Alle Beiträge

Wohnungsübergabe leicht gemacht: Von Dübellöchern bis Kinderkunst

Mother and her little son sealing boxes with tape dispenser. They are packing to move out.

Ende September zieht in vielen Haushalten wieder der Umzugsstress ein. Besonders die Rückgabe der alten Wohnung sorgt bei vielen Mieter*innen für Unsicherheit. Dabei ist die Wohnungsabgabe halb so wild – wer gut vorbereitet ist und ein paar Formalitäten beachtet, kann dem Termin gelassen entgegensehen.

Acht Jahre hat Zoran in seiner gemütlichen Dreizimmerwohnung gewohnt. Nun ist der grosse Moment gekommen: Der Umzug steht vor der Tür, die Kartons sind gepackt und heute ist die Wohnungsabgabe. Noch einmal geht Zoran gedanklich alles durch. Bloss nichts vergessen.

Am Morgen ruft ihn seine Vermieterin an. Frau Pedanta – der Name ist Programm – will die Wohnungsabgabe heute, am letzten Septembertag, schon früh durchführen. Doch Zoran bleibt ruhig: In seinem Mietvertrag steht nämlich, dass die Abgabe am 1. Oktober bis mittags erfolgen soll. Und was im Vertrag steht, gilt. Nach kurzem Hin und Her ist Frau Pedanta einsichtig und kündigt an, am nächsten Tag zur Abgabe zu erscheinen.

Selbstverständlich ist das nicht. Einige Vermieter*innen verzichten auf eine formelle Abnahme, indem sie gar nicht erst erscheinen oder einfach melden, die Schlüssel sollten dem Hauswart in den Briefkasten gelegt werden. Das kann den Mieter*innen zwar egal sein. Verzichten Vermieter*innen auf die Abgabe, ist das meist zu ihrem eigenen Nachteil. Prüfen sie den Zustand der Wohnung nicht, können sie in der Regel keine Haftungsansprüche gegenüber der ausziehenden Mieterschaft geltend machen.

Falls Frau Pedanta am Abgabetag mit Abwesenheit glänzt und Zoran keine anderen Anweisungen gegeben hat, sollte er die Schlüssel unbedingt per Einschreiben zurückschicken. So kann er im Zweifelsfall beweisen, dass er alle Schlüssel rechtzeitig und an der richtigen Stelle zurückgegeben hat.

Reinigung, Reparaturen und kleine Schäden

Zoran widmet sich nun den letzten Handgriffen. Die Wohnung hat er in den letzten Tagen gründlich geputzt – Kalk an den Armaturen entfernt, den Backofen von eingebrannten Rückständen befreit und sogar die Spannteppiche schamponiert. Die Vermieterin hatte zwar eine Reinigung durch ein Putzinstitut verlangt, aber das kann ignoriert werden. Selber schrubben reicht, solange alles sauber wird. Wie sauber die Wohnung sein muss, ist gesetzlich nicht genau definiert und sorgt immer wieder für Diskussionen. Enthält der Mietvertrag keine speziellen Bestimmungen, sind Wohnung und Nebenräume wie Keller, Estrich und Garage überall gründlich zu reinigen. Das bedeutet: Böden und Kacheln in Küche, Bad und WC feucht aufnehmen, Schränke, Kühlschrank und Backofen auswaschen, sanitäre Anlagen gründlich reinigen und die Fenster putzen.

Beim Rundgang entdeckt Zoran noch einige Dübellöcher. Diese verspachtelt er rasch mit Spachtelmasse und erinnert sich schmunzelnd daran, dass er beim ersten Auszug seiner Mieterkarriere stattdessen Kaugummi benutzt hatte. Eine Idee, die er nicht weiterempfiehlt.

Die verkalkte Duschbrause und das verzogene Backblech tauscht Zoran ebenfalls aus. Kleine Unterhaltsarbeiten und Ersatzteile muss er selber übernehmen, solange sie nicht mehr als 150 Franken kosten und ohne Fachkenntnisse erledigt werden können. Für gefährliche Arbeiten, wie etwa die Reinigung des Glasdachs im Wintergarten, die Kletteraktionen erfordern würden, ist er nicht zuständig.

Nach seinem Einzug hatte Zoran die Wand im Schlafzimmer ohne Rücksprache in zartem Rosa gestrichen. Änderungen, die nicht schriftlich bewilligt wurden, müssen grundsätzlich rückgängig gemacht werden. Schade zwar, aber so sind die Regeln.

Soll Zoran die Schlafzimmerwände vor dem Auszug also wieder weiss streichen? Besser nicht! Wenn er den Anstrich auf eigene Kosten vornimmt, trägt er die gesamten Kosten selbst. Gibt er die Wohnung hingegen so zurück, wie sie ist, muss die Vermieterschaft die Arbeiten veranlassen. Verrechnet werden dürfen ihm nur der Betrag nach Abzug der Altersentwertung sowie ein allfälliger Mehraufwand, etwa für einen zweiten deckenden Anstrich. Vom Selberstreichen ist dringend abzuraten. Unsachgerecht ausgeführte Malerarbeiten muss die Vermieterschaft nicht akzeptieren und im schlimmsten Fall zahlt Zoran doppelt.

Abnahme und Übergabeprotokoll

Am nächsten Tag steht Frau Pedanta pünktlich vor der Tür. Mit strengem Blick kontrolliert sie alles – besonders das Parkett. «Was ist denn das für ein Weinfleck?», fragt sie energisch.

Zoran erklärt ruhig, dass der Parkettboden vor mehr als zehn Jahren das letzte Mal abgeschliffen wurde. Die Lebensdauer der Parkettversiegelung sei damit abgelaufen. Das steht so auch in der paritätischen Lebensdauertabelle. Glücklicherweise ist der Wein nicht tief ins Holz eingezogen, sodass der Fleck problemlos herausgeschliffen werden kann. Zoran schuldet deshalb keine Entschädigung.

Frau Pedanta murmelt etwas Unverständliches und hakt auf ihrer Liste etwas ab. Anders verhält es sich übrigens, wenn einzelne Holzstücke durch den Bodenleger ersetzt werden müssten. Solche Arbeiten gelten als Reparaturen, die grundsätzlich zulasten der ausziehenden Mieterschaft gehen. Lässt sich der Schaden nicht reparieren oder wäre die Reparatur teurer als der Zustandswert des Parketts, muss nur dieser Zustandswert bezahlt werden.

Vor der Wohnzimmerwand bleibt Frau Pedanta abrupt stehen. Über die ganze Länge ziehen sich bunte Striche, Kreise und Figuren in leuchtenden Filzstiftfarben.

«Moderne Kunst?», fragt sie mit hochgezogener Augenbraue. Zoran räuspert sich. Sein vierjähriger Sohn hatte hier vor einigen Monaten seine kreative Phase und die Wand als überdimensionales Malbuch entdeckt. Neben einer strahlenden Sonne erkennt man ein schiefes Haus, drei Strichmännchen mit wilden Haaren und etwas, das wohl ein Dinosaurier sein soll oder vielleicht ein Kran. So herzerwärmend die Meisterwerke auch sind, rechtlich gelten solche Verzierungen als übermässige Abnutzung, für die Mietende grundsätzlich entschädigungspflichtig sind. Für Dispersionsanstriche gilt gemäss paritätischer Lebensdauertabelle eine Lebensdauer von acht Jahren. Da Zorans Wohnzimmeranstrich bei seinem Auszug vier Jahre alt ist, beträgt die Restlebensdauer noch vier Jahre. Das heisst: Zoran übernimmt die Hälfte der Kosten für den neuen Anstrich, die andere Hälfte trägt die Vermieterschaft.

Am Ende drückt sie Zoran ein Übergabeprotokoll in die Hand. Darin ist zu Zorans Erleichterung kein Schaden vermerkt. Er liest es gründlich, unterschreibt und bittet um eine Quittung für die Schlüsselübergabe. Hätte etwas nicht gestimmt, hätte er das Protokoll nicht unterschrieben oder nur unter Vorbehalt.

Mit einem letzten Blick auf die leere Wohnung verabschiedet sich Zoran. «Adieu, merci», sagt er leise und weiss: Weil er sich rechtzeitig informiert und alles ordentlich vorbereitet hat, kann er diesem Kapitel mit gutem Gefühl den Rücken kehren.

Die Moral der Geschichte? Wer weiss, wann und wie er die Wohnung abgeben muss, wer richtig reinigt, kleine Schäden selbst behebt und sich nicht zu vorschnellen Unterschriften hinreissen lässt, hat die Wohnungsabgabe praktisch schon geschafft.

Text: Fabian Gloor

Fragwürdige Wohnraumpolitik

Foto Robin Kohler

Die Pensionskasse Schaffhausen stellt in Beringen (SH) 26 Mieter*innen vor die Tür. Es ist nicht das erste Mal, dass sie günstigen Wohnraum beseitigt. Die Politik wird nun aktiv.

Vor zwei Wochen erhielten 26 Mieter*innen in Beringen denselben Brief von ihrer Immobilienverwaltung. Die vier Mehrfamilienhäuser zwischen Steig und Haargasse, in denen sie wohnen, seien am «Ende ihres Lebenszyklus» angelangt. «Die Sanierung der bestehenden Gebäude wurde geprüft, ist jedoch für die Eigentümerschaft aus finanziellen und nachhaltigen Gründen keine Option», heisst es weiter. Stattdessen würden Ersatzneubauten geplant. Der Mietvertrag werde deshalb «vermutlich per ca. Frühling 2027» aufgelöst.

