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Hilfe für tiefe Einkommen

Carlo Sommaruga, Präsident MV Schweiz

Nachdem sich die Preise für Öl und Gas bereits im letzten Jahr verdoppelten, sind sie wegen des Ukraine-Kriegs in den letzten Wochen erneut stark gestiegen. Bleiben sie auf dem aktuellen Niveau, müssen wir bei der Nebenkostenabrechnung 2023 mit Nachforderungen von über tausend Franken rechnen. Das wird besonders für Haushalte mit tiefen Einkommen zum Problem. Bundesrat und Parlament müssen darum jetzt handeln.

Wir brauchen ab 2023 eine Energiezulage für Geringverdienende von jährlich 200 bis 400 Franken pro Person. Sie kann ganz einfach an das System der kantonalen Prämienverbilligung gekoppelt werden: Wer Prämienverbilligungen erhält, soll auch eine Energiezulage erhalten. Es darf keine Frage des Einkommens sein, ob man seine Wohnung heizen kann!

Aus einer längerfristigen Perspektive müssen die Mietenden aus der Abhängigkeit von schwankenden Gas- und Ölpreisen befreit werden. Und zwar indem Eigentümer*innen mit Fördergeldern dabei unterstützt werden, die Heizsysteme in ihren Liegenschaften auf erneuerbare Energieträger umzustellen. Dies allerdings nur unter der Bedingung, dass sie nach energetischen Sanierungen weder Kündigungen aussprechen noch die Mieten übermässig erhöhen.

Schliesslich müssen wir alle unser Verhalten überdenken. Haben Sie gewusst, dass man mit einer Temperaturreduktion von nur einem Grad den Energiebedarf um sechs Prozent senken kann? Wir fordern den Bund und die Kantone auf, die Öffentlichkeit mithilfe einer Kampagne dazu aufzurufen, Energie zu sparen. Und damit sich ein Effort für die einzelnen Mietenden auch tatsächlich lohnt, braucht es endlich individuelle Heizkostenabrechnungen.

Editorial

Andrea Bauer, Redaktorin

Liebe Leser*innen

Immer wieder berichten wir im M+W über Leerkündigungen, von denen oft auch ältere Menschen betroffen sind. Letzteres ist kein Zufall: Ältere Liegenschaften mit tiefen Mieten sind für profitorientierte Immobilienfirmen begehrte Sanierungs- respektive Abrissobjekte – und in solchen wohnen oft auch ältere Menschen, viele von ihnen seit Jahrzehnten.

Sind die Bewohner*innen erst einmal draussen und ist das Haus saniert oder ersetzt, lassen sich die Mieten und damit die Rendite massiv erhöhen. Was aber geschieht mit den alten Menschen, wenn sie ihre Wohnung verlieren? Wenn sie viel Glück haben, finden sie einen bezahlbaren Ersatz im Quartier. Wenn nicht, bleibt häufig nur noch der frühzeitige Umzug ins Altersheim. Einen Grossteil der deutlich höheren Kosten, die dort anfallen, trägt die Allgemeinheit über die Ergänzungsleistungen, die viele Bewohner*innen in Heimen beziehen. Wie hoch die Kosten dieser Entwicklung tatsächlich sind, weiss man allerdings nicht, denn es gibt (noch) keine Zahlen dazu, wie unsere Autorin Esther Banz feststellen musste.

Das oben Beschriebene geschieht zurzeit sehr ausgeprägt in Witikon, wo auf einen Schlag mehrere Siedlungen aus den 50er-Jahren sanierungsbedürftig geworden sind. Statt die Liegenschaften zu sanieren und aufzustocken oder zu erweitern, werden sie abgerissen und durch teure Neubauten ersetzt. Das ist nicht nur ökologisch unsinnig, sondern es entwurzelt auch die Menschen im Quartier – darunter auch hier viele ältere –, die sich die neuen Wohnungen nicht mehr leisten können und gehen müssen. Isabel Plana hat mit einer Bewohnerin, einem Architekten und dem Präsidenten des Quartiervereins gesprochen.

Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre!

Waschen Sie kalt

Spart Energie: Die Wäsche kalt waschen und an der Sonne trocknen. Foto: Dreamstime

Es ist ein alter Zopf, dass Wäsche nur mit dem 60-Grad-Programm richtig sauber wird. Oft reichen schon 20 Grad. Damit spart man viel Energie.

Kalt waschen schont Gewebe und Textilien. Und es spart massiv Strom, nämlich bis zu 70 Prozent. Das ist gerade jetzt, wo die Strompreise steigen sollen, nicht zu unterschätzen. Obwohl das Wasser beim kalt Waschen nur 20 Grad warm ist, braucht es deswegen nicht mehr Waschmittel als bei einer herkömmlichen 60-Grad-Wäsche. Heutige Waschmittel reinigen bereits in kleinen Mengen sehr effizient. Die Waschwirkung sowohl bei der Fleckenentfernung als auch bei der Hygiene erfolgt nämlich über die Inhaltsstoffe und nicht über die Temperatur.

20 Grad bei normaler Schmutzwäsche

Beim kalt Waschen in der Waschmaschine gilt es ein paar Regeln zu beachten, die zu einem guten Waschergebnis beitragen:

• Für den Waschgang mit 20 Grad eignet sich leicht oder normal verschmutzte Wäsche wie: T-Shirts, Hemden oder Blusen, aber auch Unterwäsche, Küchenwäsche, Handtücher oder Bettwäsche.

• Die Wäschestücke sollten nach Farben, Textilarten und Verschmutzungsgrad vorsortiert werden. Flecken auf den Kleidungsstücken – vom Ei über Fettspritzer bis zu Beeren – sollte man nicht eintrocknen lassen, sondern jeweils sogleich mit einem Mittel vorbehandeln und bald waschen.

• Die Trommel der Waschmaschine sollte immer gut gefüllt, aber nicht vollgestopft sein, denn das reduziert die Waschwirkung; Fein- und Wollwäsche haben es gern etwas lockerer. Unterfüllung dagegen beansprucht das Gewebe stark und ist ineffizient. Daher vermeiden, die Maschine nur halb voll laufen zu lassen.

