Für viele Paare ist die erste gemeinsame Wohnung ein wichtiger Schritt. Ein klarer Blick auf die Konsequenzen eines gemeinsamen Mietvertrags ist trotz rosaroter Brille unabdingbar.
Sandra Haas und Franziska Bär sind ein Paar. Während Haas eine grosszügige 3-Zimmer-Wohnung in Zürich bewohnt, haust Bär noch immer in einer Studi-WG in Bern. Dort teilt sie die Wohnung mit Horst Fuchs. Nach erfolgreichem Abschluss des Studiums hat Bär vor kurzem eine Stelle in Zürich gefunden. Die Suche nach einer preisgünstigen Wohnung in Zürich verläuft allerdings harzig. Deshalb bietet ihr Haas an, bei ihr einzuziehen. Bär ist von diesem nächsten grossen Schritt in ihrer Beziehung begeistert. Anders die Vermieterin. Diese will davon nichts wissen: Die 3-Zimmer-Wohnung sei nur für eine Person bestimmt. So stehe es explizit im Mietvertrag, insistiert sie.
Damit liegt sie jedoch falsch. Den*die Lebenspartner*in bei sich aufnehmen zu können, ist ein Persönlichkeitsrecht. Und dieses lässt sich mietvertraglich nicht wegbedingen. Solange die Wohnung nicht überbelegt ist, kann die Vermieterin nichts gegen das Zusammenleben der beiden einwenden. Als Lebenspartnerin gilt Bär auch nicht als Untermieterin. Selbst dann nicht, wenn sie sich am Mietzins beteiligt. Deshalb braucht es auch keine Zustimmung der Vermieterin, wie dies bei einer Untervermietung gesetzlich notwendig wäre.
Ohne Mietvertrag ist Bär jedoch vom Schutz des Mietrechts ausgeschlossen. Würde Haas plötzlich verlangen, dass sie wieder auszieht, so hätte sie keine Möglichkeit, sich zu wehren. Um dieses Ungleichgewicht der Rechte zu vermeiden, möchten Bär und Haas den Mietvertrag gemeinsam unterzeichnen. So wären sie gleichberechtigt. Ein Recht auf einen gemeinsamen Mietvertrag haben sie aber wiederum nicht. Die Vermieterin muss damit einverstanden sein. Schliesslich willigt sie in einen gemeinsamen Vertrag ein.
Ein gemeinsamer Mietvertrag bietet für sie mehr finanzielle Sicherheit, denn Bär und Haas haften dadurch solidarisch. Das bedeutet, dass die Vermieterin den vollen Mietzins wie auch andere Geldforderungen aus dem Mietverhältnis künftig sowohl bei Haas als auch bei Bär einfordern kann.
Gemeinsamer Mietvertrag als Risiko
Dem Einzug ins gemeinsame Heim würde eigentlich nichts mehr im Wege stehen. Doch Bär ist noch im Untermietvertrag der Studi-WG in Bern gefangen. Die zwei WG-Gspänli waren schlau: Vor der Gründung der WG befassten sie sich intensiv mit den Vor- und Nachteilen des gemeinsamen Mietvertrags. Ein gemeinsamer Mietvertrag hätte zur Konsequenz gehabt, dass sie ihre Rechte nur gemeinsam hätten ausüben können. Auch eine Kündigung wäre nur gemeinsam möglich gewesen. Bär könnte deshalb nun nicht einfach allein kündigen, sondern Fuchs müsste die Kündigung mitunterschreiben. Der gemeinsame Mietvertrag wäre dadurch als Ganzes aufgehoben und Fuchs müsste mit dem Vermieter einen neuen Vertrag abschliessen, sofern er weiter in der Wohnung bleiben möchte.
Darauf hätte er aber leider keinen Anspruch. Unter Umständen käme dem Vermieter eine Kündigung sogar gelegen: Er könnte die Wohnung jemand anderem vermieten oder von Fuchs einen höheren Mietzins verlangen. Um eine Kündigung zu verhindern, bliebe Fuchs einzig die Möglichkeit, den Vermieter zu bitten, den Mietvertrag auf ihn umzuschreiben. Auch bei dieser Variante hängt aber alles vom Goodwill des Vermieters ab und besteht das Risiko, dass dieser den Mietzins erhöht.
