz schützt die Mietenden nicht ausreichend: Immer wieder begegnen Anwält*innen, die Mieter*innen vertreten, Wohnungen wieder, die ihren Mandant*innen zuvor wegen Eigenbedarfs gekündigt worden waren. Eine der aufmerksamen Anwältinnen ist Sarah Brutschin. Sie hat schon viel gesehen. Trotzdem staunt sie immer wieder über das Vorgehen von Vermieter*innen: «In einem Fall traf es eine ältere Dame mit einer Hörbehinderung. Nachdem der Besitzer ihr gekündigt hatte, weil er die Wohnung nun selber brauche, entdeckte ich ihr langjähriges Zuhause auf einer Online-Plattform teurer ausgeschrieben wieder.» In einem anderen Fall musste ein Paar ausziehen, das gerade ein Kind erwartete. Auch da behauptete der Besitzer, er benötige die Wohnung für sich. Und auch diese Wohnung wurde an neue Mieter*innen vermietet. Brutschin sagt: «In solchen Fällen konfrontiere ich die Gegenanwälte manchmal damit. Sie finden meistens eine Erklärung, die es ihnen ermöglicht, die Neuvermietung zu begründen.» Zum Beispiel: Der Besitzer habe im Verlaufe des Kündigungsanfechtungsverfahrens das Interesse verloren. Bloss stelle sich in einem solchen Fall die Frage, weshalb der Vermieter an der Kündigung überhaupt noch festgehalten und auf einen Auszug der Mietenden bestanden hat.

Sollen Kündigungen in Zukunft noch einfacher sein?

Und jetzt sollen Hausbesitzende Mieter*innen noch einfacher kündigen können. Für noch mehr Profit mit den (neuen) Mieten. Haben sie inzwischen jedes Verantwortungsbewusstsein und jeden Sinn für eine funktionierende Gesellschaft verloren? Man denke an die Menschen, die im Abfallwesen, auf dem Bau, in der Bildung, auf den Feldern und in der Pflege in Alterszentren und Spitälern arbeiten: Die grosse Mehrheit wohnt zur Miete.

Sarah Brutschin erlebt immer wieder, dass schon das heutige Gesetz zu wenig Schutz bietet.

«Wenn die Politik anfängt, geltende grundlegende Rechte mit neuen Ausnahmen zu schwächen, müssen die Alarmglocken läuten.» – Sarah Brutschin

Trotzdem sollen ihr Schutz vor missbräuchlichen Kündigungen geschwächt und ihre Rechte weiter eingeschränkt werden. Das passiert im Fall des Eigenbedarfs über neue Ausnahmen. Besonders davon betroffen sind die Mieter*innen von Geschäftsräumen. Aber auch Wohnungsmietende kann es treffen; so verliert eine Mieterin, die sich erfolgreich gegen eine Mietzinserhöhung gewehrt hat, nach einer Handänderung beim neuen Hausbesitzer einen Teil des Kündigungsschutzes. Ohnehin sagt Rechtsanwältin Sarah Brutschin: «Wenn die Politik anfängt, geltende grundlegende Rechte mit neuen Ausnahmen zu schwächen, müssen die Alarmglocken läuten».

Fahrlehrerin Katrin T. wird ein wachsames Auge darauf halten, wer in ihr geliebtes Knusperhäuschen einziehen wird, und je nachdem doch noch kämpfen. Auch Martin H. überlegt sich, die Kündigung nachträglich anzufechten, weil die «Eigenbedarf»-Begründung offensichtlich missbräuchlich war. Sandro G. hatte bereits ein Verfahren – bei ihm würde es deshalb schwieriger, jetzt noch wegen Missbräuchlichkeit zu klagen. Und dann sind da noch seine Krankheiten. Er wartet jetzt ab und schaut, wer dieses Mal einzieht. Keine Zeit zu verlieren haben hingegen alle stimmberechtigten Mieter*innen. Ende November sind sie gefragt, um den aktuellen Rechtsverschlechterungen Einhalt zu gebieten. Und bald schon weiteren.

* Alle Namen der Mieter*innen sind geändert. Alle Mieter*innen und Vermieter sind der Redaktion bekannt.