• Stark verschmutzte Berufskleidung, Kinder- und Sportbekleidung (Gras- und Erdflecken) oder Babywäsche sollte bei 40 oder 60 Grad gewaschen werden. Nutzen Sie dabei das Öko-Waschprogramm. Dieses dauert zwar oft länger, schneidet aber wegen des tiefen Wasser- und Stromverbrauchs besser ab.

Die Sonne trocknet am besten

Tumbler (und Raumlufttrockner) sind wahre Energiefresser: Für das maschinelle Wäschetrocknen verbrauchen Schweizer Haushalte jedes Jahr rund 800 Millionen Kilowattstunden Strom. Dafür bezahlen sie insgesamt 160 Millionen Franken. Wenn überhaupt, sollten Geräte der Energieeffizienzklasse A++ gekauft werden. Eine Liste findet sich unter www.topten.ch/tumbler. Kund*innen des ewz (Stadt Zürich) erhalten einen Förderbeitrag von 100 Franken auf Topten-Wäschetrockner. Alle Informationen dazu unter www.topten.ch/ewz.

Stromsparen beim Wäschetrocknen ist überraschend einfach. Am günstigsten ist es, die Wäsche an der Sonne trocknen zu lassen. Etwa auf dem Balkon; die Restfeuchte erledigt eine warme Stube im Nu. Gerade im Winter, wenn die Luft meist sowieso zu trocken ist, kann man sich so den Luftbefeuchter sparen. Wird es einmal doch zu feucht in der Wohnung, empfiehlt sich kurzes Stosslüften, und das Problem ist gelöst. Ist es nicht möglich, die Wäsche draussen zu trocknen, sollte man einige Punkte beachten: Gut schleudern ist die halbe Miete, die Wäschestücke sind danach viel schneller trocken. Damit auch beim Schleudern weniger Energie verbraucht wird und die Wäsche mit weniger Restfeuchte
in den Tumbler geht, sollte man beim Kauf der Maschine auf die Schleudereffizienz Klasse A achten.

Text: Stefan Hartmann, Topten

Hotline

Fabian Gloor beantwortet Ihre Fragen

Meine Vermieterin hat meiner Freundin Hausverbot erteilt. Dies hat sie ihr mit einem eingeschriebenen Brief mitgeteilt. Ist so ein Hausverbot zulässig? 

Nein. Wenn Sie eine Wohnung mieten, sind Sie Inhaberin des Hausrechts. Sie entscheiden, wer Ihre Wohnung betreten darf und wer nicht. Wenn jemand gegen Ihren Willen in Ihre Wohnung kommt, können Sie die Person sogar wegen Hausfriedensbruchs anzeigen. Die allgemeinen Räumlichkeiten wie das Treppenhaus und der Eingangsbereich müssen als Durchgang allen Personen zur Verfügung stehen, die mit Ihrem Einverständnis Ihre Wohnung betreten. Allerdings ist es so, dass Sie gegenüber Ihrer Vermieterin und der Nachbarschaft für Ihre Besucher*innen verantwortlich sind. Gibt einer Ihrer Gäste zu Klagen Anlass, indem er beispielsweise im Treppenhaus gegenüber Ihrer Vermieterin oder gegenüber anderen Mieter*innen ausfällig wird oder diese sogar anpöbelt, kann dies für Sie Konsequenzen haben. In einem solchen Fall kann Ihre Vermieterin Sie verwarnen und Ihnen kündigen, sollte es zu weiteren derartigen Vorfällen kommen. Es ist sogar eine kurzfristige Kündigung möglich. Kommt eine Person hingegen ohne Ihre Erlaubnis ins Haus, sind Sie grundsätzlich nicht für deren Verhalten verantwortlich.

Das Treppenhaus und der Eingangsbereich müssen als Durchgang allen Personen zur Verfügung stehen, die mit Ihrem Einverständnis Ihre Wohnung betreten. Foto: Dreamstime

Mein Vermieter hat mir telefonisch mitgeteilt, dass er infolge der wegen des Ukraine-Kriegs gestiegenen Energiepreise die monatliche Pauschale meiner Nebenkosten erhöhen wird. Darf er das? 

Grundsätzlich darf der Vermieter die monatliche Pauschale erhöhen. Es handelt sich dabei allerdings um eine einseitige Vertragsänderung, die nur unter Einhaltung der gesetzlichen Formalitäten erlaubt ist. Die Änderung muss unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist auf einen im Mietvertrag vorgesehenen Kündigungstermin hin erfolgen und auf einem amtlichen Formular angekündigt werden, das mindestens zehn Tage vor Beginn der Kündigungsfrist bei Ihnen eintrifft. Der Anruf Ihres Vermieters hat deshalb rechtlich keinerlei Wirkung. Zudem muss der Vermieter die Erhöhung der Nebenkostenpauschale – wie bei einer Mietzinserhöhung – präzise und klar begründen. Fehlt die Begründung oder ist sie ungenügend, so ist die Vertragsänderung nichtig. Zudem ist eine Erhöhung der Pauschale gemäss Artikel 4 Absatz 2 der VMWG (Verordnung über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen) nur zulässig, wenn der Vermieter nachweisen kann, dass die durchschnittlichen Kosten der letzten Jahre gestiegen sind. Sollte Ihnen der Vermieter die Erhöhung der Nebenkostenpauschale doch noch formell korrekt mitteilen, dann haben Sie als Mieterin das Recht, diese Vertragsänderung innert 30 Tagen bei der Schlichtungsbehörde anzufechten. 

Ein Recht für alle

Das Parlament diskutiert aktuell die Revision der Zivilprozessordnung: Zehn Jahre nach ihrer Einführung fällt deren Bilanz schlecht aus. Foto: Parlamentsdienste, 3003 Bern

Das eidgenössische Parlament diskutiert aktuell die Revision der Zivilprozessordnung. Für die Mietenden steht einiges auf dem Spiel.