Damit verschwindet Wohnraum im untersten Preissegment aus dem Beringer Zentrum. Solch günstige Mietzinse – rund 1000 Franken für eine 4-Zimmer-Wohnung – finden sich nicht einmal mehr weit ausserhalb, in den Wohnblöcken im Beringerfeld. Zurzeit ausgeschriebene Wohnungen in Beringen kosten das Anderthalb- bis Zweifache. Brisant: Die Wohnblöcke gehören der Pensionskasse des Kantons (PKSH). Und es ist nicht das erste Mal, dass sie mit staatlichen Lohnabgaben bezahlbaren Wohnraum aufwertet.

Business as usual für die PKSH

Die PKSH verwaltet die Altersvermögen der Angestellten des Kantons, aber auch des Personals der Spitäler, der Kantonalbank, des Berufsbildungszentrums oder der Elektrischen Werke des Kantons. Ebenfalls angeschlossen sind mehrere Schaffhauser Gemeinden, darunter die Stadt Schaffhausen, Thayngen und auch Beringen. Das Gesamtkapital der PKSH: 3,8 Milliarden Franken. Dieses Geld investiert die Pensionskasse in Aktien, Obligationen, Anleihen und – im Umfang von rund einer Milliarde Franken – in Immobilien.

Weil die PKSH Gelder der öffentlichen Hand verwaltet, setzt sie hohe Ansprüche an sich selbst und ihre Anlagestrategie. «Die Pensionskasse ist sich als Investor der ethischen, ökologischen und sozialen Verantwortung bewusst und berücksichtigt diese bei den Anlageentscheiden», so steht es in einem Reglement, das sich die PKSH selbst gegeben hat.

Das hat die Schaffhauser Pensionskasse jedoch auch in der Vergangenheit nicht davon abgehalten, im grossen Stil günstige Altbauwohnblöcke leerzukündigen und durch Neubauten zu ersetzen. So wurde 2021 etwa den Mieter*innen von 96 Wohnungen in sieben Wohnblocks in Kloten gekündigt. Nun baut die PKSH dort neue Mehrfamilienhäuser mit mehr als doppelt so vielen Wohnungen und doppelt so hoher Miete. Der Tagesanzeiger berichtete im März von ehemaligen Bewohner*innen, die Kloten nun nach mehr als 30 Jahren verlassen müssen, weil sie keine Wohnung mehr fanden, die in ihrem Budget liegt.

Ähnlich ist die PKSH in St. Gallen vorgegangen. Dort kündigte die Pensionskasse den Bewohner*innen von 42 Wohnungen in drei Gebäuden mit einer Frist von acht Monaten. Die Häuser wurden saniert und die Mietpreise um 100 Prozent erhöht. «Vernichtung von erschwinglichem Wohnraum», nannte das die St. Galler SP vor vier Jahren. Nun hat die unzimperliche Immobilienstrategie der Pensionskasse also auch Schaffhausen erreicht.

Die Mieten werden steigen

Die Wohnblöcke in Beringen gehören der PKSH, seit sie 1962 erbaut wurden. Saniert wurden sie zuletzt im Jahr 1992. Bewohner*innen bestätigen: Die Wohnungen, vor allem Küchen und Badezimmer, sind sehr in die Jahre gekommen. Wieso wurden die Gebäude seit den 1990ern nie saniert?

Oliver Diethelm, Geschäftsführer der PKSH, bleibt dazu auf Anfrage auf einer allgemeinen Ebene: «Der Sanierungszyklus von Liegenschaften beträgt rund 25 bis 30 Jahre.» Eine Sanierung zum jetzigen Zeitpunkt sei «aus ökonomischen und ökologischen Gründen keine Option» – derselbe Wortlaut wie im Brief an die Mieter*innen. «Zudem bietet ein allfälliger Ersatzneubau die Möglichkeit, eine dichtere Bebauung zu schaffen, welche einen Beitrag gegen den Mangel an Wohnraum leistet.» Selbstverständlich würden die heutigen Mieter*innen die Möglichkeit erhalten, sich bevorzugt um die neu gebauten Wohnungen zu bewerben. Wie stark die Mieten steigen werden, sei noch nicht festgelegt, so die PKSH.

Was sich hingegen mit Sicherheit sagen lässt: Sie werden steigen. Eine Bewohnerin, die anonym bleiben möchte, sagt, dass sie sich grosse Sorgen mache. «Seit der Brief gekommen ist, schaue ich jeden Tag die Online-Inserate an. Aber in Beringen gibt es nichts, was wir uns leisten könnten.»

Regierungsrat muss Stellung nehmen

Nun wird die Politik aktiv. Angela Penkov, SP-Kantonsrätin und aktives Mitglied des Mieterinnen- und Mieterverbands Schaffhausen, hat eine Kleine Anfrage eingereicht und hinterfragt darin die Wohnpolitik der Pensionskasse Schaffhausen. Nun wird der Regierungsrat Stellung nehmen müssen dazu, wie die Einhaltung von sozialen Kriterien, wie der Erhalt von bezahlbarem Wohnraum bei der Investitionstätigkeit der Pensionskasse sichergestellt werden kann. Konkret will Penkov auch wissen, ob und wie man den betroffenen Mieter*innen in Beringen entgegenkommt. Diese sind auf die Antwort besonders gespannt.

Text: Luca Miozzari, erstmals erschienen in der Schaffhauser AZ und auf shaz.ch

Zwischen Bobbycar und Hausordnung – was Familien in Mietwohnungen wissen müssen

Foto: Getty Images

Kinder verändern nicht nur das Leben, sondern auch das Mietverhältnis. Mit dem ersten Kind wird der Alltag aufregender und lauter. Mit dem Baby kommen Nuggi, Windeln, Schoppen und plötzlich auch ganz neue Mietrechtsfragen. Wo darf der Kinderwagen hin? Wie viel Lärm ist zu viel des Guten? Und was, wenn der Bobbycar im Gang zur Stolperfalle für die Nachbarschaft wird?

Annegrets und Kurts Tochter Amélie schreit laut und oft. Besonders nachmittags, manchmal auch in der Nacht. Nachbar Hunkeler empfindet das als alles andere denn erholsam und hat sich bereits mehrfach bei der Vermieterschaft beschwert.

Doch selbst wenn der Nachwuchs ein regelrechtes Schreikonzert veranstaltet, besteht kein Handlungsbedarf. Denn Lärm von Kleinkindern gehört tagsüber zum ganz normalen Alltag und muss von den Nachbar*innen toleriert werden. Kinder dürfen spielen, hüpfen, lachen, schreien, manchmal auch alles gleichzeitig. Das gehört zum Leben. Selbst eine Kindergeburtstagsparty mit zehn Zuckerschock-geplagten Mini-Gästen kann die Vermieterschaft nicht verbieten.

Zu respektieren sind natürlich die Ruhezeiten. Diese ergeben sich aus dem Mietvertrag oder der Hausordnung und sind je nach Region etwas unterschiedlich geregelt. Allgemein gilt jedoch: Ab 22 Uhr ist Nachtruhe. Spätestens dann haben Bobbycars Pause, Geburtstagsgäste sollten den Heimweg antreten, und auch das Piratenschiff im Kinderzimmer geht vor Anker. Dass ein Kleinkind oder Säugling auch nach 22 Uhr einmal weint, schreit oder sich aus pädagogisch nicht ganz nachvollziehbaren Gründen quengelnd auf den Boden wirf, ist rechtlich unproblematisch. Das fällt unter «normaler Familienalltag», und der ist halt einfach nicht komplett geräuschlos.

Es stellt sich die Frage, ob der übernächtigte Nachbar Hunkeler wegen des Kinderlärms eine Mietreduktion verlangen kann. Wohl eher nicht, denn Kinderlärm gehört – wie gesagt – zum Mietalltag. Selbst der griesgrämigste Nachbar muss ihn ertragen. Eine Mietzinsreduktion kommt nur in Betracht, wenn der Lärm das übliche Mass deutlich übersteigt. Doch bei einem weinenden Baby oder einem Dreikäsehoch, der im Hof spielt, ist das in der Regel nicht der Fall.

Vermieter*innen, die Kinderlärm präventiv vermeiden wollen, dürfen bei der Wohnungsvergabe selektiv sein. Das erlaubt die Vertragsfreiheit. Klauseln im Mietvertrag wie zum Beispiel «Keine Kinder erlaubt» gehen aber zu weit und sind nicht verbindlich. Ob sich Mieter*innen fortpflanzen, bleibt ganz allein ihre Sache.

Der Kinderwagen im Treppenhaus

Nach einem Spaziergang mit Amélie ist es verständlich, dass Annegret und Kurt den Kinderwagen nicht gleich bis in den dritten Stock schleppen möchten. Ihn im Hausflur abzustellen ist praktischer. Doch Mieter*innen dürfen grundsätzlich nur den Bereich nutzen, den sie gemietet haben. Und dazu zählen Hausflur und Treppenhaus in der Regel nicht. Daher dürfen keine Gegenstände wie Velos, Bobbycars oder eben Kinderwagen ohne weiteres ausserhalb der Wohnung geparkt werden. Dies zumindest nicht ohne Erlaubnis der Vermieterschaft – selbst dann nicht, wenn der Platz vor der Wohnungstür noch so praktisch erscheint.