Mehr Flexibilität dank Untermietvertrag
Aber wie gesagt: Bär und Fuchs haben sich vor der WG-Gründung gut informiert. Weil Flexibilität ihnen ein zentrales Anliegen war, kam ein gemeinsamer Vertrag für sie nicht infrage. Fuchs unterschrieb den Mietvertrag stattdessen alleine und schloss mit Bär einen Untermietvertrag ab. In dieser Konstellation sind die beiden nun nicht gleichberechtigt. Fuchs haftet allein für allfällige Mietzinsausstände. Zusätzlich ist er dem Vermieter gegenüber für Schäden verantwortlich, die seine Untermieterin anrichtet. Natürlich könnte er Bär dafür belangen. Kann sie aber nicht bezahlen, bleibt Fuchs auf dem Schaden sitzen. Darüber müssen sich Untervermieter*innen im Klaren sein.
Trotzdem ist es oft empfehlenswert, eine WG auf Untermietverhältnissen aufzubauen. Käme es zu Streit – und damit muss man immer rechnen –, könnte Fuchs als Hauptmieter seiner Untermieterin einseitig kündigen. Im Gegenzug kann sich Bär mit einer termin- und fristgerechten, an Fuchs adressierten Kündigung aus dem Mietvertrag befreien. Auf das Hauptmietverhältnis zwischen Fuchs und dem Vermieter hätte Bärs Kündigung keinen Einfluss.
Dass Bär ihre neue Stelle bereits in einem Monat antritt, die Kündigungsfrist des Untermietvertrags aber drei Monate beträgt, ist kein Problem. Indem sie Fuchs eine Person vorschlägt, die ihren Untermietvertrag zu den gleichen Bedingungen übernimmt, kann Bär sich vorzeitig von ihren mietvertraglichen Pflichten befreien. Wie in solchen Fällen üblich, muss die vorgeschlagene Person zumutbar und zahlungsfähig sein. In einer WG werden an die Zumutbarkeit höhere Anforderungen gestellt. So muss die vorgeschlagene Person zu derjenigen passen, die in der Wohnung verbleibt.
Trau, schau wem
Das gemeinsame Glück von Sandra Haas und Franziska Bär währt leider nicht lange, schon bald möchten sie wieder getrennte Wege gehen. Bär ist bereits ausgezogen. Trotz Auszug bleibt sie wegen des gemeinsamen Mietvertrags Mitmieterin. Haas hat ihr zwar zugesichert, dass sie künftig den gesamten Mietzins selber bezahlt. Diese Abmachung entbindet Bär jedoch nicht von der solidarischen Haftung.
Kommt Haas ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nach, kann die Vermieterin weiterhin auch Bär zur Kasse bitten, Abmachung hin oder her. Und zwar nicht nur für die volle Miete, sondern auch für die Nebenkosten und sogar für Schadenersatzkosten. Einfach kündigen kann Bär nicht, denn dafür müsste Haas mitunterschreiben und dazu ist sie nicht bereit.
Für Haas ändert sich trotz Bärs Auszug vorerst nichts. Wenn sie später einmal kündigen möchte, wird es jedoch komplizierter. Auch wenn sie ein Verfahren bei der Schlichtungsbehörde einleiten möchte, etwa um eine Mietzinserhöhung des Vermieters anzufechten. Denn dazu benötigt sie Bärs Unterschrift. Um diese Hürde zu umgehen, lässt sich Haas am besten von Bär vor dem Auszug eine Vollmacht ausstellen, mit der diese sie zur Wahrung aller Rechte ermächtigt, einschliesslich einer Kündigung und der Einleitung von Schlichtungs- und Gerichtsverfahren. Das Damoklesschwert der solidarischen Haftung schwebt bei diesem Vorgehen aber nach wie vor über Bär.
Um sich von der solidarischen Haftung endgültig zu befreien, könnte Bär im Prinzip gerichtlich gegen Haas vorgehen. Denn nach ihrem Auszug ist diese grundsätzlich verpflichtet, spätestens auf den nächstmöglichen Kündigungstermin an der Auflösung des gemeinsamen Mietvertrags mitzuwirken. Doch dieses Gerichtsverfahren ist kompliziert und nicht kostenlos. Letzten Endes würde Haas ohne Mietvertrag dastehen. Ob sie dann in der Wohnung bleiben könnte, wäre abermals vom Goodwill des Vermieters abhängig. Was ist nun die Moral der Geschichte? Überlegen Sie lieber zweimal, bevor Sie einen gemeinsamen Mietvertrag unterschreiben.
Autor: Fabian Gloor