Unser Mietrecht hat eine grosse Schwäche: Die Mietenden sind selber dafür verantwortlich, ihre Rechte einzufordern. Es liegt an ihnen, vor Gericht zu gehen und eine Kündigung oder eine missbräuchliche Miete anzufechten oder eine Entschädigung für Mängel in der Wohnung zu fordern. Eine kleine Ausnahme bilden mancherorts Mieterhöhungen nach Renovierungsarbeiten oder energetischen Sanierungen: In den Kantonen Genf, Waadt, Neuenburg und seit kurzem auch Basel-Stadt werden die Mieten nach Sanierungen automatisch kontrolliert, und in manchen Fällen wird eine Obergrenze festgelegt.

Entscheiden sich die Mietenden, vor Gericht zu gehen, müssen sie bestimmte Verfahrensregeln einhalten. Lange waren diese Regeln kantonal unterschiedlich, bis sie 2011 schweizweit vereinheitlicht und in der Zivilprozessordnung des Bundes (ZPO) festgehalten wurden. Bereits bei der Einführung der ZPO wehte den Mietenden ein rauer Wind entgegen, die Immobilienkreise versuchten aktiv, im Parlament Einfluss zu nehmen. Sie wollten etwa den Mietenden das Recht absprechen, sich mithilfe des Mieterinnen- und Mieterverbands vor Gericht zu verteidigen, den Kantonen wollten sie verbieten, kostenlose Verfahren einzuführen respektive diese beizubehalten.

Aktuelle Revision

Zehn Jahre nach Einführung der ZPO fällt die Bilanz schlecht aus – nicht nur aus Sicht der Mieter*innen: Der Zugang zum Recht ist schwierig und kostspielig. Diese Feststellung teilt auch der Bundesrat. Im Februar 2020 veröffentlichte er deshalb einen Revisionsentwurf für die Zivilprozessordnung, zurzeit diskutiert das Parlament diesen. Gegenüber dem Vorprojekt des Bundesrats ist dieser allerdings um einiges abgeschwächt. Ganz offensichtlich hat die Regierung dem Druck der Wirtschaftslobby nachgegeben. Der Mieterinnen- und Mieterverband ist in der parlamentarischen Debatte wie bereits in den zuständigen Kommissionen durch die ihm nahestehenden Parlamentsmitglieder präsent. Sie schlagen mehrere Änderungen vor, die den Mietenden die Wahrnehmung ihrer Rechte erleichtern sollen.

Einfachere und menschlichere Verfahren

Zunächst einmal soll die Regel abgeschafft werden, wonach Mietende, die eine Mieterhöhung oder eine Kündigung anfechten, hart bestraft werden, wenn sie weder zur ersten Schlichtungsverhandlung erscheinen noch sich vertreten lassen. Das geltende Recht sieht vor, dass das Gericht in einem solchen Fall das Verfahren einstellt. Die Mietenden verlieren dadurch ihre Rechte und schlimmstenfalls ihre Wohnung oder müssen die Mietzinserhöhung tragen, die sie eigentlich anfechten wollten. Weiter geht es darum, alle mietrechtlichen Streitigkeiten einem einfachen Verfahren zu unterwerfen. Ziel dieser Forderung ist es, die Kosten für die Mietenden möglichst tief zu halten. Gewöhnlich gilt: Je komplexer die Vorschriften sind, desto grösser ist der Aufwand und desto teurer wird es für die Mietenden. Sie können sich nicht selber verteidigen, sondern müssen eine juristische Fachperson beiziehen und diese auch entschädigen. Schliesslich ist das aktuell für Zwangsräumungen geltende Verfahren viel zu vermieter*innenfreundlich. Es ermöglicht, in einer einzigen Anhörung und ohne obligatorische Schlichtung einen Entscheid über das Schicksal der Wohnung zu fällen. In Verbindung mit dem fehlenden Schutz für Mietende bei Zahlungsausfällen ermöglicht dieses System der Vermieterschaft, eine Wohnung innerhalb weniger Wochen räumen zu lassen, selbst wenn die Mietenden keine alternative Unterkunft haben. Von diesem unmenschlichen System sind heute nicht wenige Mietende bedroht.

Auseinandersetzungen programmiert

Auch in dieser erneuten parlamentarischen Auseinandersetzung um die Zivilprozessordnung sehen wir uns mit den Vertretern der Immobilienbranche konfrontiert, die jeden Fortschritt zum Schutz der Mietenden abblocken. Ihre Präsenz ist massiv. Der «Mitte»-Fraktionschef Philippe Bregy (ehemals CVP) etwa sitzt im Vorstand des Hauseigentümerverbands (HEV), der Beinahe-FDP-Fraktionschef Olivier Feller ist Sekretär der «Fédération romande immobilière», um nur zwei Beispiele zu nennen.

Text: Christian Dandrès

News

Wohneigentum

In der Schweiz können sich nach eigenen Angaben vier Fünftel der Menschen, die sich Wohneigentum wünschen, solches nicht leisten. Grund dafür: zu hohe Preise und ein zu kleines Vermögen. Zu diesen Resultaten kommt eine Studie der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften. Nur für knapp einen Fünftel ist Wohneigentum in erster Linie eine Investition. Neun von zehn Befragten wünschen sich ein langfristiges Zuhause, Gestaltungsfreiheit und Unabhängigkeit von Vermieter*innen.

Vernehmlassung CO2-Gesetz

Anfang April ist die Frist für die Vernehmlassung zum neuen CO2- Gesetz abgelaufen. Der Mieterinnen- und Mieterverband (MV) fordert, dass bei einer Auszahlung von Fördergeldern keine Kündigungen ausgesprochen werden dürfen. Mietzinserhöhungen sollen zudem von amtlicher Seite kontrolliert werden. Weiter soll der Überwälzungssatz bei Sanierungen von aktuell 50 bis 70 % auf 30 bis 50 % gesenkt werden. Gemäss einer Studie der Hochschule Luzern entspricht dieser Wert dem effektiven wertvermehrenden Anteil. Der Bundesrat wird ausserdem aufgefordert, auf Sanierungen statt Abriss von Wohngebäuden zu setzen. Dies ist nicht nur für die Klimapolitik wichtig, es ermöglicht den Mieter*innen auch, in ihren Wohnungen zu bleiben.