Ob Vermieter*innen verpflichtet sind, einen Abstellplatz für Kinderwagen zur Verfügung zu stellen, ist rechtlich umstritten. Deshalb ist es umso wichtiger, bereits bei der Wohnungswahl darauf zu achten, ob es geeignete Abstellmöglichkeiten ausserhalb der Wohnung gibt. Am besten ist es, bei der Vermieterschaft nachzufragen, ob der Kinderwagen im Hausflur abgestellt werden darf. Die Erlaubnis wird meist unter der Bedingung erteilt, dass weder Fluchtwege versperrt noch andere Hausbewohner*innen gestört werden. Sollte es dennoch zu Beschwerden kommen, kann die Vermieterschaft die Erlaubnis jederzeit widerrufen. Wer also auf Nummer sicher gehen will, bittet zuerst um Erlaubnis und parkiert den Kinderwagen so, dass niemand darüber stolpert und die Fluchtwege frei sind.

Aus dem Büro wird ein Kinderzimmer?

Annegret und Kurt möchten das ehemalige Bürozimmer in ein richtiges Kinderparadies verwandeln. Ein Teppich soll den kalten Boden gemütlicher machen, und sogar ein klappbarer Wickeltisch an der babyblauen Wand ist geplant. Doch dürfen Mieter*innen solche kleineren Umbauten einfach vornehmen?

Die Antwort lautet: Ja – aber nur mit schriftlicher Zustimmung der Vermieterschaft. Am besten halten Annegret und Kurt die Umbaupläne schriftlich fest und vereinbaren mit der Vermieterschaft auch, wie viel sie investieren und wie hoch der Entschädigungsanspruch bei ihrem Auszug ist. Ein solcher Mehrwertanspruch kann sogar dann bestehen, wenn in der schriftlichen Zustimmung keine Beträge genannt sind.

Manche Vermieter*innen geben zwar ihr schriftliches Okay, verlangen aber gleichzeitig, dass beim Auszug alles wieder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt wird. Das ist nur dann rechtlich verbindlich, wenn die Mieter*innen dieser Rückbaupflicht ausdrücklich zustimmen. Ein pauschaler Hinweis in der Zustimmung reicht nicht. Es muss nachweisbar sein, dass die Mieterschaft mit dem Rückbau einverstanden war.

Doch was, wenn Annegret und Kurt befürchten, dass sie keine Zustimmung erhalten? Einfach loslegen und auf Kulanz hoffen ist nicht ratsam. Die Vermieterschaft könnte im schlimmsten Fall kündigen – unter Umständen sogar fristlos. Das ist allerdings nur möglich, wenn die baulichen Veränderungen dem Mietobjekt ernsthaft schaden. Ein Teppich oder ein neuer Anstrich fallen sicherlich nicht darunter.

Ohne Zustimmung müssen Annegret und Kurt aber damit rechnen, dass sie beim Auszug alles auf eigene Kosten zurückbauen müssen. Und das kann teuer und nervenaufreibend werden – gerade mit Baby an Bord. Deshalb lohnt es sich in jedem Fall, vorgängig das Gespräch mit der Vermieterschaft zu suchen.

Kinderkunst in der Mietwohnung

Amélie liebt es, kreativ zu sein – leider auch an der Wohnzimmerwand. Mit Filzstift, Wachsmalkreiden oder Joghurt vermischt mit Fingerfarbe entstehen dort täglich neue Kunstwerke. Doch was passiert beim Auszug? Wer haftet für den «Schaden»?

Grundsätzlich gilt: Mieter*innen müssen das Mietobjekt in einem ordnungsgemässen Zustand zurückgeben. Das bedeutet nicht «wie neu», aber doch so, wie es dem vertragsgemässen Gebrauch entspricht. Kinderzeichnungen an der Wand gehören da nicht dazu – und gelten meist als übermässige Abnutzung. Eltern haften also für die künstlerischen Ausbrüche ihres Sprösslings. Bei Übergabe kann die Vermieterschaft verlangen, dass die betroffenen Wände neu gestrichen oder fachgerecht gereinigt werden, und zwar auf Kosten von Annegret und Kurt.

Bei der Bemessung der Entschädigung ist die Altersentwertung zu berücksichtigen. Ist die Lebensdauer der Wand bereits abgelaufen, müssen Mieter*innen nichts mehr bezahlen.

Planschbecken auf dem Balkon

An heissen Sommertagen gibt es für Amélie nichts Schöneres, als im kühlen Wasser zu planschen. Da die nächste Badi zu weit weg ist, muss dafür der Balkon herhalten. Doch dürfen Annegret und Kurt dort einfach ein Planschbecken aufstellen? Da hilf ein Blick in den Mietvertrag und die Hausordnung. Ist das Aufstellen eines Planschbeckens dort nicht explizit verboten, dürfe es eigentlich kein Problem sein. Trotzdem gibt es ein paar Dinge zu beachten – nicht nur, um Ärger mit der Vermieterschaft zu vermeiden, sondern auch im Sinne der Sicherheit. Denn so klein Kinder auch sind – Wasser bringt Gewicht mit sich. Ein gut gefülltes Planschbecken mit einem fröhlich planschenden Kind kann schnell mehrere hundert Kilo wiegen. Je nach Grösse des Balkons und Bausubstanz kann das zu viel sein. Die Tragfähigkeit des Balkons sollte deshalb unbedingt vorher mit der Vermieterschaft geklärt werden.

Rücksichtnahme ist im Interesse aller Parteien

Auch wenn Kinder in ihrer Wohnung vieles dürfen, sollten Eltern und Kinder auf ihre Nachbarschaft Rücksicht nehmen. Toben, Hüpfen und Spielen gehören dazu – aber bitte mit Augenmass.

Fussballspielen passt besser auf die Gemeinschaftswiese als ins Wohnzimmer. Und wenn Bauklötze regelmässig wie Felsbrocken aufs Parket krachen, kann ein Teppich Wunder wirken, für den Boden und die Nerven der Nachbarschaft. Wer ein offenes Ohr hat und die allseits erforderliche Toleranz nicht überstrapaziert, leistet einen wichtigen Beitrag zu einem entspannten Miteinander

Text: Fabian Gloor

Ungewisse Zukunft am Albis

Foto: Keystone/Til Buergy

Die Zürich Invest AG hat 284 Mieter*innen der Vita-Siedlung in Langnau am Albis gekündigt. Auf einen Schlag und obwohl die Eigentümerin einst eine Etappierung versprochen hat. Auch in der Agglomeration wird bezahlbarer Wohnraum zur Mangelware.

Doris Weber sitzt auf ihrem Balkon und blickt ins Grün des nahegelegenen Waldes. Sie seufzt. Dann ringt sie sich ein Lächeln ab und sagt: «Wenn ich hier sitze, bin ich glücklich. Ich will nicht weg.» Ihre Stimme bricht, ihr kommen die Tränen. Doris Weber weiss nicht, wie lange sie den Ausblick auf den Sihlwald noch geniessen kann. Seit 15 Jahren lebt die 72-jährige ehemalige Pflegefachfrau in der Langnauer Vita-Siedlung im Sihltal. Im März kam per Post der Schock: Zusammen mit 283 weiteren Mietparteien erhielt Doris Weber die Kündigung ihrer Wohnung. Bis Ende September 2025 müssen alle raus. Wer per Vertrag verspricht, sich nicht gegen die Kündigung zu wehren, kann ein Jahr länger bleiben. Betroffen sind knapp 800 Personen.

«Unmenschliches» Vorgehen

Grund für die Kündigung ist derselbe wie meist: Die Zürich Invest AG, Vermögensverwalterin, Tochterfirma der Zürich Versicherung und Besitzerin der Vita-Siedlung, will die Häuser total sanieren und auf dem Areal verdichten. Dass bei den Bauten aus den 1960erJahren Sanierungsbedarf besteht, ist unbestritten. Die Siedlung ist in die Jahre gekommen. Das sieht auch Doris Weber ein: «Vielen war klar, dass hier irgendwann etwas passiert. Aber dass wir alle ohne Vorwarnung die Kündigung erhalten, ist unmenschlich.»

Eine IG gegen die Kündigung

Dem stimmen Susan Ponti und Fredi König zu. Susan Ponti ist Schulpflegerin und politisch in Langnau aktiv. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren fünf Kindern im Alter zwischen drei und zwölf Jahren in einem der Einfamilienhäuser in der Siedlung. Seit acht Jahren ist die Grossfamilie hier zu Hause, die Kinder sind im Quartier sowie im Dorf verwurzelt, besuchen Schule oder Kindergarten und sind in Vereinen aktiv. Fredi König wohnt seit 33 Jahren in Langnau und seit 2002 in einem der Hochhäuser der Siedlung. Vor zwei Jahren verlor er seine Stelle als Informatiker, auch er ist politisch engagiert. Seine drei Kinder wuchsen in der Siedlung auf, zwei von ihnen leben noch immer in der Nähe. Die Vita-Siedlung ist eine wichtige Grundlage im Leben des 62-Jährigen. Dass diese nun einfach so verschwinden soll, will er nicht hinnehmen. Zusammen mit Susan Ponti hat er deshalb die IG Vita gegründet. «Wie die Eigentümerschaft hier vorgeht, ist asozial. Darum ist es wichtig, dass sich möglichst viele wehren», betont König.

Susan Ponti ihrerseits will etwas gegen die Ungerechtigkeit tun, die den Mieter*innen mit dieser Kündigung widerfährt. «Viele Menschen, die hier leben, sind auf einen tiefen Mietzins angewiesen und haben kaum Spielraum nach oben.» Ausserdem würden wichtige soziale Strukturen auseinanderfallen: Betreuungssysteme in Familien, Nachbarschaftshilfen, soziale Kontakte. Dem sei sich die Eigentümerschaft nicht bewusst.

