Ob Dackel, Siamkatze oder Goldfisch: Haustiere führen immer wieder zu Konflikten zwischen Mieter*innen und Vermieter*innen. Für die Haustierhaltung gelten in der Schweiz bestimmte Regeln.
Die Szene, die sich vor dem Tierheim abspielt, könnte herzzerreissender nicht sein. Tränen kullern über die Wangen der Kinder, als sie ihren Chihuahua-Welpen «Rambo» ein letztes Mal knuddeln. Lisa und Bernhard Kunz wollten den Kindern eigentlich eine Freude bereiten, als sie ihnen den kleinen Hund zu Weihnachten schenkten. Leider währte die Freude nur kurz. Als die Vermieterin die Kinder mit dem neuen vierbeinigen Mitbewohner im Treppenhaus antraf, war sie ausser Rand und Band. Sie verlangte, dass die Familie «Rambo» wieder weggibt, und drohte mit der Kündigung. Gemäss Mietvertrag sei die Tierhaltung verboten.
Darf die Vermieterschaft die Tierhaltung überhaupt verbieten? Bei dieser Frage gehen die Meinungen auseinander. Namhafte Jurist*innen meinen Nein, weil Tierhaltung ein unveräusserliches Persönlichkeitsrecht sei. Auch das deutsche Bundesverfassungsgericht teilt diese Ansicht. Es entschied im Jahr 2013, dass Vermieter*innen die Tierhaltung nicht ohne sachlichen Grund verbieten können. Hierzulande sind die Richter*innen jedoch weniger tierfreundlich. Gemäss gegenwärtiger schweizerischer Rechtsprechung ist ein Tierhalteverbot im Mietvertrag zulässig. Wer sich darüber hinwegsetzt, riskiert im Extremfall die Kündigung.
Ein Blick in den Mietvertrag lohnt sich
Ist die Haustierhaltung im Mietvertrag nicht geregelt, ist sie grundsätzlich gestattet. Eine Ausnahme gilt für ungewöhnliche Tierarten mit einem hohen Stör- oder Gefährdungspotenzial, wie etwa Papageien, Spinnen und Giftschlangen, oder für Haustiere, die in grosser Zahl gehalten werden. Zudem dürfen gewisse exotische Tierarten und gewisse Wildtiere nur mit einer Bewilligung des kantonalen Veterinäramts gehalten werden.
Die Tierhaltung muss sich in einem normalen Rahmen bewegen, weil die Vermieterschaft auf den vertragsgemässen Gebrauch der Wohnung pochen kann. Nicht zum normalen Gebrauch gehört zum Beispiel eine Hundezucht mit regelmässigen Würfen. Als Tierhalter*in muss man auf die anderen Hausbewohner*innen Rücksicht nehmen und dafür sorgen, dass keine übermässigen Lärm- oder Geruchsemissionen vom Tier ausgehen. Gibt ein Haustier im Einzelfall zu Klagen Anlass, so kann die Vermieterschaft in jedem Fall verlangen, dass der*die Besitzer*in es weggibt. Im Normalfall hat sie zuerst schriftlich zu mahnen, bevor sie die definitive Beseitigung des Störenfrieds verlangt.
Tierhaltung nur mit Einwilligung
Die meisten Mietverträge verbieten die Tierhaltung nicht per se, sondern machen sie von der Einwilligung der Vermieterschaft abhängig. Diese kann die Zustimmung zur Tierhaltung jedoch nach Lust und Laune erteilen oder verweigern. Eine besondere Begründung ist nicht nötig. Mieter*innen sollten die Zustimmung unbedingt vor der Anschaffung des Tieres und aus Beweisgründen schriftlich einholen. Ansonsten riskieren sie, dass sie den tierischen Freund gleich wieder weggeben müssen. Denn nicht jede*r Vermieter*in lässt sich mit einem Hundeblick umstimmen. Eine einmal erteilte Einwilligung kann die Vermieterschaft aber nicht ohne triftigen Grund widerrufen. Damit würde sie gegen das Gebot von Treu und Glauben verstossen. Sie ist aber auch kein Freipass. Sorgt das Tier immer wieder für Ärger, kann die Vermieterschaft ihr Einverständnis zum Wohl der übrigen Hausbewohner*innen zurücknehmen.
Ist die Haustierhaltung im Mietvertrag erlaubt, bleibt sie dies auch dann, wenn die Vermieterschaft die Liegenschaft verkauft. Die neue Eigentümerschaft muss die mietvertraglich erteilte Zustimmung zur Heimtierhaltung also übernehmen.