Urteil Airbnb

Die Untervermietung seiner Wohnung über Airbnb kommt den Mieter einer Pariser 2-Zimmer-Wohnung teuer zu stehen. Zwischen 2016 und 2020 hatte der Mann die Wohnung für 178 Euro pro Tag untervermietet und insgesamt fast 200 000 Euro kassiert. Weil er die Klausel im Mietvertrag nicht beachtete, nach der eine Untervermietung der schriftlichen Zustimmung der Eigentümer bedarf, muss er das Geld gemäss Urteil des zuständigen Gerichts nun den Eigentümern überweisen. Dies berichtete die Zeitung «Le Figaro». Der Mieter und Airbnb verstiessen zudem gegen die französische Vorschrift für grössere Städte, nach der Mietwohnungen höchstens 120 Tage im Jahr touristisch untervermietet werden dürfen.

Höher als vom Gesetz erlaubt

Illustration: Patric Sandri

Mieter*innen zahlen Monat für Monat zu viel für ihre Wohnungen. Jetzt gibt es neue Zahlen dazu.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar von MV-Präsident Carlo Sommaruga

Wer in einer durchschnittlichen Mietwohnung lebt, hat letztes Jahr pro Monat fast 370 Franken zu viel Miete bezahlt. Auf das gesamte Jahr gerechnet sind das 4440 Franken. Auf alle Wohnungen hochgerechnet ergibt es insgesamt über 10 Milliarden Franken, die 2021 zu Unrecht von den Mieter*innen an die Vermieter*innen flossen. Diese Zahlen liefert eine aktuelle Studie, die das Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS) im Auftrag des Mieterinnen- und Mieterverbands erstellt hat. Untersucht wurde, um wie viel die Mieten zwischen 2006 und 2021 gemäss Mietrecht hätten ansteigen dürfen und wie stark die Aufschläge tatsächlich waren.

Dass die Mieten stärker angestiegen sind, als eigentlich zulässig wäre, vermag nicht mehr gross zu erstaunen. Gigantisch sind hingegen die konkreten Zahlen, welche die Studie liefert: In den letzten 16 Jahren haben sich die zu viel bezahlten Mieten auf 78 Milliarden Franken summiert. Und die Tendenz zeigt nach oben.

Entwicklung der jährlichen Umverteilung zwischen Mieter*innen und Vermieter*innen: Die Summe der zu viel bezahlten Mietzinse nimmt jedes Jahr zu, 2021 waren es schon über 10 Milliarden Franken. Quelle: Büro BASS

Die Gründe für den Anstieg

Dabei hätten die Mietzinsen während des untersuchten Zeitraums um gut 10 Prozent sinken müssen. Für den krassen Unterschied zwischen den eigentlich zulässigen und den tatsächlich bezahlten Mieten gibt es gemäss der BASS-Studie vor allem zwei Gründe:
Erstens werden Wechsel der Mieterschaft oft dafür genutzt, die Mieten zu erhöhen, und zwar selbst dann, wenn die Kosten gesunken sind. Zweitens wurden die fünf Senkungen des Referenzzinssatzes zwischen 2006 und 2021 nur in einem von sechs Mietverhältnissen von den Vermieter*innen in Form einer Mietzinssenkung an die Mieter*innen weitergegeben.

Die so ständig steigenden Mietzinse bescheren vielen Eigentümer*innen mittlerweile satte Renditen in der Höhe von 6 oder 7 Prozent, bei den grossen Immobiliengesellschaften erreichen die Renditen sogar den zweistelligen Bereich. Gemäss der BASS-Studie betrug die durchschnittliche Nettorendite im untersuchten Zeitraum 6,2 Prozent. Im Vergleich mit anderen Anlagen ist das sehr hoch – und höher, als das Gesetz es erlaubt.

Verstoss gegen Verfassung und Gesetz

Mit solchen Renditen werden seit Jahren sowohl unsere Verfassung als auch unser Mietrecht verletzt. Die Bundesverfassung besagt, Bund und Kantone müssten sich dafür einsetzen, «dass Wohnungssuchende für sich und ihre Familie eine angemessene Wohnung zu tragbaren Bedingungen finden können». Das Mietrecht konkretisiert diesen Grundsatz mit dem Prinzip der Kostenmiete plus: Vermieter*innen sollen mit den Mieteinnahmen ihre Kosten decken und eine beschränkte Rendite machen können. Die Mieter*innen sind durch die Beschränkung der Rendite vor zu hohen Mieten geschützt.

Das Bundesgericht, das im Streitfall die konkrete Höhe dieses Renditedeckels bestimmen muss, setzte die maximal zulässige Rendite lange Zeit bei 0,5 Prozentpunkten über dem gültigen Referenzzinssatz fest. 2020 erhöhte es sie in einem Leiturteil auf maximal 2 Prozentpunkte über dem Referenzzinssatz. Aktuell darf eine Rendite gemäss Gesetz also maximal 3,25 Prozent betragen.
Das bedeutet: Die oben erwähnte Durchschnittsrendite von 6,2 Prozent ist um fast 3 Prozentpunkte zu hoch. Viele Renditen sind demzufolge also gesetzeswidrig.

Warum wird das Gesetz nicht durchgesetzt?

Nun gibt es in der Schweiz leider kaum ein Gesetz, das so wenig durchgesetzt wird wie das Mietrecht in Bezug auf den Renditedeckel. Bis heute gibt es keinen Mechanismus, mit dem seine Einhaltung kontrolliert werden könnte. Vielmehr beruht das Mietrecht in seiner heutigen Ausgestaltung auf der Bekämpfung von Missbräuchen durch die Mieter*innen selber. Oder anders gesagt: Es liegt an den Einzelnen, ihre zu hohe Miete einzuklagen oder die Weitergabe der Referenzzinssenkungen einzufordern.