Eigentümerin hält sich bedeckt

Was den Bewohner*innen besonders sauer aufstösst, ist die die Kündigung aller Parteien auf den gleichen Termin. Nicht zuletzt, weil sich die Zürich Invest AG verpflichtet hat, bei einer Sanierung schrittweise vorzugehen. In einem städtebaulichen Vertrag mit der Gemeinde verspricht die Eigentümerin eine bauliche Etappierung. Die konkrete Umsetzung ist nicht definiert und Gegenstand aktueller Verhandlungen zwischen dem Langnauer Gemeinderat und der Zürich Invest AG. Zum Stand dieser Verhandlungen kann Gemeindepräsident Reto Grau nichts sagen. Im offiziellen Statement heisst es, der Gemeinderat bedaure die gleichzeitige Kündigung aller Mietverhältnisse. Und: «Wenn mit der Zürich Invest AG keine Einigkeit erzielt werden kann, wird das vertraglich vorgesehene Schlichtungsverfahren ausgelöst.»

Die Eigentümerin hält sich bedeckt. Auf Anfrage verweist Mediensprecherin Simone Hutmacher auf den Sanierungsbedarf. Man habe in enger Abstimmung mit der Gemeinde ein Projekt ausgearbeitet, das mehr Wohnungen und mehr Wohnfläche schaffe. «Aktuell sind konstruktive Gespräche mit der Gemeinde im Gang, um das weitere Vorgehen zu besprechen und die beste Lösung für alle Beteiligten zu finden», so Hutmacher. Ob die Bedürfnisse der Bewohner*innen dabei wirklich berücksichtigt werden, ist unklar.

Kaum bezahlbare Wohnungen in Langnau

Walter Angst, Co-Geschäftsleiter des Mieterinnen- und Mieterverbands Zürich, ärgert sich über das Vorgehen der Eigentümerin: «Dass die Zürich Invest AG allen auf einen Schlag gekündigt und die Etappierung damit ignoriert hat, ist an Arroganz kaum zu überbieten», sagt er. Der MV Zürich unterstützt die IG Vita von Susan Ponti und Fredi König sowie die Bewohner*innen der Siedlung. An einem Informationsanlass klärten Rechtsexpert*innen des Verbandes über die Einsprachemöglichkeiten auf, ermutigten die Anwesenden, sich gegen die Kündigung zur Wehr zu setzen, und reichten anschliessend Einsprachen ein. Zudem führte der MV Zürich eine Siedlungsumfrage durch, in der er die Bedürfnisse der Bewohner*innen abholte. Die Ergebnisse liegen zwar noch nicht vor, trotzdem zeichnen sich zwei Tendenzen ab: Mehr Zeit und die Möglichkeit, zu einem zahlbaren Mietpreis zurückkehren zu können. Der Grund: Der Wohnungsmarkt in Langnau ist ausgetrocknet. «Es gibt aktuell etwa drei bezahlbare Wohnungen. Wohin sollen all die Menschen gehen?», sagt Susan Ponti.

Der Druck aus der Stadt schwappt über

Auf diese Entwicklung blickt Walter Angst mit Sorge. Denn das Vorgehen institutioneller Eigentümerschaften, das man aus der Stadt Zürich bestens kennt – mit Leerkündigungen und Neubauten mit hohen Mieten –, könnte in den nächsten Jahren auch in der Agglomeration stark zunehmen. Laut Angst gibt es gerade im Sihltal zahlreiche Siedlungen aus den 1970er- und 1980erJahren, die demnächst saniert werden könnten. Angst: «Wir spüren jeden Tag, dass der in der Stadt omnipräsente Druck auf die Mieter*innen in die Bezirke rund um Zürich hinüberschwappt.»

Hoffen auf Gerechtigkeit

In Langnau hoffen die Bewohner*innen derweil, dass ihr Druck und die Verhandlungen der Gemeinde bei der Eigentümerschaft für ein Umdenken und Menschlichkeit sorgen. So wünscht sich Fredi König mehr Zeit für die Suche nach einem neuen Zuhause oder sogar die Möglichkeit, in eine sanierte Wohnung zurückzukehren. Susan Ponti sagt: «Ich hoffe auf klare Kommunikation und eine faire Etappierung, damit die Menschen hier die Möglichkeit haben, ihre Zukunft zu planen.» Und für Doris Weber ist klar: «Ich will mein Zuhause nicht aufgeben. Damit bin ich nicht alleine. Darum hoffe ich auf Gerechtigkeit für uns alle.»

Text: Samantha Taylor

Die Mietpreis-Initiative

Foto: Manu Friederich

Die Mieten sind zu teuer. Die Belastung für die Haushalte steigt und steigt. Es braucht eine Korrektur an der Urne – deshalb hat der Mieterinnen- und Mieterverband die Mietpreis-Initiative lanciert. Das Ziel sind 100’000 gültige Unterschriften.

Eigentlich gibt es im Mietrecht klare und kluge Regeln, um die Mieter*innen zu schützen. Vereinfacht gesagt, hat der Gesetzgeber verstanden, dass Wohnen und Mietezahlen nicht dasselbe sind wie der Kauf eines Paars Turnschuhe oder eines neuen Velos. Man kann ja nicht nicht wohnen! Jeder Mensch braucht ein Dach über dem Kopf und muss sich deshalb eine Wohnung leisten können. Deshalb gibt es Regeln zur Gestaltung der Mietpreise, um Missbräuche zu verhindern. Diese besagen, dass sich die Miete aus den realen Kosten, die das Mietobjekt mit sich bringt – also Kosten für Landerwerb, Bau, Kapital- und Unterhaltskosten – plus einer angemessenen Rendite zusammensetzen muss. Was eine angemessene Rendite ist, legt das Bundesgericht fest.

Die Mieten sind vielfach viel zu hoch

Leider bleibt diese Regel viel zu häufig toter Buchstabe. Die Renditen sind nicht mehr angemessen, sondern förmlich explodiert, die Mieten in den letzten 20 Jahren um nicht weniger als 25 % gestiegen. Diese Entwicklung kommt nicht von ungefähr. Im Jahr 2000 war noch eine Mehrheit der Mietwohnungen im Besitz von Privatpersonen. Heute werden diese zunehmend von Immobilienkonzernen, Fonds und Banken verdrängt. Wohnungen sind dabei nicht mehr ein Dach über dem Kopf, sondern Renditeobjekte, mit denen möglichst viel verdient werden soll. Die Zeche beziehungsweise die übersetzten Renditen zahlen die Mieter*innen mit bis zu 10 Milliarden Franken pro Jahr. Hier setzt die Miet­preis-Initiative des Mieterinnen- und Mieterverbands an.

Angemessene Renditen, die kontrolliert werden

Wie bei allen Regeln und Gesetzen muss dafür gesorgt werden, dass die Kostenmiete eingehalten wird. Bisher wurde die Verantwortung dafür vollständig auf die Mieter*innen abgeschoben. Ihnen wird heute die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb von 30 Tagen nach Schlüsselübergabe – also mitten im Zügelstress – den Mietzins anzufechten. Kein Wunder, macht das heute nur gerade ein halbes Prozent aller Mieter*innen. Verpassen sie diese 30-Tage-Frist oder trauen sie sich nicht, bei der neuen Vermieterschaft die Anfangsmiete anzufechten, müssen sie für immer mit den übersetzten Renditen leben und diese Monat für Monat bezahlen.

Diesen Missstand behebt die Initiative mit einer automatischen und regelmässigen Überprüfung, wie wir sie von vielen anderen Gesetzen her kennen. Mit der Kombination von klaren Regeln gegen missbräuchliche Renditen und den Kontrollen würde die Initiative bei einer Annahme endlich dafür sorgen, dass die Mieten wieder tragbar werden.

Aus dem Initiativtext: Art. 109 Abs. 1bis (neu):

«Ein Mietzins ist missbräuchlich, wenn er die tatsächlichen Kosten für die Mietsache zuzüglich einer angemessenen Rendite übersteigt oder wenn er auf einem übersetzten Kaufpreis beruht.»

Aus dem Initiativtext: Art. 109 Abs. 1ter (neu):

«Die Mietzinse müssen automatisch und regelmässig überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Eine Überprüfung findet auch auf Verlangen der Mieterschaft statt.»

Angemessene Rendite
In einer Reihe von Leiturteilen hat sich das Bundesgericht dazu geäussert, was eine angemessene Rendite ist. Für die Festlegung hat sich aus rechtlichen und ökonomischen Überlegungen die folgende Formel etabliert: aktuell geltender hypothekarischer Referenzzinssatz plus Rendite.
Aktuell darf die Rendite zum Beispiel bei einem Neubau oder einer Totalsanierung 5 % (1,5 % Referenzzinssatz + 3,5 % Rendite) der gesamten Investitionskosten ausmachen. Wenn jemand also ein Stück Land kauft, darauf ein Objekt mit sechs Wohnungen baut und dafür insgesamt 6 Millionen bezahlt, darf diese Vermieterschaft pro Monat Mieteinnahmen von 25’000 Franken oder gut 4100 Franken pro Wohnung einnehmen. Bei älteren Objekten begrenzt das Bundesgericht den Spielraum stärker, die Mieteinnahmen dürfen aber immer noch 3,5 % (Referenzzinssatz + 2 % Rendite) des Eigenkapitals betragen.

Text: Lorenz Keller

Im Paradies regt sich Widerstand

Sils Maria im Engadin. Foto: Keystone/Michelangelo Oprandi

Leerstehende Feriendomizile zuhauf, aber die arbeitende Bevölkerung findet keine bezahlbaren Wohnungen: Im Engadin und anderswo spitzt sich die Lage zu. Einzelne Gemeinden halten dagegen, mit einigem Erfolg.