Kein Recht auf Gleichbehandlung
In der Wohnung unter der Familie Kunz lebt Herbert Hunkeler mit seinem Dobermann Oskar. Kann die Vermieterin ihnen das Halten eines Hundes vertraglich verbieten, obwohl der Nachbar ebenfalls einen Hund besitzt? Die Empörung der Familie Kunz über diese Ungerechtigkeit ist nachvollziehbar. Leider lässt sich aber rechtlich nichts dagegen tun. Denn im Mietrecht gibt es grundsätzlich kein Gleichbehandlungsgebot. Erschüttert über die traurige Geschichte von Rambo macht sich Hunkeler nun seinerseits Sorgen um seinen Oskar. Denn auch in seinem Mietvertrag ist das Halten eines Hundes ausdrücklich verboten.
Stillschweigende Genehmigung
Kann die Vermieterin nun plötzlich verlangen, dass er Oskar weggibt? Dies obwohl sie Oskar bei jeder Gelegenheit mit einem Rädchen Wurst verwöhnt? Nein, denn Hunkeler kann sich auf das Gewohnheitsrecht berufen. Besitzt er als Mieter seit längerer Zeit einen Hund, darf er ihn behalten. Jedenfalls dann, wenn die Vermieterin von seinem vierbeinigen Gefährten wusste. Dann spielt es keine Rolle, was im Mietvertrag steht oder ob die Vermieterin die Hundehaltung ausdrücklich erlaubt hat. Das Tier gilt als stillschweigend genehmigt. Die Genehmigung kann allerdings widerrufen werden, wenn der Hund für Ärger sorgt.
Kleintiere sind erlaubt
Um die Kinder zu trösten, will die Familie Kunz einen Wellensittich anschaffen. Diesen kann die Vermieterin nicht verbieten. Denn unproblematische Kleintiere wie Wellensittiche, Meerschweinchen, Hamster und Zierfische sind in jedem Fall erlaubt. Und zwar selbst dann, wenn die Tierhaltung im Mietvertrag ausdrücklich verboten wurde. Dies allerdings nur, solange die Tierchen nicht in grosser Anzahl gehalten werden und nicht zu Klagen Anlass geben. Die Familie Kunz sollte aber bedenken, dass Wellensittiche sozial lebende Tiere sind. Deshalb dürfen sie von Gesetzes wegen nicht allein gehalten werden. Auch beim Gehege müssen gewisse Vorschriften eingehalten werden. Sie müssen so gebaut sein, dass die Verletzungsgefahr gering ist und die Tiere nicht entweichen können. Zudem müssen Einrichtung und Raumangebot den Wellensittichen arttypisches Verhalten ermöglichen. Und da Wellensittiche gerne baden, ist eine Badegelegenheit ein Muss. Für andere Heimtiere gelten ähnliche Vorschriften. Die nützlichen Informationen dazu finden sich auf der Website des Bundesamts für Veterinärwesen und Lebensmittelsicherheit. Unklar ist, ob auch Katzen als unproblematische Kleintiere gelten können, solange sie die Wohnung nicht verlassen. Wer seinen Stubentiger nicht hinauslässt, müsste den Vermieter demnach nicht um Erlaubnis fragen.
Nützlicher Vertragszusatz
Viele Vermieter*innen erlauben die Haustierhaltung deshalb nicht, weil die Rechte und Pflichten für die Tierhaltung nirgends genau geregelt sind. Wenn sie einmal Ja zu einem Tier gesagt haben, ist unklar, welche Regeln gelten. Hier kann der Vertragszusatz des IEMT Abhilfe schaffen: Das Institut für Interdisziplinäre Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung hat Regeln erarbeitet, die sowohl die Interessen von Vermieter*innen und Mieter*innen als auch das Bedürfnis der Tiere nach artgerechter Haltung berücksichtigen. Sollte die Vermieterschaft also mit der Zustimmung zögern, können Mieter*innen ihr diesen Vertragszusatz vorschlagen.
Mit einem Tier zu leben und eine Beziehung zu ihm aufzubauen, ist zweifellos bereichernd. Auch Mieter*innen sollten die Möglichkeit dazu haben. Zu bedenken ist allerdings, dass eine Mietwohnung nicht jedem Tier eine artgerechte Umgebung bietet. Echte Tierliebhaber*innen verzichten deshalb im Zweifelsfall lieber darauf, in ihrer Wohnung ein Tier zu halten.
Text: Fabian Gloor