Nur tun sie dies sehr selten. Und zwar weil sie entweder gar nichts davon wissen (wer kennt schon das Mietrecht im Detail respektive die Praxis des Bundesgerichts?) oder Angst haben, die Wohnung zu verlieren, wenn sie sich mit der Vermieterschaft anlegen. Fechten die einzelnen Mietenden zu hohe Mieten aber nicht an, erhöht sich das generelle Mietzinsniveau mehr und mehr, wie es auch die vorliegenden Zahlen der BASS-Studie zeigen.

Die finanzielle Umverteilung von den Mieter*innen zu den Vermieter*innen wird so zunehmend grösser. Das ist natürlich einerseits für die Mietenden selber schlecht. Denn die Wohnkosten sind mit Abstand der grösste Ausgabeposten in den Schweizer Haushaltsbudgets, und die Ärmsten müssen mittlerweile mehr als 40 Prozent ihres Einkommens dafür ausgeben (siehe Interview). Daneben bleibt kaum mehr etwas zum Sparen übrig, etwa für die Altersvorsorge. Die Umverteilung ist aber auch aus volkswirtschaftlicher Sicht katastrophal. Denn wenn den Menschen immer mehr Geld im Portemonnaie fehlt, sinkt auch ihre Kaufkraft.

Eine Kontrolle muss her!

Die Mieten sind viel zu hoch und der Grundsatz im Mietrecht, wonach die einzelnen Mietenden selber gegen zu hohe Mieten vorgehen müssen, funktioniert ganz offensichtlich nicht. Wenn wir die gigantische Umverteilung stoppen wollen, müssen wir darum das Mietrecht anpassen. Denkbar sind einerseits eine Pflicht, wonach Mietzinsänderungen bei einem Wechsel der Mieterschaft begründet werden müssen, anderseits eine regelmässige Überprüfung der Mieten.

Letzteres fordert eine parlamentarische Initiative, die letztes Jahr von Carlo Sommaruga im Ständerat sowie von Jacqueline Badran im Nationalrat eingereicht wurde. Die beiden fordern eine periodische Revisionspflicht für Vermieter*innen mit mehreren Wohnungen. Ihre Renditen sollen regelmässig von einer unabhängigen Stelle überprüft werden. Dieses unbürokratische Konzept ist von der AHV sowie der Mehrwertsteuer her bereits bekannt und anerkannt. Die Verantwortung für die Umsetzung könnte dem Bundesamt für Wohnungswesen übertragen werden.

Mehr zur Studie erfahren Sie hier.

Text: Andrea Bauer

Stopp dem Raubzug!

Carlo Sommaruga, Präsident MV Schweiz

Es ist ein echter Skandal: Die gleichen Leute, die sich heftigst gegen finanzielle Massnahmen zugunsten der besonders von der Covid-Krise betroffenen Menschen wehrten, praktizieren seit Jahren einen permanenten, gigantischen Raubzug auf die Mieter*innen dieses Landes. Mehr als 78 Milliarden Franken flossen zwischen 2006 und 2021 zu Unrecht aus den Taschen der Mietenden in die Taschen der Vermieter*innen, weil diese sich weigerten, die gesetzlich vorgeschriebenen Mietzinssenkungen zu gewähren, und beim Abschluss neuer Mietverträge die Mieten missbräuchlich erhöhten.
Allein im Jahr 2021, während sich die Immo-Lobby im Parlament darauf versteifte, den Schutz der Mietenden weiter zu verringern, kassierte die Vermieterseite in diesem Land 10 Milliarden Franken zu viel.
Während bei den einkommensschwächsten Haushalten hierzulande bereits fast jeder zweite Franken des Einkommens in die Miete fliesst, lehnen Guy Parmelin, unser Minister für Wohnungswesen, die Mehrheit des Bundesrates und die Mehrheit von SVP, FDP und der «Mitte» jegliche gesetzliche Änderung ab, die diesem massiven unrechtmässigen Vermögenstransfer von den Mietenden zum Immobilienkapital ein Ende setzen oder ihn zumindest bremsen könnte. Es gäbe bereits heute einfache Mittel, um die Mieten zu kontrollieren. Zum Beispiel mittels der Buchprüfung bei Unternehmen, wie sie das Obligationenrecht vorsieht. Die Nicht-Einführung einer Kontrolle der Renditen und damit der Mieten ist darum umso mehr Ausdruck der sozialen Unverantwortlichkeit der Investoren und der bürgerlichen Mehrheit in unserem Land.

«Bei den Mieten ist die Ungleichheit gross»

Frauen sind viel häufiger als Männer von Altersarmut betroffen, weil sie sich mehr um die Hausarbeit, die Kinderbetreuung und die Betreuung von fragilen Angehörigen kümmern. Foto: Reto Schlatter

Die Wohnkosten sind der grösste fixe Budgetposten der meisten Menschen in der Schweiz. Wenn nach der Pensionierung das Einkommen sinkt, fällt er entsprechend mehr ins Gewicht. Aber nicht bei allen. Ein Gespräch mit Nora Meuli über Ungleichheit im Alter.

Frau Meuli, Sie haben sich mit der finanziellen Lage von älteren Menschen befasst: Stimmt das Bild von den «reichen Alten», das aktuell grad in der Rentenreform wieder bemüht wird?

Nora Meuli: Was stimmt an diesem Klischee, ist, dass Rentner*innen im Schnitt über viel mehr Vermögen verfügen als die Jungen. Der Grund dafür ist, dass Vermögen vor allem ab fünfzig aufgebaut und vor allem unter  älteren Menschen vererbt und verschenkt werden. Das heisst aber nicht, dass alle Rentner*innen reich sind. Reich sind nur die obersten 20 Prozent, ganz besonders das oberste 1 Prozent.

Dafür haben Rentner*innen im Schnitt weniger Einkommen als die Jüngeren.