Ankommen im Oberengadin. Nach knapp zwei Stunden fährt der Zug der Rhätischen Bahn, der auf der Albula­strecke soeben rund tausend Höhen­meter überwunden hat, im Bahnhof Samedan ein. Der blaue Himmel, die nahen Bergflanken und die winterlichen Temperaturen versprechen frische, gesunde Luft. Stattdessen empfängt starker Kerosingeruch die Ankom­menden. Es wird wohl gerade ein Pri­vatjet gelandet oder gestartet sein auf dem nahen Flugplatz. Samedan liegt unweit von St. Moritz. Weitere beliebte Ferienorte wie Pontresina und Sils Maria befinden sich in nächster Nähe. Das Bündner Hochtal kennt man auf der ganzen Welt. Oder besser: Kennen die Reichen dieser Welt. Und nicht wenige von ihnen freuen sich über ein paar Tage Ferien im Jahr in dieser fantastischen Bergwelt – manche im Hotel, andere im eigenen Haus oder der privaten Ferien­wohnung, ihrem Zweit- oder Drittzuhause. Es kommt also nicht von unge­fähr, dass der bekannte Umweltschützer Franz Weber im Engadin in den 1960er-Jahren seinen ersten grossen Kampf führte. Mit Erfolg: Die Seenebene und Ufer sind geschützt und dürfen nicht verbaut werden.

Die Tricks in Bundesbern

Mehr als 40 Jahre später war Franz Weber wieder erfolgreich: Die Schweizer Stimmbevölkerung nahm 2012 die Zweit­wohnungsinitiative an. Sie wollte den Anteil von Zweitwohnungen pro Ge­meinde auf 20 Prozent begrenzen (wo diese nicht ohnehin schon überschritten sind). Aber in Bundesbern ist eine Mehrheit der Parlamentarier*innen mit der Bau-und Immobilienwirtschaft verban­delt. Das Gesetz zur Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative sollte die Land­schaft vor Verbauung und die Menschen vor Verdrängung schützen – Ersteres funktioniert nur beschränkt und Letz­teres gar nicht. Denn das Parlament be­schloss, die sogenannt altrechtlichen Wohnungen und Häuser – jene, die vor 2012 schon standen – nicht vor der Um­wandlung von Erst- in Zweitwohnungen zu schützen.

Um den bestmöglichen Preis geht es bei Immobilienverkäufen fast immer. Vielen Mieter*innen bleibt dann nur die Wahl zwischen Wegzug und überrissenen Mieten.

Das heisst, es können allmählich alle einstigen Erstwohnungen zu Zweitwoh­nungen werden. Verkäufe und Kündi­gungen sind schon jetzt die Folge davon, Mieter*innen werden aus ihren Häusern verdrängt. Und auf der grünen Wiese, am Rande der Dörfer, entstehen doch weiter neue Häuser – weil Einheimische nur noch dort wohnen können. Die prob­lematische Entwicklung beschleunigt ausgerechnet ein Bündner: In Bundes­bern erwirkte der Mitte-Politiker Martin Candinas eine weitere Lockerung des Zweitwohnungsgesetzes – jetzt ist es noch attraktiver, Häuser abzureissen und an ihrer Stelle Zweitwohnungen zu er­stellen. Wegen dieser «Lex Candinas» wird sich die Lage für die Mieter*innen im Engadin und anderswo in touristi­schen Berggemeinden noch mehr zu­spitzen, denn Zweitwohnsitze lassen sich sehr viel teurer verkaufen und vermieten als Erstwohnungen. Erstwohnungen werden von Menschen gesucht, die dort, wo sie leben, arbeiten – und die von ihrer Arbeit leben. In den touristischen Alpen­regionen sind dies mehrheitlich Personen in Berufen mit niedrigen Löhnen: Gast­gewerbe, Hotellerie und überhaupt Tou­rismus, Verkauf, Bau, auch Pflege. Wer sich hingegen an solchen Orten eine Zweit-Immobilie leisten kann, gehört zu den weit überdurchschnittlich Verdie­nenden, zu den Vermögenden.

Um den bestmöglichen Preis geht es bei Immobilienverkäufen fast immer. Vielen Mieter*innen bleibt dann nur die Wahl zwischen Wegzug und überrissenen Mieten. Das wirkt sich auch auf die Be­völkerungsstruktur in den Gemeinden aus: Wer arbeitet noch im Spital? Und wer sitzt am Schalter der Bergbahn und an der Kasse im Lebensmittelgeschäft?

Ausgehebelte Gemeindegesetze

In Sils hat die Schulleiterin an der Ge­meindeversammlung darauf hingewiesen, dass die Zukunft der Schule ungewiss sei, weil die Kinder fehlen. Familien haben kaum noch eine Chance, eine bezahlbare Wohnung zu finden.

Dabei ist Sils eigentlich ein Vorzei­geort nicht nur wegen seiner Schönheit. Im Engadin war es eines der ersten Dörfer, die mit einem kommunalen Ge­setz Erstwohnungen zu schützen ver­suchten, andere Gemeinden folgten dem Vorbild. Doch dann kam das in Bern gestaltete immobilienfreundliche Zweit­wohnungsgesetz. Es hebelte die vorherigen, den Zweitwohnungsbau regulie­renden Gemeindegesetze weitgehend aus. Man dachte, das nationale Gesetz und die daraus abgeleiteten neuen kom­munalen Zweitwohnungsgesetze würden die alten Regeln ersetzen. Ein Irrtum mit weitreichenden Folgen, erst recht seit die Immobilienlobby auch die «Lex Candinas» durchgewunken hat, sogar gegen die eindringliche Empfehlung eines besorgten Bundesrats.

In Pontresina versuchte man es mit einer Spezialsteuer für «Zweitheimische» – mit den Einnahmen wollte man bezahl­baren neuen Wohnraum für Einheimische schaffen, für ein lebendiges Dorf auch in Zukunft. Aber der Widerstand war zu gross, die Vermögenden zu mächtig. Das Projekt scheiterte – wie zuvor ein ver­gleichbares in der Gemeinde Silvaplana.

In Sils brachte der Gemeinderat letztes Jahr mehrere Vorschläge zur Ab­stimmung. Der grösste Hebel wäre ge­wesen, altrechtliche Wohnungen nach Abriss und Neubau oder Totalsanierung mindestens zur Hälfte als Erstwohnungen zu erhalten – es hätten also nicht einfach ebenfalls lauter Zweitwohnungen daraus werden dürfen. Aber die Vorlage hatte keine Chance. Seither sei das Dorf ge­spalten, sagt Urs Kienberger, der viele Jahre das berühmte Hotel Waldhaus ge­führt hat. Dabei sei fast allen klar, dass gehandelt werden müsse. Aber die Situa­tion sei vertrackt. «Die Menschen hier sind stolz darauf, dass Sils noch immer ein so schöner Ort ist. Sie möchten, dass das Dorf attraktiv bleibt, deshalb gibt es einen starken Konsens für Zurückhaltung beim Bauen. Aber das erhöht den Druck auf die altrechtlichen Wohnungen. Die müssten besser geschützt werden. Das Dorf soll ja weiterhin auch von Familien bewohnt bleiben.»

«Die Menschen hier sind stolz darauf, dass Sils ein so schöner Ort ist.»

Der Druck steigt und steigt

Zu den frühen regulierenden Mass­nahmen von Sils gehörte ein obligatori­scher Erstwohnungsanteil bei Neubau­projekten, den erhöhte man 2010 sogar auf 50 Prozent. So konnten über hundert neue Wohnungen für die ansässige Bevölkerung geschaffen werden. Das Zweit­wohnungsgesetz brachte aber auch das Silser Modell durcheinander, «und vor allem setzten sie in Bern die Initiative sehr fragwürdig in ein Gesetz um. Da hatten die Initiativgegner viel mehr die Federführung als die Befürworter», sagt Urs Kienberger. Jetzt müssen die Ge­meinden strengere Gesetze erlassen, um ihre bestehenden Erstwohnungen zu schützen, aber, sagt der pensionierte Ho­telier: «Verbote sind auf kommunaler Ebene viel schwieriger einzuführen und einzuhalten als auf nationaler.»

2018 – also noch vor Corona – dachte man in Sils noch, man könne das Gesetz sogar ein wenig zusätzlich lockern: Die bis dahin kommunal geschützten Erst­wohnungen sollten nach 20 Jahren durch Bezahlen einer Ablösesumme in eine Zweitwohnung umgewandelt werden können. Doch dann verstärkte die Pan­demie den Druck auf den Wohnraum in den schönen und gut erschlossenen Alpen zusätzlich. Der Gemeindevorstand schlug nun vor, die Lockerung wieder rückgängig zu machen. Aber dieser Vor­schlag hatte im Juni 2024 an der Gemein­deversammlung keine Chance. Erst jetzt gelang es in einem zweiten Anlauf, den Schutz wieder einzuführen. Eine Einheimische hatte die Initiative ergriffen, Urs Kienberger und ein ehemaliger Gemeindepräsident zogen mit und gemeinsam erreichten sie eine Mehrheit. Es sei ein kleiner Schritt, sagt die Gemeindepräsidentin, Barbara Aeschbacher, zum Erfolg, aber immerhin: «Es ist gelungen, die neu geschaffenen Erstwohnungen wieder zu schützen. Der Druck ist gross, das rechtfertigt die Rückkehr zum bewährten Hebel.»