Text: Esther Banz, Bilder: Reto Schlatter, Gaspard Weissheimer

Geplante Restriktionen bei der Untermiete treffen KMU und WGs hart

Studierende finden dank Untermiete unkompliziert bezahlbaren Raum zum Wohnen – und Physiotherapeutinnen, Buchhalter, Kreative, überhaupt KMU solchen zum Arbeiten. Doch diese bewährte Form ist jetzt gefährdet, wie das Beispiel einer Kinderspielgruppe zeigt.

Die Eltern einer Zürcher Vorortsgemeinde sind froh, gibt es die Spielgruppe «Lüchtchäferli»*. Es ist fast die einzige externe Kinderbetreuung in dieser Gegend, in der derzeit viel gebaut wird. Aber ihre Zukunft ist ungewiss. Denn die Vermieterin des Hauses will nicht akzeptieren, dass Mieterin Paula Limacher* die Räume untervermietet. Limacher betrieb bis zu den Sommerferien die Spielgruppe selber. Jetzt braucht sie eine Pause. Damit das dringend benötigte Betreuungsangebot in der Gemeinde dennoch bestehen bleibt, hat sie die von ihr liebevoll für Kleinkinder eingerichteten Räume einer anderen Kleinkindbetreuerin untervermietet. Bei ihr sind die Kleinsten sogar an fünf Tagen willkommen, weil der Bedarf in der Gemeinde so gross ist. Gälte das viel restriktivere Untermiet-Gesetz, das im November zur Abstimmung kommt, hätte die «Lüchtchäferli»-Spielgruppe wohl bereits aufgehört zu leuchten. Denn dann wäre es für die Vermieterin viel einfacher, nein zu sagen zur Untermiete.

Unnötige Gesetzesänderung mit schwerwiegenden Folgen

Zittern vor dem Angriff auf die bisher geltenden Rechte bei Untermiete müssen auch Physiotherapeutinnen, Ärzte, Buchhalter, Architektinnen, Designer und andere, die sich Praxis-, Büro- oder Atelierräume teilen. Und selbstverständlich wären auch Wohngemeinschaften jeder Art von den neuen Restriktionen betroffen. Denn künftig hiesse es nicht nur bei ganzen Wohnungen, die jemand untervermieten möchte, «Stopp!» oder sogar «Nein!», sondern auch bei einzelnen Zimmern beziehungsweise Räumen. Nehmen wir das Beispiel einer älteren Frau. Ihr Mann ist gestorben, sie lebt jetzt allein in der Wohnung, die viel zu gross ist für eine Person. Als der Enkel einer Bekannten von ihr in der Stadt das Studium aufnimmt, bietet sie ihm sinnvollerweise ein Zimmer an. In Zukunft würde dies je nach Vermieterschaft zum Spiessrutenlauf für die Seniorin. Denn vermietet sie das Zimmer dann, ohne vorgängig die Erlaubnis dafür eingeholt zu haben – aus Unkenntnis oder weil sie es nicht für nötig erachtet –, kann die Vermieterseite das als Kündigungsgrund nutzen. Der langjährigen Mieterin bliebe nach der Mahnung sogar nur ein Monat, um etwas Neues zu finden. Denn tatsächlich sieht das neue Gesetz vor, dass Vermietende die Wohnung nach Ablauf der dreissigtägigen Frist kündigen dürfen. Das heisst «ausserordentliche Kündigung», und eine solche gibt es sonst, wenn Mieter*innen die Mietzinszahlungen schuldig bleiben.

Eine Seniorin, die binnen weniger Wochen ihr Zuhause verliert, in dem sie ihre Kinder grossgezogen hat – weil sie dem Vermieter nicht meldete, dass ein Student ein Zimmer bewohnt? Könnte passieren. Auch dass eine Spielgruppe nach zwei Jahren nicht mehr weitermachen kann, weil die Untermiete neu zeitlich begrenzt wäre. Oder dass zwei Freundinnen die Schlichtungsbehörde bemühen müssen, weil sich der Vermieter dagegen sperrt, dass eine dritte Freundin in die WG einzieht.

Das bewährte Konzept der Untermiete ermöglicht heute viel. Das zu verändern hätte verheerende Folgen. Nicht nur für die Spielgruppe «Lüchtchäferli»*.

Text: Esther Banz

* Wir haben die Namen geändert. Mieterin und Vermieter sind der Redaktion bekannt.