Genau. Es besteht aber auch hier eine grosse Ungleichheit zwischen den oberen 20 Prozent und dem Rest. Erstere generieren sehr viel Einkommen aus ihrem Vermögen und arbeiten oft in sehr gut bezahlten Jobs über die Pensionierung hinaus weiter. Fast die Hälfte ihres Einkommens sind keine Renten.

Nora Meuli ist Ökonomin und Sozialwissenschaftlerin und forscht an der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW). Sie beschäftigt sich hauptsächlich mit gesellschaftspolitischen Fragen rund um das System der sozialen Sicherheit in der Schweiz. Sie ist Co-Autorin des Buches «Ungleichheit im Alter».

Nora Meuli, Carlo Knöpfel: Ungleichheit im Alter. Eine Analyse der finanziellen Spielräume älterer Menschen in der Schweiz. Seismo, 2021. 

Das Buch kann auch als PDF heruntergeladen werden.

Wie verändern sich die Ausgaben der Menschen mit der Pensionierung?

Die grossen Ausgabeposten verändern sich kaum. Miete und Krankenkassenprämien fallen aber deutlich mehr ins Gewicht: Wenn man plötzlich 40 Prozent weniger einnimmt, machen sie einen viel grösseren Teil des Budgets aus. Die Steuern sind zwar abhängig vom Einkommen, aber unter Umständen kann man im Alter auch weniger Abzüge machen. Als Rentnerin zahlt man deshalb relativ viel Steuern, dessen sind
sich viele nicht bewusst.

Apropos Miete: Stimmt es, dass vor allem Rentner*innen Wohneigentum besitzen und kaum Hypothekarzinsen zahlen?

Das ist so. Über 60 % der Rentner*innen besitzen Wohneigentum, gegenüber 27 % der 34- bis 45-Jährigen. Bei den aktuell tiefen Zinsen lebt man so entsprechend günstig. Aber auch bei den Mieten gilt: Die Ungleichheit ist gross. Die einen leben seit 30 Jahren in derselben Wohnung mit entsprechend tiefem Mietzins, die anderen müssen mit 70 eine neue Wohnung suchen und bezahlen dann entsprechend viel mehr.

Was bedeutet das konkret fürs Budget der älteren Menschen?

Die Wohnkosten sind der grösste fixe Budgetposten für die älteren Menschen. Die Belastung ist aber sehr unterschiedlich. Die ärmsten Mietenden müssen über 40 % des Einkommens für die Miete aufwenden, Ehepaare mit hohem Einkommen dagegen nur 10 %.

Das Bundesamt für Wohnungswesen sagt, die Ausgaben fürs Wohnen sollten maximal einen Viertel des Einkommens ausmachen. Bei vielen Rentner*innen liegen sie also weit darüber. Wo machen sie Abstriche?

Das wissen wir nicht. Wir wissen aber, dass 16 % der Bezugsberechtigten keine Ergänzungsleistungen (EL) beziehen und damit zum Beispiel auch keine Unterstützung für die Miete erhalten. Aber auch die EL decken nur das Existenzminimum. Wenn man mit noch weniger lebt, ist der finanzielle Spielraum sehr, sehr klein.

Unterschiedliche Belastung: Während die unterste Einkommensgruppe für Miete und Krankenkasse 60 Prozent des Einkommens ausgibt, sind es bei der obersten Gruppe gerade einmal 15 Prozent.

Den ärmsten 20 Prozent bleiben gemäss Ihren Berechnungen gerade noch 500 Franken pro Monat für Essen, Kleider oder Freizeit. Wie ist das überhaupt zu schaffen?

Als wir diese Zahlen erstmals berechnet hatten, konnten wir es selber kaum glauben. Dabei handelt es sich notabene noch um einen Durchschnitt, es gibt also Menschen, die mit noch weniger auskommen müssen.

Unser Steuersystem sollte ausgleichend wirken. Sie zeigen in Ihrer Studie aber, dass die Ungleichheit nach Abzug von Miete, Prämien und Steuern sogar noch grösser ist als vorher – warum ist das so?

Die umverteilende Wirkung von Miete und Krankenkassenprämien ist offensichtlich so gross, dass unser Steuersystem dies nicht mehr kompensieren kann.

Was können wir gegen die grosse Ungleichheit im Alter tun?

Gegen die Altersarmut hilft nur eine Erhöhung der AHV-Renten. Heute sind diese alles andere als existenzsichernd, was vor allem alleinstehenden Frauen, die viel häufiger als Männer nur von der AHV leben, zum Verhängnis wird. Armutsbetroffene ältere Menschen können zwar Ergänzungsleistungen beantragen, aber viele von ihnen tun dies nicht und leben entsprechend mit sehr wenig finanziellem Spielraum. Gleichzeitig müsste man die grossen Vermögen der älteren Menschen stärker besteuern, insbesondere Erbschaften. Zudem müsste in der beruflichen Vorsorge endlich auch aus der unbezahlten Care-Arbeit ein Rentenanspruch entstehen. Dass Frauen viel häufiger als Männer von Altersarmut betroffen sind, ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Frauen sich mehr um die Hausarbeit, die Kinderbetreuung und die Betreuung von fragilen Angehörigen kümmern.

Irgendwann kommen viele Rentnerinnen nicht mehr ohne Betreuung und Pflege aus, manche ziehen in ein Pflegeheim. Die Kosten dafür sind regional sehr unterschiedlich, gibt es keine nationale Regelung für die Tarifsetzung?

Nur für die Pflegetaxen, für die Betreuung und Unterbringung im Pflegeheim dagegen nicht. Und der Föderalismus kennt bei diesem Thema keine Grenzen. In Zürich etwa kostet der Aufenthalt in einem städtischen Pflegeheim die Bewohner*innen rund 92 000 Franken pro Jahr, in Bellinzona zahlt dieselbe Person dagegen nur 38 000 Franken.

Wie können diese Unterschiede erklärt werden?