Pioniergemeinde Flims

Über den Silser Erfolg freut sich auch die Bündner Grossrätin Franziska Preisig (siehe Interview). Die Juristin lebt mit ihrer Familie in der Oberengadiner Ge­meinde Samedan in einer Mietwohnung und weiss nie, wie lange noch. Sie enga­giert sich auch im Mieterinnen-und Mie­terverband Graubünden und kennt die Ausgangslage im Engadin bestens: Sie er­zählt: «Flims hat den viel grösseren Coup gelandet.» Das bei Wintertourist*innen beliebte Flims liegt in der Surselva (dem Tal, aus dem auch der Mitte-Politiker Candinas stammt). Auch hier habe die Nachfrage nach Wohnraum in den ver­gangenen Jahren stark zugenommen, mit stark steigenden Immobilienpreisen als Konsequenz, wie die Gemeinde schreibt: «Dies erhöht den Druck auf die altrechtlichen Wohnungen stark, sodass diese vermehrt auf dem Zweitwohnungsmarkt gehandelt werden.» Und das wiederum führe zu unerwünschten Auswirkungen: Verdrängung der einheimischen Bevölkerung, fehlende Erstwohnungen für Neuzuzüger*innen, Entleerung des Dorfzentrums, Abwanderung. Und auch in Flims hätten Betriebe zunehmend Mühe, Personal zu finden, nicht zuletzt «auf­grund von fehlendem Wohnraum». Mindestens hundert Erstwohnungen wurden innerhalb von nur fünf Jahren in Zweitwohnungen umgewandelt, rechnete eine Studie der Fachhochschule Grau­bünden vor.

«Der Wohnraum ist falsch genutzt»

Im Engadin ist es kaum noch möglich, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Warum und mit welchen Folgen, erklärt die dort lebende Grossrätin Franziska Preisig. –> Zum Interview

Die Flimser Bevölkerung beschloss im 2023, mit einem obligatorischen Erstwohnungsanteil bei baulichen Massnahmen Gegensteuer zu geben.

Die Flimser Bevölkerung beschloss im November 2023 mit grosser Mehrheit, mit einem obligatorischen Erstwoh­nungsanteil bei baulichen Massnahmen Gegensteuer zu geben. So gilt jetzt das, was die Gemeindeversammlung in Sils ablehnte: eine Erstwohnungsverpflich­tung von 50 Prozent bei Abbruch und Neubau und bei einem wesentlichen Umbau, der die Raumaufteilung verän­dert und weitere Wohnungen schafft. Alternativ muss eine Abgeltung entrichtet werden, wobei die Gemeinde mit diesen Beträgen einen Fonds zum Erstellen von Erstwohnungen äufnet.

Mit der Zweitwohnungsinitiative wollte man einst die Natur und die Dörfer vor allzu vielen kalten Betten schützen. Jetzt muss man sogar die warmen Betten schützen. Aber in den Gemeinden er­kennt man zunehmend, wie problema­tisch die Bundespolitik für ihre Entwick­lung ist. Und sie handeln.

«Der Wohnraum ist falsch genutzt»

Franziska Preisig

Im Engadin ist es kaum noch möglich, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Warum und mit welchen Folgen, erklärt die dort lebende Grossrätin Franziska Preisig.

Franziska Preisig, ist die Zweitwohnungs­initiative von Franz Weber, die 2012 knapp angenommen wurde, schuld an der heutigen Wohnkrise in den touristischen Bergregionen?
Nein. Das Problem liegt in ihrer mise­rablen Umsetzung, dem Zweitwohnungs­gesetz. Ich würde sogar sagen, es sei ver­fassungswidrig. Denn gemäss Initiativtext müsste der Anteil Zweitwohnungen ja auf 20 Prozent beschränkt werden. Es dürften also keine neuen Zweitwoh­nungen entstehen, wo diese Hürde bereits überschritten ist.

Der Neubau von Zweitwohnungen und so auch die Zersiedlung konnten gestoppt werden, sagt der Bund. Warum entstehen trotzdem neue Zweitwohnungen?
Weil die bürgerlichen Politikerinnen und Politiker in Bern ganz viele Löcher ins Gesetz gebohrt haben. Eines der gra­vierendsten: Sogenannt «altrechtliche» Wohnungen – also jene, die es vor An­nahme der Initiative im März 2012 schon gab oder für die die Baubewilligung vorlag – sind nicht geschützt und ihre Besitzer in der Art und Weise der Nut­zung frei. Ältere Wohnungen können also in Erstwohnungen umgewandelt werden. Es gibt zwar im Gesetz auch einen Schutz vor Missbrauch und unerwünschten Ent­wicklungen aufgrund dieser Befreiung des altrechtlichen Bestandes …

Aber?
Das Bundesparlament hat die Verant­wortung einfach an die Kantone und Gemeinden delegiert. Quasi: Macht ihr doch! Die Kantone wollen nicht, also muss jede Gemeinde sich selber etwas einfallen lassen. Mit dem Effekt auch, dass sich Probleme in Nachbargemeinden verlagern.

Im Kanton Graubünden gehen Flims, Sils, Pontresina und einige weitere Gemeinden die Probleme aktiv an. Aber was ist mit den vielen weiteren von der Verdrängung be­troffenen, warum bewegen sie sich nicht?
Viele Gemeindevorstehende waren noch nie Mietende und finden deshalb vielleicht keinen Zugang zu den damit verbundenen Problemen, da sie nie selber betroffen waren. Andere, die sich küm­mern – oft aus dem Unterland Zugezogene –, kriegen eins aufs Dach, wie Barbara Aeschbacher in Sils.

Kümmert es die Einheimischen denn gar nicht, wenn allmählich das Personal in Spitälern, Alterszentren, Läden, Restaurants und bei Bahnen fehlt, weil sie alle keine Wohnung finden?
Doch. Denn tatsächlich spüren jetzt langsam auch diejenigen die Konse­quenzen, die sich gegen ein stärkeres Zweitwohnungsgesetz und also gegen besseren Schutz gewehrt haben. Hotels bauen wieder mehr Personalhäuser. Aber sie bauen Studios – das bringt uns zurück in die Zeiten mit dem Saisonnierstatut, als Arbeitende geholt wurden, aber ohne Familie. Unter den heutigen Bedingun­gen ist es immer schwieriger, als Ange­stellte, die zur Miete wohnen, noch eine Familie zu gründen.

Während mit den Ferienwohnungen gleichzeitig so viel Wohnraum die meiste Zeit leer steht.
Korrekt. Es gibt genug Wohnraum, aber er ist falsch genutzt. Bis zu 50 Wo­chen im Jahr kalte Betten, während gleichzeitig immer mehr Arbeitneh­mende im ÖV, in Bussen oder Autos über die Pässe zupendeln muss, es in den einst lebendigen Dörfern «tötelet» und die Schulen schliessen müssen.

Mit dem Vorstoss von Nationalrat Martin Candinas können altrechtliche Häuser von Einheimischen, wenn sie ausgekernt oder abgerissen und neu gebaut werden, als Zweitwohnungs-Immobilien auf den Markt kommen. Es gibt nicht einmal eine Verpflichtung zu teilweisen Erstwoh­nungen. Was bedeutet das?
Die weitere Lockerung des Zweitwohnungsgesetzes ist verheerend. Denn jetzt ist es noch attraktiver, altrechtliche Wohnungen in Zweitwohnungen umzu­nutzen. Als SP hätten wir einer Flexibilisierung zustimmen können, wenn gleichzeitig ein Erstwohnungsanteil von 50 Prozent im Zweitwohnungsgesetz ver­ankert worden wäre. Denn eine Flexibilisierung bei der Raumeinteilung älterer Häuser macht oftmals durchaus Sinn und kommt verschiedenen Bedürfnissen entgegen.

Wo sehen Sie den grössten Hebel für eine bessere Entwicklung?
Im Moment in einem Erstwohnungs­anteil um die 50 Prozent. Aber es braucht mehr. Die Gemeinden müssen dringendst eine aktive Wohnraumpolitik machen, Wohnraumstrategien entwickeln zu­gunsten ihrer Bevölkerung und des lokalen Gewerbes. Sonst gehen die Ver­drängung und das Aussterben der Dörfer weiter.

Interview: Esther Banz

Sozialverträgliche Neubauten sind möglich

Der Neubau an der Stelle der Siedlung Frohburg in der Stadt Zürich in einer Visualisierung.

Die Helvetia-Versicherung wird die Siedlung Frohburg im Norden der Stadt Zürich durch einen Neubau ersetzen. Im Umgang mit den Bewohner*innen geht die Eigentümerin einen ungewöhnlichen Weg.

Nur ein paar Schritte von der Station «Tierspital» und der Winterthurerstrasse entfernt findet man sich an einem ganz eigenen Ort wieder. Zwischen den beige-braunen 1950er-Jahre-Bauten, die hier stehen, gibt es viel Grün, jede Menge par­kierter Velos und zahlreiche Katzen, die über die Wiese huschen oder selbst­bewusst mitten auf dem Gehweg liegen. Alles wirkt friedlich.

So ruhig wird es in der Siedlung Froh­burg nicht bleiben. Veränderung naht. Davon zeugen die Bauprofile, die zwi­schen den Gebäuden in die Höhe ragen. «Am Anfang wirkten sie fast bedrohlich. Inzwischen haben wir uns daran ge­wöhnt», sagt Tina Janczer. «Sie stehen ja auch schon lange», ergänzt Bernadette Erismann. Die beiden Frauen wohnen in der Gartenstadtsiedlung im Norden der Stadt Zürich zwischen Winterthurer­strasse und Frohburgstrasse. Tina Janczer verbrachte hier mehr oder weniger ihr ganzes Leben, Bernadette Erismann ihr halbes. Als die Helvetia-Versicherung, die Eigentümerin, 2018 bekannt gab, dass sie die Siedlung abreissen und durch Neu­bauten ersetzen will, war das ein Schock.