Sie sind das Ergebnis politischer Entscheide. In Bellinzona etwa sind die Pflegeheimtarife vermögensabhängig, entsprechend zahlen Bewohner*innen mit kleinem Einkommen sehr wenig. In Zürich zahlen dagegen alle gleich viel. Ein Mittelschichtseinkommen reicht in den meisten Kantonen nicht, um die laufenden Pflegeheimkosten zu bezahlen.

Werden diese Kosten über die Ergänzungsleistungen bezahlt?

Ja, sobald jemand auf Anspruch auf EL hat. Mit der Revision, die Anfang Jahr in Kraft trat, können aber nur noch Personen EL beziehen, die über weniger als 100 000 Franken Vermögen verfügen. Wer mehr hat, erhält keine EL mehr. Das trifft vor allem Menschen im Pflegeheim, die der Mittelschicht angehören. Neu müssen sie bis auf 100 000 Franken alles aufbrauchen. Mit den verbleibenden 100 000 Franken muss immer noch ein relativ grosser Teil der Pflegekosten selber bezahlt werden. Und falls irgendwann etwas zum Vererben übrig bleibt, müssen die Erben davon die EL zurückzahlen.

Die EL müssen zurückbezahlt werden?

Ja. Mit der EL-Revision wurde quasi durch die Hintertür eine Erbschaftssteuer für eine ganz spezifische Gruppe eingeführt: für Angehörige der Mittelschicht mit einem kleinen bis mittleren Vermögen, die das Pech haben, ins Pflegeheim zu müssen. Gleichzeitig ist es hierzulande undenkbar, eine Erbschaftssteuer für wirklich vermögende Personen einzuführen.

Steigert die Politik durch diese hohe Kostenbeteiligung den Anreiz, so lange wie möglich zuhause zu wohnen und sich am besten noch von den Angehörigen betreuen zu lassen?

Ja. Diese Strategie – ambulant vor stationär – ist sogar explizit formuliert. Man bedient sich dabei relativ freimütig an der freiwilligen Care-Arbeit und vor allem an den Kapazitäten von Frauen. Diese können dadurch weniger Erwerbsarbeit leisten und weniger in die Altersvorsorge einzahlen, was wiederum zu mehr Armut im Alter führt. Ich zweifle jedoch daran, dass die heute 30- bis 45-Jährigen dereinst noch bereit sein werden, diese Gratisarbeit zu leisten. Wir werden uns deshalb in den nächsten Jahren noch vermehrt mit dem Thema auseinandersetzen müssen.

Müssten in der Konsequenz nicht auch die Wohnbedingungen für ältere Menschen verbessert werden?

Der häufigste Grund für einen Eintritt in ein Pflegeheim ist, dass jemand stürzt und nicht mehr ohne Betreuung zuhause bleiben kann. Auf Bundesebene wird zurzeit ein politischer Vorstoss diskutiert, der verlangt, dass Ergänzungsleistungen unabhängig von der Wohnform geleistet werden. Damit könnten sich nicht mehr nur Vermögende betreutes Wohnen leisten, sondern auch Armutsbetroffene.

Gespräch: Andrea Bauer

Gut vorbereitet ist halb umgezogen

Am offiziellen Umzugstermin Ende März werden viele Mieter*innen zügeln. Nach Kistenschleppen und Bodenschrubben folgt mit der Rückgabe der Wohnung die Kür einer erfolgreichen «Züglete». Mit der richtigen Vorbereitung meistern Sie auch diese souverän.

Hugo Hugentobler lässt einen letzten prüfenden Blick durch das leere Wohnzimmer seiner ehemaligen Wohnung gleiten. Alles blitzt und glänzt und der Geruch von Putzmittel steigt ihm in die Nase. Hugentobler ist zufrieden. Er hat sämtliche Böden und Kacheln in Küche, Badezimmer und Toilette feucht aufgenommen, Schränke, Kühlschrank, Kochherd, Backofen und sämtliche sanitären Anlagen gründlich gereinigt und entkalkt, Poster und Selbstklebeetiketten entfernt, alle Wohnräume gestaubsaugt, sämtliche Spannteppiche schamponiert und den Keller sowie den Balkon nass aufgewischt.

Zu dieser Putzaktion hat sich Hugentobler nicht freiwillig hinreissen lassen. Als Mieter ist er verpflichtet, am Ende der Mietdauer die Wohnung in einem gereinigten Zustand seinem Vermieter zurückzugeben. Wie sauber die Wohnung vor dem Auszug zu sein hat, richtet sich zunächst nach dem Mietvertrag. Darin werden oft Formulierungen wie «sorgfältig gereinigt» oder «in einem sauber gereinigten Zustand» verwendet. Das heisst: Mieterinnen müssen Wohnung und Nebenräume (z. B. Keller und Garage) gründlich reinigen. Gefordert ist ein Grossputz. Das gilt notabene auch dann, wenn der Vertrag keine Details zur Reinigung enthält.

«Besenrein» ist nicht wörtlich zu verstehen

Einige Mietverträge – vorwiegend in der Nordwestschweiz – verlangen nur eine «besenreine» Abgabe. Die Vermieterschaft hat in solchen Fällen aber das Recht, eine sogenannte Reinigungspauschale zu verlangen. Diese beträgt in der Regel sechs Franken pro Quadratmeter. Klingt fair, doch Putzmuffel freuen sich jetzt zu früh: Die Formulierung «besenrein» ist nicht wörtlich zu verstehen. Rasch mit dem Besen durch die Wohnung zu wirbeln reicht nicht aus. Selbst wenn im Mietvertrag nur eine «besenreine» Abgabe vereinbart wurde, wird von Mieter*innen verlangt, dass sie Küche und Bad gründlich reinigen, die Teppiche saugen und die Böden nass aufnehmen. Streng rechtlich könnte man diese Anforderungen an eine «besenreine» Abgabe als zu hoch einstufen und hinterfragen, in der mietrechtlichen Praxis jedoch sind sie leider anerkannt. Immerhin spart man sich das Fensterputzen, die Reinigung der Storen sowie das Schamponieren der Teppichböden.