Die Siedlung ist ein Pfeiler im Leben

Tina Janczer ist in der Frohburg aufgewachsen. In ihren Zwanzigern ging sie auf Reisen und kehrte danach in ihr Zuhause zurück. «Mein damaliger Partner und ich wollten nur übergangsweise hier wohnen.» Aber Tina Janczer blieb. Heute lebt die 46-Jährige mit ihrer 15-jährigen Tochter und ihrem 13-jährigen Sohn in der Frohburg – eingebettet in ein tra­gendes Familienkonstrukt. Ihre Eltern, ihre Schwester und ihr Ex-Mann – der Vater der Kinder – wohnen nur ein paar Häuser weiter. Ihr Bruder ein Stockwerk unter ihr. Janczer: «Die Kinder konnten dank dieser Nähe seit der Trennung ein­fach zwischen uns Eltern pendeln. Ich kann mich um meine Eltern kümmern und mit meinen Geschwistern eine enge Beziehung pflegen.»

Bernadette Erismann lebt seit 45 Jahren in der Siedlung. Ihr Sohn ist längst ausgezogen, ihr Mann seit fünf Jahren in einem Pflegeheim. Die 91-Jäh­rige wohnt allein und kommt bestens zurecht. Waschen in der geteilten Wasch­küche, einkaufen und Besuche bei ihrem Mann in Wollishofen, das alles schafft sie selbstständig. «Die Lage ist ideal. Das Tram ist nahe und fährt direkt nach Wollishofen. Es gibt Einkaufsmöglich­keiten und ich kenne einige Bewoh­ner*innen. Es ist schön hier», sagt sie. Dem schliesst sich Sarah Hubmann an. Die 45-Jährige zog 2003 als Studentin hierher. Sie kann sich keinen besseren Ort vorstellen. «Ich schätze die Nähe zum Wald und die Ruhe. Man ist etwas abseits vom Trubel und doch schnell mitten in der Stadt.» Für alle drei ist klar: Sie wollen hier noch lange bleiben.

Helvetia handelt «positiv pionierhaft»

Mit der Ankündigung der Helvetia-Versicherung schien dieser Wunsch für einen Moment zu einer Unmöglichkeit zu verkommen. Denn das Neubauprojekt erinnert auf den ersten Blick an Verdich­tungsgeschichten, wie man sie aus Zürich nur zu gut kennt: In die Jahre gekom­mene Siedlungen müssen Neubauten weichen. Mehr Wohnungen, höhere Mieten, mehr Rendite lautet das Motto. Die bisherigen Bewohner*innen werden verdrängt.

Auch in der Frohburg wird verdichtet: Wo heute 303 Wohnungen stehen, soll es in einigen Jahren mehr als doppelt so viele geben. 657 plant die Helvetia-Versicherung. Dazu einen Kindergarten mit Hort, einen Laden und ein Café. In einem Punkt geht die Helvetia aber einen anderen Weg – einen «positiv pionierhaften», findet Walter Angst, Co-Geschäftsleiter des Mieterinnen-und Mieterverbands Zürich. Die Eigentümerin will dafür sorgen, dass langjäh­rige Mieter*innen in der Siedlung bleiben können. Dazu bietet sie ihnen preisgüns­tige Wohnungen im Neubau. «Für unsere Altmietenden möchten wir ein Vorzugs­recht für neue Wohnungen in einem sehr tieferen Preissegment gewähren», erklärt Rebecca Blum, Mediensprecherin bei Helvetia. Das Recht gilt für rund 90 Miet­parteien, die vor dem Jahr 2017 einge­zogen sind.

Freiwilliges Engagement

Dieses Vorgehen freut Walter Angst. Denn: Die Eigentümerin hat sich frei­willig dazu entschieden. «Es gibt keine Verpflichtung, dass die Helvetia einen Anteil preisgünstiger Wohnungen bereit­stellen muss», so Angst. Für institutio­nelle, renditeorientierte Bauherrschaften ist das ungewöhnlich. «Für die meisten institutionellen Eigentümer*innen ist die Rendite das höchste Ziel», sagt auch Sabeth Tödtli, die das Projekt mit ihrem Verein Urban Equipe begleitet.

Auch die Etappierung des Bauvorhabens ist laut Angst durchdacht. Die Umsetzung erfolgt in zwei Teilen. In einem ersten Schritt reisst die Helvetia rund 100 Wohnungen ab, in einem zweiten die restlichen 200. Langjährige Bewohner*innen, die in den Neubau ziehen möchten und aktuell in einer Wohnung leben, die in der ersten Etappe abgerissen wird, können innerhalb der Siedlung umziehen. Die vergünstigten Wohnungen entstehen zuerst. Neben Miete und Planung wird die Zusammen­arbeit mit dem Mieterverband geschätzt – von den Bewohner*innen und der Eigentümerin. Der Verband habe in der Kommunikation mit den Mieter*innen wertvolle Hinweise geliefert, sagt Re­becca Blum. Und Tina Janczer betont: «Dass wir den Mieterverband an unserer Seite haben, ist beruhigend.»

Mietpreise sind noch unklar

Aber es gibt auch offene Fragen. Die drängendste betrifft die künftigen Miet­preise. «Das Wichtigste für eine sozialverträgliche Transformation sind bezahl­bare Mieten und eine rechtzeitige und verbindliche Kommunikation dieser Mietzinse», sagt Sabeth Tödtli. Die Hel­vetia-Versicherung hat die Preise noch nicht kommuniziert. «Aktuell können wir aufgrund noch ausstehender Formali­täten sowie des noch unklaren Zeitpunkts für die Realisierung die Mietpreise noch nicht kommunizieren», begründet Rebecca Blum. Die regulären Mieten sollen sich im ortsüblichen Rahmen bewegen. In einer Sitzung des Stadtzürcher Parlaments, in der das Bauprojekt behandelt wurde, nannte ein Vertreter der Alternativen Liste (AL) preisgünstige Mieten von 1250 Franken für eine 2,5-Zimmer-Wohnung und 2100 Franken für eine 4,5-Zimmer-Wohnung. Die Helvetia hat sich dazu nicht gäussert.

Die Bewohner*innen hoffen auf baldige Klärung. «Wir wären froh, wir wüssten, wie viel die neuen Wohnungen kosten. Wir müssen wissen, ob wir uns das leisten können», sagt Tina Janczer. Auch Sarah Hubmann betont: «Wir haben zwar dieses Versprechen der Helvetia. Es wäre aber beruhigend, die Mieten schwarz auf weiss zu haben.» Für Berna­dette Erismann ist das Timing das grösste Fragezeichen. «In meinem Alter würde ich schon gerne wissen, wie lange es noch dauert. Je nach Zeitfenster wird für mich auch eine Alterswohnung zum Thema.»

Der Mieterinnen-und Mieterverband Zürich bleibt zuversichtlich: «Langjährige Mieter*innen werden in eine mit ihrem Budget bezahlbare Neubauwohnung um­ziehen können», sagt Walter Angst. Die grosse Frage, die bleibt: Wird Helvetia das Frohburg-Modell überall umsetzen? Die Zukunft wird’s zeigen.

Text: Samantha Taylor

Gute Nachrichten für Mieterinnen und Mieter!

Mit der Senkung des Referenzzinssatzes per 3. März 2025 steht vielen Mieter*innen eine Mietreduktion zu. Das System hat aber seine Tücken: Teuerung und Kostensteigerung können gegengerechnet werden. Mit Hilfe des Mieterinnen-und Mieterverbandes überprüfen Sie ihren Anspruch ganz leicht und verlässlich.

Mieter*innen haben in diesen Zeiten nicht viel zu lachen. Die Mieten sind seit 2006 um fast 25 Prozent gestiegen. Insgesamt wurden gemäss Studien zwischen 2006 und 2023 100 Milliarden Franken zu viel Miete bezahlt. Die an sich klaren gesetzli­chen Vorgaben werden nicht umgesetzt, überrissene Mietzinse sind in der Schweiz ein reales und einschneidendes Problem. Zudem wurde 2023 der Referenzzinssatz gleich zwei Mal angehoben, was zu einer weiteren Verschärfung der Situation geführt hat.

Am vergangenen 3. März gab es für einmal Grund zur Freude. Der Referenz­zinssatz ist von 1,75% wieder auf 1,5% gesunken – damit sollten grundsätzlich die Mieten auch reduziert werden. Die Vermieterschaft gibt die Senkung jedoch selten von sich aus weiter: Mieter*innen müssen selbst aktiv werden.

Wie hängen Referenzzins und Mietzins zusammen?

Der Referenzzinssatz ist der durch­schnittliche Zinssatz aller inländischen Hypothekarforderungen der Banken in der Schweiz. Er wird vierteljährlich er­hoben, in Viertelprozent festgesetzt und vom Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) publiziert. Er wurde im Septem­ber 2008 eingeführt und betrug damals 3,5%. Anschliessend sank er bis 2023 kontinuierlich. Jede Senkung um 0,25% sollte theoretisch zu einem Rückgang der Mieten um 2,91% führen. Die Mietzins­senkungen aufgrund des Referenzzinses hätten insgesamt über 20% be­tragen sollen. Das ist nicht eingetroffen, weil die Senkung nicht systematisch weitergegeben wird.

Achtung: Teuerung!

Eine Mietreduktion zu beantragen ist sehr empfehlenswert. Aber Achtung: Das System hat so seine Tücken. Die Vermie­terschaft darf dem an sich berechtigten Anspruch auf eine Senkung die Teuerung und Kostensteigerung gegenüberstellen. Diese waren in den letzten Jahren spür­bar. Die Lebenshaltungskosten sind ange­stiegen und die Vermieterschaft darf einen Teuerungsausgleich von 40% vor­nehmen und Pauschalen für die Kosten­steigerung einsetzen. Fällt der errechnete Betrag höher aus als der Senkungsanspruch der Mieter*innen, könnte bei einem Antrag keine Mietzinsreduktion, sondern eine Mietzinserhöhung resultieren.

Nicht verzagen – den Mieterinnen-und Mieterverband fragen

Dieses Risiko besteht. Die Chance auf eine Mietreduktion aber auch. Um herauszufinden, ob man eine zugute hat, lohnt es sich also unbedingt, nachzurechnen. Mit dem Mietzinsrechner des Mieterinnen-und Mieterverbandes wissen Mieter*innen innerhalb von 5 Minuten verlässlich, ob sie Anspruch auf eine Mietzinssenkung haben (mieterverband.ch/senkung). Der Rechner be­rücksichtigt alle regionalen Besonder­heiten. Die paritätisch (mit Vertretungen der Vermieterschaft und der Mieter*in­nen) zusammengesetzten Schlichtungs­behörden rechnen nämlich nicht alle mit den gleichen Pauschalen. Der Wohnort sowie der aktuelle Mietzins sind massgebend.

Mit wenigen Klicks kann man so also den eigenen Anspruch auf Senkung über­prüfen. Der Mietzinsrechner berücksichtigt Teuerung, Kostensteigerung etc. und bietet den Nutzer*innen eine Über­sicht in Tabellenform sowie einen Mus­terbrief für die Anfechtung.

Die Mieter*innen müssen den Antrag, ein sogenanntes Herabsetzungsbegehren, schriftlich auf den nächstmöglichen Kündigungstermin unter Einhaltung der Kündigungsfrist stellen. Die Vermie­terschaft muss dann innert 30 Tagen Stellung nehmen. Antwortet die Vermie­terschaft nicht beziehungsweise nicht fristgemäss oder lehnt sie das Herabsetzungsbegehren ab, können die Mie­ter*innen innert weiteren 30 Tagen an die Schlichtungsbehörde gelangen.

Mieter*innen, die Fragen haben oder Unsicherheiten verspüren und ihren Anspruch nochmals vertieft überprüfen lassen wollen, können sich beim Miete­rinnen-und Mieterverband beraten lassen. Mitglieder können dies bei ihrer Sektion kostenlos machen.

Innerhalb der ersten Wochen nach der Referenzzinssatzsenkung wurden rund 40’000 Anfragen im Mietzinsrechner be­arbeitet und Senkungen im Wert von total 1,4 Millionen Franken berechnet. Das ergibt im Schnitt eine Mietreduktion von 60 Franken – eine kleine aber doch spür­bare Entlastung des Haushaltsbudgets und somit eine gute Nachricht. Die Miet­krise in der Schweiz lässt sich damit je­doch nicht lösen. Dafür braucht es politi­sche Massnahmen.

Text: Romina Loliva

Update (April 2025): Mittlerweile wurden bereits knapp 60’000 Mietzinsen überprüft, wobei bei knapp 70 Prozent davon ein Senkungsanspruch festgestellt werden konnte. Die durchschnittliche Mietreduktion beträgt weiterhin knapp 60 Franken pro Monat – insgesamt wären das Senkungen im Wert von total 2,3 Millionen Franken.

Wer hat Anspruch auf eine Mietreduktion?
Der Anspruch auf eine Mietzinssenkung wird aufgrund der letzten sogenannten Mietzinsfestsetzung berechnet. Basis ist also das Niveau:
• beim Abschluss des Mietvertrags, wenn seither keine Anpassung erfolgte;
• oder dasjenige nach der letzten Mietzinserhöhung;
• oder aber was von der Schlichtungs­behörde oder einem Gericht im Rahmen einer Mietzinsfestsetzung verfügt wurde.

Konkret haben Mieter*innen Anspruch, wenn:
• ihre Miete auf einem Referenzzins­satz von 1,75% oder höher beruht;
• ihre Miete aufgrund der Erhöhung des Referenzzinssatzes im Dezember 2023 auf 1,75% erhöht wurde;
• sie seit Dezember 2023 einen Mietvertrag abgeschlossen haben;
• sie langjährige Mieter*innen sind, die nie eine Senkung bekommen haben, und die Miete immer noch auf einem Referenzzins von über 1,75% beruht.

Man kann ja nicht nicht wohnen

Foto: Keystone/Manuel Geisser

Kaum jemand hält sich noch an das geltende Mietrecht. Deshalb steigen die Mieten kontinuierlich. Die Bevölkerung muss dies korrigieren und das Abzocken von Mietenden stoppen. Der Mieterinnen- und Mieterverband lanciert eine Volksinitiative.

Sie fragen sich, warum die Mieten steigen und steigen?

Eigentlich haben wir ein kluges Mietrecht. Mieten müssen sich nämlich an den realen Kosten der Vermietenden orientieren, abseits des Prinzips von «Angebot und Nachfrage». Zusätzlich darf nur eine beschränkte Rendite gemacht werden. Diese weise Regelung hat die Gesetzgeberin sehenden Auges gemacht. Würde man nämlich die Mietpreisbildung dem sogenannten Markt überlassen, könnte die Vermieterseite den Preis bestimmen. Die Konsequenzen für die Mietenden wären fatal: Man muss ja wohnen, man kann ja nicht nicht wohnen. Es herrscht also ökonomisch ausgedrückt Konsumzwang. Dort, wo die Arbeitsplätze sind, gibt es immer eine das Angebot übersteigende Nachfrage nach Wohnraum. Wenn nämlich mehr gebaut wird, kommen mehr Leute. Diese gehen ins Restaurant, zum Coiffeur, haben Kinder, die zur Schule gehen, und so weiter. Das schafft mehr Arbeitsplätze, was wiederum mehr Nachfrage nach Wohnraum nach sich zieht. Das Angebot hinkt also immer hinterher, egal, wie viel man baut. In der Ökonomie nennt man genau das einen «Anbietermarkt». Die Vermietenden können also den Preis festlegen und so die maximale Zahlungsfähigkeit der Mietenden abschöpfen, also eine maximale Rendite erzielen. Unser System sagt deshalb «Nein»! Nein, liebe Vermietende, ihr dürft keine beliebige Rendite machen, und die Mieten müssen sich nach den Kosten richten.

Sie fragen sich nun erst recht, warum dann die Mieten trotzdem so krass gestiegen sind in den letzten 20 Jahren?

Die Kosten für die Vermietenden sind wegen der historischen Tiefzinsphase massiv gesunken. Also hätten die Mieten im Gegenteil sinken müssen, weil sie sich ja an den realen Kosten zu orientieren haben. Dass dies nicht geschah, liegt daran, dass sich kaum mehr jemand an das geltende Mietrecht hält. Zinssenkungen werden zum Teil nicht weitergegeben. Der grösste Mietpreistreiber aber ist, dass bei Wohnungswechseln die Mieten einfach erhöht werden, obwohl das missbräuchlich und damit rechtswidrig ist. Einfach mal ein paar hundert Franken aufschlagen ohne den geringsten Mehrwert, ohne Leistung.

Sie fragen sich, wie das möglich ist?

Warum müssen sich Vermietende nicht ans geltende Mietrecht – also die Kostenmiete mit dem Renditedeckel – halten? Das ist so, weil sie es einfach können; denn die sogenannten Anfangsmieten müssen von den Mietenden vor einer Schlichtungsstelle angefochten werden. Und zwar im ersten Monat. Das machen circa 0,2% der Mietenden.

Sie fragen sich, warum so wenige Leute sich wehren?

Ganz einfach: Zuerst müsste man wissen, dass man das kann; viele haben aber von ihren Rechten keine Ahnung. Dann sollte man sich auch getrauen. Viele haben Angst – jetzt, da sie endlich eine neue Wohnung gefunden haben –, dass ihnen wieder gekündigt wird, wenn sie die Vermieterschaft vor Gericht ziehen. Und schliesslich hat man doch gerade in Treu und Glauben einen Mietvertrag unterschrieben. Juristenzeug schreckt viele ab. Dazu muss man auch noch Zeit haben, mitten im Umzugsstress die Miete anzufechten. Dass die einzelnen Mieterinnen und Mieter selbst für die Durchsetzung des Mietrechts sorgen müssen, ist deshalb ganz offensichtlich eine Zumutung.

Und so kommt es, dass die Mieten Jahr für Jahr steigen. Mietende zahlen über 10 Milliarden oder 360 Franken pro Monat zu viel gemessen an den gesetzlichen Vorgaben. Die Vermieterlobby hat also schleichend eine Marktmiete eingeführt, ohne je einen Buchstaben des Gesetzes zu ändern. Ohne dass die Bevölkerung je mit einer Abstimmung etwas dazu zu sagen gehabt hätte.

Sie fragen sich, wie lange wir dem noch zuschauen wollen?

Keinen Moment länger, denn dieses volkswirtschaftliche Debakel, diese gesetzeswidrige Ungerechtigkeit müssen wir stoppen. Die Bevölkerung muss korrigieren können. Der Mieterinnen- und Mieterverband lanciert eine Volks­initiative: Erstens müssen die Kostenmiete und die beschränkte Rendite endlich konkret in die Verfassung geschrieben werden. Und zweitens braucht es eine periodische automatische Überprüfung der Mietpreise. Denn schliesslich geht es hier nicht um irgendwelche Regeln zu Turnschuhen, sondern um die Durchsetzung eines Rechts rund um das Zuhause der Menschen und um den grössten Posten im Haushaltsbudget.

Text: Jacqueline Badran

Jacqueline Badran, SP-Nationalrätin und Vorstandsmitglied des
Mieterinnen- und Mieterverbands Schweiz