Der kleine Unterhalt

Weil Hugentobler nichts dem Zufall überlassen will, hat er auch an den «kleinen Unterhalt» gedacht. Als Mieter muss er diesen nämlich vor der Wohnungsabgabe erledigt haben. Zum kleinen Unterhalt gehören Kleinreparaturen, die handwerklich normal begabte Mieter*innen ohne spezielles Fachwissen selbst ausführen können. Dass Hugentobler als ausgebildeter Schreiner überdurchschnittliche handwerkliche Fähigkeiten besitzt, spielt deshalb keine Rolle. Unter den kleinen Unterhalt fallen beispielsweise das Auswechseln von Glühbirnen oder Sicherungen, der Austausch eines Duschschlauchs oder das Entstopfen des Siphons beim Lavabo, sofern sich dieser mit einfachen Handgriffen abschrauben lässt.

Besonderes Fachwissen ist dagegen in der Regel bei Reparaturen technischer Geräte erforderlich, insbesondere wenn sicherheitsrelevante Aspekte zu beachten sind, wie zum Beispiel bei einer elektrisch betriebenen Anlage. Ob eine Fachperson beizuziehen ist, kann sich auch aus der Bedienungsanleitung des Geräts ergeben. Beim Wechseln der Backofenglühlampe etwa wird oft dazu geraten. Auch das Streichen von Wänden und Decken gehört nicht zum kleinen Unterhalt.

Verwirrende Kostengrenze

Früher ging man davon aus, dass Reparaturkosten von bis zu 150 Franken zum kleinen Unterhalt gehören und deshalb von der Mieterschaft zu berappen sind. Diese Faustregel gilt heute nicht mehr. Die Kostengrenze ist nur noch beim Ersatz von Bestandteilen wie zum Beispiel einem fehlenden Backblech oder einer kaputten Kühlschrankschublade relevant. Rechnungen von Handwerker*innen können dagegen nicht auf dieser Basis beurteilt werden. Denn wenn eine Fachperson notwendig ist, liegt ja per se kein kleiner Unterhalt mehr vor, selbst dann nicht, wenn die Rechnung weniger als 150 Franken beträgt.

Was ist mit der Altersentwertung – muss Hugentobler die Kosten für den Ersatz des alten Duschschlauchs von anno 2010 vollumfänglich selber tragen? Ja, denn im Bereich des kleinen Unterhalts spielt die Altersentwertung keine Rolle. Doch keine Regel ohne Ausnahme: Muss der Vermieter nach Hugentoblers Auszug beispielsweise den Kühlschrank altershalber komplett auswechseln, so muss Hugentobler die gespaltene Gemüseschublade nicht selber ersetzen.

Für welche Schäden haften Mieterinnen?

Das Leben hinterlässt Spuren. So auch in Hugentoblers Wohnung. Dass diese am Ende der Mietdauer gewisse Gebrauchsspuren aufweist, ist darum völlig normal. Für normale Abnutzungsschäden wie beispielsweise die «Schatten» von Möbeln und Bildern an den Wänden, abgetretene Spannteppiche oder den kleinen Kratzer im Parkett haftet Hugentobler nicht.

Anders sieht es hingegen bei Schäden aus, die wegen eines Missgeschicks oder aufgrund exzessiven Gebrauchs entstanden sind. Dazu zählen zum Beispiel Wasserschäden auf dem Parkett, zerrissene Tapeten, ein Sprung im Lavabo, aber auch Nikotinablagerungen an den Wänden infolge Rauchens. Für solche Schäden sind Mieter*innen entschädigungspflichtig, jedoch nur anteilsmässig. Denn im Gegensatz zum kleinen Unterhalt muss hier die Altersentwertung berücksichtigt werden.

Die Altersentwertung berechnen

Beim Würzen eines Spiegeleis ist Hugentobler vor einiger Zeit der Salzstreuer aus der Hand gefallen und auf dem Glaskeramikkochfeld gelandet. Dieses weist seither einen Spalt auf – ein Klassiker. Wie viel schuldet Hugentobler beim Auszug seinem Vermieter für dieses Missgeschick? Hier lohnt sich ein Blick in die «paritätische Lebensdauertabelle». Gemäss dieser Tabelle hat ein Keramikkochfeld eine Lebensdauer von 15 Jahren. Pro Jahr vermindert sich die von den Mietenden zu entrichtende Entschädigung um 6,66 Prozent: Nach 15 Jahren ist es durch die monatlichen Mietzinszahlungen der Mieterschaft bereits vollständig abbezahlt und abgeschrieben. Hugentobler ist vor 12 Jahren in die Wohnung eingezogen. Das Glaskeramikkochfeld war damals nicht neu, sondern bereits 2 Jahre alt. Insgesamt hat das Kochfeld demnach bereits 14 Jahre auf dem Buckel. Massgebend ist das effektive Alter des Einrichtungsgegenstands. Wie lange die Mieterschaft in der Wohnung gelebt hat, ist dagegen unerheblich. Das Glaskeramikkochfeld hätte also noch ein Jahr lang seinen Dienst verrichten müssen. Folglich schuldet Hugentobler nach Adam Riese nur noch 6,66 Prozent des Preises eines neuen Glaskeramikfeldes.

Cool bleiben

Nun kann nicht mehr viel schiefgehen. Die letzte Stolperfalle könnte allenfalls das Wohnungsabgabeprotokoll sein. Hugentobler weiss, dass er dieses nicht unterschreiben muss, sollte er mit dem Inhalt nicht vollkommen einverstanden sein. Versucht ihn die Vermieterschaft dazu zu drängen, indem sie sich beispielsweise weigert, die Schlüssel entgegenzunehmen, weil er das Protokoll nicht unterschreiben will, kennt Hugentobler einen altbewährten Trick: die Schlüssel mit eingeschriebenem Brief an den Vermieter zurückschicken.

Broschüre «Auszug und Einzug» (32 Seiten mit Mängelliste) zum Herunterladen oder Bestellen.

Text: Fabian Gloor